Kapitel 7 | |
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Inhaltsverzeichnis |
B. Die
Leistungsstörungen |
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Das
ABGB zählt das Schuldrecht (noch) zu den persönlichen Sachenrechten,
die zusammen mit den dinglichen Sachenrechten das Vermögensrecht des
ABGB bilden. Die moderne pandektistische Stoffeinteilung dagegen
weist das Schuldrecht als eigenen Bereich des bürgerlichen Rechts aus
und unterteilt ihn in Schuldrecht Allgemeiner Teil / SchRAT und
Schuldrecht Besonderer Teil / SchRBesT. | SchRAT und SchRBesT |
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Das Schuldrecht trägt seinen Namen zurecht.
Der Schuldner ist die Hauptperson jedes Schuldvertrags und idF vor
allem des Schuldverhältnisses. Auf ihn vertraut der Gläubiger. Der
Begriff „Gläubiger” ist eine Übersetzung aus dem Lateinischen: „creditor”
(Gläubiger) kommt von credo, glauben, vertrauen. Der Gläubiger vertraut
dem Schuldner hinsichtlich dessen Leistungsfähigkeit und -willigkeit.
Die Forderung eines Gläubigers ist immer nur so viel „wert”, wie
der Schuldner, gegen den sie sich richtet. Will sich ein Gläubiger
damit nicht begnügen, muss er zusätzliche „Sicherheiten” für seine
Forderung begründen → KAPITEL 15: (Privat)Rechtliche Sicherungsmittel. | Schuldner ist
Hauptperson |
Sie begründen zwischen Gläubiger
und Schuldner (aber nur zwischen ihnen!) ein besonderes Rechts-
und Vertrauensverhältnis, das auf ein der Vereinbarung entsprechendes
„obligationsmäßiges” Verhalten des Schuldners gerichtet ist. Dritte
haben daran grundsätzlich keinen Anteil. Zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen → Entstehungsgründe
von Schuldverhältnissen Ehe
auf die wichtigen Fragen der „Leistung” und die „Leistungsstörungen”
eingegangen wird, soll das Schuldrecht kurz skizziert werden. | Vertragliche
Schuldverhältnisse |
1. Die
Forderungsrechte als relative Rechte | |
Wir
haben in Kapitel 1 von der Einteilung der subjektiven Rechte gesprochen
und dabei die Forderungsrechte als relative Rechte – dh grundsätzlich
nur gegen und zwischen bestimmte/n Personen wirkende Rechte – kennengelernt.
Schuldrecht erzeugt relatives Recht und wirkt zwischen den Parteien
(inter partes) des Schuldvertrags, der sich häufig zum Schuldverhältnis
(aus)weitet → Schuldvertrag
und Schuldverhältnis
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§ 859 ABGB spricht davon, dass im Schuldrecht
„eine Person einer anderen zu einer Leistung verbunden ist” und
betont damit ebenfalls die relative Wirkung des Schuldrechts. Konkret
bedeutet das, dass zB ein Kaufvertragsgläubiger seine Kaufpreisforderung
(und allfällige weitere Ansprüche) nur von seinem Vertragspartner,
dem Käufer, verlangen kann (und von niemand anderem); und dem Käufer
steht sein Sachleistungsanspruch nur gegen den Verkäufer zu. – Das scheint
mehr als selbstverständlich, muss aber zur Betonung des Unterschieds
von Schuld- und Sachenrecht gesagt werden. | Wirkung
des Schuldrechts |
Ganz anders
nämlich ist die Wirkung des Sachenrechts und anderer absoluter Rechte,
die gegen alle/jedermann, also auch gegen dritte Personen wirken,
mit denen vorher keine Rechtsbeziehung bestanden hat. Man kann das
auch so ausdrücken, dass die Sachenrechte – verglichen mit den Schuldrechten
– eine unvergleichlich stärkere rechtliche Außenwirkung
besitzen, während sich Schuldrechte vornehmlich auf die Innenwirkung
beschränken. | Wirkung des Sachenrechts |
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Absolute
Rechte ( → KAPITEL 1: Absolute
und relative Rechte) sind bspw gewisse personen- und familienrechtliche
Ansprüche (zB die Persönlichkeitsrechte des § 16 ABGB) und vor allem
auch die sachenrechtlichen Rechtspositionen, also dingliche Ansprüche.
So wird die rechtliche Stellung des Eigentümers gegen jedermann
geschützt und nicht nur gegenüber bestimmten Personen; vgl die Formulierungen
der §§ 354, 366 ABGB. – Auch die Immaterialgüterrechte sind absolute
Rechte ...... Lercher | |
Das Schuldrecht
ist zwar älter als der Allgemeine Teil des bürgerlichen Rechts,
aber jünger als das Sachenrecht. Seine Bedeutung im Rechts- und
Wirtschaftsleben übertrifft aber alle anderen Teile des bürgerlichen
Rechts. | Bedeutung des Schuldrechts |
Das Schuldrecht kann
als das Recht der Schuldverträge und der – vertraglichen
wie gesetzlichen – Schuldverhältnisse umschrieben
werden. Im Mittelpunkt des Schuldrechts steht die Lehre von der Leistung,
die – wie die von den Leistungsstörungen – traditioneller
Weise im „SchRAT” angesiedelt ist und hier – losgelöst vom einzelnen
Schuldvertrag und Schuldverhältnis – dargestellt wird. Die Darstellungsweise
ist daher notwendigerweise – wie in jedem „Allgemeinen Teil” – abstrakt. | SchR: Recht der Schuldverträge und sonstigen
Schuldverhältnisse |
Im Rechtsleben begegnen uns diese Fragenbereiche
dagegen konkret: Etwa als Schuld oder Forderung des Herrn B aus
einem Kaufvertrag mit Frau A. – Oder: Die Leistungspflicht des Schlossers
A, der einen Rohrbruch zu reparieren hat. Oder: Das Arbeitsverhältnis
zwischen der Krankenschwester M und einem Krankenhaus. | |
2. Entstehungsgründe
von Schuldverhältnissen | |
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§ 859 ABGB umschreibt – wie
wir gehört haben – die persönlichen Sachenrechte (= Schuldrecht) als
Rechtsverhältnisse, „vermöge welcher eine Person [= der Schuldner]
einer anderen [= dem Gläubiger] zu einer Leistung verbunden ist”
und fügt hinzu, dass sich diese Leistungspflicht entweder: | §
859 ABGB |
• „
unmittelbar
auf ein Gesetz [zB Unterhaltsansprüche von Kindern gegen
ihre Eltern oder vice versa; §§ 140, 166, 143 ABGB]; | |
• oder auf ein Rechtsgeschäft [zB
KaufV]; | |
• oder auf eine erlittene Beschädigung”
[zB deliktische Schädigung = Schadenersatz: §§ 1293 ff ABGB] gründet;
dazu . | |
Wir unterscheiden daher – vergröbernd: | |
•
Schuldverhältnisse aus Vertrag (obligationes
ex contractu) und | |
•
Schuldverhältnisse aus Delikt (obligationes
ex delicto). | |
Alle entstandenen Schuldverhältnisse
– vertragliche wie gesetzliche (also auch Deliktsobligationen) –
genießen als rechtliche Sonderbeziehungen einen besonderen (schadenersatz)rechtlichen Schutz.
Dieser äußert sich einerseits darin, dass: | Rechtliche
Sonderbeziehungen |
•
die Erfüllungsgehilfenhaftung des
§ 1313a ABGB zum Tragen kommt (im Gegensatz zur Besorgungsgehilfenhaftung
des § 1315 ABGB für den deliktischen Bereich → KAPITEL 10: §
1315 ABGB: Besorgungsgehilfenhaftung)
und zudem grundsätzlich | |
•
die Beweislastumkehr des § 1298
ABGB (im Gegensatz zur normalen Beweislast des § 1296 ABGB) gilt → KAPITEL 10: Beweislast. | |
Die Römer umschrieben – griechisch und orientalisch
vermittelt – die rechtliche Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner
bildhaft als rechtliches Band: Obligatio est iuris vinculum,
quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae
civitatis iura (Justinian); vgl noch CodTher III 1 Num 3. Sie betonten
bereits, dass (bestimmte) schuldrechtliche Verpflichtungen durch
bloße Willensübereinstimmung / Konsens entstehen,
sei es bei Kauf, Miete, Gesellschaftsvertrag oder Auftrag; Konsensualverträge.
Anders die Realverträge! SIEHE Kap 3...... | |
Schuldverhältnisse,
die auf Rechtsgeschäft beruhen, gründen in der Vertragsfreiheit (die eigentlich
Rechtsgeschäftsfreiheit heißen müsste) und der Privatautonomie → KAPITEL 5: Vertragsfreiheit
und Privatautonomie. Wir
sprechen dabei vom Prinzip der Selbstgestaltung durch
die Parteien des Rechtsgeschäfts; W. Flume, F. Gschnitzer. – Vertragsfreiheit
und Privatautonomie werden aus dem verfassungsrechtlich geschützten
Prinzip der Selbstbestimmung abgeleitet, was derzeit
nur umständlich und nicht ideal möglich ist. Ein neues Verankern
dieses Prinzips in der Verfassung wäre daher erstrebenswert. | Privatautonomie als Prinzip der Selbstgestaltung |
3. Zur Abgrenzung
von Schuld- und Sachenrecht | |
Abzugrenzen gilt es das Schuldrecht – aus praktischen wie
didaktischen Gründen – insbesondere vom Sachenrecht, mit dem es
aber in vielfältiger Verbindung und Wechselwirkung steht: zB Kauf
– Eigentumsübertragung! | |
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 | Abbildung 7.1: Entstehungsgründe von Schuldverhältnissen |
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 | Abbildung 7.2: Das Schuldrecht |
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II. Schuld und Forderung
– Schuldvertrag und Schuldverhältnis – Schuld und Haftung | |
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Gschnitzer formuliert
einprägsam: „Schuld ist die Verpflichtung einer
Person [des Schuldners] gegenüber einer andern Person [dem Gläubiger] zu einer
Leistung; Forderung das entsprechende Recht des
Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung.
Schuld und Forderung sind also dasselbe, von zwei Seiten betrachtet.” | |
Der Gläubiger besitzt
danach ein Recht auf (die) Leistung des Schuldners;
wir sagen, er hat ein Forderungsrecht oder einen Anspruch (auf die
Leistung); er fordert. – Den Schuldner trifft die
Verbindlichkeit /Pflicht zu einer Leistung(an
den Gläubiger); er schuldet sie. | |
2. Schuldvertrag
und Schuldverhältnis | |
Der zwischen Gläubiger
und Schuldner abgeschlossene Schuldvertrag erzeugt
häufig nicht nur eine, sondern mehrere oder sogar viele – uU wiederkehrende
– Leistungsansprüche und -pflichten; vgl die folgenden Beispiele.
Die Gesamtheit dieser Rechte / Ansprüche und Pflichten zwischen
den Parteien eines konkreten Schuldvertrags – also dieses Spektrum
von Rechten und Pflichten – wird als Schuldverhältnis bezeichnet. | Schuldverhältnis |
Besonders
deutlich wird der Unterschied von Schuldvertrag (= Grundgeschäft
iSv Grundlage, Basis des Schuldverhältnisses) und Schuldverhältnis
bei den Dauerschuldverhältnissen, was die idF angeführten Beispiele
von Miete und Arbeitsvertrag deutlich machen sollen. | Dauerschuldverhältnisse |
So etwa bei der Miete,
wo zB monatlich (immer wieder) Mietzinsansprüche und Mietzinszahlungspflichten entstehen.
Dazu treten dauernd auf jeder Seite weitere Pflichten: zB die Pflicht
des Mieters auf pflegliche Behandlung des Mietobjekts / Mobiliars
und Ausbesserungs- und Reparaturpflichten auf Vermieterseite. Der einzelne
Mietzinsanspruch kann verjähren (vgl die Diktion des § 1480 ABGB
– „Forderungen … erlöschen in [3 J]; … – und damit dessen 2. HalbS
und § 1486 Z 4 ABGB: „Das Recht selbst in 30 Jahren”), zediert oder
verpfändet werden. Eine vereinbarte Wertsicherung gibt das Recht,
den Mietzins unter bestimmten Voraussetzungen zu valorisieren → KAPITEL 15: Wertsicherung.
Insbesondere bestehen aber idR beidseitige Kündigungsmöglichkeiten,
also kontinuierliche Gestaltungsrechte hinsichtlich der Beendigung
des bestehenden Schuldverhältnisses. Aber auch eine „ganze” Partei
des Schuldverhältnisses, zB der Vermieter, kann durch Vertragsübernahme
( → KAPITEL 14: Die
Vertragsübernahme) ausgewechselt werden; vgl auch § 1120
ABGB: Veräußerung der Bestandsache. – Neben dem Austausch einer
Partei im Schuldverhältnis (mit all ihren Rechten und Pflichten!
zB: Eintrittsrecht nach den §§ 12 und 14 MRG → KAPITEL 6: Was
regelt das MRG? ¿ Überblick)
kennt die Mietrechtspraxis auch das gespaltene Schuld(Miet-)verhältnis,
wozu folgendes zu sagen ist: Die Unterscheidung von Schuldvertrag
und Schuldverhältnis einerseits und zwischen den daraus entspringenden
Rechten und/oder Pflichten andererseits ist für das Verständnis
des gespaltenen Mietverhältnisses wichtig. Der typische Sachverhalt
für die Entstehung eines gespaltenen Mietverhältnisses ist folgender:
Ein eingemietetes Unternehmen wird zB veräußert. Da die Lage – und
damit die Mietrechte – für das Unternehmen wesentlich ist, soll
auch der Unternehmenskäufer „Mieter” der rechtlich geschützten Unternehmensräumlichkeiten werden.
Eine vollständige Überbürdung der Rechtsstellung des Mieters (dh
der aus dem Mietvertrag entspringenden Rechte und Pflichten!) ist
aber nur mit Zustimmung des Vermieters möglich (zur Vertragsübernahme → KAPITEL 14: Die
Vertragsübernahme),
die jedoch nicht immer zu erlangen ist. Daher hat sich als Ausweg
in der Praxis folgende Vorgangsweise herausgebildet: Der bisherige
Mieter (= Verkäufer des Unternehmens) überträgt seine Mietrechte
(!), mittels Zession an den Unternehmenskäufer, bleibt aber selbst
noch Schuldner / Verpflichteter aus dem ursprünglichen Mietvertrag,
denn auch die Schuldübernahme ( → KAPITEL 14: Der
eigentliche Schuldnerwechsel)
bedarf der Zustimmung des Gläubigers. Dadurch entsteht eine „Spaltung”
des (bisher einheitlichen) Mietverhältnisses auf Mieterseite: Die Mietrechte
stehen nunmehr dem (Unternehmens)Käufer zu, während für die Verbindlichkeiten
(insbesondere den Mietzins) noch der ursprüngliche Mieter, also
der (Unternehmens)Verkäufer, einzustehen hat. – § 46a Abs 5 MRG versucht
eine Sanierung des gespaltenen Mietverhältnisses: Anerkennung des
„neuen” Mieters durch den Vermieter bei gleichzeitiger Anhebung
des bisherigen Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 MRG. | Miete |
Seit Juli 2000 können im Fall der Neuvermietung alle Geschäftslokale
befristet vermietet werden. In diesem Fall kann der Mieter dann
sein Unternehmen aber nicht mehr (ohne weiteres) verkaufen, denn
er könnte dann nur mehr seine befristete Rechtsstellung in Bezug
auf das Mietverhältnis übertragen. | |
Ein Arbeitsvertrag begründet
für beide Parteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, eine Reihe grundlegender
Rechte und Pflichten; vor allem die Pflicht des Arbeitnehmers zu
persönlicher Arbeitsleistung unter Weisung des Arbeitgebers und
– korrespondierend dazu – die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung.
Diese Ansprüche, insbesondere die der Arbeitsleistung und Entgeltzahlung,
werden immer wieder fällig; Monat für Monat: Monatslohn. Dazu kommen
Ansprüche auf Urlaub, Abfindung oder Pflegefreistellung. Den Arbeitgeber
treffen ferner Fürsorgepflichten, Arbeitnehmer sog Treuepflichten,
wie die Verschwiegenheitspflicht oder ein Konkurrenzverbot. Für
beide Seiten bestehen Kündigungsmöglichkeiten. – All das zusammen
genommen macht das Arbeitsverhältnis aus. Zum Arbeitsvertrag → KAPITEL 12: Der
Arbeitsvertrag. | Arbeitsvertrag |
Kurz:
Aus dem Schuldvertrag entsteht das Schuldverhältnis.
