Projekte und Forschung

Projektnummer: 03/02
Beginn und Ende 2001;
Abschluss
voraussichtlich 2005

 

Projektleiter/MitarbeiterInnen:
Tomedi/Nicolussi Castellan/Putzer

Finanzierung:
Bundesdenkmalamt; Kulturabteilung des Landes Tirol; Innsbrucker Kommunalbetriebe; Kulturabteilung der Stadt Innsbruck; Verein ArchaeoTirol

Aktivitäten und Arbeitsstand:
Grabungskampagne im Frühjahr 2001 abgeschlossen. Der Fundstoff weitgehend restauriert und zeichnerisch dokumentiert. 2 Vorberichte erschienen, 2 Vorberichte (A. Putzer) in Druck.

Rettungsgrabungen an der eisenzeitlichen Siedlung und am Brandopferplatz am Bergisel bei Innsbruck

Der Bergisel ist seit langer Zeit als bedeutender archäologischer Fundplatz bekannt. Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum befindet sich heute der Rest eines Depotfundes, dessen größerer Teil angeblich „in Wagenladungen fortgeführt und zentnerweise an Glocken- und Gelbgießer verkauft wurde“. Der genaue Fundort ist allerdings nicht mehr genau zu lokalisieren. Nach seinen sorgfältigen Recherchen vermutet W. Nachtschatt, dass das Depot mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 1844 bei Aushubarbeiten für das damalige Offizierscasino – heute Kaiserschützenmuseum – entdeckt wurde, denn dort fanden die einzigen Baumaßnahmen statt, die zeitlich mit dem rekonstruierbaren Funddatum zusammen gehen. Bis auf wenige Stücke der Spätbronze- und späten Eisenzeit sowie der römischen Kaiserzeit, die wohl teilweise dem Depot unterschoben wurden, gehören die Funde in die späte Hallstattzeit.
Deutlich im Gelände zu erkennen ist eine Wallanlage, die den Ansatz des von Westen anlaufenden schmalen Grat zur Kuppe hin durchtrennt. Trotz einer Sondierungsgrabung von Oswald Menghin im Jahre 1936 konnte die Zeitstellung der Anlage nicht geklärt werden. Die vom Ausgräber vermutete Datierung ins Mittelalter ist keinesfalls gesichert, nach heutiger Erkenntnis sogar höchst unwahrscheinlich.

1963 führte Liselotte Zemmer-Plank (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum) eine kleine Sondierungsgrabung im Bereich des Bergiselrestaurants durch. In einer ca. 30 cm dicken Brandschichte fanden sich dabei auffällig viele Bruchstücke von Gefäßen aus Keramik der späten Eisenzeit (ca. 120-15 v. Chr.). Bauliche Strukturen konnten wegen der geringen Ausdehnung der Grabungsfläche nicht erkannt werden. Die extreme Dicke der Brandschicht dürfte aber kaum von einem Schadensfeuer in einer Siedlung herrühren.
Im Zuge der Baumaßnahmen von 1960 bis 1962 für die erste Sprungschanze aus Beton für die Olympischen Spiele im Jahr 1964 sollen auf der Kuppe vorgeschichtliche Keramikfunde aufgelesen worden sein, über deren Verbleib leider nichts bekannt ist. Erst in jüngerer Zeit wurden vom Bildhauer Kassian Erhart auf der Kuppe östlich des Sprungturmes kleine Fragmente von vorgeschichtlicher Keramik und ein Bruchstück eines Bronzebleches aufgesammelt. Obertägig sind dort mehrere künstliche Gruben festzustellen, die denen auf dem Brandopferplatz am Goldbichl sehr ähnlich sind. Zumal sich zahlreiche vom Feuer gerötete oder gar verschlackte Steine sowie kalzinierte Knochen fanden, war also nach damaligem Wissenstand dort mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Brandopferplatz im Bereich der Kuppe zu rechnen, der allerdings schon beim Bau von 1962/63 weitgehend zerstört worden sein dürfte. Jedenfalls hatte man für die Fundamentierung des Turmes dort weitgehend die Kuppe abgeschoben. Bei folgenden Begehungen konnten im Gelände markante Terrassierungen am Nordabhang westlich der Schanze sowie auf einer kleinen Verebnung ein künstlich geschütteter Hügel festgestellt werden, der dem Brandopferhügel am Piller Sattel (Gem. Fließ) frappant gleicht. Aus Maulwurfshügeln in seiner Nähe wurden Holzkohlereste aufgelesen.

