Kapitel
19 | |
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D. Die zivilgerichtlichen
Verfahrensarten |
F. Das außerstreitige
Verfahren |
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E. Das
streitige Verfahren (Zivilprozessrecht) |
Von Peter G. Mayr | |
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1. Selbsthilfeverbot
und Rechtspflegeanspruch | |
Will
jemand seine privatrechtlichen Ansprüche durchsetzen, darf er dabei
nicht eigenmächtig vorgehen. Vielmehr wird er auf den Beistand der
Zivilgerichte verwiesen, denn die österreichische Rechtsordnung verbietet grundsätzlich
die Selbsthilfe. Aufgrund dieses Selbsthilfeverbots
ist der Einzelne auf den Schutz seiner Rechte durch den Staat angewiesen.
Um die Gewährung von staatlichem Rechtsschutz abzusichern, gewährt
die Rechtsordnung dem Rechtsunterworfenen einen Anspruch gegen den
Staat auf Entscheidung seiner privatrechtlichen Streitigkeiten,
den sogenannten „ Justizgewährungs- oder Rechtspflegeanspruch”.
Durch Art 6 EMRK wurde dieser, zuvor schon aus § 19 ABGB abgeleitete
Anspruch zum Menschenrecht erklärt, das auch innerstaatlich verfassungsgesetzlich
gewährleistet ist. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs auch für finanziell
schlechter gestellten Personen dient ua das Institut der Verfahrenshilfe → Verfahrenshilfe
(§§ 63 bis 73 ZPO). |
Justizgewährungsanspruch |
2. Aufgaben des
Zivilprozesses | |
Wurde der Rechtsfriede gestört,
muss er – notfalls mit Hilfe hoheitlicher Gewalt – wiederhergestellt
werden. In der Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Einzelfall
liegt die Repressionsfunktion des Zivilprozesses:
Wer den Rechtsfrieden stört, muss mit staatlichen Sanktionen rechnen.
Andererseits dient das Prozessrecht dem Schutz der gesamten Rechtsordnung
durch die Bewahrung des Rechtsfriedens: Kann man sich im Ernstfall
auf staatliche Hilfe verlassen, braucht man sie oft gar nicht in
Anspruch zu nehmen, denn auch der potentielle Gegner weiß um diesen effektiven
Schutz. Darin liegt die wichtige Präventionsfunktion des
Zivilprozesses. | Repressions- und
Präventionsfunktion |
Die Durchführung eines Zivilprozesses
sollte in einem Rechtsstreit jedoch immer nur die ultima ratio darstellen.
Im Regelfall sind die Beteiligten bestrebt, eine außergerichtliche
Einigung (etwa in der Form eines materiellrechtlichen Vergleichsvertrages
iSd §§ 1380 ff ABGB) zu erzielen, weil ein Zivilprozess Zeit, Kosten
und Nerven in Anspruch nimmt, der Ausgang eines Gerichtsverfahrens
letztlich nicht mit absoluter Sicherheit vorhergesagt werden kann
und durch eine gerichtliche Auseinandersetzung die zwischenmenschlichen
Beziehungen zwischen den Parteien sicherlich nicht verbessert werden.
Es besteht daher nicht nur die Möglichkeit, einen bereits eingeleiteten
Zivilprozess noch ohne (streitige) Gerichtsentscheidung (insbesondere
durch einen Prozessvergleich; § 204 ZPO) zu beenden,
sondern der Gesetzgeber fördert in letzter Zeit auch vermehrt Alternativen zum
herkömmlichen gerichtlichen Verfahren. Dazu unten →
Schiedsgerichtsbarkeit
und andere Rechtsschutzalternativen
| Prozess
als ultima ratio |
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Der Kern
der derzeit geltenden österreichischen Zivilverfahrensgesetze steht
mittlerweile schon über 100 Jahre in Geltung: | Zivilverfahrensgesetze |
• Die Jurisdiktionsnorm (JN,
RGBl 1895/110), | |
• die Zivilprozessordnung (ZPO,
RGBl 1895/113), | |
• die Exekutionsordnung (EO,
RGBl 1896/79) und | |
• das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG,
RGBl 1896/217). | |
Diese Gesetze sind am 1. Jänner 1898 in Kraft getreten.
Die Jurisdiktionsnorm enthält Bestimmungen über Organisation, Besetzung
und Zuständigkeit der Zivilgerichte, die Zivilprozessordnung regelt
das streitige Zivilverfahren, die Exekutionsordnung die Zwangsvollstreckung
und den einstweiligen Rechtsschutz (dazu näher →
Exekutionsverfahren)
und das Gerichtsorganisationsgesetz enthält ergänzend zur Jurisdiktionsnorm
und anderen Verfahrensgesetzen Vorschriften über Besetzung, innere
Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte. Verfahrensbesonderheiten
gegenüber der ZPO in Arbeits- und Sozialrechtssachen sind im Arbeits-
und Sozialgerichtsgesetz von 1985 (ASGG, BGBl 1985/104)
zusammengefasst ( →
Arbeits-
und sozialgerichtliches Verfahren). Besondere Verfahrensvorschriften für handelsrechtliche
Streitigkeiten bestehen in Österreich nicht. | |
Die genannten Verfahrensgesetze
sind selbstverständlich bereits vielfach novelliert und den geänderten
Verhältnissen angepasst worden: In letzter Zeit haben insbesondere
die Zivilverfahrens-Novelle 1983 und die „Erweiterte Wertgrenzen-Novelle”
von 1989 und von 1997 umfangreiche Änderungen des österreichischen
Zivilprozessrechts bewirkt. Eine weitere „Zivilverfahrens-Novelle
2002” ist am 1. Jänner 2003 in Kraft getreten (BGBl I 2002/78).
Mit ihr soll nach den Absichten des Gesetzgebers eine (weitere)
„Vereinfachung, Beschleunigung und Effizienzsteigerung des zivilprozessualen
Erkenntnisverfahrens” erzielt werden, wobei allerdings vorweg betont
werden muss, dass der österreichische Zivilprozess allgemein als
ein sehr gut und effizient funktionierendes Verfahrensrecht betrachtet
wird. | Entwicklung |
Die Zivilprozessordnung von
1895, die – wie soeben erwähnt – nach wie vor die Hauptrechtsquelle
für das streitige Verfahren bildet, hat nach zahlreichen vergeblichen
Versuchen einer Gesamtreform des Zivilverfahrensrechts die betreffenden
Bestimmungen der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 (AGO) ersetzt.