Das gilt sinngemäß auch für Rechtsgebiete außerhalb des Schuldrechts,
etwa das Familienrecht, wo aus dem Ehevertrag das eheliche Verhältnis
zwischen den Gatten (mit vielfältigen wechselseitigen Rechten und
Pflichten) entsteht. Im Sachenrecht entsteht bspw aus dem Vertrag,
mit dem Wohnungseigentum begründet wird, die auf lange Zeit angelegte
WE-Gemeinschaft (§ 13c Abs 1 WEG 1975 = § 18 WEG 2002) → KAPITEL 8: Eigentümergemeinschaft,
Verwalter, Vorzugspfandrecht. | Beispiele |
3. Schuld
und Haftung – Naturalobligationen | |
Wer etwas schuldet, haftet heute
grundsätzlich auch (elbst) für die korrekte Erfüllung seiner Verbindlichkeit;
dh es steht nicht in seinem Belieben, ob er das Geschuldete leistet,
also zahlt oder nicht. – Gschnitzer: „Der Schuldner schuldet,
soll leisten, ist zu leisten verpflichtet [Leistensollen]. Er haftet aber
auch, muss leisten, kann zur Leistung gezwungen werden [Einstehenmüssen].” | Leistensollen
und Einstehenmüssen |
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Es war aber nach mancher Meinung
nicht immer so, dass der, der schuldete, auch selbst dafür haftete.
Die für das moderne (Privat)Recht charakteristische innere Verknüpfung
von Schuld und Haftung fehlte mitunter in frühen Recht(sordnung)en.
Sollte in ihnen ein Schuldner nicht nur (schuldrechtlich) verpflichtet
werden, sondern auch persönlich haften, musste diese Haftung durch einen
zusätzlichen Rechtsakt begründet oder doch bestärkt werden. Fraglich
bleibt, ob dieser zusätzliche Rechtsakt nicht bloß der konkreten
Rechtsdurchsetzung diente und diese absicherte. | Verknüpfung von
Schuld und Haftung |
Das alte germanische und deutsche Recht
baute noch auf der Trennung von Schuld und Haftung auf und kannte
bspw die sog Vergeiselung für eigene oder fremde Schuld als persönlichen
Haftungsgrund. In alten Recht(sordnung)en bestand nämlich eine persönliche
unmittelbare Haftung nur für begangene Delikte. | |
Die
Entdeckung der in alten Rechten bestehenden Unterscheidung von Schuld
und Haftung stellt eine Leistung germanistischer Rechtshistorie
dar; Karl v. Amira, Otto v. Gierke. Diese Einsicht führte zur Entdeckung
der hier aufgezeigten Unterscheidung im altgriechischen, babylonischen
und schließlich auch im römischen Recht (R. Hübner). | |
Leistet der Schuldner das,
was er schuldet, nicht, kann der Gläubiger seinen Anspruch zwangsweise
durchsetzen. Diese zwangsweise gerichtliche Durchsetzungsmöglichkeit des
Gläubigeranspruchs mittels Prozess und Exekution
wird Haftung genannt. | |
Selbsthilfe
ist in diesem Zusammenhang heute – wie wir wissen – nur mehr ausnahmsweise
gestattet; vgl §§ 19, 344 ABGB → KAPITEL 3: Zum
Begriff erlaubter Selbsthilfe: § 19 ABGB.
Früher, als der Staat und seine Organe noch schwach waren, konnte
Selbsthilfe vertraglich vereinbart werden. | |
Erwirkt der Gläubiger im Prozess gegen
seinen Schuldner ein stattgebendes Urteil, stellt dieses für ihn
einen Exekutionstitel dar. Die Exekutionstitel sind in § 1 EO aufgezählt → KAPITEL 19: Exekutionstitel.
Der Anspruch ist nun gerichtlich festgestellt (sog Judikatschuld)
und dient nunmehr dem Gläubiger 30 Jahre (!) lang als rechtliche
Basis der Exekution. Dabei haftet dem Gläubiger im Rahmen der Exekutionsführung
grundsätzlich das gesamte, also auch das private, Schuldnervermögen.
Man spricht deshalb von persönlicher Haftung des Schuldners, im
Gegensatz zu bloßer Sachhaftung → KAPITEL 15: Sachhaftung.
– Der Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner kann durch dritte
Personen „befestigt”, dh zusätzlich gesichert werden; etwa durch
Bürgschaft, Pfandbestellung oder Garantieübernahme → KAPITEL 15: Überblick. | Urteil
= Exekutionstitel |
Gschnitzer weist darauf hin, dass die Termini
Schuld und Haftung nicht nur iSv Leistensollen und Leistenmüssen verstanden
werden. So bedeutet „Haftung” im Schadenersatzrecht schlechthin
die Ersatzpflicht des Schädigers, zB des Tierhalters nach § 1320
ABGB. – Darüber hinaus wird Haftung auch iSv Verantwortlichkeit
gebraucht: Haftung für eigenes und fremdes Verschulden (§§ 1313a
und 1315 ABGB); Bürge oder Garant haften ebenfalls für eine fremde
Schuld. Auch in diesen Fällen kommt es demnach zu einer Trennung
von Schuld und Haftung. | |
Schuld und Haftung
treten auch im modernen Recht – wie wir gehört haben – zwar idR,
aber nicht immer gemeinsam, dh funktional verschränkt, auf. Neben
dem Regelfall gibt es Fälle, in denen etwas zwar geschuldet, nicht
jedoch dafür gehaftet wird; Fälle von Schuld ohne Haftung.
Die Naturalobligationen oder unvollkommene/natürliche Verbindlichkeiten
sind ein solcher Fall. Das Gesetz lässt zwar die Erfüllung des Geschuldeten
durch den Schuldner zu, weil dieser die Leistung nach wie vor schuldet,
versagt dem Gläubiger aber die gerichtliche Durchsetzung seiner
Forderung. | |
Naturalobligationen
sind zwar zahlbar, aber nicht mehr (ein)klagbar und daher auch nicht
mittels Exekution durchsetzbar. | Merkformel |
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Woraus entstehen Naturalobligationen? | |
| Beispiele |
•
Aus verjährten
Schulden (§ 1432 ABGB), wobei die Verjährung nach § 1502
ABGB im Prozess eingewendet werden muss und nicht von Amts wegen
beachtet wird → KAPITEL 13: Die
Verjährung. | |
Eine versehentlich vom Schuldner bezahlte
verjährte Schuld kann daher nicht zurück gefordert werden. Sie wurde ja
noch geschuldet! | |
•
Für Schulden,
„welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig” sind (formungültige Schulden)
statuiert § 1432 ABGB, dass solche Schulden durch Erfüllung geheilt
werden. Dazu auch → KAPITEL 15: Die
Heilung von Formmängeln: § 1432 ABGB. | |
•
Aus Spiel- und Wettschulden,
wenn sie bloß versprochen und nicht auch tatsächlich erbracht oder
hinterlegt wurden; §§ 1271, 1272 ABGB → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte:
Glücksverträge. – Nach § 1174 Abs 2 ABGB (→ KAPITEL 5: Die
Kondiktionstypen des ABGB)
kann aber ein für ein verbotenes Spiel gewährtes Darlehen nicht
zurückverlangt werden. | |
•
Aus Forderungsausfällen
von Gläubigern im Ausgleich oder Zwangsausgleich ihres Schuldners;
§ 53 Abs 1 AO und § 156 Abs 1 KO. Vgl aber → KAPITEL 19: Zwangsausgleich:
EvBl 1991/25. | |
 | Abbildung 7.3: Schuldvertrag und Schuldverhältnis (1) |
|
 | Abbildung 7.4: Schuldvertrag und Schuldverhältnis (2) |
|
 | Abbildung 7.5: Schuld und Forderung |
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 | Abbildung 7.6: Schuld und Haftung (1) |
|
 | Abbildung 7.7: Schuld und Haftung (2) |
|
 | Abbildung 7.8: Schuld und Haftung (3) |
|
 | Abbildung 7.9: Schuld und Haftung (4) |
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III. Der Inhalt des
Schuldverhältnisses: Leistung/Erfüllung/Zahlung | |
1. Arten
der Leistung: Tun und Unterlassen | |
Schuldinhalt ist die Leistung
des Schuldners. Diese „Leistung” kann in einem
ganz verschiedenen (äußeren) Verhalten des Schuldners bestehen:
– der Kaufmann oder Händler schuldet und liefert die verkaufte Ware
(zB einen Pkw); – die Werkstätte repariert eine defekte Stereoanlage;
– eine Telefonistin arbeitet in der Vermittlung und erbringt so
ihre Leistung usw. | |
Allgemeiner
ausgedrückt lässt sich sagen: Die zu erbringende „Leistung” kann
in einem (positiven) Tun oder einem (negativen) Unterlassen bestehen;
zB einer Unterlassungspflicht aufgrund einer vereinbarten Konkurrenzklausel
oder eines gesetzlichen Konkurrenzverbots → KAPITEL 11: Rspr-Beispiele. | Tun oder Unterlassen |
Wichtige Unterlassungspflichten beinhalten
zahlreiche gesetzliche Verschwiegenheitspflichten; zB von Ärzten,
Psychotherapeuten, Rechtsanwälten und Steuerberatern. – Im Servitutsvertrag ( → KAPITEL 8: Rechtserwerb:
§ 380 ABGB)
räumt der Eigentümer des dienenden Grundstücks dem Eigentümer des herrschenden
Grundstücks zB ein Geh- oder Fahrrecht ein. Die „Leistung” des Eigentümers
des dienenden Grundstücks besteht hier in einem Unterlassen bestimmter
(ihm an und für sich zustehender) Eigentumsausübungsrechte. – Die
(negative) „Leistung” beim Unterlassen besteht darin, dass vereinbarungsgemäß
auf etwas verzichtet wird, wozu man sonst berechtigt wäre. | Unterlassungspflichten |
Zu den wichtigen gesetzlichen Konsequenzen
der Übernahme einer vertraglichen Leistungspflicht
seitens des Schuldners für seine Beweislast (§
1298 ABGB) → KAPITEL 10: Konsequenzen. | |
2. Unterlassungspflichten | |
Der
Unterlassungsanspruch ist eine Rechtsfigur des (materiellen) Privatrechts,
nicht des (formellen) Prozessrechts. | |
Als Voraussetzungen der Unterlassungsklage werden
heute gefordert: | Unterlassungsklage |
•
entweder eine
anhaltende / fortdauernde Störung oder | |
•
das Vorliegen von Wiederholungsgefahr. | |
Unterlassungspflichten
spielen sowohl aus Vertrag / ex contractu wie ohne einen solchen
/ ex delicto eine Rolle. Als Beispiel einer vertraglichen Unterlassungspflicht
sei eine vereinbarte Konkurrenzklausel erwähnt,
als Beispiel einer gesetzlichen Unterlassungspflicht das Konkurrenzverbot des
§ 112 HGB. Als Beispiel für deliktische Unterlassungspflichten wird
auf die Haftung aus einer Garantenstellung ( → KAPITEL 10: Zur
Haftung aus einer Garantenstellung)
oder bei Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten ( → KAPITEL 6: Ausdehnung
auf Verkehrssicherungspflichten)
hingewiesen. – § 364c ABGB regelt ein „vertragsmäßiges oder letztwilliges
Veräußerungs- oder Belastungsverbot”. | |
Zulässig ist nach hM aber auch schon
eine vorbeugende Unterlassungsklage, die sich gegen eine drohende
Verletzung / Gefährdung dinglicher, absoluter oder obligatorischer
Rechte richtet. Gefordert wird dafür eine ernstzunehmende „Begehungsgefahr”
(D. Medicus). | Vorbeugende
Unterlassungsklage |
| |
Die Unterlassungsklage setzt kein Verschulden voraus;
vgl § 43 ABGB. – Liegt aber Verschulden vor, kann neben der Unterlassung
auch Schadenersatz begehrt werden. Die Unterlassungsklagen gehören
zivilprozessual zu den Leistungsklagen → KAPITEL 19: Rechtsmittelklagen. | Kein
Verschulden nötig |
Auch die Verletzung von Schutzgesetzen verpflichtet
– neben der Leistung von Schadenersatz (bei Verschulden) – zur Unterlassung;
vgl EvBl 2002/32: Finanzstrafverfahren. | |
3. Verknüpfung
von Leistungspflichten | |
Beim
Kauf ( → KAPITEL 2: Gegenseitige
Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma) wurde kurz auf den Begriff Synallagma eingegangen
und zwischen genetischem, konditionalem und funktionellem Synallagma
unterschieden. Der Begriff steht heute als Synonym für die bei entgeltlichen
Verträgen ausgeprägte und notwendige Verschränkung beider
Leistungsverpflichtungen (Gegenseitigkeit); vgl das römische Recht:
do ut des. | Synallagma |
| |
Die Leistungspflichten
der Vertragsparteien sind von unterschiedlicher Natur, Haupt- und
Nebenpflichten sind zu unterscheiden. | Haupt(leistungs)-
und Neben(leistungs)
pflichten |
Die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung
bei entgeltlichen Verträgen umfasst primär die Haupt(leistungs)pflichten;
also bspw beim Kauf, den Austausch von Kaufgegenstand und Kaufpreis.
Daneben bestehen immer wieder auch Neben(leistungs)pflichten, die
das Erbringen der Hauptleistung ermöglichen, unterstützen, aber
auch denkbaren Schaden oder Nachteile von Vertragspartnern abhalten
sollen. – Zu erinnern ist daran, dass schon die Aufnahme eines rechtsgeschäftlichen
Kontakts von Gesetzes wegen Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten entstehen
lässt, ohne dass die Parteien dies vereinbaren müssen → KAPITEL 6: Cic
¿ culpa in contrahendo. | |
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Sie bestimmen
den konkreten Vertragstypus : etwa: Kauf oder Tausch;
Darlehen, Schenkung oder Leihe; Dienst- oder Werkvertrag. – Je nach
Ausgestaltung der Hauptleistungspflicht wird zwischen einseitig
und zwei- oder wechselseitig verpflichtenden Verträgen unterschieden. | Hauptleistungspflichten |
Sie
können wiederum: | Neben(leistungs)pflichten |
•
gesetzlich
festgelegt sein; | |
so
sind Ärzte nach § 51 ÄrzteG zu schriftlichen Behandlungsaufzeichnungen
/ sog Krankengeschichte verpflichtet und idF zu ihrer Heraus- und/oder
Bekanntgabe sowie nach § 54 ÄrzteG zur Wahrung des Berufsgeheimnisses
/ ärztliche Schweigepflicht → KAPITEL 10: Verschwiegenheits-, Anzeige-
und
Meldepflichten. | |
• oder sich aus dem Vertrag ergeben,
also konkret vereinbart werden; vertraglich können sie sich auch
aus § 914 ABGB ergeben: Übung des redlichen Verkehrs. | |
Besitzen
Neben(leistungs)pflichten Entgeltcharakter (sind sie Teil der Entgeltberechnung)
spricht man von äquivalenten oder selbständigen Neben(leistungs)pflichten.
Sie sind dann Teil von Leistung und Gegenleistung und ihre Verletzung
löst bspw ebenso Schuldnerverzug und damit das Recht auf Rücktritt
vom Vertrag aus (§ 918 ABGB), wie die Verletzung von Hauptpflichten. | Äquivalente Neben(leistungs)pflichten |
Sie besitzen für den Gläubiger dagegen
keinen selbständigen wirtschaftlichen Wert, sondern wollen vornehmlich
den Erfolg der Hauptleistung fördern und sichern; zB Gebrauchsanweisung, Reparatur-
oder Serviceanleitung oder Versendung der Ware, Vorbereitung der
Hauptleistung. Während selbständige Nebenleistungen unabhängig von
der Hauptleistung einklagbar sind, gilt das für unselbständige
Nebenleistungen nicht, da ihnen nur eine untergeordnete
/ dienende Aufgabe zukommt. Ihre Verletzung kann aber schadenersatzpflichtig
machen. | Unselbständige
Nebenleistungen |
Die Abgrenzung von Haupt- und Neben(leistungs)pflichten
kann bei atypischen Verträgen Schwierigkeiten bereiten (Beweislast!),
wozu kommt, dass Neben(leistungs)pflichten in der Form von Aufklärungs-,
Schutz- und Sorgfaltspflichten immer wieder erst von der Rspr entwickelt
werden müssen. | |
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|
E des
dtBGH 3.12.1998, ZR 63/96, Der Betrieb 1999, 1493: Warnpflicht
des Autohändlers im Hinblick auf einen bevorstehenden Modellwechsel,
der technische Verbesserungen bringt. Solche (von der Rspr entwickelte
Nebenpflichten in Form von) Aufklärungspflichten besitzenaber
über den Autohandel hinaus Bedeutung; zB im Buch- (Neuauflage!),
Elektro-, Maschinen- oder Computerhandel. | |
|
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SZ 55/7 (1982): Gastwirt
verwahrt Kfz seines Gastes; Verwahrung als selbständige
Nebenpflicht des Gastaufnahmevertrags → KAPITEL 3: Gesetzliche
Gastwirtehaftung.
