Hannes Lehar

Vom Gebrauch zum Missbrauch

Der Umgang mit der Natur in der Antike –
gezeigt an einigen Beispielen für Griechen und Römer

 

Der Ursprung dieser Arbeit liegt in einem Seminarvortrag über „Das Verhältnis der Antike zur Natur (allgemein)“. Bei der Behandlung dieses Themas hatte ich damals den Eindruck, dass es nicht allzu viel Literatur gab, die diesen Problemkreis behandelt. Es gibt wohl einige Bücher und Arbeiten zu Einzelproblemen, diese sind aber entweder sehr fachspezifisch, ohne einen Bezug zur Umwelt zu haben, oder sie haben in erster Linie die Umwelt im Auge, ohne die fachspezifischen Aspekte zu durchleuchten. Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen menschlichem Denken, Tun und dessen Folgen für die Natur und die Menschen selbst kam für mich zu kurz.

Bei der Beschäftigung mit dieser Materie stellte ich fest, dass die oft herrschende Meinung, die Antike sei ein ideales Vorbild an Kultur und Zivilisation gewesen, zumindest in diesem Bereich nicht ohne weiteres aufrecht erhalten werden kann.
Auch schien es mir interessant, dass das Verhalten der antiken Menschen gegenüber der Natur und den ihr zugefügten Schädigungen einerseits viele Parallelen zu dem in unserer Zeit hatte, es andererseits Verhaltensweisen gab, zu denen wir mit unserem heutigen geistigen Hintergrund keinen Zugang haben.

Es dürfte so sein, dass trotz steigendem Zivilisationsniveau und vermehrtem Wissensstand zu allen Zeiten die Tendenz vorhanden war, Probleme, deren Lösung persönliche Einschränkungen bedeutet hätte, möglichst zu verdrängen, oder kurzfristig, sozusagen kosmetisch, zu lösen, ohne die wirklichen, tiefer liegenden, Ursachen zu beseitigen.

 

Diese wechselseitigen Bezüge sollen in fünf Fachbereichen untersucht werden:

  • Jagd und Fischfang
  • Tierhetzen (venationes)
  • Forstwirtschaft
  • Bergbau und Verhüttung
  • Extremfall Blei

Im Anschluss an deren Behandlung versuche ich, die Ergebnisse zusammenzufassen und meine Schlussfolgerungen zu ziehen.K

urz zum Inhalt der einzelnen Fachbereiche:

Jagd und Fischfang

Geschildert werden die Jagdmethoden für die wichtigsten Wildarten, sowie deren Entwicklung.

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Verschiedene Jagdarten, im Vordergrund Hasenjagd mit Netz,
Mosaik aus Villalaure (F) 3.Jh.n.Chr., Los Angeles Art Museum

 

Untersucht wird in diesem Zusammenhang, ob Nachhaltigkeit und Tierschutz dabei berücksichtigt wurden, und wie weit der Staat in diesen Bereich eingriff.
Eine besondere Behandlung gilt dem Fang lebender Tiere im Römischen Reich, die für den Auftritt bei den venationes (Tierhetzen) bestimmt waren.
Betreffend die Fischerei werden die gängigsten Fangmethoden geschildert.

 

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Eroten beim Fischfang, Mosaik, 4.Jh.n.Chr.,Villa von Piazza Armerina, Sizilien

In der Zusammenfassung wird versucht, darzustellen, welche Folgen Jagd und Fischfang gemeinsam mit der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung vermutlich bereits in der Antike gehabt haben und welche Konsequenzen sich daraus ergaben.

Tierhetzen (venationes)

Sie waren bei den Römern eine Volksbelustigung gewaltigen Ausmaßes, deren Beliebtheit für den Menschen unserer Zeit nicht nachvollziehbar ist. Nach der Darstellung der historischen Entwicklung und der ständigen Steigerung des Ausmaßes dieser Veranstaltungen folgt eine Schilderung des üblichen Ablaufs eines „venationes-Tages“.

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So kann man sich eine venatio vorstellen...

Welche Beweggründe gab es für die politische Oberschicht derart aufwendige Volksbelustigungen zu finanzieren? Wie oft fanden sie statt? Hatte die Bevölkerung überhaupt noch Zeit, zu arbeiten? Woher kam der notwendige Nachschub an Tieren und welche ökologischen Folgen hatte er?

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 Gab es Warnungen, Widerstände oder mahnende Stimmen? Diese Fragen zu beantworten, ist die Aufgabe dieses Kapitels.

 

Forstwirtschaft

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Ausgehend von der Tatsache, dass in der Frühzeit der Antike die Lebensräume weitgehend bewaldet waren,
wird geschildert, welche Eingriffe in die Natur die Entwicklung der Zivilisation bedingte und welche Folgen sie schon damals hatten und teilweise bis heute haben. Wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen und klimatischen Verhältnisse erfolgt die Darstellung getrennt für den mediterranen Raum:

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Erosionslandschaft in Süditalien im Hinterland von Siris/Herakleia

und für Kontinentaleuropa:

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Flusslandschaft in Rätien in der Zeit der römischen Besiedlung

Holz war der wichtigste Rohstoff in der Bauwirtschaft und für technische Anwendungen.