Sie ist im Wesentlichen die persönliche Leistung einer Einzelperson,
nämlich von Franz Klein. Er ging bei seiner Arbeit
– im Gegensatz zu jener Auffassung, die der AGO und zahlreichen
zeitgenössischen Zivilverfahrensgesetzen zugrunde lag – davon aus, dass
der Zivilprozess als Institut des öffentlichen Rechts nicht allein
privaten Parteiinteressen zu dienen habe, sondern dass er darüber
hinaus auch im Dienste der Allgemeinheit Konfliktpotential, welches
das gesellschaftliche Zusammenleben stört, und damit verbundene
wirtschaftliche Hemmnisse aus der Welt zu schaffen habe. Ziel der Zivilprozessreform
war es im Wesentlichen, ein rasches, einfaches und billiges Verfahren
zu schaffen, für dessen Ablauf der Richter als „berufsmäßiger Repräsentant
des Gemeininteresses” vornehmlich verantwortlich ist. Das unter
dieser Prämisse geschaffene Gesetz wurde als „erstes Prozessmodell
des sozialen Rechtsstaates” bezeichnet und allgemein als
„großer Wurf” angesehen. Seine wesentlichen Grundlagen sind auch
noch heute – trotz vielfacher Novellierungen – anerkannt und unbestritten. | Franz Klein und
der soziale Zivilprozess |
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Das streitige
Verfahren ist geprägt von den Grundsätzen der Mündlichkeit und
der Öffentlichkeit sowie vom Grundsatz des beiderseitigen rechtlichen
Gehörs. Über Einleitung und Gegenstand des Verfahrens bestimmen
die Parteien ( Dispositionsgrundsatz), die Organisation
des Ablaufs des Verfahrens und die Veranlassung der Zustellungen
obliegt ausschließlich dem Gericht (Grundsatz des Amtsbetriebs).
Parteien und Gericht haben gemeinsam durch Tatsachenbehauptungen
und Beweisvorbringen einerseits und durch Maßnahmen im Rahmen der
prozessleitenden Befugnisse andererseits ( → Mündliche
Streitverhandlung und richterliche Prozessleitung)
zur Stoffsammlung beizutragen ( Kooperationsgrundsatz).
Die Entscheidung darf nur jener Richter fällen, vor dem der Rechtsstreit
verhandelt worden ist; dieser Richter hat auch die Beweise aufzunehmen
( Unmittelbarkeitsgrundsatz). Welche Tatsachen der Richter
letztlich für erwiesen hält, obliegt seiner freien Überzeugung (Grundsatz
der freien Beweiswürdigung). | Grundsätze des Verfahrens |
Der Grundsatz der Prozessökonomie hat
die Beschleunigung und Konzentration des Verfahrens im Auge: Den
Parteien steht es zwar frei, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
erster Instanz neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen und
neue Anträge zu stellen (Grundsatz der Freiheit des Vorbringens),
doch besteht für sie eine allgemeine Prozessförderungspflicht (§
178 Abs 2 ZPO) und sind dem Richter im Gesetz zahlreiche Möglichkeiten
eingeräumt, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden und damit Zeit
und Kosten zu sparen. Außerdem bewirkt das Neuerungsverbot im
Rechtsmittelverfahren ( →
Neuerungsverbot)
eine weitgehende Konzentration des Tatsachenvorbringens auf das
erstinstanzliche Verfahren. | Prozessökonomie |
Man kann also zusammenfassen, dass der österreichische
Zivilprozess grundsätzlich ein mündliches, unmittelbares, öffentliches
und konzentriertes Verfahren darstellt, in dem beiden Parteien rechtliches
Gehör gewährt wird und das vom Dispositionsgrundsatz, Amtsbetrieb
und Kooperationsgrundsatz sowie dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung
beherrscht wird. | |
III.
Prozessvoraussetzungen
insbesondere Gerichtszuständigkeit | |
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Prozessvoraussetzungen
(oder besser: Sachentscheidungsvoraussetzungen)
sind jene formellen Erfordernisse, von deren Vorliegen Zulässigkeit
und Gültigkeit des Verfahrens abhängig sind, und deren Fehlen zur
Nichtigerklärung des Verfahrens, zur Aufhebung der allenfalls schon
ergangenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Klage führt. Besondere
Bedeutung kommt den absoluten Prozessvoraussetzungen zu,
weil deren Mangel einen Nichtigkeitsgrund darstellt, der (auch von
Amts wegen) in jeder Lage und Instanz des Verfahrens bis zum Eintritt
der Rechtskraft der das Verfahren beendenden Entscheidung aufgegriffen
werden kann (und muss). Dazu zählen etwa das Vorliegen der „ inländischen
Gerichtsbarkeit”, dass also die Rechtssache nicht nach
den Regeln über die völkerrechtlichen Immunitäten der Jurisdiktionsbefugnis
der österreichischen Gerichte entzogen ist; ferner die
Zulässigkeit
des Rechtswegs, dass also die Sache, weil es sich um „zivilrechtliche
Ansprüche und Verpflichtungen” im Sinn des Art 6 EMRK handelt, vor
die ordentlichen Gerichte und nicht etwa vor Verwaltungsbehörden
gehört, und die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs,
was bedeutet, dass die Rechtssache im Rahmen eines (streitigen)
Zivilprozesses und nicht in einem Verfahren außer Streitsachen zu
behandeln ist → Abgrenzung
zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren Zu erwähnen sind außerdem etwa die Partei-
und Prozessfähigkeit, die Prozesslegitimation, das Unterbleiben
der Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters sowie das Fehlen
der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft in derselben Rechtssache. | Sachentscheidungsvoraussetzungen |
Das Fehlen einer relativen Prozessvoraussetzung –
wie etwa der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, der korrekten
Gerichtsbesetzung oder der Einhaltung der Geschäftsverteilung –
muss bei sonstiger Heilung grundsätzlich vor Streiteinlassung durch
den Beklagten geltend gemacht werden. | |
Im Folgenden wird nur die Zuständigkeit des
angerufenen Gerichts näher behandelt, da diese Prozessvoraussetzung in
der Praxis die wichtigste Rolle spielt: | |
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Zu
beachten ist vorerst die
internationale
Zuständigkeit: Sofern nicht völkerrechtliche oder europarechtliche
Rechtsquellen – wie insbesondere die neue Europäische Verordnung
über die Gerichtszuständigkeit (EuGVVO als Nachfolgeregelung für
das Brüsseler Übereinkommen) oder das Übereinkommen von Lugano ( → Rechtsdurchsetzung in Europa)
– und auch keine speziellen nationalen Vorschriften (insbesondere
im Bereich des Ehe- und Familienrechts, zB § 76 Abs 2, § 76b Abs
2, § 76c Abs 3 JN) eingreifen, sind die österreichischen Gerichte
dann für einen Rechtsstreit international zuständig, wenn ein örtlich
zuständiges Gericht in Österreich vorhanden ist. Findet also ein
Kläger nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit (dazu unten)
ein zuständiges Gericht in Österreich, so ist auch die internationale
Zuständigkeit Österreichs gegeben (§ 27a JN). Wenn nicht, muss er
im Ausland klagen. Eine Ausnahme normiert nur § 28 JN, nach dem
der OGH ein österreichisches Gericht als zuständig bestimmen kann,
wenn für einen österreichischen Kläger im Einzelfall die beabsichtigte
Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar ist. | Internationale Zuständigkeit |
Die
sachliche
Zuständigkeit der österreichischen Gerichte hängt entweder
vom Wert des Streitgegenstandes (Wertzuständigkeit) oder von der
Art der Streitsache (Eigenzuständigkeit) ab. Die Bezirksgerichte
sind sachlich zuständig für Rechtssachen, deren Streitwert 10.000
ı nicht übersteigt (§ 49 Abs 1 JN), und – unabhängig vom Streitwert
– beispielsweise für alle familienrechtlichen Streitsachen oder
für Bestandstreitigkeiten (§ 49 Abs 2 JN). Die anderen Streitsachen, welche
jedoch nur rund 10% des Gerichtsanfalls ausmachen, fallen in die
Zuständigkeit der Landesgerichte (§ 50 JN). | Sachliche
Zuständigkeit |
Die Zuständigkeit für Handelssachen regeln
die §§ 51 f JN, jene in Arbeits- und Sozialrechtssachen die §§ 50
und 65 ASGG. | |
Die
örtliche
Zuständigkeit bestimmt sich prinzipiell nach dem Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten (allgemeiner
Gerichtsstand gem §§ 65 ff JN). Zusätzlich zum allgemeinen Gerichtsstand
bestehen noch eine Vielzahl von besonderen Gerichtsständen (§§ 76
ff JN), nämlich Wahlgerichtsstände, welche der Kläger an Stelle
des allgemeinen Gerichtsstands in Anspruch nehmen darf (zB Gerichtsstand
der Niederlassung [§ 87 JN], des Erfüllungsortes [§ 88 JN] oder
der Schadenszufügung [§ 92a JN]), und ausschließliche Gerichtsstände,
welche andere gesetzliche Gerichtsstände verdrängen; zB für Streitigkeiten
aus dem Eheverhältnis (§ 76 JN) oder der Gerichtsstand der gelegenen
Sache (§ 81 JN). | Örtliche
Zuständigkeit |
Die
gesetzliche Zuständigkeitsordnung kann grundsätzlich auch durch
eine Vereinbarung der Parteien (Gerichtsstandsvereinbarung oder Prorogation)
abgeändert werden (§ 104 JN). Dies gilt vor allem für die örtliche
Zuständigkeit, die mit Ausnahme der sog Zwangsgerichtsstände (insbesondere
im Bereich des Schutzes von Konsumenten; § 14 KSchG) durchwegs durch
(konkrete schriftliche) Parteienvereinbarung festgelegt werden kann.
