Kurzbericht über das Forschungsprojekt „Strategische Gewandtheit von Jugendlichen“

Dr. Simon Czermak, Dr. Francesco Feri, MMMag. Daniela Rützler,
Univ.-Prof. Dr. Matthias Sutter*

 

Strategische Entscheidungssituationen sind in unserem täglichen Leben allgegenwärtig und Fähigkeiten in Zusammenhang mit strategischem Denken können in vielen Situationen einen entscheidenden Vorteil bringen. In diesem Zusammenhang verlangen beispielsweise Entscheidungen, in einen Markt einzutreten oder nicht, über welche Straße die Stadt zu Berufsverkehrzeiten zu verlassen, oder auf welche Art und Weise bei Ebay-Auktionen zu bieten, strategische Überlegungen und Handlungen. Die strategische Gewandtheit eines Entscheidungsträgers bezieht sich auf das Ausmaß, mit dem dieser versucht, das Verhalten von anderen Personen vorherzusagen. Diese Vorhersage baut auf Überlegungen auf, bei denen die Interessen, Anreize und Gedankengänge des Gegenübers bei der eigenen Entscheidung berücksichtigt werden. Jedoch sind nicht nur Erwachsene, sondern bereits Kinder und Jugendliche während ihrer Entwicklung mit vielen Situationen konfrontiert, in denen strategisches Denken ausschlaggebend für den Erfolg sein kann. Ein Kleinkind, welches versucht seine SpielkameradInnen für ein gewisses Spiel zu überzeugen, steht beispielsweise vor einer ähnlichen strategischen Herausforderung wie ein Teenager, der seine Eltern dazu bringen möchte, für ihn zum sechzehnten Geburtstag ein Moped anzuschaffen.

Bereits seit vielen Jahrzehnten beschäftigen sich Volkswirte mit konkreten Fragestellungen, wie sich Menschen in strategischen Entscheidungssituationen verhalten und welche Auswirkungen sich dadurch auf größere Gemeinschaften ergeben. Dabei werden seit einiger Zeit Forschungsmethoden eingesetzt, bei denen meist Studenten mit abstrakten Entscheidungssituationen konfrontiert werden, um dann in weiterer Folge basierend auf deren (tatsächlich getroffenen) Entscheidungen möglichst realistische Modelle des Entscheidungsverhaltens entwickeln zu können. Um sicherzustellen, dass diese Entscheidungen möglichst ernsthaft getroffen werden, können die Teilnehmer in diesen Untersuchungen einen Verdienst erzielen, der vom konkreten Entscheidungsverhalten bestimmt ist. Seit mehreren Jahren hat sich unser Forschungsteam dieser Forschungsmethode (im Fachjargon „experimentelle Wirtschaftsforschung“ genannt) verschrieben, um verschiedensten Aspekten menschlichen Verhaltens in wirtschaftlich relevanten Situationen „auf den Grund zu gehen“. Dabei wurde vor ca. 3 Jahren ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem die strategische Gewandtheit von Erwachsenen, Teams und Jugendlichen sehr detailliert untersucht werden sollte. Da strategische Herausforderungen im täglichen Leben allgegenwärtig und vielfach von großer Wichtigkeit sind, haben die in diesem Projekt untersuchten Fragestellungen eine hohe praktische Relevanz. Eine der zentralen Erkenntnisse der Studie besteht darin, dass Teams im Vergleich zu Einzelspielern „bessere“ strategische Entscheidungen treffen. Daraus kann unmittelbar eine Handlungsempfehlung abgeleitet werden, die besagt, dass Entscheidungskompetenzen mit großer Tragweite an Teamentscheidungen geknüpft werden sollten. Des weiteren können zum Beispiel Untersuchungsergebnisse in Zusammenhang mit der Entwicklung von strategischem Denken bei Kindern und Jugendlichen gute Ansatzpunkte liefern, wenn es darum geht, die wichtige Frage zu beantworten, in welchem Alter und auf welche Art und Weise das Erlernen bzw. Trainieren strategischer Fähigkeiten besonders erfolgsversprechend ist.

