Abstracts

Flurnamen – gebraucht und vergessen?

Barbara Aehnlich, FSU Jena

Flurnamen als Benennungen unbewohnter Örtlichkeiten in der Siedlungsflur scheinen im aktiven Sprachgebrauch kaum mehr zu existieren – sie werden nicht gebraucht, sie sind es.1 Allen-falls, wenn sie bei der Ausweitung von Siedlungen in einen Straßennamen übergegangen sind, sind sie noch einer Vielzahl von Menschen geläufig, sonst sinkt ihre Kenntnis mit abnehmen-dem Alter der Einwohner*innen eines Ortes. In Thüringen wirke ich mit meinem Citizen-Science-Projekt „Flurnamen als Brücke zwischen Gesellschaft und Wissenschaft“2 diesem Trend entgegen. Ziel dieses Projektes und der seit 2019 in Kooperation mit der ThULB stattfindenden Digitalisierung des Thüringischen Flurnamenarchivs der FSU Jena ist die umfassende Erhebung und digitale Aufbereitung des thüringischen Flurnamenbestands.

Die bisherigen Bestände sowie die Sammlungen von über 350 Ehrenamtlichen aus dem von mir fachwissenschaftlich Projekt „Flurnamen und Regionalgeschichte“ mit dem Heimatbund Thüringen e.V. werden über das Thüringische Flurnamenportal für Wissenschaft und Öffentlichkeit sicht- und nutzbar. Dieses enthält die bisher digitalisierten Belege des Zettelarchivs (http://projekte.thulb.uni-jena.de/flurnamen/projekt.html). Das Portal verknüpft die den Fluren übergeordneten Orte mit der zugehörigen Orts-ID der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek und präsentiert die erfassten Gemarkungen in OpenStreetMap. Durch die Einbindung ehrenamtlicher Sammler*innen in die Arbeit am Portal soll das Citizen-Science-Projekt auf eine modernere Ebene gehoben und der aktuelle Gebrauch der Flurnamen in Thüringen untersucht werden. In meinem Vortrag stelle ich zum einen kurz das Thüringer Flurnamenprojekt mit seinem bürgerwissenschaftlichen Ansatz vor, zum anderen möchte ich aber eine kritische Diskussion dar-über anstoßen, inwieweit der aktive Erhalt der Namen tatsächlich notwendig und wissenschaftlich sinnvoll ist – um es provokativ zu formulieren: Reicht es nicht aus, wenn wir sie als historische (Sprach-)Denkmäler betrachten? Dabei soll zudem eine kritische Reflexion darüber er-folgen, ob und wie man die Flurnamen im aktiven Sprachgebrauch auch der jüngeren Generation (wieder) verankern kann.

1 Im Sinne von ’nicht (mehr) frisch’ (https://www.dwds.de/wb/gebraucht)
2 Gestartet am 01.01.2022.


Berglet und Talet: Über ein Hofnamenbildungsmuster im Villgratental (Osttirol)

Hubert Bergmann

Betrachtet man aktuelle Hofnamenverzeichnisse aus Osttirol, so fällt auf, dass in der Gemeinde Innervillgraten gleich mehrere Hofnamen mit einem Formans -let(e) gebildet werden (Bachlet[e], Berglet[e], Schettlet[e] etc.). Einzelne dieser Namen begegnen auch in den Nachbargemeinden Außervillgraten und Sillian.
In der Literatur wird diese auffällige, weil sonst in Osttirol unübliche Bildungsweise zwar erwähnt, doch meines Wissens nicht tiefgehender analysiert. Dies soll in dem vorliegenden Beitrag geschehen, unter Berücksichtigung mehrerer Aspekte: Einerseits soll anhand historischer Quellen versucht werden, die Entstehung und historische Entwicklung dieser unterschiedlich interpretierten Erscheinung sowie ihr Verhältnis zur Familiennamenbildung in der Region nachzuzeichnen. Andererseits wird der aktuelle Gebrauch der auf diese Weise gebildeten Namen näher betrachtet, der nicht zuletzt gewisse domänenbedingte Divergenzen (Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) aufweist.


Zur Übernahme von bayernslawischen Orts- und Gewässernamen mit ‚Jat‘ (*-ě-) ins Alt- und Mittelhochdeutsche

Harald Bichlmeier

In zwei- und mehrsprachigen Kontexten kommt es regelmäßig zu Übernahmen von Namen von der einen in die je andere(n) Sprachen. Besonderes Augenmerk verdienen hierbei Namen, die Laute enthalten, die es in der je anderen Sprache so nicht gibt, bei denen es also im Rahmen des Übernahmeprozesses zu einer Lautsubstitution kommt. Da sich Geber- und Nehmersprache ständig verändern, kann man – entsprechend gute Beleglage und genaue Kenntnis der Entwicklung beider Sprachen vorausgesetzt – durch solche Übernahmeprozesse Rückschlüsse sowohl auf die relativen (und bisweilen auch absoluten) Datierungen der sprachlichen Veränderungen in den jeweiligen Sprachen wie auf den Zeitpunkt/Zeitraum des Übernahmevorgangs ziehen.
Der gemeinslawische/bayernslawische Laut ‚Jat‘ (*-ě-) hat letztlich zweierlei Ursprung: er geht einerseits auf den Monophthong urslaw. *ē, andererseits auf den Diphthong urslaw. *ai̯ zurück, und entsteht drittens in einigen slawischen Sprachen (etwa im Tschechischen – nicht aber im Sorbischen, Polnischen) im Rahmen der sog. ‚Liquidametathese‘: urslaw. *TerT > urtschech. *TrěT (vs. ursorb. *TreT). Im Ur- und dem jüngeren Gemeinslawischen wurden Langvokale und Diphthonge mit zwei verschiedenen Intonationen realisiert, entweder neutral zirkumflektiert oder markiert akutiert. Dies ist somit auch beim ‚Jat‘ der Fall. Zudem zeigt sich bei diesem Laut im späteren Slawischen in einigen Sprachen eine Entwicklung hin zu einem steigenden/öffnenden Diphthong (*’a, *’ä) , vgl. etwa *bělъ ‚weiß‘ > poln. biały, nom.pl.m. bieli, kroat. bio, fem. bijela, während andere Sprachen einen Monophthong zeigen: slowen. bel, serb. beo, fem. bela.
Der Vortrag soll der Frage nachgehen, wie bayernslawische Namen mit diesem Laut eingedeutscht werden, ob sich hier diachronische und/oder intonatorisch und/oder gebersprachlich (Urtschechisch vs. Ursorbisch) bedingte Unterschiede zeigen lassen – ob also etwa akutiertes Jat (zumal in früh übernommenen Namen) anders eingedeutscht wird als zirkumflektiertes Jat (man vgl. etwa in Österreich früh eingedeutschtes (spät)urslaw. *lē˙sinī˙kā˙/*lě̋sьnīcā → 1002 inter Durran Liezniccham > Dürre Liesing vs. jünger eingedeutschtes *Bělica/*Bělьcь: ca. 1140 de Uelce > Fels am Wagram).
In diesem Zusammenhang ist dann möglicherweise auch zu klären, ob der Ortsname Friesen (Lkr. Bamberg): 1216 Vrisen, 1295 Vriesen … Vrisen, 1317 Oberfriesen, 1361 Frysen und weitere verwandte Namen in jener Region nun auf gemeinslaw. *Brězina o.ä. zu urslaw. *ber˙zā˙ > *brěza (so etwa schon Schwarz 1960: 309) zurückgehen können, oder in ihnen doch eher das germanische Ethnonym Friese zu vermuten ist. 