Die sachliche Zuständigkeit kann hingegen nur im Bereich der Wertzuständigkeit
verändert werden, wobei die Zuständigkeit nur vom Landesgericht
auf das Bezirksgericht (also von oben nach unten und nicht umgekehrt)
verlagert werden kann. |
Prorogation |
Die
Zivilprozessgesetze sind bestrebt, Zuständigkeitsfragen nach Möglichkeit
vor Eintritt in die meritorische Behandlung der Streitsache in einem
möglichst frühen Verfahrensstadium zu erledigen. Daher kann – vereinfacht
gesagt – eine Unzuständigkeit vom angerufenen Gericht nur so lange
von Amts wegen wahrgenommen werden, als es noch keine Verfügung
über die Klage (zB Auftrag zur Klagebeantwortung, Erlassung eines
Zahlungsbefehls oder eines Zahlungsauftrags) getroffen hat. Auch
die beklagte Partei muss die Unzuständigkeit möglichst früh einwenden,
also in der Klagebeantwortung, im Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl
im Gerichtshofverfahren, in den Einwendungen gegen einen Zahlungsauftrag
oder am Beginn der mündlichen Streitverhandlung im bezirksgerichtlichen
Verfahren. Geschieht weder das eine noch das andere, so ist die Unzuständigkeit
geheilt. Nur eine unprorogable Unzuständigkeit – also eine Unzuständigkeit,
die durch eine Vereinbarung der Parteien nicht beseitigt werden
könnte – heilt erst dann, wenn der nicht durch einen Rechtsanwalt
(oder Notar) vertretene Beklagte trotz einer diesbezüglichen Belehrung des
Richters schriftlich oder mündlich zur Sache vorbringt (§ 104 Abs
3 JN). | Wahrnehmung der Unzuständigkeit |
Spricht
ein Gericht seine Unzuständigkeit aus, so hat es – sofern der Kläger
rechtzeitig einen diesbezüglichen Antrag gestellt hat – die Rechtssache
an das von diesem genannte (zuständige) Gericht zu überweisen (§
230a und § 261 Abs 6 ZPO). Bei einer solchen Überweisung bleibt
die Gerichtsanhängigkeit bestehen, was insbesondere deshalb wichtig
ist, weil nur so die verjährungsunterbrechende Wirkung der eingebrachten
Klage aufrecht bleibt (§ 1497 ABGB). | Überweisung |
IV. Die Parteien
und ihre Vertreter | |
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Die
Zivilprozessordnung geht von einem Zweiparteiensystem, also vom
Vorhandensein zweier, voneinander verschiedener Rechtssubjekte,
die als Kläger und als Beklagter auftreten,
aus. Da grundsätzlich niemand im eigenen Namen über ein fremdes
Recht oder eine fremde Verpflichtung prozessieren kann, muss der
Kläger behaupten, dass ihm der Anspruch zusteht. Beklagter ist derjenige,
gegen den sich – nach den Behauptungen des Klägers – dieser Anspruch
richtet. | Zweiparteiensystem |
Prozessstandschaft, also
die Befugnis zur Prozessführung, ohne gleichzeitig Träger des Anspruchs
zu sein, ist in Österreich nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen
möglich; zB bei der Veräußerung einer streitverfangenen Sache nach
§ 234 ZPO oder bei der Verbandsklage nach § 54 Abs 1 ASGG oder §§
28 bis 30 KSchG. | |
2.
Partei-
und Prozessfähigkeit | |
Natürliche Personen und juristische
Personen sind ausnahmslos, bestimmte Personenvereinigungen und Vermögensmassen
(Personenhandelsgesellschaften, Wohnungseigentümergemeinschaft,
Konkursmasse, ruhender Nachlass) kraft besonderer gesetzlicher Bestimmung parteifähig. Natürliche
volljährige Personen sind unbeschränkt, Minderjährige nur beschränkt prozessfähig (§§
1 ff ZPO). Kinder unter sieben Jahren sowie juristische Personen
sind nicht prozessfähig. Bei psychisch Kranken und geistig Behinderten
hängt die Prozessfähigkeit vom Ausmaß der Beeinträchtigung ab. Prozessunfähige
können nur durch ihre gesetzlichen Vertreter (Eltern, Sachwalter, Organe)
wirksam Prozesshandlungen setzen. Die Prozessfähigkeit von Ausländern
richtet sich stets nach dem Recht ihres Heimatstaates (§ 3 ZPO). | Partei-
und
Prozessfähigkeit |
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In
Rechtsstreitigkeiten vor den Bezirksgerichten, wenn der Streitwert
4.000 ı übersteigt (außer bei Eigenzuständigkeiten), im Gerichtshofverfahren
und generell im Rechtsmittelverfahren müssen auch prozessfähige
Parteien – um wirksam Prozesshandlungen vornehmen zu können – durch einen
Rechtsanwalt vertreten sein (absolute Anwaltspflicht;
§ 27 ZPO). Sonst steht es prozessfähigen Parteien frei, selbst im
Verfahren tätig zu werden oder sich vertreten zu lassen; diese Vertretung
muss dann nur ausnahmsweise (in Ehesachen, bei Eigenzuständigkeiten
des Bezirksgerichts, wenn der Streitwert 4.000 ı übersteigt) durch
einen Rechtsanwalt erfolgen (relative Anwaltspflicht).
In Ausnahmefällen kann die Vertretung auch durch einen Notar erfolgen
(vgl § 5 NO). |
Anwaltspflicht |
Im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren
besteht in erster Instanz keine Anwaltspflicht (§ 39 Abs 3 ASGG).