(Diese Pflicht unterliegt nicht den gesetzlichen Haftungshöchstgrenzen!) | |
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4. Bestimmtheit
der Leistung | |
Wir haben
schon beim Kaufvertrag gehört, dass seine Perfektion Einigung über
Kaufgegenstand und Kaufpreis voraussetzt und dass der Kaufpreis
bestimmt oder doch bestimmbar sein muss. – Die Forderung nach Bestimmtheit
der Leistung gilt aber nicht nur für den Kaufvertrag, sondern für
alle Verträge. Nicht hinreichende Leistungsvereinbarung lässt den
Vertrag gar nicht gültig entstehen;
§ 869 ABGB: Wahre Einwilligung. | |
Leistungsvereinbarungen müssen bestimmt oder doch
bestimmbar erfolgen; sonst könnte später nicht auf die
jeweilige (konkret geschuldete) Leistung gedrungen, geklagt und
die Leistung daher nicht durchgesetzt werden. – Dieser Gedanke findet
sich deshalb auch in § 936 ABGB (Vorvertrag → KAPITEL 6: Der
Vorvertrag: § 936 ABGB):
„ ... wesentliche[n] Stücke des Vertrages bestimmt ...”. | Bestimmt
oder doch bestimmbar |
Die
Kriterien der Bestimmtheit der Leistung gelten für das bürgerliche und
das Handelsrecht. | „Bestimmtheit“ gilt für ABGB und HGB |
So müssen beim Kauf Gegenstand / Ware und Preis
wenigstens objektiv bestimmbar sein. Mangels ausdrücklicher Bestimmung
des Preises gilt im praktischen Rechtsleben oft ein Markt- oder
Börsenpreis oder der ortsübliche Preis als vereinbart → KAPITEL 2: Preisbestimmungsmodalitäten. | |
5. Leistungszeit
und Leistungsort | |
Die für das Erbringen
der Leistung wichtige Leistungs- oder Erfüllungszeit und
der Erfüllungs- oder Leistungsort ergeben
sich entweder: | |
• „aus dem Vertrag”
(selbst); | |
• oder doch „aus der Natur und
dem Zweck des Geschäfts” (Handkauf beim Bäcker
oder Behandlung beim Therapeuten; der Behandlungsvertrag mit Arzt
/ Ärztin inkludiert uU auch Hausbesuche); | |
•
oder letztlich „aus dem Gesetz”;
§§ 904, 905 ABGB. | |
| |
Für jede vereinbarte Leistung müssen Zeit
und Ort ihrer Erbringung wenigstens bestimmbar sein. Bei einem Kauf
ist zB zu vereinbaren, ob der Verkäufer den Kaufgegenstand (zB Möbel)
zu überbringen hat (Bringschuld) oder ob der Käufer die Ware beim
Verkäufer abzuholen hat (Holschuld). | Bring- oder
Holschhuld |
Manche Leistungsangebote sind gerade deshalb
günstiger, weil der Käufer die Ware selber abholt und transportiert, also
eine Holschuld vereinbart wird; zB IKEA. – Im Rahmen einer Leistungsbeziehung
kann eine primär bestehende Holschuld in eine Bringschuld umgewandelt
werden. | |
Kurz: Für Schuldner und Gläubiger ist es wichtig, zu bestimmen,
wann und wo die jeweilige Leistung erbracht werden muss, wobei hier
auch Verkehrssitte und Handelsbrauch eine wichtige Rolle spielen.
Denn danach muss jede Seite ihre Vorkehrungen treffen; zB der (Sach)Schuldner,
um die Leistung zu erbringen (zB Möbel bestellen oder herstellen
und die Finanzierung und den Transport organisieren); der Gläubiger
(zB Käufer), um sie in Empfang zu nehmen (Lagerung etc), zu verwenden
und seine Gegenleistung (den Kaufpreis) bereitzustellen. | |
Hauszustellungen, dh vertraglich vereinbarte
Bringschulden, nehmen zu. Vor allem Lebensmittel-Zustelldienste werden
von Großverkäufern direkt an Konsumenten geliefert. Es entstehen
– zB auch als Dienstleistungen im Rahmen der Altenpflege – eigene
oder firmenzugehörige Zustelldienste; zB: Express Mail Service (EMS)
oder Merkur – Ihr Zustelldienst. Die Gratishauszustellung hängt
idR von einem Mindestbestellwert ab (etwa 35 ı). | |
Bringschuld und Holschuld sind danach Varianten der Bestimmung
des Erfüllungsorts. Bei der Bringschuld trifft den Schuldner die
Pflicht, die geschuldete Leistung dem Gläubiger zu überbringen.
Erfüllungsort ist hier der Wohnort oder die Niederlassung des Gläubigers.
Bei der Holschuld muss sich der Gläubiger seine Leistung dagegen
beim Schuldner holen. Erfüllungsort ist hier der Wohnsitz oder die
Niederlassung des Schuldners. – Zu beachten ist, dass im Zweifel
nach § 905 Abs 1 ABGB eine Holschuld anzunehmen ist. | |
 | |
Leistungszeit und Leistungsort gelten
grundsätzlich sowohl für den Schuldner wie den Gläubiger, werden
aber nicht selten unterschiedlich für beide Seiten festgelegt. | Bedeutung für Schuldner und Gläubiger |
| Leibrentenvertrag |
Das Handelsrecht bestimmt
in § 358 HGB einheitlich für Gläubiger und Schuldner: „Bei Handelsgeschäften
kann die Leistung nur während der gewöhnlichen Geschäftszeit bewirkt
und gefordert werden.” | Handelsrecht |
|
§ 359 HGB: (1) | |
(1) „Ist als Zeit der Leistung das Frühjahr oder
der Herbst oder ein in ähnlicher Weise bestimmter
Zeitpunkt vereinbart, so entscheidet im Zweifel der Handelsgebrauch
des Ortes der Leistung.” | |
(2) „Ist eine Frist von acht Tagen vereinbart,
so sind hierunter im Zweifel volle acht Tage zu verstehen.” | |
|
Als
Leistungszeit wird entweder ein Leistungszeitpunkt (zB
der 9. November; allenfalls noch näher bestimmt: wie 12 Uhr) oder
ein Leistungszeitraum vereinbart; etwa: Lieferung
in der 42. Woche oder im Monat Februar oder noch weiter gefasst:
Frühling 2003. In einem solchen Fall ist der konkrete Leistungstermin (also
der genaue Lieferzeitpunkt) später erst noch einvernehmlich festzulegen;
denn der Schuldner braucht idR den Gläubiger zur Erfüllung. | Leistungszeit |
 | |
6. Nichterfüllung
und Schlechterfüllung | |
Der Schuldner hat seine
Leistung erbracht, wenn er alles ihm – nach Vertrag und/oder Gesetz
– Obliegende getan hat. Leistet der Schuldner nicht, nicht rechtzeitig
oder nicht am rechten Ort oder auf die richtige
Weise, gerät er in (Schuldner)Verzug / Nichterfüllung; vgl
die Legaldefinition des § 918 ABGB. Leistet er zwar, aber zB inhaltlich,
dh qualitativ schlecht, hat er dafür einzustehen; Gewährleistung
/ Schlechterfüllung
→ Gewährleistung
als „Schlecht-Erfüllung“
| |
| |
Diese Paragraphen treffen subsidiäre Regeln zur Bestimmung
von Leistungszeit und Leistungsort. Subsidiär insoferne als sie
nur zur Anwendung gelangen, wenn die Parteien keine anderweitige Regelung
getroffen haben. | |
IdR vereinbaren die Vertragsparteien
selbst im Vertrag oder in AGB
Leistungszeit und -ort. Das Gesetz trifft aber auch
Vorsorge dafür, wenn die Parteien das nicht tun. Wir haben gehört,
dass es zB für einen gültigen Kaufvertragsabschluss zwar nötig ist,
Kaufgegenstand und Kaufpreis zu bestimmen, nicht aber die uns hier
interessierenden Punkte der Leistungszeit und des Leistungsortes
anzusprechen und festzulegen → KAPITEL 2: Einigung
über Nebenpunkte?.
Tun die Parteien dies nicht, tritt an die Stelle der fehlenden
Partei( en) vereinbarung die
gesetzliche Regelung; konkret § 904 (Leistungszeit) oder § 905 ABGB
(Leistungsort). Gesetz lesen! | Fehlende
Parteivereinbarung |
Durch die dispositivrechtliche Ergänzung
wird die ansonsten (durch die fehlende Parteiabrede) bestehende
Unvollständigkeit und Unsicherheit in Bezug auf Zeit und Ort der
Leistung beseitigt; gesetzliche Lückenschließung einer vertraglichen
Lücke. Zur Funktion des Dispositiv- oder nachgiebigen Rechts → KAPITEL 1: Nachgiebiges
und zwingendes Recht. | |
Wichtig für die Bestimmung der Leistungszeit nach
dem Gesetz ist vor allem der erste Satz des
§ 904 ABGB, wonach dann, wenn „keine gewisse Zeit für die Erfüllung
des Vertrages bestimmt worden [ist]”, diese „sogleich, nämlich ohne
unnötigen Aufschub, gefordert werden” kann. | §
904 Satz1 ABGB |
Für den Erfüllungsort bestimmt
§ 905 Abs 1 ABGB: | §
905 Abs 1 ABGB |
„Kann der Erfüllungsort weder aus der Verabredung
[= Vertrag] noch aus der Natur oder dem Zwecke des Geschäftes [=
zB Friseur, Baumeister] bestimmt werden, so ist an dem Orte zu leisten,
wo der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz
hat, oder, wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen
oder geschäftlichen Unternehmens des Schuldners entstand, am Orte
der Niederlassung ....” | |
| |
§ 905 Abs
1 ABGB weist uns noch auf etwas anderes hin: Leistungszeit, Leistungsort
und Leistungsart können durch die Parteien nicht nur ausdrücklich
festgelegt werden, sondern sich auch aus „der Natur oder dem Zwecke
des Geschäftes” ergeben. | Bestimmung
aus der Natur oder dem Zweck des Geschäfts |
So ist die Hochzeitstorte rechtzeitig zum
Hochzeitsessen und nicht am Tag danach zu liefern und darüber hinaus muss
das uU kunstvolle Gebilde dorthin geliefert werden, wo die Feier
stattfindet. Ähnliches gilt für Warenlieferungen für bestimmte Anlässe:
Christbaumschmuck, Frühjahrsmode oder ein Kranz für ein Begräbnis. | |
Eine
besonders wichtige Rolle spielt die Frage der Leistungszeit beim Fixgeschäft des
§ 919 ABGB ( → Das
Fixgeschäft: § 919 ABGB und § 376 HGB), das ebenfalls ausdrücklich vereinbart
sein muss oder sich aus der Natur oder dem Zwecke des Geschäfts
ergeben kann. | Fixgeschäft |
8. Nachgiebiges
und zwingendes Recht | |
| |
Im
Zusammenhang mit dem eben beschriebenen Mechanismus, dass das Gesetz
eine fehlende, aber notwendige Parteienvereinbarung ersetzt – hier
die Erfüllungszeit oder den Erfüllungsort, ist an einen wichtigen
Begriff zu erinnern:
den des Dispositiv-
oder nachgiebigen Rechts (ius dispositivum). Dispositivrecht
gelangt nämlich nur zur Anwendung, wenn die Parteien von ihrer konkreten
Gestaltungsmöglichkeit im Vertrag keinen Gebrauch gemacht haben
und dadurch eine Regelungslücke im Vertrag entstanden ist. Sie hätten
bspw auch vereinbaren können, dass der Leistungsgegenstand am 14.
Juli 2004 zu liefern ist und zwar so, dass der Schuldner den Leistungsgegenstand
dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu überbringen hat. Dispositivrecht
kann also von den Parteien grundsätzlich abgeändert oder ganz abbedungen
werden! – Eine Grenze zieht das zwingende Recht; Sittenwidrigkeit;
vgl den anschließenden Pkt 3 im Kasten. | Dispositivrecht |
Funktionen des Dispositivrechts
| |
• Dispositivrecht bedeutet,
dass die Parteien eine vom Gesetz abweichende Regelung treffen können,
wenn sie das wollen. – Dadurch kann größte Sach- und Problemnähe
erreicht werden; Vertragsfreiheit. | | •
Es bedeutet aber auch, dass das Gesetz zwecks vertraglicher
Lückenfüllung für den Fall, dass die Parteien keine eigene
Regelung getroffen haben, eine – subsidiäre und ausgewogene – eigene Lösung
bereit hält. | | •
Schließlich ist auf eine weitere Aufgabe des
Dispositivrechts hinzuweisen, nämlich seinen inhaltlichen Modellcharakter,
seine Richtigkeitsgewähr und Ausgewogenheit. Es dient daher als Gerechtigkeitsmaßstab.
Das Dispositivrecht gilt als „Messlatte” für richtige und ausgewogene –
dh die Interessen beider (!) Parteien angemessen berücksichtigende
– Lösungen. Ein krasses oder einseitiges (zB Freizeichnung → KAPITEL 9: Verschulden
(culpa))
Abweichen vom gesetzlich-dispositivrechtlichen Lösungsmodell ist
ein Indiz für Sittenwidrigkeit → KAPITEL 11: Gesetz-
und Sittenwidrigkeit.
Vgl auch → KAPITEL 5: Das
(kaufmännische) Bestätigungsschreiben: Bestätigungsschreiben. | |
| |
Der Gegensatzbegriff zum Dispositivrecht ist
das zwingende Recht (ius cogens), das von den Parteien
hingenommen werden muss und grundsätzlich nicht abgeändert werden
kann, es sei denn zum Vorteil Betroffener; sog relativ zwingendes
Recht: Typisch im Arbeitsrecht, wo ein Kollektivvertrag
nicht unter-, wohl aber überschritten, also verbessert werden darf!
Dadurch wird ein Mindeststandard gesetzt. – Zwingendes Recht gilt
also selbst dann, wenn die Parteien etwas anderes vereinbart haben.
Typische Beispiele für absolut zwingendes Recht enthalten das Familien-
oder Eherecht, das MRG oder KSchG, das Sachenrecht und vor allem
das Arbeitsrecht, überhaupt Schutzgesetze. | Zwingendes
Recht |
| |
 | |
9. Kurzfassung:
Bestimmung der Leistungszeit | |
Fassen
wir zusammen: Die von den Parteien selbst vereinbarte Leistungszeit kann: | |
•
ein privatautonom
festgelegter Leistungszeitpunkt oder | |
•
ein vereinbarter Leistungszeitraum sein. | |
•
Die Leistungszeit kann
aber auch durch „die Natur der Sache”, also den
Zweck und die Art der Leistung bestimmt werden; so sind Alimente
nach § 1418 ABGB wenigstens einen Monat im Voraus zu bezahlen. | |
Im Handelsrecht wird die Leistungszeit aus
dem Zweck der Leistung auch durch Handelsgewohnheiten / Usancen und
Handelsbrauch bestimmt; Weihnachts- oder Osterware etc. | |
•
Schließlich
bestimmt § 904 ABGB, dass dann, wenn keine gewisse
Zeit für die Erfüllung des Vertrags bestimmt worden ist, die Leistung sogleich,
nämlich ohne unnötigen Aufschub, gefordert werden kann.
Dieses Fordern iS eines Festsetzens eines konkreten Leistungszeitpunkts
heißt auch Herbeiführen der Fälligkeit: Fälligstellung.
Sie geschieht durch (Ein)Mahnung und ist im praktischen
Rechts- und Wirtschaftsleben von größter Bedeutung. | |
§ 1417 ABGB bestimmt dazu: „Wenn die Zahlungsfrist
auf keine Art bestimmt ist; so tritt die Verbindlichkeit, die Schuld
zu zahlen, erst mit dem Tage ein, an welchem die Einmahnung geschehen
ist (§ 904 ABGB).” | |
| Mahnung |
Nach
§ 1334, 2. HalbS ABGB kann die (Ein) Mahnung, also
das Fälligstellen der Leistung, deren „Zahlungszeit nicht bestimmt”
ist, auch schon gerichtlich erfolgen. – In diesem
Fall riskiert der Kläger aber prozesskostenpflichtig zu werden,
denn § 45 ZPO bestimmt: „Hat der Beklagte durch sein Verhalten zur
Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben und den in der Klage
erhobenen Anspruch sofort bei der ersten Tagsatzung anerkannt, so
fallen die Prozesskosten dem Kläger zur Last. Er hat auch die dem
Beklagten durch das eingeleitete gerichtliche Verfahren verursachten
Kosten zu ersetzen.” | |
10. Fälligkeit,
Mahnung, Stundung, Kreditierung | |
Fälligkeit (einer Leistung)
bedeutet, dass der Gläubiger die ihm geschuldete Leistung (auch gerichtlich)
einfordern, also verlangen darf und der Schuldner sie umgekehrt
zu erbringen hat.