Aspekte der Namenlenkung

Albrecht Greule

Anfang Juni 2021 ging folgende Meldung durch die Presse: „Coronavirus: WHO benennt Mutationen um. Die Varianten des Coronavirus sollen künftig nach den Buchstaben des griechischen Alphabets benannt werden, um die Stigmatisierung der Länder zu vermeiden, in denen sie erstmals aufgetaucht sind.“ Damit wird an einem konkreten Fall, wenn auch an einer ungewöhnlichen Namenart, an den Virus-Namen, demonstriert, was Namenlenkung ist: Eine Instanz X (WHO) schreibt vor, dass der ursprünglich vergebene und bislang gebräuchliche Name Y einer Sache (indische Virus-Variante) ersetzt wird durch einen anderen Namen („Delta-Variante“), um Assoziation zu vermeiden („Stigmatisierung“). Es geht im Vortrag darum, die „Sprachlenkungs-Formel“ an Fallbeispielen aus der Gegenwart und der Geschichte in Bezug auch auf weitere Namenarten wie Personen-, Orts-, Länder-, Produktnamen zu überprüfen und eventuell zu erweitern. Der Namenlenkungsakt kann offensichtlich nicht nur negative Assoziationen vermeiden, sondern auch lobende, positive (euphemistische) und politische Zwecke verfolgen. Darüber hinaus wird geklärt, wie sich Namenlenkung zu Sprachlenkung verhält. Namenlenkung muss ferner von der Nomination abgegrenzt werden. Am Rande geht es auch darum, ob Pseudonyme Ergebnisse der Namenlenkung sind oder ob es sich um pragmatische Namenvariation handelt.


Petter Wenger der Muͤller – Petter Muͤller genant Wenger
Personennamen und Benennungsformen in Urbaren der Frühen Neuzeit aus dem Kanton Bern

Martina Heer

Ausgehend vom Thema meiner Dissertation geht es in diesem Beitrag um die Verwendung von Personennamen und deren  Verschriftlichungstradition in historischem Verwaltungsschriftgut des 16. Jahrhunderts aus dem Gebiet des heutigen Kantons Bern. Dabei wird der Gebrauch von unterschiedlichen Benennungsformen und -varianten, die zur Bezeichnung der hauptsächlich zinspflichtigen Personen in amtlichen Güterverzeichnissen (Urbaren) verwendet wurden, beleuchtet und Ergebnisse aus der Untersuchung präsentiert (Heer i.V.). In den Texten der Urbare werden die Personen in ganz unterschiedlicher Weise aufgeführt: Mit dem Gesamtnamen aus Ruf- und Familiennamen (z. B. Hanns Bannwart; Uͤli Abbuͤl), mit verschiedenen individuellen Zusätzen, die beispielsweise auf die verwandtschaftlichen oder familiären Verhältnisse verweisen (z. B. Peter Knoͤrj der eltter; Hanns Ruͤfflÿ, Cuͦnis bruͦder; Cristina Cristann Griessenn seligen ewirttj) oder einen Hinweis auf die handwerkliche Tätigkeit der NamenträgerInnen geben (z.B. Michel Leman der wäber; Hans Schneewlj der gerber). Diese Namenelemente können dabei jeweils auch variierend auftreten (z. B. Ita ëgel vs. Itÿ die wittwen Uͤlÿ ëgels).

Die Beispiele zeigen, dass sich eine Zweinamigkeit mit gefestigtem Familiennamen zu diesem Zeitpunkt zwar etabliert hat (vgl. Baumgartner 1983: 76–79; Fähndrich 2000: 129; Mischke 2015: 369), dass aber eine grosse Vielfalt an Formen der Benennung sichtbar wird, die auf soziale Namenspraktiken innerhalb einer Gesellschaft schliessen lässt (vgl. Rolker 2009: 6–8 u. 2014: 10–13; Siegfried 2018: 31–32). Der Beitrag diskutiert Variation der Personennamen und Benennungsformen und geht dabei den Fragen nach, welche möglichen extralinguistischen Faktoren diese Formen und Varianten beeinflusst haben und wie mittels der Namennutzung soziale und ökonomische Zugehörigkeiten geschaffen wurden.