Die Parteien können sich überdies in erster und zweiter Instanz
durch „qualifizierte Personen” iSd § 40 Abs 1 ASGG (neben Rechtsanwälten
insbesondere Funktionäre und Arbeitnehmer gesetzlicher Interessenvertretungen
ua) vertreten lassen. | |
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Treten auf Kläger- oder Beklagtenseite
mehrere Personen auf, liegt eine Streitgenossenschaft vor (§§ 11
bis 16 ZPO). Stehen diese Personen in einer Rechtsgemeinschaft (zB
mehrere Miteigentümer einer Liegenschaft), sind sie aus demselben
tatsächlichen Grund berechtigt oder verpflichtet (zB Lenker und
Halter eines Fahrzeuges im Schadenersatzprozess) oder prozessieren
sie über gleichartige Ansprüche oder Verpflichtungen (zB mehrere
Dienstnehmer im Verfahren gegen den Dienstgeber), bilden sie eine einfache (materielle
oder formelle) Streitgenossenschaft. Jeder dieser
Streitgenossen bleibt im Verfahren völlig selbständig, kann für
sich über den Streitgegenstand disponieren und somit für sich ein
von den übrigen Streitgenossen verschiedenes Urteil erwirken. | einfache
Streitgenossenschaft |
Im Gegensatz
dazu handelt es sich um eine einheitliche Streitpartei,
wenn aufgrund der Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses oder kraft
gesetzlicher Bestimmung (zB § 112 KO: Entscheidung über die Richtigkeit
bestrittener Forderungen im Konkurs wirkt gegenüber allen Konkursgläubigern)
ein Urteil nur einheitlich für oder gegen alle Streitgenossen lauten
kann. Ihre Mitglieder können nur gemeinsam über den Streitgegenstand
verfügen und wirksame Prozesshandlungen setzen. Widersprechen sich
einzelne Prozesshandlungen, gilt nach einer Ansicht die für die
Streitpartei insgesamt günstigere Vorgangsweise (Günstigkeitsprinzip),
nach anderer Ansicht sind solche Prozesshandlungen unwirksam. Die
Untätigkeit oder Säumigkeit einzelner Mitglieder schadet nicht,
wenn wenigstens eines von ihnen tätig geworden ist (Repräsentationsprinzip). | einheitliche Streitpartei |
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Ist ein Verfahren bereits streitanhängig
und hat eine Person ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer
der Streitparteien, kann sie als Nebenintervenient dem
Verfahren auf Seiten dieser Streitpartei beitreten (§§ 17 bis 20
ZPO). Der einfache Nebenintervenient ist grundsätzlich
nur „Streithelfer” und kann daher keine Verfügungen über den Streitgegenstand
treffen. Erstrecken sich die Urteilswirkungen kraft ausdrücklicher
gesetzlicher Bestimmung aber auch auf den Nebenintervenienten, stehen
ihm Parteirechte zu (streitgenössischer Nebenintervenient). | Arten der
Nebenintervention |
V. Das
Verfahren erster Instanz | |
Vgl den Überblick über den Verfahrensablauf
in erster Instanz am Ende dieses Punktes. | |
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Dem Dispositionsgrundsatz
entsprechend wird das streitige Verfahren nur auf Antrag einer Partei auf
Gewährung von Rechtsschutz, also durch eine
Klage, eingeleitet.
Die Klage hat Gericht und Parteien genau zu bezeichnen; darüberhinaus
müssen in der Klage der Wortlaut des begehrten Urteilsspruchs (Klagebegehren),
das Vorbringen von Tatsachenbehauptungen und Beweisanträgen, aus
denen das Klagebegehren abgeleitet wird (Klagebegründung) sowie
Angaben zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts enthalten sein.
Einer rechtlichen Qualifizierung des behaupteten Sachverhalts bedarf
es nicht, das ist Sache des Gerichts. Es gilt der Grundsatz „iura
novit curia”. | Einleitung durch Klage |
Man unterscheidet folgende
Klagsarten: | Klagsarten |
a) Leistungsklagen iwS
| Leistungsklagen |
Diese Klagen zielen darauf ab, den Beklagten zu einem • positiven Tun (Leistungsklage
ieS) oder | | • zur Unterlassung eines bestimmten Verhaltens
(
Unterlassungsklage)
– wobei zwischen vorbeugenden Unterlassungsklagen (bei einem erst
drohenden Eingriff) und solchen nach einer erfolgten Rechtsverletzung
unterschieden wird – oder | | • zu einem Dulden bestimmter Maßnahmen oder Handlungen
(
Duldungsklage) zu verurteilen. | |
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Im Klagebegehren wird ein Leistungsbefehl
formuliert („Der Beklagte ist schuldig, ...”), der in der Folge
als Exekutionstitel dienen soll. Daneben enthält
jede Leistungsklage implizit auch ein Feststellungsbegehren, und
zwar dass dem Kläger gegenüber dem Beklagten der Leistungsanspruch zusteht. | |
b) Feststellungsklagen
| Feststellungsklagen |
Sie
können (als positive oder negative Feststellungsklagen) gerichtet
werden auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtes oder Rechtsverhältnisses oder auf die Echtheit oder Unechtheit
einer Urkunde; § 228 ZPO. | |
Echtheit einer Urkunde bedeutet, dass sie
tatsächlich vom Aussteller stammt, also nicht gefälscht ist. | |
Voraussetzung für eine Feststellungsklage
ist das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an
der alsbaldigen Feststellung. Dieses notwendige
Feststellungsinteresse fehlt jedenfalls dann, wenn bereits eine
Leistungsklage möglich ist (Subsidiarität der Feststellungsklage).
Stellt sich im Zuge eines Prozesses heraus, dass ein für die Entscheidung
wesentliches Recht oder Rechtsverhältnis streitig ist (präjudizielle
Vorfrage für das Urteil), kann jede Partei bis zum Schluss der Streitverhandlung
den Antrag stellen, dass über das Bestehen dieses Rechts oder Rechtsverhältnisses
mit Urteil entschieden wird: Zwischenantrag auf Feststellung gemäß
§§ 236, 259 Abs 2 ZPO). | Subsidiarität der
Feststellungsklagen |
c) Rechtsgestaltungsklagen
| Rechtsgestaltungsklagen |
Sie sind gerichtet auf die Begründung, Änderung oder Auflösung
von Rechtsverhältnissen. Da die Rechtsordnung die Gestaltung
privater Rechtsverhältnisse nach dem Prinzip der Privatautonomie
grundsätzlich den Betroffenen überlässt, bildet eine Rechtsgestaltung
durch richterliche Entscheidung eine Ausnahme, die durch Gesetz
vorgesehen sein muss. Ebenso wie die Leistungsklage enthält eine
Rechtsgestaltungsklage (implizit) das Begehren auf Feststellung
des dem Kläger gegen den Beklagten zustehenden Gestaltungsgrundes
und das eigentliche Gestaltungsbegehren. Durch ein stattgebendes
Gestaltungsurteil wird eine neue Rechtslage geschaffen (konstitutive
Wirkung), durch ein stattgebendes Feststellungsurteil hingegen nur
das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses
festgestellt (deklarative Wirkung). | |
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Mit
der Einbringung der Klage bei Gericht (Einlangen in der Einlaufstelle)
tritt die
Gerichtshängigkeit der
Streitsache ein, womit insbesondere der Lauf von Verjährungs- und
Ersitzungsfristen unterbrochen wird, sofern der Kläger in der Folge
den Prozess „gehörig fortsetzt” (§ 1497 ABGB). – Die weitere Durchführung
des Verfahrens obliegt allerdings ohnehin grundsätzlich dem Gericht: Amtsbetrieb
→
Verfahrensgrundsätze
| Gerichtshängigkeit |
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Das Gericht hat die Klage nach deren Einlangen
auf das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen zu prüfen (a-limine-Prüfung).