§ 1417 ABGB spricht von der „Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen,
...”. | |
| |
Der
Begriff Fälligkeit besitzt aber auch eine inhaltliche
Dimension für den Leistungspflichtigen; dies iSv eigener
vollständiger Leistungserbringung durch den Fordernden, also den
Gläubiger der Gegenleistung. Fälligkeit setzt nämlich voraus, dass
auch der Gläubiger seine (eigene) Leistungspflicht vollständig
erbracht hat oder wenigstens dazu bereit war. Fehlt von
seiner „Leistungserbringung” noch etwas, wird auch die (Gegen)Leistung
des Schuldners noch nicht fällig und der Gläubiger kann sie daher
auch nicht erfolgreich einklagen. Das zeigt anschaulich das folgende Urteil. | Fälligkeit
setzt
vollständiges Erbringen der eigenen Leistung voraus |
Die angesprochene inhaltliche Dimension
(der Fälligkeit) wird von § 1052 Satz 1 ABGB angesprochen, wenn
dort ausgeführt wird: „Wer auf die Übergabe dringen will, muss seine
Verbindlichkeit erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein.”
Daran hat es der Facharzt in der folgenden E fehlen lassen! – Zum
Zug-um-Zug-Prinzip → KAPITEL 2: Zug
um Zug-Leistung. | |
|
EvBl 1964/294: Ein Facharzt ist
verpflichtet, die von ihm erhobenen Befunde samt
allen Unterlagen dem Patienten oder dessen behandelndem Arzt auszufolgen.
Vor Erfüllung dieser Pflicht ist sein Honoraranspruch nicht fällig.
– Hier hatte sich der Facharzt geweigert, die von ihm angefertigten
EKG’s auszufolgen; Argument: Er benötige diese als Beweismittel
gegen allfällige Schadenersatzansprüche. Der OGH lehnte den Honoraranspruch
des klagenden Arztes mit dem Hinweis ab, dass er sich von den besagten
Unterlagen auch Kopien anfertigen könne. | |
|
Der Begriff Fälligkeit ist
auch prozessual von Bedeutung. § 406 ZPO bestimmt,
dass die „Verurteilung zu einer Leistung ... nur zulässig [ist],
wenn die Fälligkeit zur Zeit der Urteilsschöpfung bereits eingetreten
ist.” | Prozessuale
Bedeutung der Fälligkeit |
Während
im bürgerlichen Recht (Verzugs)Zinsen erst ab Eintritt
des objektiven (Schuldner)Verzugs verlangt werden können (und höhere
als die gesetzlichen Zinsen, wenn nicht anders vereinbart, nur bei
verschuldetem Verzug!), ordnet § 353 HGB für „Kaufleute untereinander”
(= zweiseitige Handelsgeschäfte) an, dass sie für ihre Forderungen
schon „vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern” berechtigt
sind. Das gilt aber nicht für Zinseszinsen! | Zinsen |
Die
(Ein)Mahnung: Der Begriff Fälligkeit ist nicht identisch mit dem
der (Ein)Mahnung! Die (Ein)Mahnung iSd § 1334, 2. HalbS ABGB führt
vielmehr die Fälligkeit erst herbei, bewirkt – wie ausgeführt wurde
– Fälligstellung, wenn die konkrete Leistungszeit
weder durch (Partei)Vereinbarung, noch durch die Natur der Sache
bestimmt erscheint. | Fälligkeit und Mahnung |
 | |
Mit der Kreditierung (§
1063 ABGB) wird immer wieder die Stundung verwechselt. – Kreditierung
bedeutet ein vertragliches (also gemeinsames) Hinausschieben der
gesetzlich an und für sich anders festgelegten Leistungspflicht
eines Vertragsteils; zB Modifikation der an und für sich bestehenden
Zug-um-Zug-Leistungspflicht des Käufers. Beim Kreditkauf wird von
Anfang an ein Abgehen vom üblichen Zug um Zug-Leistungsaustausch
vereinbart (iSd § 863 ABGB). | Kreditierung
und Stundung |
Stundung dagegen
meint Aufschub des (zB idR bereits vertraglich festgelegten) Fälligkeitszeitpunkts
im Nachhinein. So wenn der Schuldner seinen Gläubiger ersucht, nicht
am 7. Februar bezahlen zu müssen, sondern erst am 17. April. | |
Erfolgt die Stundung vor (der
vereinbarten) Fälligkeit, wird im Zweifel angenommen,
dass der Schuldner (gar) nicht in Verzug gerät; sog verzugshindernde
Stundung. Dies im Gegensatz zur verzugsaufhebenden oder -heilenden
Stundung nach (bereits) eingetretenem Verzug.
– Stundung setzt immer die Zustimmung des Gläubigers voraus. | verzugshinderende
und verzugsheilende Stundung |
 | Abbildung 7.10: Fälligkeit, Mahnung, Kreditierung … |
|
Mitunter treten diese juristischen Termini
gehäuft auf; vgl § 30 ABs 1 Z 1 MRG wo im Rahmen der MRG-Kündigung
aus wichtigem Grund auch Fälligkeit, Mahnung und Verzug vorkommen. | |
| |
Schick-
und Geldschulden stellen Modifikationen der Leistungspflicht des
Schuldners dar. | |
Bei der Schickschuld bleibt der Wohnsitz
des Schuldners der Erfüllungsort. Den Schuldner trifft aber die
zusätzliche Pflicht, die geschuldete Leistung an den Gläubiger abzusenden.
Gefahr und Transportkosten trägt dabei grundsätzlich bereits der
Gläubiger (!). Zum abweichenden Versendungskauf: § 429 ABGB → Die
Schickschuld
| §
905 Abs 1 ABGB |
 | |
 | Abbildung 7.11: Versendungskauf: § 429 ABGB |
|
 | Abbildung 7.12: Versendungskauf. § 429 ABGB (1) |
|
 | Abbildung 7.13: Versendungskauf. § 429 ABGB (2) |
|
12. Die
Geldschuld als qualifizierte Schickschuld | |
Nach dieser Bestimmung hat der Schuldner
„Geldzahlungen im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger
an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen.” Geldschulden
sind demnach qualifizierte Schickschulden. Dies, weil die Gefahr-
und (Transport)Kostenregelung gegenüber der normalen Schickschuld
gesetzlich erneut modifiziert – nämlich „umgedreht” – wird. | §
905 Abs 2 ABGB |
 | |
Erfüllungsort für
Geldschulden bleibt aber der Wohnsitz des Schuldners.
Den Schuldner trifft aber – wie bei anderen Schickschulden – eine
zusätzliche Absendungspflicht. Dies mit folgenden Besonderheiten: | |
•
Der Schuldner trägt
zwar nicht das Verspätungsrisiko,
wenn seine (wie eben beschrieben) rechtzeitig abgesendete Leistung,
bspw durch Säumigkeit oder Fehler der Bank, verspätet zugeht (vgl dazu
das unten wiedergegebene Urteil: SZ 25/199); | |
•
er trägt aber die Kosten der Übersendung und
(!) die Gefahr des Verlustes, dh also des (Nicht)Ankommens
seiner Leistung; zB: Geldsendung geht Gläubiger nicht oder nicht
vollständig zu oder ist mit höheren Kosten (als erwartet) verbunden.
Der Schuldner muss dann zB nochmals zahlen, unbeschadet seiner allfälligen
Ersatzansprüche gegen das Kreditinstitut. | |
Zur Frage der Kosten von Geldüberweisungen
nach § 905 Abs 2 ABGB vgl EvBl 1999/3: Die Kosten von Geldzahlungen,
so auch die beim Empfänger einzuhebende Postanweisungszustellgebühr,
hat grundsätzlich der Schuldner zu tragen und daher bei der Einzahlung
zu berücksichtigen. – Die Kosten von Erlagscheinen und
deren Verrechnung gehen aber nach der Verkehrssitte zu Lasten des
Gläubigers. | |
Sie liegt dann vor, wenn der Überweisungsauftrag
am Fälligkeitstag noch während der Geschäftsstunden bei der kontoführenden
Bank des Schuldners (!) einlangt. Hier kommt es also nicht auf den Eingang
der Zahlung / des Buchungsauftrags bei der Zahlstelle des Gläubigers
an. Das gilt auch für den elektronischen Zahlungsverkehr. – „Im
Zweifel” (§ 905 Abs 2 ABGB) meint: Wenn von den Parteien nicht anders
vereinbart. | Rechtzeitige
Übermittlung einer Geldschuld |
 | |
Bei Geldschulden
ist zwischen Geldbetrags- und Geldwertschulden zu unterscheiden;
eine wichtige, von der Praxis (auch der Rspr!) aber immer wieder
vernachlässigte Unterscheidung. – Erstere sind allenfalls vertraglich,
nicht aber von Gesetzes wegen aufzuwerten, auch wenn der „innere”
Geldwert nachträglich beachtlich gesunken ist; letztere dagegen
schon. Eine Ausnahme statuiert SZ 71/4: Beispiele. | Geldbetrags-
und
Geldwertschulden |
| |
Eine übliche Kaufpreis- oder eine Darlehensschuld ist Geldbetragsschuld;
– eine Unterhalts- oder Schadenersatzleistungspflicht dagegen eine
Geldwertschuld. Die Rspr lässt hier aber Konsequenz vermissen: | |
|
OGH 24. 2. 2000,
6 Ob 154/99m, JBl 2000, 670: Die Wertminderung des Geldes allein
stellt keinen Grund für eine Unterhaltserhöhung dar. Unterhaltsschuld über
den Regelbedarf hinaus wird vom OGH nicht als Geldwertschuld gesehen.
(?) | |
|
|
SZ 60/37 (1987):
Selbst bei erheblicher Geldwertveränderung ist eine nicht ausdrücklich
vereinbarte Geldwertanpassung bei Ausübung des Wiederkaufsrechts auszuschließen. | |
|
|
SZ 71/4 (1998)
mwH: Bei einer infolge der überlangen Dauer des Entschädigungsverfahrens
von rund 11 Jahren exorbitanten Indexsteigerung von 32 Prozent kann
der Geldwertverfall nicht mehr allein dem Enteigneten als Sonderopfer
auferlegt werden, weshalb es nicht notwendigerweise darauf ankommt,
dass die Geldentwertung rasch erfolgte; teilweise Abkehr von SZ
51/175 (1978): Enteignungsentschädigung für eine
nach dem BundesstraßenG enteignete Liegenschaft als Geldbetragsschuld. | |
|
| |
Nach Art 8 Nr 8 EVHGB kann eine in ausländischer Währung
ausgedrückte Geldschuld, die im Inland zu zahlen ist, in inländischer
Währung erfolgen, es sei denn, dass die Zahlung in ausländischer
Währung ausdrücklich bedungen ist. Die Umrechnung erfolgt dann nach
dem Kurswert, der zur Zeit der Zahlung für den Zahlungsort maßgebend
ist. | |
Neue
Regelung für bestimmte Auslandsüberweisungen: Für grenzüberschreitende
Überweisungen bis zu 50.000 Euro (= 688.015 S) gilt seit 13. August
1999 das ÜberweisungsG, BGBl I 1999/123. Das neue Gesetz regelt
auch die Haftung bei Säumnis oder fehlgeschlagenen Überweisungen,
statuiert Informationspflichten und trifft Anordnungen über die
Kostentragung und die Dauer von Überweisungen. Die Überweisungen
müssen künftig längstens 5 Bankarbeitstage – wenn nicht anders vereinbart
– nach dem Tag der Auftragsannahme durch die Überweisungsbank beim
Institut des/der Begünstigten einlangen und diesem zur Verfügung
stehen. | Auslandsüberweisungen |
Der österreichische Gesetzgeber hat die
Gelegenheit aber nicht dazu genützt, um auch klarere Regeln für
den innerstaatlichen Überweisungsverkehr zu schaffen. | |
 | |
Ermittlung des Erfüllungsorts nach Art 5
Z 1 LGVÜ iVm § 905 ABGB: Zum maßgebenden Zeitpunkt für die Bestimmung
des Wohnsitzes oder der Niederlassung des Schuldners vgl EvBl 1999/14: | Art
5 Z 1 LGVÜ |
„Der Ort, an dem die Verpflichtung in Ermangelung
einer Vereinbarung nach dem Gesetz zu erfüllen ist, ist auf Grund
des Kollisionsrechts desjenigen Vertragsstaats zu bestimmen, dessen
Gerichte mit dem Rechtsstreit befasst wurden. – Geldschulden sind
als Schickschulden nach österreichischem Recht am Wohnsitz bzw an
der Niederlassung des Schuldners im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
zu erfüllen; spätere Änderungen dieses Ortes – wie etwa bei Schuldnerwechsel
– sind unbeachtlich.” | |
13. Entscheidungsbeispiel
zur Frage der korrekten zeitlichen Erfüllung von Geldschulden | |
|
SZ 25/199 (1952): Einzahlung eines
geschuldeten Geldbetrages per Postanweisung am
letzten Tag der Frist. | |
Betreibende Partei = Gläubiger
und Kläger
Verpflichtete (Partei) und Beklagter = Ratenschuldnerin zum 15.
eines jeden Monats bei sonstigem Terminsverlust
Die Verpflichtete schuldete der betreibenden Partei den Betrag von
1.000 S, zahlbar in am 15. eines jeden Monates fälligen Raten von
je 100 S bei Terminsverlust. Die erste Rate, die von der Verpflichteten
am 15.9.1951 beim Postamt M. zur Einzahlung gebracht wurde, ging
erst am 19.9.1951 der betreibenden Partei zu. Da diese inzwischen
unter Geltendmachung des Terminsverlustes Exekution auf den ganzen Betrag
geführt hatte, beantragte die Verpflichtete die Einstellung [der
Exekution] gemäß § 40 EO.
Das Erstgerichtwies den (Einstellungs)Antrag ab.
– Das Rekursgerichtgab ihm statt. – Der OGH bestätigte den
Beschluss des RekursG.
Aus der Begründung: Die Rechtsausführungen des Revisionsrekurses
[der betreibenden Partei] verkennen die entscheidende Rechtsfrage,
die nicht darin zu erblicken ist, ob die Übergabe des Geldbetrages
an die Post bereits als Übermachung der Geldzahlung an den Gläubiger
iSd § 905 Abs 2 ABGB zu gelten hat, sondern darin, ob durch Einzahlung
der 1. Rate von 100 S am Fälligkeitstage beim Postamt M. mittels Postanweisung
die Verpflichtete im Hinblick darauf in Verzug geraten ist, dass
der Betrag bei der betreibenden Partei erst am 19.9.1951 eingegangen
ist. Die modernen Formen des Zahlungsverkehrs bringen es mit sich,
dass Schulden, wenn sie nicht zweckmäßig durch bargeldlosen Zahlungsverkehr
im Wege des Clearing oder wenigstens durch Einzahlung auf ein Bank-
oder Postsparkassenscheckkonto des Gläubigers erfolgen, in welchem
Fall die Bank oder Postsparkasse als Zahlungsstelle des Gläubigers
fungiert, im Wege des Geldbriefes oder Postanweisungsverkehrs oder
der Postsparkassenzahlungsanweisung oder Postzahlungsanweisung getilgt
werden. Wenn der Gläubiger nicht bestimmte Zahlungsformen
ausdrücklich vorgeschrieben hat (§ 429 ABGB),
kann der Schuldner jede dieser verkehrsüblichen Zahlungs- und Übersendungsarten
wählen und muss angenommen werden, dass der Gläubiger damit einverstanden
ist. [Vgl dazu die Ausführungen in der anschließenden Rubrik
"Beachte".] Die Übermachung der Geldschuld an den Gläubiger gilt
allerdings erst dann als bewirkt, wenn die Postanstalt den ihr durch
Postanweisung oder Postsparkassenzahlungsanweisung übergebenen Betrag
dem Gläubiger auszahlt. Unabhängig davon ist jedoch die Frage zu
beurteilen, ob der Schuldner, wenn er bspw die verkehrsübliche Zahlungs-
und Übersendungsart des Postanweisungsverkehrs gewählt hat, durch
Einzahlung des Betrages beim Postamt am Fälligkeitstag von allen
vertraglichen oder gesetzlichen Verzugsformen befreit wird. Diese
Frage wurde vom OGH ... ausdrücklich bejaht. Geldzahlungen
sind nach § 905 ABGB vom Schuldner auf seine Gefahr
und Kosten dem Gläubiger zu übermachen. Dadurch werden
sie jedoch nicht zu Bring-, sondern sie bleiben Schickschulden.
Am gesetzlichen Erfüllungsorte (Wohnsitz oder Niederlassung des
Schuldners) ändert sich dadurch nichts. Es genügt daher, wenn der
Schuldner innerhalb der Zahlungsfrist an seinem Wohnorte (Niederlassung),
indem er von einer der verkehrsüblichen Zahlungs- und Übersendungsarten
Gebrauch machte, eine Handlung setzt, welche in ihrer Wirkung zur
Befriedigung des Gläubigers und speziell bei einer Geldforderung
dazu führen muss, dass der geschuldete Geldbetrag in die Hand des
Gläubigers gelangt. Damit hat der Schuldner die Zahlungshandlung
bereits begonnen und die Tilgung seiner Verbindlichkeit hängt nur
mehr von der Bedingung ab, ob der Betrag tatsächlich in die Hand
seines Gläubigers gelangt ist oder nicht, da der Schuldner das Risiko
der von ihm gewählten Zahlungsart zu tragen hat. Mit Übergabe
des Geldbetrags an das Postamt trägt sohin der Schuldner nur mehr
die Gefahr des Verlustes, nicht aber der Verspätung der Geldübersendung.