Neue Bauvorhaben im Jahr 2001 machten daher archäologische Untersuchungen im Auftrag des Bundesdenkmalamtes notwendig. Die Kosten übernahmen zu etwa je einem Drittel das Bundesdenkmalamt, die Kulturabteilung des Landes Tirol und die Innsbrucker Kommunalbetriebe, die Gemeinde Innsbruck übernahm die Kosten für einen Mietbagger. Mit den Arbeiten wurde der Verein ArchaeoTirol unter der Leitung des Institutes für Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck beauftragt. Geplant wurden Untersuchungen an der Kuppe östlich des alten Schanzenturmes, wo der projektierte Schrägaufzug für die neue Schanze in noch unberührtes Gelände einschneiden würde, sowie auf einer künstlichen Terrasse nordwestlich des Sprungturmes, wo die Innsbrucker Kommunalbetriebe einen Wasserhochbehälter errichten würden.

Die Kuppe war bereits zum Sprungturm hin stark abgeböscht. Daher konnte hier nur entlang der östlichen Trassenkante des Schrägaufzuges ein 15 m langes Profil erstellt werden. Knapp unter der Humusbedeckung wurde eine mächtige verziegelte Schicht angetroffen, die eindeutig das Relikt eines Brandopferplatzes darstellt. Die zugehörige Brandschichte war im oberen Bereich weitgehend aberodiert und konnte daher besonders leeseits nördlich des höchsten Punktes dokumentiert werden. Ein späthallstatt- bis frühlatènezeitliche Fibel fand sich allerdings im Humusbereich und scheidet daher für eine genaue Datierung der Endphase der Opferungen leider aus. An einem Abbruck am Nordhang der Kuppe konnten indes zahlreiche kalzinierte Knochen sowie zahlreiche zumeist vollkommen verbrannte Fragmente von Bronzeblechgefäßen aufgelesen werden. Diese Funde belegen, dass die Kuppe östlich der Böschung noch weitgehend intakt ist. Nachforschungen in diesem Bereich bleiben aber vorerst noch ein Desiderat.
Im Bereich des geplanten Wasserhochbehälters konnte eine Fläche von 10 x 17,5 m untersucht werden. Schon das Geländerelief verriet, dass dieser Bereich des Nordhanges künstlich terrassiert wurde. Die Grabungen erbrachten vier Geländestufen, wobei zwei Stufen dicht bebaut waren. Die unterste Terrasse trug ein eher leicht überwiegend aus Holz gebautes Haus (Haus 3) der Mittel- bis Spätlatènezeit, von dem nur die Südwand und ein Teil des Hausinneren freigelegt werden konnte. Der östliche Abschluss war bereits schon früheren Erdbewegungen, verm. für einen Kanal, zerstört worden, der westliche Abschluss liegt hingegen außerhalb der Grabungsfläche.
Auf der folgenden Terrasse standen zwei Häuser, die ebenfalls nur teilweise untersucht werden konnten. Die Planie für Haus 1 war deutlich in den Hang eingeschnitten. Hangseits wurde eine erstaunlich präzis gesetzte Stützmauer errichtet, die sich nach Westen außerhalb des Schnittes noch fortsetzt. Das Gebäude, das durch sein Untergangsinventar aus einer Bronzefibel im Mittellatèneschema sowie typischer Fritzens-Sanzeno-Keramik gut datiert ist, war durch Brand zerstört worden. Von Haus 2 konnte wegen der Grabungsgrenzen nur der westliche Teil ergraben werden. Es war ursprünglich mit einem steingemauerten Keller ausgestattet, der allerdings recht bald intentionell verfüllt worden war. Ein Krug vom langlebigen Typ Telfes, der am Kellerboden auflag, bietet allerdings nur einen schwachen Datierungsanhalt. Die Füllung des Kellers konnte dank einer Certosafibel in südalpiner Form aus der Deckschicht nach LT A gestellt werden.
Die nächst folgende Terrasse trug bis auf wenige Reste von niedrigen Stützmäuerchen keine baulichen Strukturen, weshalb man hier einen Weg wird vermuten dürfen. Auf der obersten Terrasse befanden sich hingegen zwei großflächige Feuerstellen, aus denen allerdings wiederum kalzinierte Knochen und zahlreiche Fragmente von verbrannten Bronzeblechen stammen. Daher wird man kaum an Koch- oder Wirtschaftsfeuer denken und eher eine rituelle Funktion erwägen. Doch muss es erstaunen, dass hier recht nahe der Häuser Opferfeuer entzündet wurden. Aus den Gebäuden stammen – abgesehen von einem Fragment eines kommunizierenden Gefäßes, wie sie sonst in Nordtirol nur vom Quellheiligtum in Telfes-Gallhof und vom Brandopferplatz am Piller Sattel bekannt geworden sind – keinerlei Objekte, die einen Hinweis auf kultische Nutzung geben würden. Doch wird erst die feinchronologische Auswertung aufzeigen können, ob hier eine zeitliche Abfolge zwischen Feuerstellen und möglicherweise profanem Siedlungbereich vorliegt.