Literatur
Baumgartner, Xaver (1983): Namengebung im mittelalterlichen Zürich. Die alt- und mittelhochdeutschen Personennamen der Zürcher Überlieferung vom Jahr 1000 bis zum Jahr 1254. Arbon: Eurotext (= Studia Fähndrich, Thomas (2000): Zuger Familiennamen. Entstehungsprozesse, Verfestigung, Bedeutungen. Zug: Kalt-Zehnder (= Beiträge zur Zuger Geschichte 14).
Heer, Martina (i. V.): Historische Personennamen – Benennungsformen, Benennungsvariation und Benennungspraktiken in Berner Urbaren des 16. Jahrhunderts. 
Mischke, Jürgen (2015): Familiennamen im mittelalterlichen Basel. Kulturhistorische Studien zu ihrer Entstehung und zeitgenössischen Bedeutung. Basel: Schwabe.
Rolker, Christof (2009): How to do things with names: Indexikalische Funktion und symbolische Nutzungen von Personennamen. Konstanz.
Rolker, Christof (2014): Das Spiel der Namen. Familie, Verwandtschaft und Geschlecht im spätmittelalterlichen Konstanz. Ostfildern: Thorbecke (= Serie Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen).
Siegfried, Inga (2018): Personennamen als verkörperte Wissensansprüche. In: Nübling, Damaris/Hirschauer, Stefan (Hrsg.): Namen und Geschlechter. Berlin/Boston: De Gruyter. (= Linguistik – Impulse & Tendenzen 76), S. 29–44.

Martina Heer, MA, Universität Bern, Institut für Germanistik, Länggassstrasse 49, 3012 Bern, martina.heer@unibe.ch


Gebrauch von Personennamen bei neubenannten Toponymen in Oberösterreich

Karl Hohensinner, Adalbert-Stifter-Institut Linz

Seit den 1930er-Jahren entstanden in Oberösterreich viele Neubaugebiete. Teils wurde die Benennung an die bestehende Toponymie angeschlossen, teils kam es zu onymischen Neuprägungen. Schwerpunkthaft werden hier von Letzteren jene dargestellt, die deanthroponymisch geprägt sind.
Als Gruppen lassen sich feststellen:

  • Benennung nach historischen Persönlichkeiten (z. B. Bernascheksiedlung nach Richard Bernaschek [1888–1945], sozialdemokratischer Landespolitiker und Schutzbundführer);
  • nach Vulgonamen von Landwirten (z. B. Bindermichl nach Michael Traunfellner, genannt Binder Michl);
  • nach Familiennamen ehemaliger Grundbesitzer (z. B. Fekete nach Josef Fekete, einem Tapezierermeister aus Wien, der 1945 am betreffenden Ort eine Polstermöbelfabrik gründete);
  • nach Heiligennamen (z. B. Barbara nach der Hl. Barbara in Bezug zu Bergbau; Sankt Isidor nach dem Patron der Kinderdorforganisation);
  • nach Familiennamen von ortsansässig gewordenen Personen (z. B. Mahringer-Höller-Siedlung mit den FN der Besitzer des ersten und des letzten Hauses an einer Straße).

Hinsichtlich des Bildungsmusters enthalten diese Ortsnamen häufig das Grundwort Siedlung. Das Referenzobjekt durchläuft meist eine Entwicklung von einer unbebauten Flur oder einem Einzelhof zu einer Gruppe von Häusern, die unter einem gemeinsamen Ortsnamen eine Einheit bilden. Nach intensiverer Ausbauphase kann es zur Einführung von Straßennamen kommen, wobei der gemeinsame Name wieder verloren gehen oder nur mehr in einem von mehreren örtlichen Straßennamen weiterbestehen kann. Durch die Siedlungsentwicklung können ursprüngliche Benennungsmotivationen verblassen und Namenteile abgeändert werden: Aus der VD-Siedlung (die Abkürzung – ausgesprochen vau-de – steht für Volksdeutsche) wird die Buchbergsiedlung. Aus dem Erikalager (NS-Rüstungsbetrieb mit Arbeitslager mit dem Tarnnamen Erika wird die Erikasiedlung, nach Einführung der Straßennamen entsteht eine Erikastraße. Abschließend wird die Frage beleuchtet, ob die Neupräguung deanthroponymischer Ortsnamen derzeit tendenziell im Zunehmen oder im Abnehmen begriffen ist.


Niedersorbische Namen online

Joanna Szczepańska, Christian Zschieschang

Der Rückgang der Sprecher des Niedersorbischen bringt es mit sich, dass auch das Wissen um die richtige Verwendung niedersorbischer Namen abnimmt. Dies gilt

  1. für die Wahl derjenigen Namenform, die im traditionellen niedersorbischen Sprachgebrauch verankert ist oder durch die sorbische Lexikographie kodifiziert wurde, weniger aus puristischen Gründen hinsichtlich einer „Reinheit“ des Sorbischen von deutschen Namenformen als vielmehr aus praktischen Gründen der Verständlichkeit und eindeutiger geographischer Bezüge;
  2. für die orthographisch korrekte Schreibung, die ein großes Problem darstellt. Selbst auf offiziellen Beschilderungen findet man häufig einen falschen Gebrauch von diakritischen Zeichen;
  3. für die richtige Flexion der Namen, die ebenfalls eine häufige Fehlerquelle ist.

Außerdem gehören die Eigennamen natürlich zu einer Sprache selbstverständlich mit dazu, und deren umfassende Dokumentation bliebe ohne ihre Berücksichtigung unvollständig. Aus diesen Gründen wurde schon vor einiger Zeit das zentrale Sprachportal des Niedersorbischen (www.niedersorbisch.de), das Lexika, Korpustexte und vieles mehr umfasst, um einen Bereich „Sorbische Namen“ erweitert. Hier wurden und werden sukzessive relevante Informationen bereitgestellt, um den Gebrauch sorbischer Namen zu unterstützen. Hierzu gehören auch etymologische Informationen zu den einzelnen Namen, die in der Bevölkerung gemeinhin auf ein breites Interesse stoßen. Um diesbezüglich umfassende Informationen zu bieten, wurde ein System von modular strukturierten Namenartikeln entwickelt, mit dem nicht nur auf die Semantik der Basislexeme eingegangen wird, sondern auch auf die Namenbildung, die Motivation und andere Aspekte der jeweiligen Benennung.
Die auf Eigennamen bezogenen Bereiche des Portals „niedersorbisch.de“ werden im Vortrag vorgestellt. Diese stehen teilweise in Wechselwirkung mit aktuellen Tendenzen des niedersorbischen Namengebrauchs.