Da die am Fälligkeitstag mittels Postanweisung beim Postamt M. zur
Einzahlung gebrachte Rate von 100 S der betreibenden Partei am 19.9.1951
tatsächlich zugegangen ist, erscheint auch die Bedingung der tatsächlichen Übermachung
des Geldbetrages an den Gläubiger erfüllt. Der Ansicht des RekursG,
wonach die Verpflichtete nicht in Verzug geraten und somit auch
der vereinbarte Terminsverlust nicht eingetreten ist, haftet daher
kein Rechtsirrtum an. | |
|
 | |
 | Abbildung 7.14: Schuldinhalt: Leistung / Erfüllung / Zahlung |
|
 | Abbildung 7.15: Unterlassung als Leistung (1) |
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 | Abbildung 7.16: Unterlassung als Leistung (2) |
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 | Abbildung 7.17: Bestimmtheit der Leistung |
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 | Abbildung 7.18: Haupt- und Neben(leistungs)pflichten (1) |
|
 | Abbildung 7.19: Haupt- und Neben(leistungs)pflichten (2) |
|
 | Abbildung 7.20: Leistungszeit und Leistungsort (1) |
|
 | Abbildung 7.21: Leistungszeit und Leistungsort (2) |
|
 | Abbildung 7.22: Leistungszeit und Leistungsort (3) |
|
 | Abbildung 7.23: Leistungszeit: § 904 ABGB |
|
 | Abbildung 7.24: Leistungsort: § 905 ABGB |
|
 | Abbildung 7.25: Varianten des Erfüllungsorts (1) |
|
 | Abbildung 7.26: Varianten des Erfüllungsorts (2) |
|
 | Abbildung 7.27: Schickschuld |
|
 | Abbildung 7.28: Schickschuld und Geldschuld |
|
 | Abbildung 7.29: Geldschuld als qualifizierte Schickschuld |
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14. Die
Wahlschuld oder Alternativobligation | |
Das ABGB regelt
sie in den §§ 906 und 907 in unmittelbarem Anschluss an die §§ 904
und 905, welche Zeit und Ort der
Leistung bestimmen helfen. – Die Wahlschuld, als Möglichkeit zwischen mehreren
Leistungen wählen zu können, betrifft dagegen die inhaltliche
Ausgestaltung einer Schuld. – Geschuldet werden danach
– von Anfang an – zwei oder mehrere Leistungen, von denen aber nur
eine zu erbringen ist. | §§ 906, 907 ABGB |
 | |
Abzugrenzen
ist die Wahlschuld von der Gattungsschuld, bei
der nicht zwei oder mehrere Leistungen, sondern nur eine, wenn auch
eine gattungsmäßig bestimmte, Leistung geschuldet wird. – Auch bei
der Wahlschuld kann aber das Geschuldete wieder
nach Stück/en (Wahl zwischen zwei Kunstwerken) oder der Gattung
nach (Wahl zwischen Äpfeln und Birnen) bestimmt sein. – Im jüngeren
Schrifttum glauben manche, diesen Unterschied nicht mehr beachten
zu müssen. | Abgrenzung von der Gattungsschuld |
 | |
§
906 ABGB stellt klar, dass das Wahlrecht nach dem
Gesetz dem Verpflichteten zusteht, der aber von
der „einmal getroffenen Wahl für sich allein nicht abgehen” kann.
– Häufig wird aber das Wahlrecht dem Gläubiger eingeräumt
(HS 229) und es kann auch einem Dritten überlassen werden. | Wahlrecht |
|
OGH 5. 5. 1933,
SZ 15/119: Hat der Gläubiger die Wahl zwischen mehreren Leistungen,
muß er sein Wahlrecht schon in der Klage ausüben. | |
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WBl 1987, 165 =DRdA
1990, 60: Die Bindung des Berechtigten an seine einmal getroffene
Wahl gilt auch bei Dauerschuldverhältnissen, es
sei denn, die Parteien haben etwas anderes vereinbart. | |
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ZAS 1985, 20: Wurde
dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme von Überstundenvergütung und Zeitausgleich eingeräumt,
ist er an die (im Einzelfall) getroffene Wahl gebunden. | |
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GlUNF 7691 (1915):
Wahlrecht eines Ausgedingsberechtigten zwischen
Naturalverköstigung und Ersatzleistung in Geld. | |
|
Verzögert der Schuldner die
ihm zustehende Wahl, gerät er in Schuldnerverzug, wählt der Gläubiger nicht,
hat dies seinen Annahmeverzug zur Folge. – Klagt bspw der Gläubiger
den in Verzug geratenen Schuldner auf Leistung, hat er alternativ
(iSd Inhalts der Wahlschuld) zu klagen. Eine sich allenfalls daran
anschliessende Exekution ist aber bloss auf eine Leistung
zu richten. | Verzögerung und Vereitelung der Wahl |
Bei
Vereitelung des Wahlrechts – bspw bei Untergang eines Wahlgegenstandes,
sie mag verschuldet sein oder nicht (Zufall), ist zu unterscheiden: | Vereitelung des Wahlrechts |
•
Reine Auswahlschuld:
Hier überwiegt das Interesse des Wahlberechtigten an der Wahl, das
bspw durch den Untergang beschränkt wurde oder ganz weggefallen
ist. Das ABGB spricht davon (§ 907), dass ein solcher Vertrag „mit
Vorbehalt der Wahl geschlossen” werde, was als Bedingung der freien
Wahlmöglichkeit zu verstehen ist; § 901 ABGB: Die Wahl wurde iS
dieser Bestimmung „ausdrücklich [oder schlüssig] zur Bedingung gemacht”.
Der Vertrag muss daher vom Wahlberechtigten nicht zugehalten werden,
er kann zurücktreten. – Es kommt in diesem Fall also nicht etwa
zur Konzentration auf die verbleibenden (Wahl)Möglichkeiten. | reine
Auswahlschuld |
•
Nichtreine oder unbedingte
Wahlschuld: Hier steht das Sicherungsintersse an der Leistungserbringung
im Vordergrund, weshalb es zur Konzentration auf die verbleibende/n
Möglichkeit/en kommt. Für eine verschuldete Vereitelung ist
einzustehen und der Wahlberechtigte ist so zu stellen wie er stünde,
wäre die Vereitelung nicht erfolgt. Es kann aber auch Schadenersatz
für das untergegangene Stück gewählt werden. | nichtreine Auswahlschuld |
•
Rspr und ein wohl überwiegender Teil des Schrifttums
(Reischauer, Koziol) gewähren dem Geschädigten nach § 1323 ABGB
ein Wahlrecht zwischen Naturalherstellung und Geldersatz,
was nicht dem ABGB entspricht. Das Argument, dass die Naturalrestitution
schon dann „untunlich” sei, wenn sie nicht gewünscht werde, überzeugt
nicht. – Das Gesetz legt die Latte höher. Damit wird ein signifikantes
Charakteristikum des ABGB gegenüber dem römischen Recht aufgeweicht. | |
Abzugrenzen ist
die Wahlschuld von der Ersetzungsbefugnis / facultas
alternativa, bei der nur eine Leistung in obligatione geschuldet
wird und der Gläubiger auch nur diese Leistung fordern kann, während
der Schuldner sich auch durch das Erbringen einer Ersatzleistung
von seiner Schuld befreien kann. | Ersetzungsbefugnis |
 | |
 | |
IV. Trade
Terms und Incoterms | |
1. Überlegungen
zur Sicherheit der Leistung | |
Im
Zusammenhang mit dem Festlegen der konkreten Leistung zwischen Gläubiger
und Schuldner, gilt es weiteres zu bedenken; insbesondere die Sicherheit,
dass der Gläubiger die vereinbarte Leistung auch tatsächlich (rechtzeitig)
erhält und dabei ist zu überlegen, wann gewisse Risiken im Rahmen
der Leistungserbringung / Erfüllung vom Schuldner auf den Gläubiger
übergehen (sollen). Denn neben der dispositivgesetzlichen Regelung
besteht im Schuldrecht immer auch die Möglichkeit, vom Gesetz abweichende
vertragliche Regeln zu vereinbaren, um ein optimales Anpassen an
die Regelungsbedürfnisse des Einzelfalls und dadurch größte Sach-
und Lebensnähe zu erreichen. | |
| |
Hier haben sich
folgende rechtliche Fragen (weltweit) als bedeutsam
erwiesen: | Wichtige Fragen |
•
Wann soll das Eigentum übergehen?; | |
•
wann die Gefahr ?
Wobei Gefahr hier bedeutet, wer (Gläubiger oder Schuldner) den Nachteil
des zufälligen (!) Untergangs oder der zufälligen Beschädigung /
Verschlechterung der Ware / Leistung (zwischen Vertragsschluss und
Übergabe) zu tragen hat. | |
•
Wer
hat die – oft beträchtlichen – (Transport)Kosten zu
tragen? | |
• Und wer hat für eine allfällige Versicherung des
Leistungsgegenstandes vorzusorgen und aufzukommen? | |
•
Auch die Fragen von Export- und Importabfertigung spielen
(bei internationalen Warenkäufen außerhalb der EU) eine Rolle, zumal
sie Zeit braucht und Kosten verursacht. | |
| |
2. Internationaler
Warenkauf | |
Der sich
in unserem Jahrhundert rasch ausbreitende internationale
Warenkauf hat früh im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden
Warenlieferungen Regeln und Bezeichnungen entwickelt, auf die idF
kurz eingegangen werden soll: | |
•
die Trade Terms (=
nationale Handelsbräuche) und | |
•
die Incoterms (=
International Commercial Terms). | |
Die Internationale Handelskammer (ICC) in Paris veröffentlichte
erstmals 1953 je einen Klauselkatalog für Trade- und Incoterms.
Ihre Kenntnis ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil insbesondere
Käufer wissen müssen, ab wann sie zB für die „reisende” Ware selber
vorsorgen müssen. – Wie das Handelsrecht überhaupt, ist auch der
internationale Warenverkehr auf rasche und sichere Geschäftsabwicklung
angewiesen, wozu (kurze) Käuferklauseln beitragen können. | |
Trade
Terms = Länderweise, also nationale Sammlung
von Handelsbräuchen, ohne inhaltliche Abstimmung (der Länder) untereinander;
wohl aber begrifflich. | |
 | |
Die TRADE-
und INCOTERMS müssen, um Vertragsbestandteil zu werden, wie AGB
oder ein Eigentumsvorbehalt, von beiden Parteien vereinbart werden.
– Funktional sollen sie auch dazu beitragen, Rechtsstreitigkeiten
und Missverständnisse auszuräumen, weil auch gleiche Klauselbezeichnungen
in den einzelnen Ländern (Trade Terms) doch verschiedene inhaltliche
Bedeutung besitzen können. | Incoterms-Klauseln
1990
(= International Commercial Terms) – Beispiele |
EXW – Ex Works: Abnahmeklausel,
die Verkäufer nur verpflichtet, die Ware in seinem Werk zur Verfügung zustellen.
Käufer muss Ware dort abholen und trägt allein Transportkosten und
Transportrisiko. | |
FCA – Free Carrier: Verkäufer muss die
zur Ausfuhr freigemachte Ware einem von Käufer benannten Frachtführer übergeben;
erst hier geht Risiko auf Käufer über. | |
FAS – Free Alongside Ship: Verkäufer muss
Ware zu einem bestimmten Ladeplatz in einem Verschiffungshafen bringen
und diese an der Längsseite des Schiffs übergeben. Ware muss aber
von Verkäufer exportfrei gemacht werden. | |
FOB – Free on Board: Zusätzlich zu den
Verpflichtungen aus der FAS-Klausel muss Verkäufer hier das Schiff
noch beladen. Gefahrübergang erfolgt, wenn die Ware die Reling überschreitet. | |
CFR – Cost and Freight: Verkäufer hat für
die Fracht der Ware bis in den Bestimmungshafen zu sorgen und dafür alle
Kosten zu tragen. | |
CIF – Cost, Insurance and Freight: Zusätzlich
zur CFR-Klausel ist Verkäufer verpflichtet, eine TransportVers abzuschließen
und dafür die Kosten zu tragen. (Das Transportrisiko trägt hier
aber bereits Käufer.) | |
CPT
– Carrige paid to (named place): Verkäufer hat Frachtkosten
bis zu einem namentlich anzuführenden Bestimmungsort zu tragen.
Gefahrübergang erfolgt (aber bereits) mit der Warenübergabe an Frachtführer. | |
CIP – Carriage and Insurance paid to (named place):
Verkäufer muss zusätzlich zur CPT-Klausel auf seine Kosten eine
TransportVers abschließen. | |
DAF – Delivered at Frontier: Ware muss
von Verkäufer zur Ausfuhr freigemacht und an einer benannten Stelle
des Grenzortes zur Verfügung gestellt werden. | |
DDU – Delivered duty
unpaid: Ware muss an einem bestimmten Ort des Importlandes
zur Verfügung gestellt werden. Alle Kosten – mit Ausnahme der Zölle
Steuern und sonstigen Abgaben – und die Gefahr trägt bis dorthin Verkäufer. | |
DDP – Delivered duty paid: Zusätzlich zur
DDU-Klausel sind hier auch noch alle Zölle und Abgaben vom Verkäufer
zu tragen. Diese Klausel beinhaltet die umfangreichsten Verkäuferverpflichtungen. | |
 | Abbildung 7.30: Trade Terms und Incoterms (1) |
|
 | Abbildung 7.31: Trade Terms und Incoterms (2) |
|
 | Abbildung 7.32: Incoterms-Klauseln 1990: Beispiele |
|
V. Erlöschen
der Schuld: Zahlung / Erfüllung und andere Endigungsgründe | |
| |
Das ABGB spricht von „Zahlung”
(als Oberbegriff) und meint damit ganz allgemein: Leistung, Erfüllung.
– Am Beginn des Dritten Hauptstücks des ABGB, das „Von der Aufhebung
der Rechte und Verbindlichkeiten” handelt, führt § 1412 ABGB aus: | |
„Die Verbindlichkeit wird vorzüglich durch die
Zahlung, das ist: durch die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig
ist, aufgelöst (§ 469 ABGB).” | |
| |
Durch Zahlung / Erfüllung endet also idR ein bestehendes
Schuldverhältnis. Der Leistungsaustausch wird damit abgeschlossen.
Von diesem Regelfall geht das ABGB in § 1412 aus.
– Aber es gibt neben der Erfüllung / Leistung ieS weitere Endigungsgründe
von Schuldverhältnissen, bspw den (Schuld)Erlass oder einen Rücktritt
vom Vertrag. Vgl die folgende Darstellung: | |
•
Gerichtliche Hinterlegung (als Erfüllungssurrogat)
bei Gläubigerverzug: § 1425 ABGB → Voraussetzungen
und Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs: §§ 1419 und 1425 ABGB
| Endigungsgründe
neben der Erfüllung |
•
Rücktritt vom Vertrag: gesetzlich (§ 918 ABGB)
und vertraglich | |
•
Leistung an Zahlungs Statt; § 1414 ABGB → Leistung
an Zahlungs Statt
| |
•
Einvernehmliche Beendigung;
römR: contrarius actus | |
•
Zeitablauf und
außerordentliche Kündigung → KAPITEL 6: Bedeutung
der Unterscheidung. | |
•
Aufrechnung /
Kompensation; §§ 1438 ff ABGB → KAPITEL 15: Aufrechnung
/ Kompensation. | |
•
Vereinigung von Schuldner-
und Gläubiger-Stellung; sog Konfusion: §§ 1445 f ABGB | |
•
Verzicht/Entsagung:
§ 1444 ABGB (Das Gesetz spricht für die Annahme eines einseitigen
Rechtsgeschäftes!) | |
•
Tod | |
• Bedingungseintritt: auflösende Bedingung → KAPITEL 13: Aufschiebende
und
auflösende Bedingung. | |
| |
Die Zahlungsmoral ist, zumal in Krisenzeiten,
nicht die beste. Österreich liegt allerdings diesbezüglich im europäischen
Mittelfeld. – Zur neuen Verzugszinsenregelung (EU) →
Verzugsfolgen
| |
|
OGH 21.
12. 2000, 8 Ob 325/99y, SZ 73/207 = EvBl 2001/99: Als Sicherstellung
für ein Darlehen akzeptieren die solidarisch haftenden Darlehensschuldner
je einen Wechsel in der Höhe der Darlehenssumme. Ein Schuldner zahlt
bei Fälligkeit und lässt sich die Darlehensforderung abtreten. Anschließend
erhebt er gegen seinen Mitschuldner die Wechselzahlungsklage.