Kann das Fehlen einer Prozessvoraussetzung ( →
Prozessvoraussetzungen
insbesondere Gerichtszuständigkeit) bereits
zu diesem Zeitpunkt festgestellt werden und führt die Durchführung
eines Verbesserungsverfahrens zu keinem Erfolg, so ist die Klage
sofort ohne Verhandlung mit (anfechtbarem) Beschluss zurückzuweisen:
a-limine-Zurückweisung. Andernfalls hat das angerufene Gericht dem Beklagten
die Klage zu eigenen Handen zuzustellen – womit das Stadium der
Streitanhängigkeit eintritt
– und gleichzeitig dem Beklagten mit Beschluss zu beauftragen, binnen
vier Wochen eine Klagebeantwortung einzubringen (§ 230 ZPO). | Prüfung
der Klage |
Die Klagebeantwortung ist
das Gegenstück zur Klage. Sie hat ein bestimmtes Begehren (Antrag auf
Abweisung bzw Zurückweisung der Klage) zu enthalten und die Tatsachen
und Umstände, auf welche sich die Einwendungen, Anträge und Einreden
der beklagten Partei gründen, im Einzelnen kurz und vollständig
anzugeben sowie die Beweismittel, deren sich der Beklagte zum Nachweis seiner
Behauptungen bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt, genau
zu bezeichnen (§ 239 ZPO). Sie dient ferner ua der Erhebung von
Prozesseinreden (insbesondere der Unzuständigkeitseinrede) und der
Stellung eines Antrags auf Sicherheitsleistung für Prozesskosten
durch einen ausländischen Kläger → Prozesskosten (§§ 41 bis 55 ZPO)
| Klagebeantwortung |
Wird fristgerecht eine Klagebeantwortung
eingebracht, hat das Gericht eine mündliche Streitverhandlung so
anzuberaumen , dass den Parteien von der Zustellung
der Ladung an mindestens eine Frist von drei Wochen zur Vorbereitung
für die Streitverhandlung offen bleibt. Bis eine Woche vor dieser
„vorbereitenden Tagsatzung” können die Parteien noch vorbereitende
Schriftsätze mit neuem Vorbringen wechseln (§ 257 ZPO). – Wird hingegen
keine (oder keine fristgerechte) Klagebeantwortung erstattet, so
kann der Kläger die Fällung eines klagsstattgebenden Versäumungsurteils
beantragen →
Säumnisfolgen
| weiterer
Verfahrensablauf |
Im bezirksgerichtlichen
Verfahren ist keine Klagebeantwortung vorgesehen. Der Richter
hat vielmehr (nach der Prüfung der Prozessvoraussetzungen) die Klage
dem Beklagten zuzustellen und sogleich eine (vorbereitende) Tagsatzung
zur inhaltlichen Verhandlung der Rechtssache anzuberaumen. Sind
die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten, so kann das Gericht
ihnen aber auch den vorherigen Wechsel vorbereitender Schriftsätze
auftragen (§ 440 ZPO). | bezirksgerichtliches Verfahren |
Zu beachten ist allerdings,
dass für alle Klagen gegen inländische Beklagte, die auf eine 30.000 Euro
nicht übersteigende Geldleistung gerichtet sind, zwingend ein computerunterstützt
durchgeführtes
Mahnverfahren vorgeschrieben
ist, das in der Praxis eine sehr große Bedeutung hat. Aufgrund der
Mahnklage, die mittels eines amtlichen Formblattes oder auch elektronisch
eingebracht wird, erlässt dann – sofern die Prozessvoraussetzungen
gegeben sind – der Rechtspfleger (bzw der Richter) ohne Anhörung
des Beklagten einen
Zahlungsbefehl. Dieser enthält einerseits
den Auftrag an den Beklagten, innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger
Exekution die eingeklagte Forderung sowie die Kosten des (Mahn-)Verfahrens
zu bezahlen, und andererseits die Belehrung, dass gegen diesen Zahlungsbefehl
innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Zahlungsbefehls Einspruch
erhoben werden kann. Der Einspruch des Beklagten
bedarf im bezirksgerichtlichen Verfahren keiner Vertretung durch
einen Rechtsanwalt und auch keiner Begründung; im Gerichtshofverfahren
gilt hingegen Anwaltspflicht und der Einspruch hat den Inhalt einer
Klagebeantwortung aufzuweisen. Ein rechtzeitiger Einspruch führt
dazu, dass der Zahlungsbefehl außer Kraft gesetzt und das ordentliche
Verfahren eingeleitet wird. Ein Zahlungsbefehl, gegen den nicht rechtzeitig
Einspruch erhoben wurde, wird rechtskräftig und bildet einen Exekutionstitel
(§§ 244 ff, 448 ZPO). | Mahnverfahren |
Vgl dazu
die ADV-Form Verordnung 2002 (AFV 2002, BGBl II 510) und die V über
den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV 1995, BGBl 559). | |
3. Mündliche
Streitverhandlung und richterliche Prozessleitung | |
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Die mündliche Streitverhandlung (§§
171 bis 225 ZPO), die regelmäßig aus mehreren Tagsatzungen (= Verhandlungsterminen)
besteht, dient vornehmlich der Behandlung der Hauptsache. Sie gibt
den Parteien Gelegenheit zur Darlegung ihres Standpunktes, einer
allfälligen (mündlichen) Ergänzung ihres Vorbringens und umfasst
die Beweisaufnahme und Erörterung der Beweisergebnisse. | mündliche
Streitverhandlung |
Der Richter
eröffnet, leitet und schließt die mündliche Streitverhandlung (§§
180 bis 192 ZPO). Im Rahmen der formellen Prozessleitungsbefugnis obliegt
ihm ua die amtswegige Zustellung von Schriftsätzen und Ladungen,
die Anberaumung und Vertagung von Verhandlungen, die Bestimmung
verschiedener Fristen, Verbindung oder Trennung mehrerer Verfahren
und die Unterbrechung des Verfahrens. Daneben ist der Richter verpflichtet,
durch Befragung und Belehrung der Parteien, durch Verbesserungsaufträge,
Aufträge zur Vorlage von Urkunden, amtswegige Beweisaufnahmen usw
für die vollständige Beschaffung und Erörterung der Entscheidungsgrundlagen
zu sorgen (materielle Prozessleitungsbefugnis). Im bezirksgerichtlichen
Verfahren trifft den Richter eine über die materielle Prozessleitung
hinausgehende Anleitungs- und Belehrungspflicht („Manuduktionspflicht”)
gegenüber jenen Personen, die nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten
sind. |
Manuduktionspflicht |
Die mündliche Streitverhandlung wird regelmäßig
mit einer sogenannten „vorbereitenden Tagsatzung”
eingeleitet (§ 258 ZPO). Sie dient der Entscheidung über Prozesseinreden,
dem Vortrag der Parteien, der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens
der Parteien, der Vornahme eines Vergleichsversuchs sowie – bei
dessen Scheitern – der Erörterung des weiteren Fortganges des Prozesses
und der Bekanntgabe des „Prozessprogramms” und schließlich – soweit
zweckmäßig – auch der Einvernahme der Parteien und dem Beginn der
Durchführung des Beweisverfahrens. Um die gewünschte umfassende
Erörterung des Sachverhaltes und allfälliger Vergleichsmöglichkeiten
sicherzustellen, sollen (nicht nur die Vertreter, sondern auch)
die Parteien oder informierte Personen an der vorbereitenden Tagsatzung
teilnehmen. | vorbereitende
Tagsatzung |
4.