Joanna Szczepańska, Christian Zschieschang; Serbski institut · Sorbisches Institut, Wótnožka za dolnoserbske slěźenja · Zweigstelle für niedersorbische Forschungen, Droga Augusta Bebela 82 · August-Bebel-Straße 82, D-03046 Chóśebuz · Cottbus; joanna.szczepanska@serbski-institut.de, christian.zschieschang@serbski-institut.de 


„Schreibfehler“ in der AMAP Austria des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen – Ursache für oder Resultat von Veränderungsprozessen in der Oronymie?

Judith Jambor

Das österreichische Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen ist Herausgeber der staatlichen Österreichkarte, welche als Grundlage für weitere Kartenwerke wie z. B. Wanderkarten dient. Dieses Produkt ist auch online unter dem Namen Austrian Map online, kurz AMAP, öffentlich und kostenlos zugänglich. Bei Recherchearbeiten für ein Projekt über Tiroler Oronyme wurden neben diesem Kartenwerk auch andere, aktuelle und historische, verwendet. Dabei fiel im synchronen Vergleich auf, dass in der AMAP einzelne Bergnamen in abweichender, sinnverändernder Schreibweise verzeichnet sind. Wanderkarten, die auf der AMAP aufbauen, enthalten teilweise ebenfalls diese Abweichungen. Diese veränderten Namensformen erscheinen in weiterer Folge auch in diversen Wanderführern und Bergsteigerblogs. Im folgenden Beitrag soll nun versucht werden zu eruieren, ob die Namensvarianten im Sprachgebrauch bereits vorhanden waren und so in die AMAP aufgenommen wurden oder ob, umgekehrt, durch die abweichende Verschriftlichung diese neuen Formen von den nachfolgenden Werken übernommen worden sind.  


Personennamentypen in (früh)mittelalterlichen Ortsnamen im östlichen Bayern 

Wolfgang Janka

In meinem Referat werde ich mich mit dem Vorkommen verschiedener Personennamentypen in (früh)mittelalterlichen Ortsnamen im östlichen Bayern befassen. Dabei sollen die anthroponymischen Bestimmungswörter bzw. Ableitungsbasen von deutschen Ortsnamen und von slawisch-deutschen Mischnamen verschiedener Typen (v. a. Namen auf ‑ing, ‑dorf und -ried) sowie die Basen von slawischen Ortsnamen daraufhin untersucht werden, welche Typen von Personennamen - zweigliedrige Vollnamen, Kurznamen, Kosenamen, Übernamen - in welchem Umfang auftreten. Lassen sich hier Tendenzen des Namengebrauchs (Bevorzugung/Verdrängung bestimmter PN-Typen) oder Namenareale (mit siedlungsgeschichtlichen Implikationen) feststellen? Welche Ergebnisse erbringt der typologische Vergleich der bairischen und der slawischen PN, die in ON enthalten sind?


Samuel Klein und seine volksetymologische bzw. namenkundliche Spracharbeit zur Erhaltung der Buleener Sprache

Erika Kegyes

Samuel Klein (1847-1915) war ein Schuldirektor in Dobschau (ung. Dobsina, slow. Dobšiná) und agierte als Sprachwissenschaftler, Dichter und Historiker für die Erhaltung der Dobschauer Volkssprache, die im Volksmund Buleener Sprache genannt wird. Nach den Untersuchungen von Gustav Mraz (1909: Der Dobschauer deutsche Dialect) zeigt das Buleenerische ganz viele Ähnlichkeiten mit bayrischen Dialekten. In den Lebzeiten von Samuel Klein sprach die Bevölkerung von  Dobschau vorwiegend Deutsch, aber die Buleener Bergleute haben schon damals eine Sprachinsel gebildet, da ihre Sprache, das Buleenerische so einen eigenartigen Entwicklungsweg hatte, dass sie von den anderen, in der Gegend gesprochenen deutschen Dialekten sehr abwich. Stationen dieses Entwicklungswegs zeigen Sagen, Lieder und Geschichten der Buleener, von denen viele von Samuel Klein aufgezeichnet und nachgedichtet wurden, um sie als Erzähltexte der Buleenerschen Namengebung für das Land und seine Leute zu erhalten.
Im Beitrag wird untersucht, wie in diesen Texten der Prozess der volksetymologischen Namengebung beschrieben wird und mit welchen sprachlichen Strategien die Geschichten zur Namengebung unterstützt werden. Ein Beispiel dafür: Julius Lux (1912) konnte nachweisen, dass der Name Topschau (Dobschau) eine Zusammensetzung ist, aus dem Namen des örtlichen Baches (Topsch) und aus dem deutschen Wort Au. Es gibt aber mehrere Geschichten, die im Volksmund erzählt wurden, warum diese oberungarische Bergbausiedlung Dobschau heißt. Eine Geschichte verdanken wir dem damaligen Dorfpastor, der ein Gedicht zum Namen der Siedlung schrieb, in dem sich ein gewisser Tobias nach der mühsamen unterirdischen Bergbauarbeit sehr gern auf der Au neben dem Bergwerk in die Sonne legte. Samuel Klein bearbeitete in seinen beiden Sammlungen (1906: Bulleenia. Verses mondák, 1914: Topscher Gatscholper) die Geschichte der Namengebung anders: Die Bergleute sind aus dem Bergwerk immer sehr hungrig nach Hause gegangen und haben immer zuerst „in den Topf geschaut“. Als Formel des Abschieds verbreitetete sich nun der Ausruf: „Schau in den Topf!“, woraus der Name Topschau abzuleiten ist. Im Beitrag wird aufgrund auch anderer interessanten Beispiele besprochen, wie die typischen Buleenerschen geographischen Namen wie zum Beispiel Siedlungsnamen und Grubennamen, aber auch Personennamen (darunter auch Spottnamen) entstanden sind und wie diese volksetymologischen Weisheiten in literarischer Version bei Samuel Klein behandelt werden. Als Korpus der Untersuchung dienen aber nicht nur seine Nachdichtungen der volksmündlichen Erzählungen der Namengebung, sondern auch seine linguistische Spracharbeit, in der er die Dobschauer Namen sprachhistorisch untersuchte. Volksetymologische Erklärungen werden auf diese Weise sprachhistorischen Belegen gegenübergestellt, um aufzeigen zu können, welche Rolle die Namen in der Volksdichtung spielen und wie die Narrativen der Namengebung zur Erhaltung einer Sprache beitragen können.


