51. Regenbogenfahne

Könnte Homophobie, wie in der Schweiz, strafbar gemacht werden?

ANTWORT
von Mag. Mag. Dr. Clara Rauchegger, LLM
Rechtswissenschaftliche Fakultät

Einen bestimmten Schutz gegen Homophobie bietet das Recht der Europäischen Union bereits. Die EU-Grundrechtecharta verbietet jede Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung (Artikel 21). Die EU-Grundrechtecharta fasst zusammen, welche Menschenrechte in der EU gelten. Sie ist für die EU-Institutionen immer verbindlich. Die EU-Mitgliedstaaten müssen sich an die EU-Grundrechtecharta halten, wenn sie auf nationaler Ebene EU-Recht umsetzen oder anwenden.

Außerdem sind Lesben, Bisexuelle und Schwule durch das EU-Recht vor Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung bei der Ausübung ihres Berufs geschützt. Die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie legt rechtliche Rahmenbedingungen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf fest. Dieses EU-Gesetz verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, zu verhindern, dass Homo- und Bisexuelle im Beruf aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung diskriminiert werden.

In der Schweiz wurden homophobe Äußerungen und Handlungen strafrechtlich verboten. Das bedeutet, dass es strafbar ist, andere Personen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung zu diskriminieren.

Die EU selbst könnte Homophobie nicht strafrechtlich verbieten. Die EU verfügt nämlich nur über jene Gesetzgebungskompetenzen, die ihr von den EU-Mitgliedstaaten in den EU-Verträgen übertragen werden. Sie darf also nur in jenen Bereichen Gesetze erlassen, in denen ihr die Mitgliedstaaten dies ausdrücklich erlaubt haben. Im Bereich des Strafrechts hat die EU nur eingeschränkte Kompetenzen. Sie darf nicht selbst Strafrecht zur Bekämpfung von Homophobie erlassen.

Unter bestimmten Voraussetzungen könnte die EU aber den Mitgliedstaaten vorschreiben, Homophobie strafbar zu machen. Eine erste rechtliche Voraussetzung dafür  ist, dass die EU überhaupt Vorschriften zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Ausrichtung erlassen darf, die EU also die entsprechende Gesetzgebungskompetenz hat. Nur in den Politikbereichen, in denen die EU grundsätzlich gesetzgeberisch tätig werden darf, darf sie auch Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung vorschreiben. Eine zweite Voraussetzung ist, dass die Strafbarkeit von Homophobie in den Mitgliedstaaten unerlässlich – also unbedingt notwendig – für den Schutz von Homo- und Bisexuellen vor Diskriminierung ist.

Die EU darf also Homophobie nicht selbst strafrechtlich ahnden und sie hat nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, dass diese Homophobie strafbar machen. Der Grund dafür ist, dass die EU den Mitgliedstaaten nur in den Bereichen Vorschriften machen darf, in denen die Mitgliedstaaten ihr das ausdrücklich erlaubt haben. 

Die Mitgliedstaaten könnten aber selbst entscheiden, Homophobie strafrechtlich zu regeln. Einige Mitgliedstaaten machten bestimmte Formen und Ausdrucksweisen von Homophobie bereits strafbar.
Nach oben scrollen