– OGH: Ist bei nach außen solidarisch haftenden Schuldnern im Innenverhältnis
letztlich nur einer zur Abdeckung der Schuld verpflichtet, führt
die Legalzession (vom Darlehensgläubiger an den im Innenverhältnis
nicht haftenden, aber die Schuld begleichenden, Schuldner) nicht
zum Erlöschen der Forderung nach § 1445 ABGB (Vereinigung/Konfusion). | |
|
2. Dogmatisches
Verständnis der „Zahlung” | |
Die Erfüllung oder Zahlung
ist nach hA kein eigenes Rechtsgeschäft, insbesondere liegt darin
kein Erfüllungsvertrag. | |
| |
 | Abbildung 7.33: Erlöschen der Schuld – Zahlung |
|
3. „Wie” ist zu
zahlen?: § 1413 ABGB | |
Das
Gesetz bestimmt, dass der Gläubiger gegen seinen Willen weder
gezwungen werden kann, „etwas anderes anzunehmen, als dieser zu
fordern hat, noch der Schuldner etwas anderes zu leisten, als er
zu leisten verbunden ist.” – Das gilt für Zeit, Ort und Art der
Leistung. | |
 | Abbildung 7.34: Mögliche Zahlungsarten – Wie wird heute gezahlt? |
|
§ 1414
ABGB: „Wird, weil der Gläubiger und der Schuldner einverstanden
sind, oder weil die Zahlung selbst unmöglich ist, etwas anderes
[als das Geschuldete] an Zahlungs Statt gegeben; so ist die Handlung
als ein entgeltliches Geschäft zu betrachten.” | Leistung
an Zahlungs Statt |
Die Leistung an Zahlungs Statt
ist Novation / Neuerungsvertrag → Novation
oder Neuerungsvertrag Sie
kann nicht einseitig erfolgen. Es liegt eine Änderung des Hauptgegenstandes
einer Forderung – eben der geschuldeten Leistung – vor. | |
Durch
die Leistung an Zahlungs Statt wird aber rechtswirksam erfüllt!
Gläubiger und Schuldner kommen überein, statt der ursprünglichen
Leistung – zB weil diese unmöglich geworden ist – „etwas anderes
an Zahlungs Statt” zu leisten/anzunehmen. Dem Gläubiger kann aber
rechtswirksam nur mit seiner Zustimmung etwas anderes als das ursprünglich
Vereinbarte geleistet werden. – An Zahlungs Statt wird heute auch
durch sog Buchgeld, dh sofort verfügbares Geld auf Konten bei Kreditinstituten,
geleistet; aber auch durch eine im Rahmen einer Forderungspfändung erfolgende
Überweisung zur Einziehung iSd §§ 308 ff, 322 f und 347 f EO. | Buchgeld |
Von
der Leistung an Zahlungs Statt ist die Leistung zahlungshalber zu
unterscheiden. | |
 | |
Die Leistung zahlungshalber bewirkt daher für sich noch
keine Erfüllung. Durch die Hingabe von etwas anderem erfolgt keine
unmittelbare Schuldtilgung; vielmehr nur unter der Bedingung der
tatsächlich erfolgten Befriedigung des Gläubigers. So auch, wenn
der Schuldner an den Gläubiger zwecks Zahlung eine Forderung abtritt;
Zession. Die Tilgung erfolgt erst dann, wenn der Gläubiger aus der
abgetretenen Forderung tatsächlich bezahlt wird. Dasselbe gilt für
die Begebung eines Wechsels zur Deckung oder die Zahlung mittels
Scheck. Sie erfolgen im Zweifel nicht an Zahlungs Statt sondern
bloß zahlungshalber. Die Schuld wird erst getilgt, wenn der Scheck
von der bezogenen Bank eingelöst oder der Betrag dem Gläubiger gutgeschrieben
wird. | |
 | Abbildung 7.35: Leistung an Zahlungs Statt |
|
 | Abbildung 7.36: Leistung zahlungshalber |
|
4. Abtragung der
Schuld: §§ 1415 und 1416 ABGB | |
Nach § 1415 ABGB
ist der Gläubiger nicht verpflichtet, „die Zahlung einer Schuldpost teilweise, oder auf
Abschlag anzunehmen. Sind aber verschiedene Posten zu zahlen;
so wird diejenige für abgetragen gehalten, welche der Schuldner
mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen, sich ausdrücklich
erklärt hat.” | |
§ 1416 ABGB: „Wird die Willensmeinung des Schuldners bezweifelt,
oder von dem Gläubiger widersprochen; so sollen zuerst die Zinsen,
dann das Kapital, von mehreren Kapitalien aber
dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist,
und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner
am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.” | |
| |
|
EvBl 2000/103
(§ 1416 ABGB – Widmung von Zahlungen ): Der Gläubiger
bestimmt grundsätzlich die Widmung durch die Einforderung und kann
darüber hinaus nicht einseitig Widmungsänderungen vornehmen. Nach
der Übung des redlichen Verkehrs ist nicht einmal der Schuldner
berechtigt, nach Zahlung eine bestimmte Widmung derselben zu verfügen.
Innerhalb einer Geschäftsverbindung bilden mehrere Schuldposten
insofern ein Ganzes, als die einzelnen Teilzahlungen nicht auf bestimmte
Posten, sondern auf das Ganze geleistet werden. | |
|
5. „Von
wem” ist zu leisten? – §§ 1421 ff ABGB | |
Frage: Was meinen Sie nach der Lektüre der
§§ 1422, 1423 ABGB: Kann ein Dritter ohne oder sogar gegen die Einwilligung
des Schuldners dessen Schuld bezahlen? – Antwort: Gegen den Willen
des Schuldners ist es möglich, nicht aber gegen den Willen des Gläubigers! | |
| |
•
§ 1421
ABGB: „Auch eine Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu
verwalten [dh ganz oder beschränkt Geschäftsunfähige; vgl auch §
1424 ABGB], kann eine richtige und verfallene Schuld rechtmäßig
abgetragen, und sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie
aber eine noch ungewisse, oder nicht verfallene
Schuld abgetragen; so ist ihr Vormund oder Kurator berechtigt,
das Bezahlte zurückzufordern.” Zu Satz 2 vgl § 1434 ABGB → KAPITEL 5: Leistungskondiktionen
¿ Überblick. | |
•
§ 1422 ABGB: „Wer die Schuld eines anderen, für
die er nicht haftet (§ 1358 ABGB) [dazu → KAPITEL 15: Legalzession
des
§ 1358 ABGB],
bezahlt, kann vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung
seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung
als Einlösung der Forderung.” | |
•
§ 1423 ABGB: „Wird die Einlösung [dem
Gläubiger von einem Dritten] mit Einverständnis des Schuldners angeboten,
so muss [!] der Gläubiger die Zahlung annehmen; doch hat er außer
dem Falle des Betruges für die Einbringlichkeit und Richtigkeit
der Forderung nicht zu haften. Ohne Einwilligung des Schuldners
kann dem Gläubiger von einem Dritten idR (§ 462 ABGB) die Zahlung
nicht aufgedrängt werden.” – Zur Erfüllungsübernahme → KAPITEL 14: Die
Erfüllungs- oder Belastungsübernahme. | |
6. „An wen” ist
zu leisten? | |
Wie die folgenden Rspr-Beispiele zeigen, kann es durchaus
zweifelhaft sein, an wen zu zahlen ist. – Vorsicht ist auch hier
besser als „Nachsicht”. | |
”Der
Schuldbetrag muss dem Gläubiger oder dessen zum Empfange geeigneten
Machthaber, oder demjenigen geleistet werden, den das Gericht als
Eigentümer der Forderung [Zu dieser bildhaften Ausdrucksweise des
ABGB → KAPITEL 8: Zu
weite Fassung des § 353 ABGB] erkannt hat. Was jemand an eine Person bezahlt
hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf [Vgl § 1421 ABGB],
ist er insoweit wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht
wirklich vorhanden, oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden
ist.” | |
 | |
|
OGH 28.
1. 2002, 2Ob 13/02d, JBl 2002, 590: Einem Ehepaar wird ein hypothekarisch
sichergestellter Kredit gewährt; der Kreditgeber beauftragt zwei
Jahre später einen Rechtsanwalt mit der Eintreibung der offenen
Kreditforderung. Der Anwalt stirbt und ein Stellvertreter wird von
der RA-Kammer bestellt; an diesen zahlt das Ehepaar. Die Erben
des Rechtsanwaltes leugnen die schuldbefreihende Wirkung einer Zahlung
an den Substituten und verweigern daher die Löschung der
Hypothek. – OGH: Die Bestimmungen der RAO über die Amtsfortführung
durch den Stellvertreter eines verstorbenen Anwalts stellen einen
gesetzlichen Auftrag zur Fortführung des Unternehmens des verstorbenen
Rechtsanwalts dar. Der Umfang der Vollmacht des mittlerweiligen
Stellvertreters umfasst all das, was die Führung des Unternehmens
selbst erfordert und was damit gewöhnlich verbunden ist (§ 1029
ABGB), somit auch die schuldbefreihende Entgegennahme von geschuldeten
Geldern. | |
|
|
OGH 10.
7. 2001, 4 Ob 66/01m, EvBl 2002/3: Das Theater in der Josefstadt führt
das Stück „1000 Clowns” auf. Verschiedene Verlage behaupten, sie
seien die richtigen Gläubiger für die Tantiemenzahlungen. Die Theaterbetreiberin
zahlt an einen der Verlage anstatt die Aufführungstantiemen gerichtlich
zu hinterlegen. Der leer ausgegangene Verlag klagt idF den anderen.
– OGH erklärt § 1041 ABGB – aufgrund des weiten Verständnisses von
„Sache” im ABGB – als taugliche Anspruchsgrundlage. | |
|
| §
1425 ABGB |
| §§ 1426-1430 ABGB |
7. Das Streckengeschäft
als Sonderfall des § 1423 ABGB | |
Es kommt immer wieder vor, dass ein Verkäufer / VK (zB ein
Großhändler) Waren verkauft (zB an einen Kleinhändler), die er selber
gar nicht hat und die er sich daher erst „besorgen”, dh sie selber zukaufen
muss; sei es bei einem Produzenten oder einem (General)Importeur.
In solchen oder ähnlich gelagerten Fällen kann es einfacher sein,
dass der Großhändler seinen Lieferanten – zB den Produzenten – ersucht,
die von ihm bestellte und gekaufte Ware – zB Elektrogeräte – gleich
an seine Kundschaft zu liefern. Das erspart Zeit und Geld. | |
Beim Streckengeschäft sind zwei Rechtsgeschäfte (häufig
sind es Kaufverträge, es kann sich aber auch um Werkverträge oder
andere Rechtsbeziehungen handeln) zu unterscheiden: | Zwei Kaufverträge
–
ein Erfüllungsakt |
• Einerseits (nach
unserem Beispiel) der Kaufvertrag des Großhändlers (G = VK1) mit
dem Klein- oder Vertragshändler (K= K1) und | |
• andrerseits der Kaufvertrag zwischen dem Großhändler
(= K2) und dem Produzenten (P = VK2). | |
Durch
die Leistung des Produzenten (P = VK2) an den Klein- oder Einzelhändler
(= K1) erfüllt der Produzent sowohl seine eigene Kaufvertragsverpflichtung
gegenüber dem Großhändler, als auch die des Großhändlers – als dessen
Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB; vgl HS 26.613 und SZ 55/31: Ankauf
von Weinbergschnecken) er tätig wird – gegenüber K1. | |
Beim Streckengeschäft werden also zwei Kaufverträge über
dieselbe/n Sache/n geschlossen, die – durch den rechtlichen Rationalisierungsakt
des Streckengeschäfts – bloß durch einen Erfüllungs- und Übergabeakt
erfüllt werden; HS 26.613 (1995) mwH. | |
Das Streckengeschäft ist eine Dreiparteienbeziehung,
was zu verschiedenen Konstruktionen seiner Erklärung geführt hat:
Rechtliche Lösungen (des Streckengeschäfts). | |
 | Abbildung .37: Rechtliche Lösungen |
|
 | Abbildung 7.38: Streckengeschäft als Dreipersonenverhältnis |
|
Die
einfachste und die dem ABGB wohl entsprechendste Lösung ist die
über § 1423 ABGB; vgl Gschnitzer, SchRAT 220 f (19912).
Diese Bestimmung handelt davon, dass die Erfüllung der Schuld (das
ABGB spricht von „Zahlung”) – mit Einverständnis des Schuldners
(!) – dem Gläubiger von einem Dritten angeboten wird. In diesem
Fall bestimmt das ABGB „dass der Gläubiger die Zahlung [= Erfüllung]
annehmen” muss. Das bedeutet für das Streckengeschäft, dass K1 die ihm
von P mit Einverständnis des G angebotene Erfüllung nicht ablehnen
kann. | |
Rechtliche
Lösungen des Streckengeschäfts werden aber auch auf andere Weise
versucht, nämlich: | Andere Lösungsansätze |
• Über
die Zession: G (= Zedent) zediert dem K (= Zessionar),
die ihm aus seinem Kaufvertrag mit P (= Zessus) zustehende Forderung
auf Lieferung (der Elektrogeräte). Hier erfüllt P an seinen neuen
Gläubiger K. | |
 | |
• Über die Schuldübernahme (→ KAPITEL 14: Der
eigentliche Schuldnerwechsel):
Hier übernimmt und erfüllt P die Schuld des G gegenüber K, der zustimmen
muss, durch privative oder kumulative Schuldübernahme. | |
• Über die Annahme eines Vertrags zu
Gunsten Dritter (→ KAPITEL 15: Verträge
zugunsten Dritter)
abgeschlossen zwischen G und P zugunsten von K. | |
• Schließlich über die Rechtsfigur der Anweisung
→ KAPITEL 15: Die
Anweisung: §§ 1400 ff ABGB:
Hier des G (= Anweisender) an P (= Angewiesener), dass dieser an
K (= Anweisungsempfänger) leisten soll. – Dieser Lösungsansatz will
die in § 1400 Satz 1 ABGB enthaltene doppelte Ermächtigung und die
damit verbundene doppelte Erfüllungswirkung nützen.
§ 1404 Abs 1 Satz 1 ABGB kann direkt angewandt werden, weil P „das
zu Leistende dem Anweisenden [= G] bereits schuldet”. P ist als
Angewiesener G gegenüber „verpflichtet, der Anweisung Folge zu leisten”.
Auch § 1401 Abs 1 Satz 2 ABGB ist anzuwenden. Die „Tilgung der Schuld
[des G gegenüber K und des P gegenüber G] erfolgt, ..., ...durch
die Leistung”. Möglich erscheint sowohl eine Anweisung auf Schuld
wie eine auf Kredit. Eine Rolle spielen kann auch § 1403 Abs 1 Satz
2 ABGB: Danach gelten für das Rechtsverhältnis Anweisender und Angewiesener
dann, wenn „kein anderer Rechtsgrund” besteht, „die Vorschriften
über den Bevollmächtigungsvertrag”, also Auftragsrecht. | |
 | |
Weitere Fragen sind zu beantworten, wenn beim Streckengeschäft
unter Eigentumsvorbehalt geliefert wird oder bei
Schlechterfüllung die
Mängelrüge erhoben werden muss: | |
•
Für die Mängelrüge (§
377 HGB) wird es als ausreichend erachtet, wenn nicht G, sonder
K1 den Mangel bei P rügt, was oft auch vereinbart wird; vgl insbesondere
SZ 55/31 (1982, dazu eingehend → Kaufmännische
Rügepflicht)
oder SZ 33/146 (1960). – Zu beachten ist, dass die strengen Regeln
des Handelsrechts auch dann gelten, wenn der Letzterwerber nicht
Kaufmann ist. In diesem Fall trifft den Vertragspartner des Letzterwerbers
die Obliegenheit, dafür zu sorgen, dass der Rügepflicht ordnungsgemäß
nachgekommen wird. | |
 | |
•
Gschnitzer,
SchRAT 221 (19912): Wird unter Eigentumsvorbehalt (→ KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel)
geliefert, besteht die Möglichkeit, dass P den Eigentumsvorbehalt
gegenüber G auf K offen weiterleitet und K nur unter der Voraussetzung
Eigentümer wird, dass P bezahlt wird. Anders liegt der Fall, wenn
zusätzlich zum offen weitergeleiteten noch zwischen G und K ein
nachgeschalteter Eigentumsvorbehalt vereinbart wird. In diesem Fall
verbleibt, trotz voller Zahlung des K an G, wenn dieser P nicht
bezahlt, das Eigentum noch bei P. Umgekehrt erlischt der Eigentumsvorbehalt
des P, wenn er von G bezahlt wird, der gegenüber K aber noch Vorbehaltseigner
sein kann. K erwirbt durch die direkte Übergabe an ihn von P ein
bedingtes Anwartschaftsrecht auf sein Volleigentum und zugleich
als Machthaber nach § 1424 ABGB ein Anwartschaftsrecht auf bedingtes
Vorbehaltseigentum für G. K kann allerdings mit Einwilligung des
P auch ohne Einverständnis des G die Kaufpreisforderung des P gegen
G einlösen (Umkehrschluss aus § 1423 ABGB); | |
|
JBl 1984, 671:
Fliesenlieferung, Konkurs des G. Zu einem Streckengeschäft bei einem
Werkvertrag HS 5376/11. | |
|
VI. „Von Umänderung
der Rechte und Verbindlichkeiten”: Novation,
Vergleich, Anerkenntnis | |
Erinnern
wir uns: Das ABGB gliedert sich in eine Einleitung (§§ 1-14) und
drei Teile (§§ 15-283: Personenrecht,
§§ 285-1341: Sachenrecht und §§ 1342-1502 von den gemeinschaftlichen
Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte). – Das 1. Hauptstück
des 3. Teils handelt „Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten”
(§§ 1342-1374) und regelt Bürgschaft (§§ 1344-1367) und Pfandvertrag
(§§ 1368-1374). Das 2. Hauptstück des 3. Teils (§§ 1375-1410) trägt
die Überschrift: „Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten”.
