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Peru
Südamerika 

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Frau der Jívaro beim Spinnen, 1971.
Frau der Jívaro beim Spinnen, 1971.
Peru, Jivaro woman spinning
Frau der Jívaro beim Spinnen, 1971. Die Jívaro sind ein südamerikanischer Indianerstamm der im Grenzland zwischen Ecuador und Peru am Oberlauf des Marañon und seiner Nebenflüsse beheimatet ist.

 

Frau der Shipibo beim Spinnen




Frau der Shipibo beim Spinnen, 1971.
Shipibo-Conibo ist der Name zweier eng verwandter indigener Ethnien, die im Osten Perús in der Umgebung des Flusses Ucayalí im Amazonas-Regenwald siedeln. Früher zwei Gruppen, die Shipibo (Affenmenschen) und die Conibo (Fischmenschen), wurde sie schließlich durch Mischehen und gemeinschaftliche Rituale zu einem Stamm und sind derzeit als Shipibo-Conibo Volk bekannt.

Peru, Chancay spindles 1

 

 











Küstenperuanische
Spindeln (Chancay Kultur, ca. 1000-1470 n. Chr.1).
Holz, Keramik, Faden. Die hölzernen Spindeln sind mit Bändern unterschiedlicher Farben bemalt. Die Terrakotta-Wirtel sind bemalt und variieren in der Form. Längen: 24,2 cm bis 32,8 cm. Wirteldurchmesser:  1 cm bis 1,5 cm. Gewicht (gesamte Spindel): 3,26 g bis 5,8 g.








Küstenperuanische Spindeln (Chancay Kultur, ca. 1000-1470 n. Chr.). Holz, Keramik, Faden (Baumwolle und Alpaka). Die hölzerne Spindel in der Mitte ist mit Bändern bemalt. Längen: 23,4 cm bis 29,5 cm. Wirteldurchmesser:  1,4 cm.
Der feine Baumwollfaden an der Spindel ganz links im Bild weist einen Fadendurchmesser von 0,2 mm bis 0,5 mm auf (siehe Mikroskop-Aufnahme rechts unten).

Peru, Chancay spindles 2

Peru, Chancay spindles 3










Küstenperuanische Spindeln
und Keramikspinnwirtel (links),  Chancay oder Chimu Kultur, ca. 1000-1470 n. Chr. Holz, Keramik. Längen: 28 cm und 30,7 cm.

Wie werden diese Spindeln benutzt?

Es gibt zwei Theorien wie diese Spindeln betrieben wurden. Erstens als Auflagespindeln, zweitens horizontal am unteren Ende gehalten und permanent zwischen den Fingern rotiert (siehe dazu auch Junius B. Bird 19732). Bei der zweiten, wahrscheinlicheren, Methode wurden die Finger, die die Spindel hielten, zwischendurch möglicherweise mit zerstoßener Kreide bestäubt um sie griffiger zu machen (ähnlich wie moderne Kletterer) oder mit Wasser benetzt. Die kleinen Keramikschalen oder die große Muscheln die manchmal zusammen mit Spindeln in Weberkörben gefunden dienten entweder als Auflageschalen für die Spindeln (nach der Beschreibung eines Weber-Handarbeitskorbes der Emory Universität,  Michael C. Carlos Museum: „A small bowl, used to keep the end of the spindle in place while making fine thread“ bzw. Junius B. Bird 19733) oder als Behälter für Kreidestaub oder Wasser. Dazu passt, dass manche Weberkörbe auch Kreidebrocken enthalten. Zur Theorie mit dem Wasser: In einem Video auf YouTube sieht man Trinidad Catagua von Zapote, Provincia de Manabí, Ecuador, beim Spinnen. Sie hält die Spindel beinahe waagerecht und taucht Ihren Daumen zwischendurch in eine kleine Schale am Boden, die mit Wasser gefüllt ist.
Eine Nutzung als Fallspindel ist wegen des geringen Gewichts der Spindel und des kleinen Spinnwirtels unwahrscheinlich. Vor allem der geringe Durchmesser des Spinnwirtels und das damit verbundene Drehmoment (in diesem Fall kaum vorhanden) verhindern einen Gebrauch als Fallspindel. Nur wenn nach einiger Zeit die Spindel durch den bereits gesponnen, auf die Spindel aufgewickelten, Faden an Gewicht gewonnen hat, wäre eine Nutzung als Fallspindel denkbar.