Knapp vor Abschluss der geplanten Grabungen wurde bekannt, dass die mit der Errichtung der neuen Schanze beauftragte Baufirma den Grat, der von Westen an die Kuppe anläuft, für eine bessere Zufahrt planieren wolle. Dort zeigte das Geländerelief eine verrundet-rechteckige Grube, die auf ein weiteres eingetieftes Haus schließen ließ. Obgleich dazu keine Baugenehmigung erteilt war konnten wir gewissermaßen im Kompromiss - da sich die finanziellen Mittel ohnehin bereits neigten - der Baufirma wenigstens ein Aufschub für eine einwöchige Untersuchung des teilweise bereits gestörten Bereiches abringen.
Der nördliche Teil des Hauses war schon früher bei Wegbauarbeiten zerstört worden, der östliche Teil hingegen bei den jüngsten. So konnten von dem Gebäude konnten das westliche Mauereck sowie die daran anlaufenden Steinmäuerchen weitgehend freigelegt werden, längs derer verbrannte Schwellbalken auflagen. Das Innere des Hauses war mit einer Schicht von Asche und Holzkohlestücken verfüllt, die indes nicht vom Brand des Hauses herrühren, sondern ganz offensichtlich dort eingefüllt worden war. Darin fanden sich Konzentrationen von verkohlten Legumnosen, bes. Bohnen und Cerealien – vor allem verm. Hirse. An Funden sind neben zahlreicher fragmentierter Fritzens-Sanzeno-Keramik und geradezu Unmengen von verschmolzenen Stücken von Bronzeblechgefäßen eine Sichel (Ha D-LT A) und eine Ackerhaue aus Eisen (LT D) zu erwähnen wie auch ein Anhänger einer Gehängefibel vom Typ Landeck (Ha D 1) sowie Zierscheiben ähnlich dem Kettengehänge von Wiesing (LT C). Als Besonderheit in Nordtirol müssen zwei goldene Regenbogenschüsselchen gelten. Daher umfasst das Konvolut eine beträchtliche Zeitspanne. Der Befund erinnert an das gemauerte Geviert von Mechel in Nonsberg (Trentino), in dem ebenfalls Objekte unterschiedlichster Zeitstellung in der Brandasche offensichtlich thesauriert wurden. Eine Funktion ähnlich von „Schatzhäusern“ mag daher zu erwägen sein.

Trotz der nur recht begrenzte Flächen, die nur unter Zeitdruck archäologisch untersucht wurden, konnten doch wesentliche neue und an sich recht unterschiedliche Aspekte der Bebauung – Siedlung und Opferplatz - des Bergisels aufgezeigt werden. Weitere Forschungen würden sich also durchaus lohnen, zumal ja inzwischen weitere Flächen zu Park- und Stellflächen umgewidmet wurden. Die Funde und Befunde werden von cand. phil. Andreas Putzer im Rahmen seiner Diplomarbeit vorgelegt werden.

Haus Bergisel
Innsbruck-Bergisel: Frühlatenezeitliches Untergeschoss eines Hauses

Publikationen:

  • F. v. Wieser, Die vorgeschichtlichen Verhältnisse in Tirol und Vorarlberg. In: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild (Wien 1893).
  • Osw. Menghin, Urgeschichtliche Feldforschungen in Tirol. Wiener Prähistorische Zeitschrift 23, 1936, 81-135.
    L. Zemmer-Plank, Die Ausgrabungen auf dem Bergisel 1963. Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 48, 1968, 123-148.
  • W. Nachtschatt, Der Bronzedepotfund vom Bergisel. Mitteilsame Zeugen aus der Urzeit Innsbrucks. Maschinschr. Dissertation (Innsbruck 1995).
  • M. P. Schindler, Der Depotfund von Arbedo TI. Il ripostiglio di Arbedo TI. Antiqua 30 (Basel 1998).
  • G. Tomedi/A. Putzer, Rettungsgrabungen am Bergisel durch den Verein ArchaeoTirol im Jahr 2001. In: J. Zeisler/G. Tomedi (Hrsg.), Archäologische Forschungen und Grabungsberichte aus Tirol. ArchaeoTirol Kleine Schriften 3 (Wattens 2001) 37-52.
  • Jahresbericht 2001 der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes. Fundber. Österreich 40, 2001, 55-57.

Nach oben scrollen