Damit wollen wir uns idF auseinandersetzen. | |
| |
§
1342 ABGB (als gemeinsame programmatische Bestimmung für das 1.
und 2. Hauptstück des 3. Teils) erklärt: | |
„Sowohl Personenrechte als Sachenrechte,
und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestigt, umgeändert und
aufgelassen werden.” | |
Wir
wollen uns hier die „Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten”
näher ansehen, zumal eine solche „Umänderung” oft die geschuldete
Leistung / Erfüllung und immer das Schuldverhältnis und seine Parteien
betrifft. | Was wird geändert? |
| |
§ 1375 ABGB umschreibt:
„Es hängt | Voraussetzungen |
•
von dem Willen des Gläubigers
und des Schuldners ab, ihre gegenseitigen willkürlichen Rechte und
Verbindlichkeiten umzuändern. | |
•
Die
Umänderung kann ohne, oder mit Hinzukunft einer dritten Person,
und zwar entweder | |
Der erste Satz dieser Umschreibung drückt aus, dass einverständliche rechtsgeschäftliche Änderungen der
gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien grundsätzlich unbeschränkt
möglich sind, zumal ein solches Vorgehen Konsens verlangt und damit
den Grundsatz des pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten)
achtet. | |
Dazu kommt: Nicht
alles, was sich in einem Schuldverhältnis ändert, ist Novation.
– Stundet bspw der Gläubiger seine Kaufpreisforderung, ändert dies
zwar die Fälligkeit der Forderung, die Schuld bleibt aber die gleiche.
Daher keine Novation! – Wird dagegen über die Kaufpreisforderung
ein Wechsel ( → KAPITEL 15: Der
Wechsel) ausgestellt, bedeutet das Novation; denn
dadurch entsteht ein neues, vom ursprünglichen unabhängiges, nämlich
abstraktes Schuldverhältnis. Ein neuer Rechtsgrund (die Wechselverpflichtung)
tritt an die Stelle des alten; zB Kaufvertrag. | Nicht jede Änderung
im Schuldverhältnis ist Novation |
§ 1379 ABGB stellt zudem klar, dass ein Verändern
von Nebenbestimmungen – wie Bedingung, Befristung, Zinsenhöhe, Fälligkeit,
Darlehenslaufzeit – keine Novation darstellt. Dasselbe gilt für Lohnerhöhungen
oder die Lieferung von mangelfreier statt mangelhafter Ware (im
Rahmen von Gewährleistungsansprüchen); vgl SZ 43/24 (1972): Tiefkühltruhe. | |
| Was ist als „Umänderung“ von Rechten und Verbindlichkeiten anzusehen? |
•
Novation :
§§ 1376-1379 ABGB → Novation
oder Neuerungsvertrag
| |
•
Vergleich :
§§ 1380-1391 ABGB → Der
Vergleich: §§ 1380-1390 ABGB
| |
•
Zession : §§ 1392-1399 ABGB → KAPITEL 14: Zession,
Gläubigerwechsel, Forderungsübergang. | |
•
Anweisung / Assignation: §§
1400-1403 ABGB → KAPITEL 15: Die
Anweisung: §§ 1400 ff ABGB. | |
•
Schuldübernahme : §§ 1404-1410
ABGB → KAPITEL 14: Der
eigentliche Schuldnerwechsel. | |
•
Dazu kommt das Anerkenntnis (→ Das
Anerkenntnis),
das vom ABGB hier zwar nicht angeführt, aber andernorts behandelt
wird; vgl zB § 1497 ABGB: Anerkenntnis der Unterbrechung der Ersitzung oder
Verjährung; oder §§ 163b ff ABGB: Vaterschaftsanerkenntnis. | |
2. Novation
oder Neuerungsvertrag | |
Novation (§§ 1376-1379 ABGB)
ist nach § 1376 ABGB die Umänderung von Rechten oder Pflichten (im
Schuldverhältnis) „ohne Hinzutritt einer dritten Person” [wie
bei der Bürgschaft] und beinhaltet entweder: | |
•
die Änderung
des Rechtsgrundes / Titels oder | |
• die Änderung des Hauptgegenstandes einer
Forderung. | |
In diesen Fällen geht „die alte Verbindlichkeit
in eine neue über”. | |
 | |
§ 1377 ABGB bestimmt,
dass durch Novation „die vorige” [= alte] Hauptverbindlichkeit auf[hört], und
die neue ... zugleich ihren Anfang” nimmt. – Das hat Konsequenzen! | |
Die
alte Verbindlichkeit erlischt und wird durch eine neue ersetzt,
wobei das Entstehen der neuen Verbindlichkeit davon abhängt, dass
die alte tatsächlich gültig bestanden hat; Abhängigkeit oder Akzessorietät der
Novation. War die alte Schuld ungültig, entsteht auch keine neue.
– Grundgedanke: Die neue Schuld entsteht aus der alten, ist aber
doch eine neue. Das zeigt sich am Schicksal der Nebenrechte. | Akzessorietät der Novation |
Eine Naturalobligation kann
aber noviert werden! Denn die (alte) Schuld besteht (noch) gültig,
mag sie auch rechtlich nicht mehr durchsetzbar sein → Naturalobligationen
| |
§ 1378 ABGB handelt von den Wirkungen der
Novation auf Nebenrechte wie „Bürgschafts-, Pfand-
oder andere Rechte” (etwa Sicherungsrechte wie eine Konventionalstrafe)
und bestimmt für sie, dass diese Nebenrechte grundsätzlich „erlöschen”,
es sei denn, die Vertragspartner des Neuerungsvertrags hätten „hierüber
etwas anderes festgesetzt”. | Wirkungen
auf Nebenrechte |
§
1379 ABGB erklärt, was nicht unter den Begriff der Novation fällt
(und nennt dabei „die bloße Ausstellung eines neuen Schuldscheines,
oder einer anderen dahin gehörigen Urkunde) und betont im letzten
Satz: | Zweifelsregel |
„Im Zweifel wird die alte
Verbindlichkeit nicht für aufgelöst gehalten,
solange sie mit [also neben] der neuen noch wohl bestehen kann.” | |
Diese Zweifelsregel ist insofern von Bedeutung,
als nicht immer klar ist, ob etwas Haupt- oder bloße Nebenbestimmung
ist und ob die Parteien wirklich eine Novation wollten. | |
| |
3. Der
Vergleich: §§ 1380-1390 ABGB | |
Der
Vergleich ist seinem Wesen nach Novation, genauer: er ist (entgeltlicher)
Neuerungsvertrag;
§ 1380 Satz 2 ABGB. – Das ABGB umschreibt den Vergleich als Neuerungsvertrag,
„durch welchen streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt
werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun,
oder zu unterlassen verbindet”. | Neuerungsvertrag |
Der
– wie er auch genannt wird – außergerichtliche oder bürgerliche
Vergleich schafft also einen neuen Rechtsgrund; GlU 9840
(1884) uam. – Aber nicht alles, was als Vergleich bezeichnet wird, ist
ein Neuerungsvertrag. Die Rspr betont, dass der Vergleich nur dann
Neuerungsvertrag ist, wenn damit eine neue Rechtsgrundlage geschaffen
und ein Zurückgreifen auf das ursprüngliche Rechtsverhältnis ausgeschlossen
werden soll; EvBl 1975/240 = JBl 1976, 148. | Schafft neue Rechtsgrundlage |
Anders als die
bloße Novation setzt die Gültigkeit eines Vergleichs nicht voraus,
dass ein gültiges Grundgeschäft vorgelegen hat. Der Vergleich ist
demnach nicht akzessorisch. Der Vergleich geht eben
oft geradezu davon aus, dass das Grundgeschäft – oder doch Teile
davon – unsicher oder zweifelhaft ist. Bestand kein (gültiges) Grundgeschäft,
behält der Vergleich daher dennoch seine Wirkung; sog rechtsgestaltende
Wirkung des aussergerichtlichen Vergleichs: EvBl 1955/379 (strittige
Forderung). | Nicht akzessorisch |
Inhaltlich werden mit dem
Vergleich „streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt.., dass
jede Partei sich wechselseitig etwas geben, zu tun, oder zu unterlassen
verbindet” (= verpflichtet); man spricht von Bereinigungs- oder
Klarstellungswirkung des Vergleichs. Es geht dabei immer um ein
wechselseitiges Nachgeben beider (!) Vertragsteile. Anders ist das
beim Anerkenntnis → Das
Anerkenntnis – Nach der Rspr liegt das Wesen des Vergleichs
darin, „dass die Parteien an die Stelle einer streitigen oder zweifelhaften
Verbindlichkeit eine feststehende setzen”; MietSlg 35.262 (1983). | Bereinigungs-
oder Klarstellungswirkung |
Der
Vergleich – zum Teil gilt dies auch für das Anerkenntnis – stellt
ein hervorragendes Rechtsinstrument der außergerichtlichen Streitbereinigung
dar. Nur muss es adäquat eingesetzt werden, was psychologisches
Einfühlungsvermögen voraussetzt. Mediationsergebnisse können
auf diese Weise rechtlich abgesichert werden. | Instrument außergerichtlicher Streitbereinigung |
Nicht alle rechtlichen Zweifelsfragen
können aber durch Vergleich bereinigt werden. Das Gesetz selbst
bringt Beispiele, worüber kein gültiger Vergleich geschlossen werden
kann. Wie die folgenden Beispiele zeigen, handelt es sich um „Fälle”
an deren Gestaltung ein öffentliches Interesse besteht, weshalb
der privatautonomen Gestaltung Grenzen gesetzt werden, nämlich: | Grenzen
privatautonomer Gestaltung |
•
§ 1382 ABGB: Streit über die Gültigkeit
einer Ehe; | |
•
§ 1383 ABGB: oder „über den Inhalt einer letzten
Anordnung ... vor deren Bekanntmachung”; | |
•
§ 1384 ABGB: oder über strafbare Handlungen;
vgl aber § 167 Abs 2 Z 2 StGB: tätige Reue und sog Privatanklagedelikte. | |
• Auch zwingende gesetzliche Vorschriften wie
der Kündigungsschutz nach dem MRG können durch Vergleich nicht umgangen
werden; MietSlg 30.253 (1978). | |
| |
§
1381 ABGB grenzt den Vergleich vom (Schuld)Erlass ab.
Beim Erlass wird ein unstreitiges (Vergleich = streitig!) und unzweifelhaft
(Vergleich = zweifelhaft!) bestehendes Recht unentgeltlich (Vergleich
= entgeltlich!) erlassen. | Abgrenzung des Vergleichs vom (Schuld)Erlass |
Die Rechtsnatur des
(Schuld)Erlasses ist aber selbst strittig. Für manche ist er Vertrag,
nämlich Schenkung (vgl § 939 ABGB), für andere (als Verzicht) bloß
ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Streit ist überflüssig: Schenkung
braucht Annahme, einseitiger Erlass (als Verzicht dagegen) nicht; §
939 ABGB. | |
Als Neuerungsvertrag wirkt der Vergleich konstitutiv,
dh er schafft eine neue Rechts(grund)lage, ein neues Titelgeschäft
/ causa. – Anders als bei der Novation bleiben aber beim Vergleich
Bürgen und Pfänder (also Nebenrechte und Sicherungen) grundsätzlich
aufrecht, soweit dadurch keine Haftungserweiterung eintritt. Dem
Schuldner bleiben auch alle Einwendungen gegen den Gläubiger erhalten;
§ 1390 ABGB. | |
Als Vertrag wird der Vergleich formlos,
also auch bloß mündlich, geschlossen. Ist aber das, worüber verglichen
werden soll formbedürftig (zB die Verpflichtungserklärung des Bürgen
nach
§ 1346 Abs 2 ABGB), unterliegt auch der Vergleich insofern der Formpflicht. | |
Ein Vergleich
will „streitige oder zweifelhafte Rechte” klären und soll daher
nicht wieder ohne weiteres, insbesondere nicht im selben Ausmaß
angefochten werden können wie andere Verträge; zB wegen Irrtums.
– § 1385 ABGB bestimmt daher, dass ein (unterlaufener) Irrtum einen
geschlossenen Vergleich „nur insoweit ungültig machen” kann, als
er die „Wesenheit der Person, oder des Gegenstandes”, also der Vergleichsbasis (Gschnitzer)
betrifft; dh jene Punkte, die die Parteien als feststehend und gerade
nicht als strittig oder zweifelhaft betrachtet haben. (Zum Wegfall
/ Störung der Geschäftsgrundlage → KAPITEL 5: Störung
oder Wegfall
der Geschäftsgrundlage.)
Das Gesetz selbst (§ 1385 ABGB) nennt dafür Beispiele: | |
•
Irrtum in
der Person (des Vergleichspartners) oder | |
•
Irrtum im Vergleichsgegenstand. | |
Ein Vergleich
kann daher nicht wegen einer Verletzung über die Hälfte angefochten
werden
(§ 1386 ABGB) → Verkürzung
über die Hälfte – „Ebenso wenig können neu gefundene Urkunden,
wenn sie auch den gänzlichen Mangel eines Rechtes auf Seite einer
Partei entdecken, einen redlich eingegangenen Vergleich entkräften”;
§ 1387 ABGB. Betrug und Täuschung können
aber immer geltend gemacht werden; § 1389 iVm §§ 1386, 1387 ABGB:
„redlich errichtet” oder „eingegangen”. Rechenfehler schaden
nach § 1388 ABGB aber niemanden. | |
| |
| Typische Anwendungsfälle des außergerichtlichen Vergleichs |
|
DRdA 1991, 470:
Bereinigung offener, strittiger
Punkte bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. | |
|
|
EvBl 1993/24:
Eine sog Generalbereinigung ist
ein Vergleich;. Hier ging es um die Bereinigung von Differenzen
zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer. – Die Entlastung
nach § 35 Abs 1 GmbHG ist eine einseitige Erklärung der GmbH, mit
der diese ihre/n Geschäftsführer von Schadenersatzansprüchen befreit,
die aus Verstößen derselben erwachsen können. Die Entlastung ähnelt
in ihrer Wirkung dem Verzicht auf Ersatzansprüche oder dem Anerkenntnis
des Nichtbestehens solcher Ansprüche. – Die Generalbereinigung,
als Vergleich, geht aber darüber hinaus und enthält auch den Verzicht
auf bislang nicht erkennbare Ersatzansprüche. Aber auch eine Generalbereinigung
erstreckt sich nicht, wie jeder andere Vergleich, auf Rechte, die
verheimlicht worden sind oder an welche die Parteien nicht denken
konnten; also einen Irrtum über die Vergleichsbasis! | |
|
|
RZ 1979/89 = EFSlg
33.839 oder EvBl 2000/68: Dem Unterhaltsvergleich wohnt
die Umstandsklausel inne → KAPITEL 6: Vorvertrag
und Umstandsklausel:
Vergleichsweise
Regelung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung (Unterhaltsvergleich). | |
|
|
Bedeutsam ist
der (außergerichtliche) Vergleich im Versicherungsrecht.