Beispiel für Keramikschalen: Weber-Handarbeitskorb und Geräte, peruanisch (Chancay), Späte Zwischenzeit, AD 1000-1476, Zentralküste, Peru, Museum of Fine Arts Boston, Zugangsnummer 02.680. Der Korb enthält 154 hölzerne Spindeln, Ahlen, Fach-Stäbe und Spulen (einige umwunden mit gesponnen Fäden aus Lama- oder Alpakahaar, einige mit Baumwolle), gedrehte großen Knäuel aus Baumwolle verzwirnt mit unbekannten pflanzlichen Fasern; 16 lose bemalte hölzerne Spinnwirtel; unversponnenes Lama- oder Alpakahaar; eine Keramikschale ; Lama- oder Rehknochenahle; Knochennadel, zwei Stück Kreide. Museum of Fine Arts Boston   (10.06.2016).

Peru, Chancay weaver´s baskets

Zwei Weber-Handarbeitskörbe, in denen sich unter anderem große Muscheln (rote Pfeile) in Funktion als Schalen (für die Auflage der Spindeln, Kreide oder Wasser?) befinden.
Bilder gefunden auf: liveauctioneers.com und pinterest.com.


Ecuador, Trinidad Catagua spinning
Trinidad Catagua aus Zapote, Provincia de Manabí, Ecuador, beim Spinnen.

A: Drehen der Spindel. Beachten Sie die kleine Schüssel zu ihren Füßen. B: Eintauchen des Daumens in die kleine Schüssel . C und D: Aufwickeln des Garns auf die Spindel mit einer Umspultechnik, bei der der gesponnene Faden an der Spitze der Spindel in einer Achterschlaufe auf die Finger gewickelt und dann auf den zentralen Teil der Spindel aufgespult wird.
Bilder aus einem Video auf YouTube: Ancient Cotton Spinning Technique

Literatur:
Textilien der Chimú und Chankay Kultur: Hattie Jo Lehman, Textiles of the Chimú and Chancay Cultures of Coastal Peru: A Comparison of Processes and Techniques.  (10.06.2016)
Die Angaben zur Spinntechnik in dieser Arbeit sind allerdings kritisch zu betrachten. Das Diagramm auf Seite 38 (Fig. 4) zeigt den modernen Gebrauch einer Fallspindel.
Präkolumbianische Textilien: Ferdinand Anton, Altindianische Textilkunst aus Peru (München 1984).

 

Peru_Cusco market 2015
Markt in Cusco. Frauen beim Weben am Hüftwebstuhl. Oktober 2015.
Peru, woman spinning, 1996
Indio-Frau beim Spinnen mit einer Fallspindel.
Foto: Hermann Föger, 1996
Peru_Pisac_spindle
Fußspindel aus Holz. Erworben im Oktober 2015 in Písac, Peru. Länge: 43 cm; Wirteldurchmesser: 9,1 cm.

 

Peru, spindles

Hölzerne Spindeln mit Baumwollgarn. L. von links nach rechts: 28,5 /28/ 27,5 cm. Durchmesser der Spinnwirtel: 5,5 / 6 / 5,2 cm.

 

Peru, Quenqo women spinning
Frauen aus dem Andendorf Quenqo, 45 km von Cusco entfernt und auf einer Seehöhe von rund 4000 m gelegen, beim Spinnen.
Bild aus einem Video auf YouTube: Puschca
 

Frauen aus dem Andendorf Quenqo, 45 km von Cusco entfernt und auf einer Seehöhe von rund 4000 m gelegen, beim Spinnen.

