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Inhaltsverzeichnis
SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 14
zurück B. Der Schuldnerwechsel
vor D. Bankgeschäfte
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C. Die Vertragsübernahme
I. Übertragung der Gläubiger- oder Schuldnerrolle
Die Vertragsübernahme ist nicht nur eine rechtliche Kombination von Zession und Schuldübernahme! So behalf man sich aber früher! –Von Vertragsübernahme spricht man, wenn nicht nur (einzelne) Rechte oder Pflichten eines Gläubigers oder Schuldners auf eine dritte Person übertragen werden, sondern wenn die gesamte Rechtsstellung / Rolle eines Gläubigers oder Schuldners in einem Schuldverhältnis auf einen Dritten übergeht. Es geht dabei um die Übertragung aller Rechte und (!) Pflichten einer Partei im Schuldverhältnis durch einen einheitlichen Rechtsakt.
Das ABGB kennt noch keinen eigenen Rechtsgeschäftstypus der Vertragsübernahme; wohl aber gibt es mittlerweile einzelne Fälle der Vertragsübernahme kraft Gesetzes → Übertragung von Rechten und Pflichten
Die Vertragsübernahme muss grundsätzlich von allen Betroffenen vereinbart werden; nur dann wird sie als zulässig angesehen.
Zustimmung aller
Dafür bestehen mehrere Möglichkeiten:
Mehrere Möglichkeiten
• entweder dreiseitiger Vertrag oder
• durch Vertrag zwischen Ausscheidendem und Eintretendem und vorweg oder nachträglich gegebener Zustimmung des verbleibenden (bisherigen) Vertragspartners.
• Das Arbeitsrecht kennt mittlerweile in § 3 Abs 1 AVRAG eine gesetzliche Sonderregelung → Neue Betriebsübergangsregelung: AVRAG 1993
Zu Schuldvertrag und Schuldverhältnis → KAPITEL 7: Schuldvertrag und Schuldverhältnis.
1. Typische Beispiele – Anwendungsbereich
Praktisch bedeutsam ist die Vertragsübernahme für:
• die Unternehmensveräußerung; oder
• die Veräußerung eines vermieteten Hauses / Grundstücks, wobei der Erwerber als (künftiger) Vermieter zB in bestehende Mietverträge eintritt; oder
• den Wechsel einer Partei im Kreditverhältnis; sog Umschuldung.
Dazu Gschnitzer, in: Franz Gschnitzer Lesebuch 628 (1993): „Das Ergebnis, zu dem wir beim Personenwechsel im Kreditverhältnis kommen, ist daher: Im Einklang mit der generellen Zulässigkeit der zweiseitigen Vertragsübernahme ist auch im Kreditverhältnis ein Wechsel der Partei bei Fortbestand desselben Verhältnisses zulässig, und zwar ebenso auf der Seite des den Kredit zur Verfügung Stellenden wie des den Kredit Suchenden, immer aber nur mit Zustimmung des anderen Vertragsteiles.”
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 58/7 (1985): Wohnungseigentümer sind zur Klage wegen Gewährleistung und Schadenersatz gegen Professionisten legitimiert, wenn sie mit dem WE-Organisator die Vereinbarung treffen, in die vom WE-Organisator abgeschlossenen und noch abzuschließenden Verträge, insbesondere den Architektenvertrag, Bauvertrag und sonstige Werkverträge einzutreten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zu übernehmen.
JBl 1988, 720: In der Bestimmung eines Bierbezugsvertrags, die den Kunden zur Überbindung des Bezugsvertrags auf den Erwerber des Gasthauses verpflichtet, liegt auch die vorwegerteilte Zustimmung der Brauerei zur Vertragsübernahme durch jeden beliebigen Erwerber.
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2. Gschnitzers und Ehrenzweigs Meinung
Zitate von Gschnitzer und – darin eingeschlossen – Ehrenzweig sollen das Problem der Vertragsübernahme nochmals umreißen:
„Man kann nicht ... die Vertragsübernahme in Forderungsabtretung und Schuldübernahme zerlegen, da das Schuldverhältnis nicht nur aus Forderungen und Schulden besteht. Wenn eine Partei wechselt, müssen auch die Gestaltungsrechte, die ihr zustehen, übergehen, und die verbleibende Partei muss ihr zustehende Gestaltungsrechte nunmehr gegen die neue Partei geltend machen; hier werden aber weder Forderungen übertragen noch Schulden übernommen. Das hat Ehrenzweig, System, § 334, I, richtig erkannt: ‘Die Schuldübernahme durch Vertrag mit dem Schuldner (§ 1405 ABGB) ist gewöhnlich Bestandteil eines weitreichenden Geschäftes: Übernahme eines Vertrages, zB einer Miete, eines Dienstvertrages, einer Versicherung mit allen Rechten und Pflichten oder Übernahme einer belasteten Sache (§ 1408 ABGB), oder der Aktiven und Passiven eines Vermögens oder eines Geschäftes (§ 1409 ABGB). Die Vertragsübernahme besteht darin, dass eine Vertragspartei sowohl ihre Ansprüche als auch (mit Zustimmung des anderen Teils) ihre Verbindlichkeiten überträgt. Aber die Wirkung reicht weiter als die der Abtretung und der Schuldübernahme. Denn die alte Vertragspartei scheidet vollständig aus; auch Befugnisse, die für sich allein nicht übertragen werden können, wie zB das Kündigungsrecht, stehen nunmehr dem Übernehmer zu.’
