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Spinnen der siebenbürgischen Rumänen

Bei den Rumänen spinnen (a toarce) ausschließlich die Frauen und Mädchen. Sie verwenden hiefür Schafwolle (lâna) und Hanf (cânepa), letzteren in mehreren Feinheitsgraden (câlti = Werg, fuior = Feinhanf etc.), selten Flachs (in), den sie infolgedessen auch nur ausnahmsweise anpflanzen. Gesponnen wird mit der altererbten Handspindel (fus) und das Spinnrad ist in vielen Gegenden gar nicht bekannt. Es herrscht davon der Glaube, dass mit demselben nicht so gleichmäßig, schön und gut gesponnen werden könne als mit der Spindel. Kommt es irgendwo in Anwendung und zwar in der Regel nur ein Handspinnrad, so geschieht dieses infolge von verkrüppelten oder wunden Fingern, die zum Führen der Spindel nicht fähig sind oder in Gemeinden, wo die Weberei gewerbsmäßig betrieben wird. Die 320-400 mm langen Spindeln werden von Zigeunern, die solche in großer Menge aus Weiden- oder Haselnussholz rund schnitzen, gekauft oder aber auch, namentlich in Gebirgsdörfern, in jedem Haushalt nach Bedarf angefertigt. Im letzten Falle wird Fichtenholz hiefür gewählt, das dann zumeist nur an den Enden rund, sonst kantig ausgearbeitet wird (Abb. 5 und 6). Während der Sommermonate schnitzen junge Männer beim Hüten der im Gebirge weidenden Haustiere, aus Zeitvertreib, Spindeln, Spinnwirtel, Kunkeln, sowie auch andere Dinge, die sie oft mit kunstvollem Kerbschnitt verzieren.


Gesponnen wird nach vollendeter Feldarbeit, demnach in den Wintermonaten. Es versammeln sich hiezu Frauen und Mädchen, jedoch in gesonderten Gruppen, in verschiedenen Häusern; sie nennen dies sedetoáre (Spinngesellschaft) und verbringen gesellschaftlich die Abende oft bis um Mitternacht spinnend. Bei den Gebirgsbewohnern, die keine, oder nur in beschränktem Masse, Feldarbeit betreiben und sich zumeist der Viehzucht zuwenden, spinnen die Frauen auch während der Sommerzeit. Auf ihren Gängen von Dorf zu Berg, wo ihre Gatten und Herden weilen, tragen sie die Kunkel an ihrer linken Seite in dem Gürtel steckend oder auch nur zwischen Arm und Körper eingeklemmt und kürzen ihren Weg durch das Gesurre der Spindel. Spinnwirtel (pristen, prisnel), Abb. 7 bis 16, werden regelmäßig angewendet, doch immer, ob Wolle, Hanf oder Flachs gesponnen wird, nur zu Beginn der Arbeit. Hat die Spindel durch das bereits gesponnene und aufgewickelte Garn genügende Schwere erlangt, dann wird der Wirtel abgezogen und nicht weiter verwendet. Er besteht aus einem dünnen, kreisrund geschnittenen. beiderseits ebenen Brettchen aus Buchen., Haselnuss-, Fichten- oder anderem Holz, aber niemals aus Knochen , Horn, Ton, Stein oder Metall. Ist der Wirtel nicht zur Hand oder in Verlust geraten, dann wird stattdessen eine kleine Kartoffel oder ein Apfel an die Spindel gesteckt. Wirtel sind in der Regel nicht zahlreich vertreten, oft bloß einer im Haushalt, der dann von einem Mitglied zum andern wandert. Die rumänischen Frauen verwenden, ob sie gröbste Wolle oder feinsten Flachs spinnen, ausnahmslos die gleiche leichte Spindel und denselben Wirtel. Ja, sie ziehen letzteren bei grobem Garn früher von der Spindel als bei feinem, da im ersteren falle jene rascher schwerer wird als im letzteren. Schwere Wirtel und Spindeln werden immer vermieden, da mit diesen das Gefühl in den Fingern, welche die Spindel drehen, stark beeinträchtigt wird und demzufolge die Beurteilung, ob der eben gesponnene Fadenteil genügend festgedreht sei oder nicht, verloren geht. Außerdem würde eine schwere Spindel, die beim Spinnen stets gestreckte rechte Hand für die Dauer zu sehr ermüden.

Romania, spindles whorls, 1910
Abb. 5 und 6: Rumänische Spindeln mit Kerbschnittverzierung von Poiana nächst Reussmarkt (heute: Miercurea Sibiului, Kreis Sibiu in Siebenbürgen). Abb. 7 bis 16: Rumänische  Spinnwirtel mit Kerbschnitt und Durchbrucharbeit, Abb. 14: Spinnwirtel für eine vierkantige Spindel. Alle aus Poiana und Umgebung nächst Reussmarkt.

Die typische rumänische Kunkel (Abb. 17 bis 24) besteht aus einem geraden, oft über meterlangem Stab von 15 bis 20 mm Dicke. Etwa in halber Länge oder etwas darüber ist fast immer ein schwalbenschwanzförmiges Brettchen (corne = Hörner) eingefügt, das den mittelst Band befestigten Rocken (cáer) am Herabgleiten hindert. Ursprünglich scheint die rumänische Kunkel aus einer Astgabel bestanden zu haben, worauf der allgemein übliche Name "furca", mit dem auch die Heugabel bezeichnet wird, deutet. Alte Frauen benutzen gewöhnlich ein bloß in entsprechender Länge geschnittenes Astholz, das oft gar nicht von der Rinde befreit ist, als Kunkel; Mädchen dagegen zumeist solche mit mehr oder weniger reicher Kerbschnitt- oder Durchbrucharbeit, die manchmal außerdem noch mit kleinen, eingelegten Spiegelgläsern geschmückt sind. In manchen Gemeinden ist es Brauch, dass junge Leute gelegentlich der letzten Mädchenspinngesellschaft im Jahre sämtliche Kunkeln, da diese nun entbehrt werden können, zertrümmern, wofür sie im Laufe des nächsten Sommers Ersatz leisten.

Romania, Poiana, distaffs
Abb. 17 bis 24: Rumänische Kunkeln mit Kerbschnittverzierung von Poiana nächst Reussmarkt (Miercurea Sibiului) und den Nachbardörfern.

Aus: Mauritius von Kimakowicz-Winnicki, Spinn- und Webewerkzeuge: Entwicklung und Anwendung in vorgeschichtlicher Zeit Europas. Mannus-Bibliothek 2, Verlag Curt Kabitzsch (Leipzig 1. Aufl. 1910 / 2. unver. Aufl. 1930), 10-13.

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