 Bild aus einem Video auf YouTube.
 


 1 Das Metropolitan Museum of Art in New York besitzt sehr ähnliche Spindeln, deren Herkunft sie jedoch als Nazca-Kultur ( ca. 100-800 n. Chr.) angeben (Beispiel hier   ), während das Museum of Fine Arts in Boston diesen Spindeltyp wiederum als Chancay klassifiziert (siehe Link zum Handarbeitskorb unten).

2 "… Eine einheimische Spinnerin wurde beobachtet wie sie mit einem langen, geraden, leicht konischen Spross des in der Region verbreiteten Callaca-Strauches aus Baumwolle Garn spann. Die Fasern wurden verdreht in dem das untere, dickere Ende des Sprosses mit den Fingern der rechten Hand rotiert wurde. Das fertige Garn wurde auf die einfache Spindel gewickelt. .... Zu keinem Zeitpunkt drehte sich die Spindel durch ihr eigenes Drehmoment, noch hing sie frei, lag auf einer Oberfläche auf oder hatte einen Spinnwirtel. In diesem Fall wurde das Garn gesponnen, während die Frau zum Markt ging."
Auszug aus: Junius B. Bird, Fibers and Spinning Procedures in the Andean Area.   In: Ann Pollard Rowe, Elizabeth P. Benson and Anne-Louise Schaffer (eds.), The Junius B. Bird Pre-Columbian Textile Conference 1973, Washington, DC (Washington DC 1979), 13-17. Übersetzung durch die ABT

3 "Spätere Spindeln mit  Spinnwirtel haben schön gemachte, an beiden Enden zugespitzte Schäfte und sind in der Regel aus einem harten Holz, wenn auch manchmal aus langen, schlanken Kaktusdornen. Die Wirtel sind sehr unterschiedlich in Form, Gewicht und Dekoration, und werden aus verschiedenen Materialien hergestellt. Die Mehrheit der Spinnwirtel von der peruanischen Küste ist so klein, dass sie wohl mehr dazu dienen, um ein Verrutschen des Garnes auf dem Schaft zu verhindern, denn als Schwungrad. Zu den Spindeln gibt es verschiedene kleine Tassen oder schalenförmigen Halterungen, in denen die unteren Enden der Spindeln ruhten während sie gedreht wurden. Eine solche Auflage beseitigt einige Vibrationen und nimmt das Gewicht der Spindel von den Fasern, wenn sie ausgezogen werden. Dies scheint eine Voraussetzung für die Herstellung von feinen, gleichmäßigen Garnen zu sein."
Auszug aus: Junius B. Bird, Fibers and Spinning Procedures in the Andean Area.   In: Ann Pollard Rowe, Elizabeth P. Benson and Anne-Louise Schaffer (eds.), The Junius B. Bird Pre-Columbian Textile Conference 1973, Washington, DC (Washington DC 1979), 13-17. Übersetzung durch die ABT

Zwar ist es denkbar, dass die Wirtel dazu dienen das Garn in Position zu halten, die Verwendung dieser präkolumbianischen Spindeln von der Küste Perus als Auflagespindeln muss jedoch in Frage gestellt werden. Die Schäfte der Spindeln sind manchmal leicht krumm, was sie unwuchtig macht. Sie drehen sich nicht gleichmäßig, wenn die Spitze in einer Schüssel aufliegt und die Vibrationen werden eher verstärkt als abschwächt. Die Krümmung der Schäfte könnte mit dem Alter kommen, aber es gibt immer noch die sehr kleinen Wirteln (sehr leicht, sehr kleine Durchmesser) zu berücksichtigen. Die Spindeln haben praktisch kein Drehmoment. Mit dem horizontalen Einsatz jedoch bilden die gebogenen Schäfte und kleinen Wirtel ein viel kleineres Problem. UND - diese Schäfte sind sehr dünn und zerbrechlich. Unter Gewicht und Druck würden die Spitzen wohl eher früher als später brechen.

 

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