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Römischer Kran

Außerdem war es, neben der zunächst kaum genützten Wasserkraft, praktisch der einzige Energielieferant. Der Holzverbrauch erreichte gewaltige Dimensionen. An Beispielen aus den Hauptbereichen der Holznutzung soll eine Vorstellung davon gegeben werden, welches Ausmaß der Holzverbrauch hatte. Welche Aufgaben hat ein intakter Wald? Was sind die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen, wenn er diese nicht erfüllen kann? Wie gingen die Menschen damals mit diesen Tatsachen um? Hat man in der Antike Folgen einer Übernutzung erkannt? Gab es Waldwirtschaft? Aufforstungen? Staatliche Schutzmaßnahmen? Diese Fragen zu beantworten ist ebenfalls Aufgabe dieses Kapitels. Dazu wurden nicht nur archäologische und antike Quellen, sondern auch aktuelle Fachliteratur und botanische Untersuchungen herangezogen.


Bergbau und Verhüttung

Der unterirdische Silber-/ Bleierz – Abbau im Lauriongebirge nahe Athen dient als Beispiel für den Umgang mit Resourcen bei den Griechen, der Schwemmabbau von goldhaltigen Sanden in Las Medulas (Spanien) soll den enormen technischen Aufwand zeigen, mit dem die Römer Bergbau betrieben.
Lauriongebirge: geschildert werden, nach einem historischen Überblick, die Erzförderung, die Verhüttung zu Rohmetall, die Arbeitsbedingungen der Bergwerkssklaven und ihre soziale Lage. Ebenso wird gezeigt, welche Folgen die Metallgewinnung in der unmittelbaren Umgebung und auch weit entfernt hatte und teilweise noch heute hat.

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Verbleiendes Schmelzen des Silber-/Blei-Erzes, Rekonstruktion von C. E. Conophagos

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Antike Abraumhalden bei Agrileza (Laurion)

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Bergwerkssklave mit Fußfessel; schwarzfigurige Standfußschale
(Rijksmuseum van Oudheden, Leiden)

Las Medulas: es handelte sich dort um ausgedehnte, tiefreichende, goldhaltige Sandschichten, die von den Römern mit großflächigen Abschwemmungen abgebaut wurden. Neben der Unterminierung der Sandhügel erforderte diese Abbautechnik den Einsatz gewaltiger Wassermengen (geschätzte 10 Millionen m³/Jahr oder noch mehr), die durch ein insgesamt rund 590km langes Kanalsystem herangeführt wurden. Die Landschaft und die Ökosysteme wurden dadurch völlig umgestaltet. Wenn man heute das ehemalige Abbaugebiet sieht, versteht man, dass Plinius dieses Verfahren „ruina montium“ genannt hat

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Einer der erhaltenen Kanäle von Las Medulas

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Eine noch bestehende Galerie, die nicht mehr geflutet und abgeschwemmt wurde

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„ruina montium“: so sieht das Abbaugebiet heute aus

 

Extremfall Blei

Dieses leicht zu verarbeitende Metall und seine Verbindungen wurden von den Griechen und in enormem Ausmaß von den Römern verwendet.
Zunächst werden, auf Basis moderner Quellen, die häufigsten Schädigungen und Beschwerden geschildert, die durch Blei hervorgerufen werden. Dann wird der Frage nachgegangen, welche dieser Gefahren bereits in der Antike bekannt waren; und das waren gar nicht so wenige! Trotzdem wurde Blei weiter in den verschiedensten Bereichen verwendet, so zum Beispiel in der Bauwirtschaft, bei Wasserleitungen, in der Kosmetik, der Medizin, als Schreibmaterial und bei der Herstellung von Lebensmitteln. Die möglichen Einflüsse auf die Gesellschaft werden ebenfalls behandelt.

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Doppel-T-Klammer zur Verbindung von Steinblöcken; mit Bleivergussresten

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Bleigefäß zum Einkochen von Most zu defrutum und sapa (vas defrutarium), 4.Jh. n. Chr.

 

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Am Beginn dieses Kapitels wird versucht, darzustellen, wie sich die Entwicklung der Philosophie und der Naturwissenschaften auf das Verhalten der Menschen gegenüber der Natur ausgewirkt haben könnte. Dann wird geschildert, welche Ausmaße die Eingriffe in die Umwelt auf Grund neuer technischer Möglichkeiten annahmen und wie weit bereits damals deren negative Folgen wahrgenommen wurden. Gab es Warnungen, wurden sie beachtet? In den Anlagen wird dann noch kurz ein Bezug zu unserer Zeit hergestellt.

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oben: Erfindungen des Archimedes / unten: Erfindungen des Heron von Alexandria

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Tempelterrasse in Munigua (Spanien)

 

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