Beweisverfahren (§§
266 bis 383 ZPO) | |
Die
Beweisaufnahme hat grundsätzlich immer durch das erkennende Gericht
in der mündlichen Streitverhandlung zu erfolgen (Grundsatz der Unmittelbarkeit).
Nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (§§ 328, 368, 375 ZPO:
wenn beispielsweise die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht
mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder erheblichen Schwierigkeiten
verbunden wäre) dürfen Beweise von einem anderen Richter (das ist
regelmäßig der im Rechtshilfeweg ersuchte Richter eines beweisnahen
Bezirksgerichts; §§ 36 ff JN) aufgenommen werden. Außerdem können
unter bestimmten Voraussetzungen Beweisaufnahmen aus anderen gerichtlichen
Verfahren verwendet werden (§ 281a ZPO). | Unmittelbarkeitsgrundsatz |
Das
Gericht hat in dem bereits erwähnten „Prozessprogramm”
(früher: Beweisbeschluss) darüber zu entscheiden, welche konkreten
Beweismittel zu welchen konkreten Tatsachenbehauptungen aufgenommen
werden. Diese Entscheidung kann jederzeit abgeändert oder ergänzt
werden. | Prozessprogramm |
Als Beweismittel nennt
die Zivilprozessordnung (§§ 292 ff ZPO) ausdrücklich Urkunden, Zeugen, Sachverständige und
den Augenschein; weiters können auch die Parteien zum
Beweis streitiger Tatsachen vernommen werden. Anders als Zeugen
können sie jedoch nicht (zum Erscheinen und) zur Aussage gezwungen
werden; die Weigerung unterliegt aber der freien Würdigung des Gerichts
(§ 381 ZPO). Außer diesen fünf klassischen Beweismitteln kommen
als weitere Beweismittel noch alle Erkenntnisquellen in Frage, deren
Verwertung nach den Regeln des gerichtlichen Beweisverfahrens (§§
266 bis 291 ZPO) möglich ist. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme
sind deren Ergebnisse mit den Parteien mündlich zu erörtern (Beweiserörterung:
§ 278 Abs 2 ZPO). | Beweismittel |
Bei der Beurteilung der Beweisergebnisse
ist das Gericht nur hinsichtlich der Beweiskraft und Echtheit von
öffentlichen Urkunden (und des gerichtlichen Verhandlungsprotokolls)
an gesetzliche Beweisregeln gebunden, sonst kann es sich „unter
sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung
und Beweisführung nach freier Überzeugung” ein Urteil darüber bilden, ob
es vom Bestehen der zu beweisenden Tatsachen überzeugt werden konnte
(Grundsatz der freien Beweiswürdigung: § 272 ZPO). | freie
Beweiswürdigung |
Steht eine Forderung dem Grunde nach fest,
lässt sich deren Höhe aber nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten
und Kosten beweisen, kann das Gericht ohne Durchführung eines Beweisverfahrens
die Höhe nach freier Überzeugung festsetzen (§ 273 Abs 1 ZPO). Diese
Beweiserleichterung wurde von der ZVN 2002 bei Ansprüchen, die 1.000
ı nicht übersteigen, auch auf den Bestand der Forderung ausgedehnt
(§ 273 Abs 2 ZPO). | |
| |
Besteht die Gefahr,
dass zum Zeitpunkt der Beweisaufnahme im Verfahren ein Beweismittel
nicht mehr oder nur mehr unter erschwerten Bedingungen verfügbar
ist, oder ist der gegenwärtige Zustand einer Sache festzustellen,
hat die beweisführende Partei bereits vor Einleitung eines Verfahrens,
aber auch noch während eines bereits laufenden Verfahrens, die Möglichkeit,
einen Antrag auf Beweissicherung zu stellen (§§
384 bis 389 ZPO). | Beweissicherung |
Zuständig dafür ist das Prozessgericht; in dringenden Fällen
oder wenn der Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, das Bezirksgericht,
in dessen Sprengel sich das Beweisobjekt befindet. Nach Überprüfung
der Zulässigkeit beraumt das Gericht eine Tagsatzung an, in der
die Beweisaufnahme durchgeführt und ein Beweisprotokoll über
die Ergebnisse der Beweisaufnahme angefertigt wird, das dann im
Prozess verwertet werden kann. Die Kosten der Beweissicherung hat
(vorerst) der Antragsteller zu tragen. | |
6. Schluss
der mündlichen Streitverhandlung | |
Hält
das Gericht die Streitsache für vollständig erörtert und entscheidungsreif,
verkündet es mit Beschluss den Schluss der mündlichen Streitverhandlung;
§ 193 ZPO. Das Urteil ergeht dann nach der Rechtslage und nach den
Beweisergebnissen zu diesem Zeitpunkt; ab jetzt gilt das Neuerungsverbot →
Neuerungsverbot
| Verhandlungsschluss |
7.
Urteil (§§ 390 bis 424 ZPO) | |
Das Urteil ist die
durch das Gericht gefällte Sachentscheidung über einen von den Parteien gestellten
Urteilsantrag (Klagebegehren, Aufrechnungseinwendung, Zwischenantrag
auf Feststellung). Das Gericht hat das Urteil unmittelbar nach dem
Schluss der Streitverhandlung mündlich zu verkünden und innerhalb
von vier Wochen schriftlich auszufertigen. Die von der ZPO als Ausnahme
vorgesehene Unterlassung der mündlichen Verkündung bildet in der
Rechtspraxis allerdings den Regelfall: Zumeist wird das Urteil nicht
sofort mündlich verkündet, sondern der schriftlichen Ausfertigung
vorbehalten (§§ 414 ff ZPO). | Urteilsfällung |
Erledigt
das Urteil den Rechtsstreit in vollem Umfang, spricht man von einem Endurteil (§
390 ZPO). Ist nur ein Teil des Rechtsstreits entscheidungsreif,
kann das Gericht ein Teilurteil fällen (§§ 391
f ZPO). Hat eine der Parteien einen Zwischenantrag auf Feststellung
gestellt oder ist neben der Höhe des Anspruchs auch der Anspruchsgrund
streitig, kann das Gericht in einem Zwischenurteil über
den Zwischenantrag entscheiden oder das Bestehen des Anspruchsgrundes
feststellen (§ 393 ZPO). Bei Anerkenntnis des Beklagten oder Verzicht
des Klägers ist auf Antrag der Gegenpartei ein
Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil (§§
394 f ZPO), im Fall der Säumnis einer Partei auf Antrag der anwesenden
Partei ein
Versäumungsurteil ( →
Säumnisfolgen)
zu fällen. | Urteilsarten |
Das
Urteil hat neben den formellen Angaben über das Gericht, die Parteien
und deren Vertreter insbesondere die Entscheidung über das Klagebegehren
(Urteilsspruch) und die Entscheidungsgründe zu enthalten. Letztere
müssen neben einer kurzen Darstellung des wesentlichen Parteivorbringens und
der gestellten Anträge den festgestellten Sachverhalt, die Beweiswürdigung
und die rechtliche Beurteilung umfassen. Die Entscheidung über die
Prozesskosten ist – obwohl eigentlich ein Beschluss – in das Urteil
aufzunehmen. | Urteilsinhalt |
Wurde das Urteil in Gegenwart beider Parteien
mündlich verkündet und hat keine der Parteien rechtzeitig eine Berufung
angemeldet, kann eine gekürzte Urteilsausfertigung (Formalangaben,
Urteilsspruch und Sachverhalt, soweit er zur Bestimmung der Rechtskraftgrenzen
erforderlich ist) erfolgen (§ 417a ZPO). Bei Anerkenntnis- und Verzichtsurteilen,
wenn sie in Gegenwart beider Parteien verkündet worden sind, und
bei Versäumungsurteilen besteht die Möglichkeit einer vereinfachten
Urteilsausfertigung (Formalangaben und Urteilsspruch). | |
8.