Die Varianz von mündlichen Ortsnamenformen am Beispiel der wil-Namen

Mirjam Kilchmann

Ortsnamen mit dem Grundwort -wil zeigen im deutschsprachigen Raum und insbesondere in der Deutschschweiz grosse Schwankungen zwischen Anfangs- und Endbetonung (vgl. Löffler 1968, Pitz 1997). Diese Schwankungen wurden für die Deutschschweiz mithilfe einer statistischen Untersuchung der Lautformen von rund 400 zusammengesetzten wil-Namen untersucht und erklärt: Die Betonungsart eines wil-Namens hängt einerseits mit der Silbenzahl des Bestimmungsworts und andererseits mit der Lage des Orts in der Sprachlandschaft zusammen (s. Kilchmann 2022). Für ein Gebiet der Schweiz, welches die Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Luzern und Solothurn sowie Teile des Kantons Bern (Oberaargau und Emmental) umfasst, konnte allerdings für ein- und denselben Ortsnamen wiederholt eine Varianz in der Betonungsweise beobachtet werden. Es handelt sich um rund 50 wil-Namen mit einem einsilbigen Bestimmungswort und einem im mündlichen Gebrauch reduzierten Grundwort ‑mel, bel, el bzw. ‑mu, bu, u (die Reduktion wird in der offiziellen Namenform nicht angezeigt und das Grundwort wird <wil> geschrieben). Liegt das Grundwort -wil in reduzierter Form vor, wird der Name stets anfangsbetont. Die Angaben zur Anfangsbetonung und zum reduzierten Grundwort dieser Namen stammen aus den Daten der Materialsammlung A. Für dieselben Namen wird in der Materialsammlung B jedoch Endbetonung angegeben, was impliziert, dass für die entsprechenden wil-Namen in Sammlung B die schriftnähere Aussprachevariante ‑wil und keine Reduktionsformen erhoben wurden. Die beiden im 20. Jahrhundert entstandenen Sammlungen unterscheiden sich sowohl bezüglich des Erhebungszeitpunkts als auch bezüglich der Erhebungsart voneinander. Es stellt sich die Frage, durch welche Faktoren die mündliche Varianz dieser wil-Namen beeinflusst werden: Handelt es sich um einen zeitlichen Prozess oder um eine gleichzeitige Erscheinung? Spielt der Gesprächskontext eine Rolle, etwa, wenn der Sprecher vom ortsfremden Gegenüber verstanden werden möchte? Spielen soziopragmatische Faktoren mit, etwa, wenn sich die Sprecherin als Einheimische darstellen möchte? (Vgl. zu ähnlichen Fragestellungen Wolfensberger 1967 und Christen 2007.) Die Untersuchung widmet sich den Erscheinungsformen und den Ursachen mündlicher Varianz von Ortsnamen im Sprachgebrauch.

 Literatur:
Christen, Helen (2007): Familiennamen: Lokale Identitätsmarker oder be­sondere Wörter? In: Beiträge zur Namenforschung, NF 42, Nr. 4, S. 419–439.
Kilchmann, Mirjam (2022): Lautwandel in der Toponymie: am Beispiel von Deutschschweizer Siedlungsnamen (Regensburger Studien zur Namenforschung 11). Regensburg.
Löffler, Heinrich (1968): Die Weilerorte in Oberschwaben. Eine namenkund­liche Untersuchung (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Lan­deskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Forschungen 42). Stuttgart.
Pitz, Martina (1997): Siedlungsnamen auf -villare (-weiler, -villers) zwischen Mosel, Hunsrück und Vogesen. Untersuchungen zu einem germanisch-roma­nischen Mischtypus der jüngeren Merowinger- und der Karolingerzeit (Bei­träge zur Sprache im Saar-Mosel-Raum 12/1). Saarbrücken.
Wolfensberger, Heinz (1967): Mundartwandel im 20. Jahrhundert dargestellt an Ausschnitten aus dem Sprachleben der Gemeinde Stäfa. Frauen­feld.


Humanistennamen im 17. Jahrhundert. Zur Latinisierung von Familiennamen in den sozinianischen Briefwechseln

Daniel Kroiß, Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz

Als sich der Humanismus in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts nördlich der Alpen auszubreiten begann, latinisierten und gräzisierten Gelehrte ihren Familiennamen nach italienischem Vorbild und verwendeten diese Formen zunehmend auch außerhalb literarischer und universitärer Kreise. Diese sogenannten Humanistennamen, deren Vorkommen erst im späten
17. Jahrhundert deutlich abnahm, sind Gegenstand mehrerer onomastischer Darstellungen, doch wie sie in frühneuzeitlichen Gelehrtenkreisen verwendet wurden, wurde bislang nicht untersucht. 

Als Quelle für eine Studie zur Bildung und Verwendung von Humanistennamen im 17. Jahrhundert eignet sich der umfangreiche Briefwechsel der Sozinianer, der derzeit an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz graphbasiert ediert wird (www.sozinianer.de). Die Vertreter des aus dem Protestantismus hervorgegangenen Sozinianismus (benannt nach dem italienischen Theologen Fausto Sozzini, 1539–1604) traten für ein tolerantes, pluralistisches Verständnis des Christentums ein und sahen in der subjektiven Vernunft die letzte Entscheidungsinstanz, wodurch ihr theologisches Konzept auch mit den aufkommenden modernen Naturwissenschaften kompatibel war. Die Sozinianer standen im Austausch mit namhaften Vertretern verschiedener Fachgebiete in ganz Europa, darunter Philosophen wie Hugo Grotius (1585–1645)
und Astronomen wie Johannes Hevelius (1611–1687).