Nach richtiger Auffassung bewirkt daher die Vertragsübernahme als eigenes Rechtsinstitut durch einheitlichen Akt den Parteienwechsel als solchen, wozu die Zustimmung des oder der anderen Partner grundsätzlich erforderlich ist, und worin der Übergang der Forderungen und Schulden, aber auch anderer dem Schuldverhältnis entspringender Rechte und Rechtslagen beschlossen ist”; Franz Gschnitzer Lesebuch 607 (1993).
Ein Argument für die grundsätzliche Erlaubtheit der Vertragsübernahme im österreichischen Privatrecht liefert
§ 1375 ABGB: „Es hängt von dem Willen des Gläubigers und des Schuldners ab, ihre gegenseitigen willkürlichen Rechte und Verbindlichkeiten umzuändern. Die Umänderung kann ohne oder mit Hinzukunft einer dritten Person, und zwar entweder eines neuen Gläubigers oder eines neuen Schuldners geschehen.” – Der italienische Codice Civile regelt in den Art 1406–1410 die Vertragsübernahme (cessione del contratto).
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3. Übertragung von Rechten und Pflichten
Es macht also einen Unterschied, ob nur Rechte (= Zession) oder nur Pflichten (= Schuldnerwechsel) übertragen werden oder die Rechte und (!) Pflichten – samt allfälligen Gestaltungsrechten – einer Partei im Schuldverhältnis.
Dazu kommt: Die Vertragsübernahme ist ein einheitlicher Rechtsakt; nicht nur eine Kombination aus Zession und Schuldübernahme. – Voraussetzung der gültigen Vertragsübernahme ist grundsätzlich die Zustimmung aller Beteiligten. Davon gibt es jedoch – insbesondere gesetzliche – Ausnahmen:
Einheitlicher Rechtsakt
Gesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz der Zustimmung aller:
• § 69 VersVG: Erwerber des versicherten Gegenstandes tritt an die Stelle des Veräußerers ins Versicherungsverhältnis ein: zB KFZ-Versicherung beim Autoverkauf;
• § 12 Abs 1 MRG: Eintrittsrecht naher Angehöriger in den Mietvertrag. Das Gesetz spricht irreführend von Abtretung;
• § 12a MRG: Übergang des Mietverhältnisses bei Unternehmensveräußerung oder –verpachtung;
• § 13 MRG: Wohnungstausch (auch gegen den Willen des Vermieters; Gericht ersetzt seine Zustimmung);
• § 31c Abs 3 KSchG: Verhinderter Reisender kann seine Vertragsposition auf eine „andere Person” übertragen.
Veräußerung einer versicherten Sache
§ 69 VersVG
(1) Wird die versicherte Sache vom Versicherungsnehmer veräußert, so tritt an Stelle des Veräußerers der Erwerber in die während der Dauer seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein.
(2) Für die Prämie, welche auf die zur Zeit des Eintrittes laufende Versicherungsperiode entfällt, haften der Veräußerer und der Erwerber zur ungeteilten Hand.
(3) Der Versicherer hat die Veräußerung in Ansehung der durch das Versicherungsverhältnis gegen ihn begründeten Forderungen erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von ihr Kenntnis erlangt; die Vorschriften der §§ 1394 bis 1396 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches sind entsprechend anzuwenden.
Auch das wesentlich jüngere dtBGB von 1900 kennt die Vertragsübernahme noch nicht. Gemeint ist damit, dass eine Partei des Schuldverhältnisses– also Gläubiger oder Schuldner – jeweils mit ihren (gesamten) Rechten und Pflichten ausscheidet und an ihre Stelle ein/e RechtsnachfolgerIn tritt. – Unklar war lange, ob dadurch das Schuldverhältnis eine Änderung erfährt oder ob es das gleiche bleibt, was zB beim Arbeitsverhältnis (bei einem Wechsel des Arbeitgebers) für die Arbeitnehmer (wegen Kündigung, Abfertigung, Entlohnung / Entgeltfortzahlung und Urlaubsansprüchen) von Bedeutung ist. Von Vertragsübernahme kann man nämlich nur dann sprechen, wenn das Schuldverhältnis trotz Parteiwechsels dasselbe bleibt. Der Wechsel einer Vertragspartei betrifft nach hA die Identität des Schuldverhältnisses nicht, was auch für allfällig bestellte Sicherheiten von Bedeutung ist, die grundsätzlich weiter haften; zB eine vom Schuldner bestellte Hypothek. Wurde die Sicherheit jedoch von einem Dritten gegeben, ist seine Zustimmung nach § 1407 Abs 2 ABGB einzuholen.