– Um Zivilprozesse zu vermeiden, schließen Versicherungen mit Geschädigten
sog Abfindungsvereinbarungen mit denen bestehende Ansprüche generell
und endgültig geklärt – eben abgefunden – werden sollen. Dabei besteht
– wie die Praxis zeigt – die Gefahr, dass Versicherer anspruchsberechtigte
Personen übervorteilen, indem sie versuchen, in Abfindungserklärungen
gegenwärtig noch gar nicht absehbare, also unvorhersehbare und später eintretende
Schäden selbst von außergewöhnlichem Umfang miteinzubeziehen, was
ein späteres Geltendmachen dieser Ansprüche vereiteln soll. Das
spielt im Kfz-Schadensrecht ebenso eine Rolle wie bei Personenschäden
aus Verkehrsunfällen oder medizinischen Behandlungsfehlern. Der
OGH (bspw 2 Ob 130/97z: E 10.7.1997) hält derartige Vergleiche dann
für sittenwidrig, wenn Abfindungsklauseln unvorhersehbare Schäden
von außergewöhnlichem Umfang erfassen und die Abfindungssumme nur
auf der Basis der bekannten Schäden berechnet wurde; vgl ecolex
1997, 917 = RZ 1998/27 = ZVR 1998/8 = JBl 1998, 38. | |
|
|
EvBl
1991/25: Auch der außergerichtliche Ausgleich ist
Vergleich. Bei ihm verzichten die Gläubiger auf den die Ausgleichsquote
übersteigenden Schuldrest. Im Gegensatz zum gesetzlichen / gerichtlichen
Ausgleich ( → KAPITEL 19: Das Ausgleichsverfahren) entsteht für die Restschuld keine Naturalobligation → Schuld
und Haftung – Naturalobligationen
| |
|
|
OGH 23. 11. 2000,
6 Ob 271/00t, EvBl 2001/78:Der Kläger vermietet an den Beklagten
ein Forsthaus, benützt es aber weiter. Das Bestandobjekt
war in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Zwischen den Parteien waren
im Zusammenhang mit dem Bestandverhältnis zahlreiche Prozesse anhängig,
welche durch einen Generalvergleich beigelegt werden sollten. Dabei
ist eine Partei durch einen Sachwalter vertreten. Diese ficht den
Vergleich später wegen Irrtums mit dem Argument an sie habe auf
Grund extremen psychischen Stresses den Vergleich nicht richtig
verstanden. – OGH zur Irrtumsanfechtung bei Geschäften, bei denen ein
Stellvertreter tätig wird: Grundsätzlich ist ein Irrtum des Vertretenen
nicht kausal; es sei denn dieser Irrtum hätte sich in einer Weisung
an den Stellvertreter ausgewirkt. | |
|
|
OGH 26. 7. 2000,
7 Ob 165/00s, JBl 2001, 179: Schriftlicher Kaufvertrag enthält Schiedgerichtsklausel. Ein
Vertragspartner beruft sich darauf auch nach abgeschlossenem Vergleich.
– OGH: Novationswirkung des Vergleichs besteht nur bei Änderung
des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes. Da im konkreten Fall
eine solche Änderung nicht vorlag, blieb das alte Schuldverhältnis
bestehen; der Einwand der Unzuständigkeit des ordentlichen Gerichtes
wegen Weiterbestand der Schiedsgerichtsklausel besteht daher zurecht. | |
|
| Räumungsvergleich |
Das Verfahrensrecht kennt den gerichtlichen
Vergleich; § 204 ZPO. Er wird von der Rspr als prozessrechtlicher
Vertrag verstanden, der ein Verfahren bedingt oder unbedingt beendet
oder doch Streitpunkte klärt. Der gerichtliche Vergleich ersetzt
das streitige Urteil und ist als sog Urteilssurrogat nach § 1 Z
5, 11 und 16 EO Exekutionstitel. – Die Praxis erblickt im gerichtlichen
Vergleich sowohl eine (verfahrensbeendende) Prozesshandlung, als
auch einen zivilrechtlichen Vertrag; sog Doppelnatur des gerichtlichen
Vergleichs. | Gerichtlicher
Vergleich |
Der gerichtliche Vergleich stellt (gleichsam)
die letzte Chance für die Streitparteien dar, den Streit durch privatautonome
Vereinbarung zu beenden, das heißt ohne richterliches Urteil. –
Der gerichtliche Vergleich ist in der Praxis beliebt und beendet
viele streitige Zivilverfahren. Parteien schließen Vergleiche auch
oft (bloß) deshalb, um einer nach außen imageschädigenden Verurteilung
zu entgehen, die mit langen Prozessen verbunden sein kann. | |
| |
Auch
das Anerkenntnis ist ein Fall der Novation. Es ist dem Vergleich
verwandt, zumal es ebenfalls dazu dient, streitige oder unklare
Rechte oder Tatsachen zu bereinigen. Anders als beim Vergleich kommt
es zum Anerkenntnis aber nicht durch beiderseitiges Nachgeben, sondern
bloß durch einseitiges; EvBl 1974/4: Zum Begriff des echten oder
konstitutiven Anerkenntnisses. Sinnvollerweise könnte daher einseitige
(zugangsbedürftige) Erklärung hinreichen; str (Gschnitzer!). Die Rspr
erblickt im Anerkenntnis aber einen Feststellungsvertrag. | |
Das Anerkenntnis
besitzt rechtsgestaltende Wirkung und schafft einen neuen
Rechtsgrund. – Das echte Anerkenntnis stellt ein vom Gläubiger
behauptetes und bislang vom Schuldner angezweifeltes Recht außer
Streit und schafft dadurch eine neue selbständige Verpflichtung;
SZ 51/176 (1978): Abgrenzung von Schuldbekenntnis und konstitutivem
Anerkenntnis. Der Gläubiger kann sich daher künftig auf das Anerkenntnis
stützen und muss nicht auf den früheren (strittigen) Rechts- oder
Schuldgrund zurückgreifen. | Neuer Rechtsgrund |
In
Bezug auf Nebenrechte (Sicherungen) lässt man diese,
anders als bei der Novation, aber wie beim Vergleich, grundsätzlich
weiterbestehen. – Auch für die Anfechtung von
Anerkenntnissen gelten die Voraussetzungen des Vergleichs; also
nur erschwerte Anfechtungsmöglichkeit. | Nebenrechte |
Auch Anerkenntnisse können iSd § 863 ABGB konkludent
/ stillschweigend erfolgen, was aber – wie das Gesetz ausführt –
nicht leichtfertig angenommen werden darf. | |
Die Hauptbedeutung des
Anerkenntnisses liegt: | Vorkommen |
•
im Familienrecht (Vaterschaftsanerkenntnis;
§§ 163b ff ABGB) und | |
•
Erbrecht;
vgl § 665 ABGB (Schuldvermächtnis); | |
•
aber es kommt auch im Schuldrecht vor,
ist hier aber gesetzlich nicht geregelt. | |
Das Prozessrecht kennt
das Anerkenntnisurteil; § 395 und § 45 ZPO. | |
„Anerkenntnis” Echtes oder konstitutives Anerkenntnis | Geständnis oder deklaratives Anerkenntnis |
= Willenserklärung (enthält
zB ein Zahlungsversprechen)
- bezieht sich nach
hA auf: Rechtsgeschäfte, Verträge, Rechte oder Pflichten
= nicht widerlegbar
und widerrufbar
- aber (wenn auch
wie derVergleich erschwert) anfechtbar
-
schafft einen neuen Rechtsgrund / causa
- nach der Rspr: Feststellungsvertrag; aber auch Deutung
als einseitige Erklärung möglich (Gschnitzer)
|
= Willenserklärung; bloße
Aussage
- bezieht sich in der Regel auf Tatsachen*;
aber auch Rechtsgeständnisse
= widerlegbar
und widerrufbar
- /
- schafft keinen neuen Rechtsgrund, bewirkt aber
~ Beweislastverschiebung im Prozess; Schuldner
hat Nichtbestand der Forderung durch Widerlegung des Anerkenntnisses
zu beweisen
- ist einseitige (Wissens)Erklärung
|
| |
* Das Geständnis kann
wiederum Tatsachen- (Geständnis ieS) oder Rechts geständnis
(auch unechtes Anerkenntnis genannt) sein. – Im Ausstellen eines Schuldscheines,
einer Quittung oder in der Bitte um Stundung wird
gleichzeitig ein (einseitiges) Rechtsgeständnis erblickt, weil damit
mittelbar auch der Bestand des Rechtsverhältnisses bestätigt / anerkannt
wird. | |
|
OGH 27. 4. 2001,
1 Ob 27/01d (verst Senat), JBl 2001, 593: Verbraucher erhebt keine
Einsprüche gegen vierteljährliche Kontoauszüge samt
Rechtsbelehrung. – OGH: Das Saldoanerkenntnis nach
AGBKr hat im Regelfall nur deklarative Wirkung. Konstitutiv wirkt
es nur bei konkreter Streitbereinigungsabsicht, dh wenn im konkreten
Fall ein ernstlicher Streit oder Zweifel beigelegt werden soll. | |
|
Das Geständnis ist
deklaratorisches Anerkenntnis: Vom echten oder konstitutiven Anerkenntnis, das
einen neuen und selbständigen Rechtsgrund schafft, ist das bloß deklaratorische Anerkenntnis oder
Geständnis zu unterscheiden. – Nicht immer ist einfach festzustellen,
ob ein konstitutives oder bloß deklaratorisches Anerkenntnis vorliegt.
Dies ist durch rechtsgeschäftliche Auslegung zu ermitteln; §§ 914,
915 ABGB. | Geständnis |
 | |
VII. Teilbarkeit
oder Unteilbarkeit der Leistung: Teil- oder Gesamtschuldverhältnis | |
1. Mehrheit
von Berechtigten und Verpflichteten | |
Auf beiden Seiten
einesSchuldverhältnisses, also auf Gläubiger- und
Schuldnerseite, können mehrere Personen stehen. Je nachdem liegt Gläubiger-
oder Schuldnermehrheit vor; vgl § 888 ABGB: | |
„Wenn zwei oder mehrere Personen jemanden
eben dasselbe Recht zu einer Sache versprechen, oder es von ihm annehmen;
so wird sowohl die Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen
der Gemeinschaft des Eigentumes [§§ 825 ff ABGB] geteilt.” | |
Für die
rechtliche Behandlung dieser Konstellation macht es einen Unterschied,
ob die Leistung der einen oder/und der anderen
Seite teilbar ist oder nicht.
– Die Frage der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit einer Leistung kommt
im praktischen Rechtsleben häufig vor und stellt sich nicht nur
für körperliche, sondern auch für unkörperliche Sachen insbesondere
auch Dienstleistungen und Rechte. | Teilbarkeit der Leistung? |
 | |
| |
Eine teilbare Leistung
(zB Geld), die mehreren geschuldet wird (Gläubigermehrheit), gilt
grundsätzlich als geteilt; dh jeder (Mit)Gläubiger kann
vom Schuldner nur seinen (An)Teil fordern. – Entsprechendes gilt,
wenn bei teilbarer Leistung mehrere (Mit)Schuldner vorhanden
sind (Schuldnermehrheit); hier schuldet jeder (Mit)Schuldner dem
Gläubiger nur seinen (An)Teil; vgl §§ 888, 889 ABGB. | |
Diese
Unterscheidung, ob nämlich bei mehreren Schuldnern jeder nur für
seinen Teil haftet oder – wie idF ausgeführt – ein Gesamtschuldverhältnis
mit sog Solidarhaftung (dh: „einer [haftet] für alle,
alle [haften] für einen”) anzunehmen ist, ist von praktischer Bedeutung. | Solidarhaftung |
Die Solidarhaftung besitzt auch im bürgerlichen
Recht in allen möglichen Zusammenhangen Bedeutung, wie das Beispiel
der folgenden E verdeutlichen mag. | |
|
OGH 5. 7. 2001,
6 Ob 315/00t, JBl 202, 40: Ein Mann trennt sich von seiner Frau
und nimmt eine außereheliche Beziehung zu einer anderen Frau auf.
Ehefrau wusste von ehewidrigem Verhältnis und beauftragte Detektivbüro
zur Beweissicherung. Die Detektivkosten will sie
von der Freundin des Mannes einklagen. – OGH: Die sonst von der
Rspr bejahte solidarische Haftung des Ehestörers mit dem
Ehepartner für Detektivkosten scheidet aus, wenn der betrogene
Ehegatte mit der Überwachung nur das Interesse an der Beweissicherung
für ein Ehescheidungsverfahren verfolgt; dh wenn keine Unsicherheit
über die Tatsache der außerehelichen Beziehung selbst besteht. | |
|
Im Zweifel wird
im bürgerlichen Recht Teilbarkeit angenommen; „im
Zweifel” meint: wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben
(EvBl 1961/305) oder sich aus der Natur der Leistung nichts anderes
ergibt. – Teilbar sind etwa Schadenersatzansprüche in Geld; SZ 41/82
(1968) oder JBl 1979, 88. | Bürgerliches
Recht nimmt im Zweifel Teilbarkeit an |
Diese Lösung ist für Schuldner wesentlich
günstiger, weil das Haftungsrisiko deutlich geringer ist. Die unterschiedlichen
Lösungen des bürgerlichen und Handelsrechts offenbaren die größere
Strenge des Handelsrechts, was sich nicht nur in dieser Frage zeigt. | |
 | |
Gegenteilig
die Regelung des Handelsrechts (Art 8 Nr 1 EVHGB):
„Verpflichten sich mehrere [Kaufleute] durch Vertrag gemeinschaftlich
zu einer teilbaren Leistung, so haften sie im Zweifel als Gesamtschuldner.” | Anders das Handelsrecht |
3. Unteilbare Leistung:
§§ 890 ff ABGB | |
Genau umgekehrt
verhält es sich bei einer unteilbaren Leistung, wenn auf Schuldner-
oder Gläubigerseite mehre Parteien stehen. | |
 | |
Das Schuldverhältnis kann also
auch so ausgestaltet sein, dass jeder einzelne Gläubiger die ganze Leistung
zu fordern berechtigt ist oder jeder einzelne Schuldner die ganze
Leistung schuldet. In einem solchen Fall sind alle Gläubiger befriedigt,
wenn einer von ihnen die (ganze) Leistung erhalten hat und auf der
anderen Seite werden alle Schuldner von ihrer Leistungspflicht befreit, wenn
(auch nur) ein Schuldner vollständig geleistet hat. – Man spricht
in diesem Fall von Gesamt- oder Solidarschuld und Gesamtforderung.
Vgl aber die Kautelen des § 890 ABGB. | Solidarschuld
und Gesamtforderung |
4. Gesamtschuld-
und Gesamtforderung | |
§ 891 ABGBumschreibt
die Gesamt- oder Solidarschuld,
auch Korrealität (vgl die Überschrift von § 891 ABGB) genannt: | |
„Versprechen
mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur ungeteilten Hand dergestalt,
dass sich einer für alle, und alle für einen ausdrücklich
verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt
dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern
das Ganze, oder nach von ihm gewählten Anteilen; oder ob er es von
einem einzigen fordern wolle.” | |
Neben der vertraglichen Entstehung einer
Solidar- oder Gesamtschuld (zB im Falle eines Schuldbeitritts: §
1347 ABGB → KAPITEL 14: Der
Schuldbeitritt) gibt es auch zahlreiche gesetzliche
Entstehungsgründe. | Vertragliche
und gesetzliche
Entstehungsgründe |
ZB nach den §§ 1301, 1302 ABGB:
Zufügen eines Schadens durch mehrere Teilnehmer; etwa der Mitglieder
des Vorstands oder Aufsichtsrats einer AktGes nach § 100 AktG oder
einer GmbH nach §§ 10 Abs 4, § 25 Abs 2, § 33 Abs 2, § 56 Abs 3
etc GmbHG; oder nach § 17 UWG bei unlauterem Wettbewerb, Eingriffen
in ein Patentrecht
(§ 153 PatG), ins Urheberrecht (§ 89 UrhG), aber auch insbesondere
nach § 5 Abs 2, 8 und 11 EKHG (mehrere Kfz-Halter) → KAPITEL 9: Halterbegriff oder
§ 128 HGB (Verbindlichkeiten der OHG) oder nach §§ 28 Abs 6 und
30 GebG für Gebühren von Rechtsgeschäften; so haften Vermieter und
Mieter solidarisch (gegenüber dem Finanzamt) für zu entrichtende
Gebühren. | |
Hat bei einer Gesamt- oder Solidarschuld
ein Schuldner die gesamte Leistung erbracht oder doch mehr als seinem
Anteil entspricht geleistet, so steht ihm gegen seine Mitschuldner nach
§ 896 ABGB ein entsprechendes Rückgriffs- oder Regressrecht zu. | Rückgriffsrecht
von Mitschuldnern |
| |
|
OGH 14.. 1999,
4 Ob 306/99z, EvBl 2000/105: Einer von mehreren Solidarschuldnern
bringt Garantie bei; der Interzedent wird bei Fälligkeit
in Anspruch genommen. – OGH lässt Garantie eines Solidarschuldners
iSd hM für alle wirken. Daraus ergibt sich nach Inanspruchnahme
des Garanten ein Regressanspruch nach § 1358 ABGB gegen die übrigen
Solidarschuldner. | |
|
| |
Zu den genannten kommt
eine weitere Gestaltungsmöglichkeit des Schuldverhältnisses hinzu:
Bei der Gesamthandschuld oder Gesamthandforderung können
überhaupt nur alle Schuldner gemeinsam leisten und nur alle Gläubiger
gemeinsam die Leistung / Erfüllung fordern; vgl § 890 ABGB. | |
| |
 | |
Zur Wiederholung: | |
 | Abbildung 7.39: Teil- oder Gesamtschuldverhältnis |
|
 | Abbildung 7.40: Gläubiger- oder Schuldnermehrheit (1) |
|
 | Abbildung 7.41: Gläubiger- oder Schuldnermehrheit (2) |
|
 | Abbildung 7.42: Gläubiger- oder Schuldnermehrheit (3) |
|
 | Abbildung 7.43: §§ 890 ff ABGB |
|
|
Inhaltsverzeichnis |
B. Die
Leistungsstörungen |
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