Die digitale Edition dieser in großen Teilen bislang schwer zugänglichen Korrespondenzen ermöglicht einen umfangreichen Einblick in die Kommunikation unter Gelehrten im 17. Jahrhundert.1 Im Vortrag wird untersucht, wie, von wem, in welchen Kontexten und mit welcher Funktion in diesen Briefen latinisierte oder native Namenformen verwendet wurden. Da einige der Briefe in unterschiedlichen Fassungen vorliegen, kann an ausgewählten Beispielen zudem aufgezeigt werden, ob Anpassungen von Familiennamen stattfanden, wenn etwa eine Handschrift in eine gedruckte (historische) Briefsammlung gelangte oder eine Briefskizze vor dem Versand vom Deutschen oder Französischen ins Lateinische übersetzt wurde. 1 Bearbeitet wurden bislang v. a. Briefe aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.


Namen, Nummern und die Gouvernementalität onymischen Menschseins

Miriam Lind, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Personennamen leisten neben der Identifizierung und Individualisierung von Personen innerhalb einer Gesellschaft auch die Markierung der Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft: „Namenlose [...] stehen außerhalb der Gemeinschaft, sie sind nicht aufgenommen in den Kreis der individualisierten, identifizierten, ‚persönlichen‘ Namenträger“ (Kalverkämper 1978: 35). Weiterhin sind Namen hochgradig kulturspezifisch: wer von wem wann und wie welche Namen verliehen bekommt, unterscheidet sich in hohem Maße von Gesellschaft zu Gesellschaft. Dabei spielen auch die jeweiligen nationalen Gesetze und administrativen Vorgaben eine wichtige Rolle, die über die Vergabe von Personennamen, deren Qualität und Quantität bestimmen. Diese legislativen Rahmungen können maximal liberal sein wie z.B. im heutigen Schweden oder aber maximal restriktiv wie im Deutschland des Nationalsozialismus, wo Namenwechsel streng überwacht und mit Rasseideologien verknüpft waren, Zwangsnamen an die jüdische Bevölkerung vergeben wurden und Menschen, die im Konzentrationslager Auschwitz interniert waren, ihre Namen aberkannt und zur Identifikation Nummern tätowiert wurden (vgl. Bering 1992, Därmann 2010).
Personennamen, ihre Vergabe und ihre Verwendung im Sprachgebrauch sind also eingebunden in Machtkonstellationen und Beherrschungstechniken, die mit Foucaults (1978) Konzept der Gouvernementalität beschrieben werden können. Wer welche Namen tragen, wer sie vergeben darf und wem sie wann aberkannt werden können, ist eng verbunden mit kulturellen und politischen Ideologien und Dominanzverhältnissen (z.B. Alia 2007). 
Dieser Vortrag macht ein Kontinuum der Gouvernementalität von Personennamen auf, das von völliger Freiheit in der Namenvergabe und -verwendung und über qualitative Vorgaben der Benennung sowie der häufig daraus resultierenden Mehrnamigkeit im alltäglichen Sprachgebrauch (vgl. Lindgren 2011) bis hin zur Aberkennung des Namens und der Reduzierung des Menschen auf eine (Verwaltungs-)Nummer reicht. Als Datenmaterial dienen Fallstudien zum Umgang mit indigenen Namen in Nordamerika und Skandinavien (z.B. Dunning 2012, Lindgren 2011, Littlefield/Underhill 1971) sowie Arbeiten und (auto)biographische Berichte zur Namenpolitik im deutschen Nationalsozialismus und zur Nummerntätowierung im KZ Auschwitz (z.B. Därmann 2010, Levi 1961).
Literatur:
Alia, Valerie (2007): Names and Nunavut: Culture and Identity in the Inuit Homeland. New York/Oxford: Berghahn.
Bering, Dietz (1992): Der Name als Stigma. Stuttgart: Klett-Cotta. 
Därmann, Iris (2010): Zur Nummerntätowierung im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. In: Iris Därmann & Thomas Macho (Hg.), Unter die Haut. Tätowierungen als Logo- und Piktogramme. Leiden: Brill, 231-253.
Dunning, Nora (2012): Reflections of a disk-less Inuk on Canada’s Eskimo identification system. In: Études/Inuit/Studies 36 (2), 209-226.
Foucault, Michel (2007): Security, Territory, Population: Lectures at the Collège de France 1977-1978. Palgrave Macmillan: Basingstoke.
Kalverkämper, Hartwig (1978): Textlinguistik der Eigennamen. Stuttgart: Klett-Cotta. 
Levi, Primo (1961): Ist das ein Mensch? [Autorisierte Übertragung aus dem Italienischen von Heinz Riedt]. Frankfurt a.M. u.a.: Fischer.
Lindgren, Anna-Riitta (2011): Parallele personnavn i et trespråklig miljø. In: NOA norsk som andrespråk 27 (1), 33-58.
Littlefield, Daniel F./Underhill, Lonnie E. (1971): Renaming the American Indian: 1890-1913. In: American Studies 12 (2), 33-45.