DtBGB von 1900


Unternehmens(ver)kauf – Ausnahme
Abbildung 14.12:
Unternehmens(ver)kauf – Ausnahme
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II. Neue Betriebsübergangsregelung: AVRAG 1993
Literaturquelle
1. Die EU-RL 77/187
Beispiel
Die genannte EU-RL hat die nationalen Gesetzgeber veranlasst, den Betriebsübergang unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitnehmerschutzes zu regeln. Diese Harmonisierung erfolgte für Österreich mit dem ArbeitsvertragsrechtsanpassungsG 1993, BGBl 459, insbesondere den §§ 3 ff AVRAG.
Inhaberübergang
Angeknüpft wird im Gegensatz zu § 1409 ABGB an den Inhaberübergang. Es ist also kein Eigentümerwechsel notwendig; Pacht genügt. Gemäß § 3 Abs 1 AVRAG tritt der Erwerber beim Betriebsübergang automatisch (!) als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverträge ein. Für noch nicht befriedigte Ansprüche oder verdiente Anwartschaften aus diesen Arbeitsverträgen haftet der Erwerber unbeschränkt. ISd § 1409 ABGB auf das Aktivvermögen beschränkt, haftet der Erwerber für offene Forderungen von bereits vor Betriebsübergang ausgeschiedenen Arbeitnehmern und für Verbindlichkeiten, die nicht am übergegangenen Betrieb(steil), sondern am Gesamtunternehmen hängen. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse erfolgt nunmehr ex lege; § 3 Abs 1 AVRAG. Es ist also keine Zustimmung übernommener Arbeitnehmer mehr nötig. Diese haben aber ein Widerspruchsrecht, wenn der Erwerber den kollektivvertraglichen Bestandschutz oder die betriebliche Pensionszusage nicht übernimmt; § 3 Abs 4 AVRAG.
Der Erwerber darf Kündigungen nur aus organisatorischen, wirtschaftlichen, technischen Gründen etc. aussprechen. Kündigungen, für die der Betriebsübergang das ausschlaggebende Motiv ist, sind unzulässig. – Der neue Arbeitgeber hat danach im Falle des Betriebs- oder Unternehmensübergangs auch die kollektivvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen (bis zu einer allfälligen Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags → KAPITEL 11: Der Kollektivvertrag als Rechtsquelle und → KAPITEL 12: Kollektivverträge) einzuhalten. Auch Betriebsvereinbarungen gelten weiter; zB § 31 Abs 4 ArbVG. § 5 AVRAG regelt betriebliche Pensionszusagen bei Betriebsübergang.
Kündigungen
Allgemein zum Unternehmenserwerb → KAPITEL 8: Das Unternehmen .
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2. Die Betriebsvereinbarung
Da auf den Kollektivvertrag schon eingegangen wurde, soll hier noch die Betriebsvereinbarung / BV kurz behandelt werden. Das ArbVG 1974, BGBl 22 regelt die BV in den §§ 29-32. BVn sind nach § 29 ArbVG „schriftliche Vereinbarungen, die vom Betriebsinhaber einerseits und dem Betriebsrat (Betriebsausschuß, Zentralbetriebsrat, Konzernvertretung) andererseits in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist.”
BVn füllen also einen gesetzlich vorgegebenen, aber im Detail nicht ausgeführten Rahmen aus.
• § 30 ArbVG regelt den Wirksamkeitsbeginn, § 31 ArbVG die Rechtswirkungen von BVn: Sie sind „innerhalb ihres Geltungsbereichs unmittelbar rechtsverbindlich”; Abs 1. Abs 3 bestimmt, dass BVn durch „Einzelvereinbarung weder aufgehoben noch beschränkt”, vielmehr nur verbessert werden können: „Einzelvereinbarungen sind nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die durch [BVn] nicht geregelt sind.”
• § 32 ArbVG regelt die Geltungsdauer von BVn: Sie bestimmen grundsätzlich ihre Geltungsdauer selbst und können „von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum letzten eines Kalendermonats schriftlich gekündigt werden”.
• Die BV begründet ein Dauerrechtsverhältnis; allgemein zur Kündigung und den DSchVn → KAPITEL 6: Bedeutung der Unterscheidung.
zurück B. Der Schuldnerwechsel
vor D. Bankgeschäfte