Um mit Hilfe der experimentellen Wirtschaftsforschung strategische Verhaltensweisen von Jugendlichen untersuchen zu können, braucht es selbstverständlich SchülerInnen, die dazu bereit sind, einmal Teil eines wissenschaftlichen Projektes zu werden, indem sie an kontrollierten wissenschaftlichen „Strategiespielen“ teilnehmen. Wir waren daher sehr dankbar, als sich das öffentliche Gymnasium der Fanziskaner Hall im Juni 2008 dazu bereiterklärte, mit zwei Klassen der sechsten und zehnten Schulstufe entsprechende wirtschaftswissenschaftliche Experimente durchzuführen. Die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen waren so interessant und vielversprechend, dass wir uns in weiterer Folge dazu entschieden, das Altersspektrum der TeilnehmerInnen auszuweiten und die Untersuchungen im Oktober 2009 mit SchülerInnen der fünften, achten und neunten Schulstufe zu wiederholen. Dank der tatkräftigen Unterstützung des Gymnasiums der Franziskaner Hall hatten wir somit die Möglichkeit, strategisches Verhalten von ca. vier unterschiedlichen Altersklassen zwischen 10 und 16 Jahren zu untersuchen und damit den entsprechenden Entwicklungsprozess im Teenageralter quasi lückenlos zu studieren. Die Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen sind bemerkenswert. Die Auswertungen der Daten zeigen eindeutig, dass sich Fähigkeiten zu strategischem Denken bereits relativ früh bilden und schon im Alter von 10 Jahren überraschend stark ausgeprägt sind. Die Wahrscheinlichkeit, einen strategisch agierenden 10-Jährigen anzutreffen, ist fast gleich hoch wie jene bei 16-Jährigen oder gar Erwachsenen. Aber nicht nur das Alter der entscheidenden Personen, sondern auch die „Natur“ der strategischen Herausforderung spielt bei den Entscheidungen von Teenagern eine wichtige Rolle. Wie man erwarten könnte, werden strategisch schlüssige Entscheidungen seltener, wenn die Komplexität der entsprechenden Entscheidungen zunimmt. Besonders interessant ist zudem die Beobachtung, dass sinnvolle strategische Entscheidungen häufiger getroffen werden, wenn diese „fairer“ sind (d.h. wenn alle an der Entscheidung beteiligten Personen tendenziell gleich viel profitieren), oder wenn das Verlustrisiko bei nicht-strategischen Überlegungen relativ hoch ist.

Die Kooperation zwischen der Universität Innsbruck und dem Franziskaner Gymnasium Hall war für beide Seiten fruchtbar. Auf der einen Seite konnten wir wichtige Erkenntnisse über das strategische Verhalten von Jugendlichen sammeln. Auf der anderen Seite nützten die beteiligten SchülerInnen die Möglichkeit, die Tätigkeitsfelder eines/r WissenschaftlersIn und die Aufgaben einer Universität besser kennenzulernen. Im Anschluss an die Strategieexperimente blieb in den meisten Klassen noch genügend Zeit, in der wir unsere Tätigkeitsfelder vorstellen und mit den SchülerInnen die Ergebnisse, Hintergründe und den Zweck unserer Arbeit diskutieren konnten. Sowohl das rege Interesse als auch die fundierten Fragen und Argumente der SchülerInnen freute und beeindruckte uns sehr. Wir möchten uns an dieser Stelle nochmals herzlich für die Unterstützung und die gelungene Zusammenarbeit bei Herrn Direktor Mag. Gerhard Sailer, seinen MitarbeiterInnen und SchülerInnen bedanken und wünschen allen eine schöne und erholsame Ferienzeit!

* Simon Czermak, Francesco Feri, Daniela Rützler und Matthias Sutter sind Forscher am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck

 

Hier finden Sie die Zusammenfassung des bislang aus dem Projekt entstandenen wissenschaftlichen Aufsatzes:
(Durch Klick auf die Überschrift gelangen Sie zur Vollversion des Artikels)

Strategisches Denken von Jugendlichen: Evidenz von experimentellen Spielen

Wir untersuchen die Fähigkeit strategischen Denkens von Jugendlichen zwischen 9 und 17 Jahren anhand experimenteller Normalform-Spiele. Neben den Entscheidungen wurden auch deren Einschätzungen über das Verhalten ihrer Partner und Einschätzungen bezüglich Erwartungen der Partner erhoben. Unsere Ergebnisse zeigen, dass optimale Entscheidungen im Bezug auf Einschätzungen häufiger auftreten (d. h., die Entscheidungen stellen eine „beste Antwort“ dar), wenn für einen Spieler eine dominante Strategie existiert und wenn die Gleichgewichtsauszahlungen nicht zu unterschiedlich sind. Anhand eines Maximum-Likelihood-Wahrscheinlichkeitsmodells können die Individuen der Wahrscheinlichkeit nach einem von acht (nicht-)strategischen Typen zugeordnet werden. Darüber hinaus zeigen unsere Schätzungen, dass ältere Subjekte dominierte Strategien mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eliminieren und dass sich jene mit guten Mathematiknoten strategischer verhalten.

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