Entwicklungstendenzen der zeitgenössischen inoffiziellen Anthroponymie und ihre Erforschung in Tschechien und in der Slowakei

Milan Harvalík (Bratislava) – Iveta Valentová (Bratislava)

In Tschechien und in der Slowakei existiert ein zweigliedriges offizielles Namenssystem, das aus dem Vornamen und dem erblichen Nachnamen besteht. Die Verbindung des Vornamens und des Nachnamens ist im Sinne der einschlägigen Gesetze die stabilisierte amtliche (offizielle, standardisierte, grundlegende) Benennung jedes Bürgers und jeder Bürgerin der Tschechischen und Slowakischen Republik, aber daneben gibt es im Tschechischen und Slowakischen – wie auch in allen anderen Sprachen – eine Reihe von inoffiziellen Anthroponymen.
In diesem Beitrag werden die charakteristischen Merkmale und Tendenzen in der Entwicklung der inoffiziellen Anthroponymie in beiden Ländern untersucht, insbesondere in der Zeit von 1989 bis heute. Besonderes Augenmerk wird auf den Status und die Funktion der inoffiziellen Anthroponyme in der Kommunikation gelegt, insbesondere im Hinblick auf ihre Variabilität, wobei Proprialkommunikationsvarianten (solche Formen von Eigennamen, die sich von der gleichen Basis (dem gleichen Etymon) ableiten wie die (offizielle) Grundform des Namens, die jedoch in ihren Lauten, Wortbildung, paradigmatisch, in ihren grammatischen Zahl oder Geschlecht modifiziert sind), und Proprialbenennungsvarianten, bei denen die Variabilität den propriale Benennungsakt betrifft und bei dessen Realisierung ein neuer Eigenname für das jeweilige anthroponymische Objekt entsteht, so dass es zu einer Mehrnamigkeit gelangt, unterschieden werden.

PhDr. Milan Harvalík, Ph.D., Sprachwissenschaftliches Ľudovít-Štúr-Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, 
Abteilung der Geschichte der slowakischen Sprache, Onomastik und Etymologie, Panská 26, SK-813 64 Bratislava, Slowakei, Tel. 00421/254 431 761, E-Mail milan.harvalik@juls.savba.sk
Mgr. Iveta Valentová, PhD., Sprachwissenschaftliches Ľudovít-Štúr-Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, Abteilung der Geschichte der slowakischen Sprache, Onomastik und Etymologie, Panská 26, SK-813 64  Bratislava, Slowakei, Tel. 00421/254 431 761, E-Mail iveta.valentova@juls.savba.sk

 


Wenn das Löwenmaul das Hündchen trifft – zum interkulturellen Vergleich umgangssprachlicher Pflanzenbezeichnungen 

Michael Reichelt

Volkstümliche Pflanzenbezeichnungen verwenden im Gegensatz zu wissenschaftlichen Pflanzenbezeichnungen (binären Nomenklaturen) keine zweigliedrigen Strukturen, in denen der Gattungsname (erster Teil) und der Name der Art (zweiter Teil)  mit zumeist lateinischen Wörtern angegeben werden. Die 1735 von Carl von Linné eingeführte binäre Nomenklatur wird in der Botanik international einheitlich verwendet, weil sie wesentlich eindeutiger als die volkstümlichen Pflanzennamen ist (vgl. Seybold, 6ff.). So kann es nämlich durchaus vorkommen, dass unterschiedliche Pflanzenarten den gleichen Namen tragen, wie z.B. die Butterblume. Dieser Name steht dabei im Volksmund als unspezifischer Ausdruck für verschiedene goldgelb blühende Wiesenpflanzen. Die meisten dieser Pflanzen gehören zur Familie der Hahnenfußgewächse (u.a. die Sumpfdotterblume, der Scharfe Hahnenfuß, die Trollblume und das Scharbockskraut). Gelegentlich wird auch der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum officinale) aus der Familie der Korbblütler als Butterblume bezeichnet. Trotzdem bieten natürlich gerade die volkstümlichen Pflanzennamen ein überaus produktives und spannendes Untersuchungsfeld.
Der Beitrag möchte nun im Themenspektrum „Namengebrauch im mehrsprachigen Kontext“ unterschiedliche volkstümliche Pflanzenbezeichnungen europäischer Sprachen unter wortbildungstechnischen und etymologischen Kriterien miteinander vergleichen. Es geht dabei v.a. um die Frage, welche Motive solchen Pflanzennamen aus dem Volksmund zu eigen sind und wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Bezeichnungsstrategien bestehen. Als sinn- und namengebende Motive bei volkstümlichen Pflanzenbezeichnungen gelten v.a. Form, Aussehen, Standort, Verwendungszweck, Farbe, die Ähnlichkeit mit Gegenständen, Tieren usw. (vgl. Korkisch, 37). Referenzsprachen stellen andere europäische Sprachen dar. Das Korpus ist dabei alphabetisch aufgebaut und besteht aus einigen der gängigsten Pflanzennamen unserer Sprach- und Kulturlandschaft. Das im Titel benannte Löwenmaul (Antirrhinum majus) heißt beispielsweise auch im Russischen so, trägt darüber hinaus aber auch noch den Namen собачки-долгоцветки, was so viel wie Hündchen-Langblüher heißt. In Österreich sind regional auch die Bezeichnungen Froschgoscherl oder Maulauferl verbreitet, in der Schweiz Kalbsmaul und in Schlesien Hundskopf oder Kalbsnase (vgl. Pritzel/Jessen, 35)
Wie man leichthin erkennen kann, macht gerade der interkulturelle Vergleich die Thematik für namenkundliche Untersuchungen (in zunehmend pluralistischen Gesellschaften, so z.B. auch in heterogenen Klassengemeinschaften als Schulstoff) spannend und interessant.

Literatur (in Auswahl):
Korkisch, Adolf: Volkstümliche Pflanzennamen aus dem Burgenland. Eine sprachwissenschaftliche Untersuchung. In: Burgenländische Heimatblätter. 43. Jg. 1981. S. 37-45.
Pritzel, Georg August / Jessen, Carl: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Hannover 1882.
Seybold, Siegmund: Die wissenschaftlichen Namen der Pflanzen und was sie bedeuten. Stuttgart 2005.
Zum Autor: Michael Reichelt (* 1979), Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Didaktik der deutschen Sprache und Literatur. Forschungsschwerpunkte: Sprachdidaktik, Onomastik und Namenkundedidaktik, Sprache und Präjudiz.


