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Podiumsdiskussion

Radikalisierung, historische Abspaltungen und Ich-Ideal
Ethnologie und Psychoanalyse im Gespräch

10. November 2021

18:00 Uhr

Hörsaal PsyKo (Schöpfstraße 3)

Begrüßung & Moderation: Univ.-Prof. Dr. Irene Berkel, Dominik Drexel (Universität Innsbruck)

 

Input von Renate Haas (Institut für Kulturanalyse Berlin) 

Vom Versagen der Sprache oder: Gudrun Ensslins »Sogfaszination« für Fluß ohne Ufer

Am 19. Dezember 2021 jährt sich der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin zum fünften Mal. Damals kamen 12 Menschen zu Tode und mindestens 67 Menschen wurden schwer verletzt. Seither werden Projekte, Initiativen und Forschungen im Bereich von Gewaltprävention und Deradikalisierung verstärkt.

Es ist eines, im Nachhinein den Behörden Versagen vorzuwerfen. Etwas anderes und ungleich Schwierigeres ist es, sich zu vergegenwärtigen, welche »psychische« Arbeit Funktionsträger/innen zu bewältigen haben, um unerträgliche individuelle und gesellschaftliche Spannungen in Institutionen frühzeitig wahrzunehmen, sie zu versprachlichen, und sie möglichst in Balance zu bringen.

Am Beispiel/Anhand von Gudrun Ensslins gescheiterter Dissertation zu Hans Henny Jahnns Fluß ohne Ufer wird der Mechanismus der »historischen Abspaltung« entwickelt, um zu begreifen, wie Ensslin Widersprüchliches und Anstößiges, das (noch) nicht zur Sprache gebracht werden konnte, abwehrte und schließlich ihre Dissertation abbrach.

Renate Haas, Ethnologin, Dr. phil., Mitbegründerin des Instituts für Kulturanalyse e.V. Berlin. Ebendort zwischen 2011 und 2019 Leitung von Modellprojekten im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie leben!«. Haas arbeitet schwerpunktmäßig zum Wechselverhältnis von Migranten und Einwanderungsgesellschaft und deren Ungleichzeitigkeiten; zu Gewalterfahrung in der ethnologischen (Feld-)Forschung; zu Trauma als kulturell-historischen Tatbestand. Zu institutionellen Abwehrmechanismen in der interkulturellen Zusammenarbeit erschienen die Studie Kulturvermischung ein Tabu? (1998) und mehrere Artikel. Haas ist zudem tätig in Beratung, Coaching und Supervision (u.a. Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung).

 

 

Input von Michael Schmid (Lacan-Archiv Bregenz)

Subjektivität und Politik im Prozess der Radikalisierung

Radikalisierung ist ein Prozess, der als Drama der Subjektwerdung dargestellt werden kann, indem sich auf spezifische Weise Politik und Subjektivität überkreuzen. Dafür lassen sich drei neuralgische Punkte angeben, die für die aktuell im Zentrum der Aufmerksamkeit stehende Radikalisierung durch islamistische Gruppen in Frage kommen: Souveränität, die mit dem Ich-Ideal korrespondiert, Integrität und Identität, die mit Identifikation und dem Freund/Feind Schema einhergehen und das Gesetz, das regelt, was erlaubt und was verboten ist und daher in Beziehung zur Problematik des Genießens und der Lust steht. Die Adoleszenz gilt als ein Stadium der Subjektwerdung, indem die Fragilität der Ich-Bildung besonders zutage tritt. Daher gilt dieses Stadium auch als besonders anfällig für die „Krankheit des Ideals“, das heißt, der Kränkung des und durch das Ideal.  

Michael Schmid, Dr.phil., Psychoanalytiker, Vorstand des Lacan-Archiv Bregenz, ehem. Mitherausgeber der Zeitschrift RISS. Publikationen zur Theorie und Praxis der Psychoanalyse in »RISS«, »texte« und diversen Sammelbänden, unter anderem zu Psychoanalyse und Islam.

 

 

Kontakt:
Dominik Drexel (dominik.drexel@uibk.ac.at)

 


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