Namen in der Welt der Weine

Szilágyi-Kósa, Anikó PhD. (Károli Gáspár Universität der Reformierten Kirche, Budapest)

Der geplante Vortrag setzt sich zum Ziel, Namen (vor allem Firmen- und Markennamen) im Bereich der Önologie unter die Lupe zu nehmen. Mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Wettbewerb sind Winzer immer mehr gezwungen, ihren Weinen ausgefallene Namen mit werbendem Charakter zu geben, um auf sie aufmerksam zu machen: Die Kreativität bei der Benennung von Weinen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dabei müssen Unternehmens- oder Betriebsnamen (Namen der Weingüter bzw. Winzerbetriebe) und Produktnamen (Namen der Weine) aufeinander abgestimmt werden, eine sekundäre Namengebung (z.B. nach Orts- und Familiennamen) spielt oft eine große Rolle, wobei diese auch neu- oder umgedeutet werden können.
Zudem erscheinen Produktnamen auf Weinflaschenetiketten und Werbeflächen in der Regel nebst einer graphischen Darstellung, Namen und Bilder sind aufeinander bezogen, verbaler und visueller Code ergänzen sich sinnvoll.
Im Vortrag sollen Namengebungs- und Namenverwendungspraxis zweier benachbarter pannonischer Weinregionen (Burgenland im Osten von Österreich sowie Westungarn) betrachtet werden, mit deutsch- und ungarischsprachigen Beispielen.

Literatur:
Koß, Gerhard (2002): Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik. Tübingen: Niemeyer.
Nübling et al. (2012): Namen. Eine Einführung in die Onomastik. Tübingen: Narr.


Mehrsprachige Ortsnamen des Sprachenpaares Deutsch-Slowenisch im historischen und aktuellen Diskurs

Uršula Krevs Birk

Bei der Betrachtung der deutsch-slowenischen toponymischen Namenpaare spielt grundsätzlich die Sprache des (zusammenhängenden) Sprachraums eine entscheidende Rolle, denn man unterscheidet unter den Namenpaaren für geografische Gegebenheiten im zusammenhängenden deutschen Sprachraum (Dunaj – Wien), im slowenischen Sprachraum (Ljubljana – Laibach) und in gemischtsprachigen Gebieten, die insular (Občice – Krapflern in der Gottschee) oder in Kontaktregionen wie Kärnten (Železna Kapla – Bad Eisenkappel) vorkommen. Der Beitrag widmet sich ausgewählten deutschen und slowenischen Namen für geografische Gegebenheiten heutigen Sloweniens. Die deutsch-slowenischen Namenpaare sind Resultat der historisch gewachsenen deutsch-slowenischen Zweisprachigkeit, die bis 1918 in den von den Habsburgern verwalteten Gebieten (wie auch während der Kriegszeit 1941–1945) im Land existierte. Nach der Darstellung der typischen zwischensprachlichen toponymischen Relationen in deutsch-slowenischen Namenpaaren wird anhand des historischen und synchronen Diskurses versucht, den Gebrauch der deutschen Toponymika für slowenische Orte wie auch Wissenskonstruktionen, die sich in der langen gemeinsamen Sprachkontaktgeschichte des slowenischen Raumes und der darauf folgenden Einsprachigkeit des Landes zu den deutschen Toponymika entwickelten, zu erfassen.

Ao. Prof. Dr. Uršula Krevs Birk, Abt. für Germanistik mit Nederlandistik und Skandinavistik, Philosophische Fakultät Ljubljana, Universität Ljubljana, Aškerčeva 2, SLO-1000 Ljubljana, e-Mail: Ursula.KrevsBirk@ff.uni-lj.si


Geschlechtsneutrale Personennamen: androgyne „Eindringlinge“ im Namensystem?

Jana Valdrová, Institut für Sprachwissenschaft, UIBK

Die meisten Anthroponyme sind geschlechtsspezifisch (maskulin oder feminin); demnach funktionieren sie als ein symbolisches Instrument der Aufrechterhaltung des binären Geschlechtssystems. In dem vorliegenden Beitrag wird hinterfragt, wie viel Raum dann eigentlich für geschlechtsneutrale Namen übrig bleibt. Von wem und unter welchen Umständen werden geschlechtsneutrale Namen gewählt? Woher werden sie ins Namensystem übernommen, wie werden sie amtlich registriert und in der Öffentlichkeit akzeptiert?

Daran anknüpfend werden einige Überlegungen zum nichtbinären Sprachgebrauch dargelegt. Die Verbalisierung nichtbinärer Identitäten bedarf nämlich einer Harmonisierung des grammatischen und sozialen Geschlechts. Einige diesbezügliche sprachliche Problempunkte werden an einem deutsch-tschechischen Beispiel erörtert.


Allgemeine Theorie des toponymischen Sprachgebrauchs

Wojciech Włoskowicz

The aim of the paper is to outline the theory of toponymic usus. This goal covers the introduction and the definition of the concept of a toponymic usus as well as the description of linguistic and extralinguistic factors that mould a toponymic usus. Thereby an attempt is made to introduce some elements of the descriptive theory of language standard to the theory of onomastics and to extend the former with a more precise description of mechanisms that influence language usus. In the first
part of the paper a general outline of the most important concepts of the Polish theory of language standard will be provided. These concepts are: language norm, language system, language usus, and language codification. They had been originally developed by the Prague Linguistic Circle and later extended and elaborated by what may be called the Polish School of Normative Linguistics (which is, however, of a clearly descriptive and not prescriptive nature). In the second part of the paper the
main elements of the theory of toponymic usus will be discussed, some of them being adapted versions of the (more general) concepts outlined in the first part of the presentation which were modified in order to fit the special characteristics of geographical names. The list of these main elements of the proposed theory comprises i.a.: the concepts of toponymic usus, individual usus, common usus, two types of toponymic norm (codified and natural) as well as several types of toponymic codification, and an inventory of individual and social factors moulding the regular usage of toponyms by individuals and by communities. Additionally, a preliminary list of criteria of toponymic correctness (as used by language users and not necessarily by linguists) will be discussed. The theory will be illustrated with the development of usus concerning several selected
toponyms.

Dr. Wojciech Włoskowicz, Institut für Polnische Sprache der Polnischen Akademie der Wissenschaften, wloskowicz@gmail.com

 

 
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