Beschluss (§§ 425 bis 430
ZPO) | |
Gerichtliche Entscheidungen,
in denen nicht über die Sache selbst, sondern über prozessuale Fragen und
über Kosten entschieden wird, werden als Beschlüsse bezeichnet.
Sie dienen einerseits als prozessleitende Beschlüsse der zweckmäßigen
und erfolgreichen Durchführung des Verfahrens (zB Ladungen, Prozessprogramm,
Verbindung mehrerer Verfahren, Unterbrechung), entscheiden andererseits
als Beschlüsse nicht prozessleitender Natur über sonstige verfahrensrechtliche
Fragen (Prozessvoraussetzungen, Verfahrenshilfe, Prozesskosten).
Fehlen etwa Prozessvoraussetzungen, so ist die Klage – wie bereits
erwähnt – jederzeit (sofern keine Heilung eingetreten ist) mit (verfahrensbeendendem)
Beschluss zurückzuweisen. | Beschlussarten |
In der Verhandlung
gefällte Beschlüsse müssen mündlich verkündet werden und bedürfen
nur ausnahmsweise einer schriftlichen Ausfertigung (§ 426 ZPO).
Außerhalb einer mündlichen Verhandlung gefasste Beschlüsse sind
den Parteien schriftlich auszufertigen (§ 427 ZPO). – Eine Begründung
brauchen Beschlüsse nur zu enthalten, wenn sie einen Antrag (ganz
oder zum Teil) abweisen oder über widerstreitende Anträge ergehen
(§ 428 ZPO). | |
| |
Versäumt
eine Partei die Vornahme einer Prozesshandlung, indem sie diese
nicht innerhalb der vorgesehenen Frist oder zum vorgeschriebenen
Zeitpunkt vornimmt, ist sie grundsätzlich von einer späteren Vornahme
der versäumten Handlung ausgeschlossen (§ 144 ZPO: Präklusion).
– Ist eine befristete Prozesshandlung schriftlich vorzunehmen (etwa
die Erhebung eines Rechtsmittels), ist die Frist gewahrt, wenn das
Schriftstück (nachweislich) am letzten Tag der Frist zur Post gegeben wird;
§ 89 Abs 1 GOG → KAPITEL 13: Materielle
und formelle Fristen. | Präklusion |
Erstattet
die beklagte Partei die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig oder
bleibt sie (im Gerichtshofverfahren) trotz Einbringung einer Klagebeantwortung,
eines Einspruchs im Mahnverfahren oder von Einwendungen im Mandatsverfahren
von der nachfolgenden „vorbereitenden Tagsatzung” aus, so hat das
Gericht auf Antrag des (erschienenen) Klägers ein Versäumungsurteil zu
fällen. Entscheidungsgrundlage dafür ist das von der nicht säumigen
Partei erstattete Vorbringen, welches vom Gericht für wahr zu halten
ist (§ 396 ZPO). Im bezirksgerichtlichen Verfahren wird auf Antrag
ein Versäumungsurteil erlassen, wenn eine der Parteien von einer Tagsatzung
ausbleibt, bevor sie sich durch mündliches Vorbringen zur Hauptsache
in den Streit eingelassen hat (§ 442 Abs 1 ZPO). |
Versäumungsurteil |
Zur
Abwendung von Säumnisfolgen (zB Versäumung prozessualer Fristen)
kann die säumige Partei, wenn sie unverschuldet oder wenigstens
nur leicht fahrlässig am rechtzeitigen Erscheinen vor Gericht oder
an der rechtzeitigen Vornahme der Prozesshandlung gehindert worden
ist, binnen 14 Tagen ab Wegfall des Hindernisses
Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand (§§ 146 bis 154 ZPO) beantragen. Mit
dem Antrag, in dem alle Rechtfertigungsgründe und Bescheinigungsmittel enthalten
sein müssen, hat die Partei gleichzeitig die versäumte Prozesshandlung
nachzuholen. | Wiedereinsetzung in den vorigen Stand |
Gegen
ein Versäumungsurteil (nur) wegen nicht rechtzeitig erstatteter
Klagebeantwortung steht dem Säumigen neben der Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand auch ein Widerspruch zu (§ 397a
ZPO). – Im bezirksgerichtlichen Verfahren ist ein Widerspruch gegen
ein gefälltes Versäumungsurteil ausgeschlossen, wenn die säumige
Partei schon einmal einen Widerspruch eingebracht oder wenn sie
bereits einen Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl oder Einwendungen
im (Wechsel)Mandats- oder im Bestandverfahren erhoben hatte (§ 442a
ZPO). Der Widerspruch ist binnen 14 Tagen ab Zustellung des Versäumungsurteils
zu erheben und bedarf im Gegensatz zur Wiedereinsetzung keiner Rechtfertigung
für die Säumnis, muss aber den Inhalt der (versäumten) Klagebeantwortung
aufweisen und ermöglicht außerdem nicht (mangels einer „restitutio
in integrum”) das Nachholen präkludierter Anträge (insbesondere
der Einrede der Unzuständigkeit). | Widerspruch |
 | Abbildung .1: Verfahrensablauf in erster Instanz |
|
VI. Das
Rechtsmittelverfahren | |
| |
Die ZPO kennt
folgende Rechtsmittel: Berufung, Revision und Rekurs bzw
Revisionsrekurs. Mit der Berufung können nur Urteile des Erstgerichts,
mit der (ordentlichen und außerordentlichen) Revision nur Urteile
des Berufungsgerichts angefochten werden. Der Rekurs dient der Anfechtung von
Beschlüssen des Erstgerichts, des Berufungsgerichts und – als (ordentlicher
oder außerordentlicher) Revisionsrekurs – der Anfechtung von Beschlüssen
des Rekursgerichts. | Arten der Rechtsmittel |
Den
Rechtsmitteln kommt grundsätzlich (den Eintritt der Rechtskraft
und der Vollstreckbarkeit) aufschiebende und (in
die nächsthöhere Instanz) aufsteigende Wirkung zu;
Suspensiv- und Devolutiveffekt. Eine Ausnahme bilden die außerordentliche
Revision, die nie (§ 505 Abs 3 ZPO), und der Rekurs, der nur in
wenigen gesetzlich vorgesehenen Fällen die Vollstreckbarkeit der
angefochtenen Entscheidung aufschiebt (§ 524 ZPO). Dem Gegner des
Rechtsmittelwerbers ist rechtliches Gehör zu gewähren: Zweiseitigkeit
der Rechtsmittel. Eine Ausnahme stellt wiederum das Rekursverfahren
dar, das grundsätzlich als einseitiges Verfahren konzipiert ist;
nur in Einzelfällen (§ 521a ZPO) ist auch das Rekursverfahren zweiseitig
(zB das Verfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts
oder wenn die Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen
worden ist). | Wirkungen |
2. Zulässigkeitsvoraussetzungen | |
Ein Rechtsmittel
ist nur dann zulässig und auf seine Begründetheit zu überprüfen,
wenn es verschiedene Voraussetzungen erfüllt: Das Rechtsmittel muss rechtzeitig innerhalb
der gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittelfrist beim Erstgericht eingebracht
werden und den notwendigen Inhalt aufweisen. Dazu
gehören neben der Bezeichnung des Gerichts, der Parteien und der
angefochtenen Entscheidung die Erklärung, in welchem Umfang die
Entscheidung angefochten wird (Rechtsmittelerklärung),
die Anführung der Rechtsmittelgründe, auf die sich
der Rechtsmittelwerber stützt, sowie der Antrag, das Urteil entweder
aufzuheben oder auf eine vom Rechtsmittelwerber anzugebende Weise
abzuändern (Rechtsmittelantrag). Zur Einbringung
eines Rechtsmittels sind nur die Parteien des Verfahrens, streitgenössische
Nebenintervenienten und einfache Nebenintervenienten (letztere allerdings
nicht gegen den Willen der Partei) berechtigt. Das Rechtsmittel
ist schließlich nur dann zulässig, wenn der Rechtsmittelwerber durch
die angefochtene Entscheidung beschwert, das heißt in seinen Rechten
beeinträchtigt ist. | Voraussetzungen |
| |
 | |
Das
Neuerungsverbot bildet ein bestimmendes Merkmal des österreichischen
Rechtsmittelverfahrens. Es umfasst zum einen das Verbot, neue Ansprüche
und Einreden zu erheben, zum anderen das Verbot, neue Tatsachen
und Beweismittel vorzubringen. Betroffen davon sind Klagsänderungen
und neue Sacheinwendungen (zB Verjährung) sowie Tatsachen und Beweismittel,
die in erster Instanz nicht vorgebracht worden sind. Hinzuweisen
ist darauf, dass die Rechtsprechung das Neuerungsverbot strenger
handhabt, als dies die gesetzliche Regelung des § 482 ZPO vom Wortlaut
her gebieten würde. In einigen wenigen besonderen streitigen Verfahren
gilt das Neuerungsverbot nicht (etwa im Abstammungsverfahren oder
im Verfahren zur Nichtigerklärung oder Feststellung des [Nicht-]Bestehens
einer Ehe). | Neuerungsverbot |
In zeitlicher Hinsicht stellt das Neuerungsverbot auf den
Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz ab → Schluss
der mündlichen Streitverhandlung Die
Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung kann daher nur auf der
Grundlage von zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Sachanträgen und
Tatsachenvorbringen erfolgen. Das führt letztlich dazu, dass dem
Verfahren erster Instanz, speziell was den Sachverhalt betrifft,
besondere Bedeutung zukommt. | |
4.
Berufung
(§§ 461 bis 501 ZPO) | |
 | |
Die Berufung ist
gegen alle Urteile erster Instanz zulässig und muss innerhalb
von
vier Wochen ab Zustellung des Urteils
erhoben werden. Wurde das Urteil in Anwesenheit beider Parteien mündlich
verkündet, ist die Berufung nur dann zulässig, wenn sie zusätzlich
sofort nach der Verkündung des Urteils oder binnen 14 Tagen ab der
Zustellung der Protokollsabschrift über diese Verhandlung schriftlich
angemeldet wird. Als Berufungsgründe gelten Nichtigkeit des Verfahrens
(zB das Fehlen einer absoluten Prozessvoraussetzung, Verletzung
des rechtlichen Gehörs; vgl
§ 477 ZPO), das Vorliegen von sonstigen Verstößen gegen Verfahrensnormen,
die geeignet sind, die Richtigkeit der Entscheidung zu beeinträchtigen
(zB unvollständige Sachverhaltsfeststellung), unrichtige Beweiswürdigung,
Aktenwidrigkeiten und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache. Übersteigt
der Wert des Entscheidungsgegenstandes im erstinstanzlichen Urteil
nicht 2.000 ı, kann Berufung nur wegen Nichtigkeit oder unrichtiger
rechtlicher Beurteilung erhoben werden (§ 501 ZPO). Eine (mündliche)
Berufungsverhandlung ist nur auf Antrag einer Partei oder wenn es
das Berufungsgericht für erforderlich hält (etwa bei Überprüfung
der Beweiswürdigung des Erstgerichts) durchzuführen. | Berufung |
Je nach Sachlage entscheidet das Berufungsgericht
mit Urteil (wenn es das Ersturteil bestätigt oder abändert) oder sonst
mit Beschluss (wenn es etwa das angefochtene Urteil aufhebt und
dem Erstgericht die Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Verfahrens
aufträgt oder die Klage infolge Fehlens einer absoluten Sachentscheidungsvoraussetzung
zurückweist). | |
5.
Revision (§§ 502 bis 513 ZPO) | |
 | |
Die Revision ist
das Rechtsmittel gegen Urteile des Berufungsgerichts an den OGH.
Sie ist nur dann zulässig, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstandes
im Berufungsverfahren 4.000 ı übersteigt und die Entscheidung von
der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt (ordentliche
Revision). Die Zulässigkeitsgrenze von 4.000 ı gilt ausnahmsweise
nicht in bestimmten familien- und bestandrechtlichen Streitigkeiten
(§ 502 Abs 5 ZPO). Erhebliche Bedeutung hat eine
Rechtsfrage dann, wenn ihre Lösung zur Wahrung der Rechtseinheit,
Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung notwendig ist, etwa weil
die Rechtsprechung des OGH zu dieser Frage uneinheitlich ist oder
überhaupt fehlt oder weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung
des OGH abweicht (§ 502 Abs 1 ZPO). An den Ausspruch des Berufungsgerichts
ist der OGH aber nicht gebunden. Er kann also eine erhobene ordentliche
Revision immer noch als unzulässig zurückweisen, weil er der Ansicht
ist, dass eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung tatsächlich
nicht vorliegt. | Zulässigkeit der Revision |
Hat
das Berufungsgericht bei einem Entscheidungsgegenstand zwischen
4.000 und 20.000 ı ausgesprochen, dass eine (ordentliche) Revision
mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann die
beschwerte Partei einen (mit einer ordentlichen Revision verbundenen)
Antrag an das Berufungsgericht stellen, diesen Ausspruch abzuändern.
Hält das Berufungsgericht diesen Antrag für nicht stichhältig, so
weist es ihn samt der eingebrachten Revision (endgültig) als unzulässig zurück:
Der Weg zum OGH bleibt verschlossen. Erachtet es ihn für berechtigt,
hat es seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision mit
Beschluss abzuändern und die eingebrachte Revision dem OGH vorzulegen
(§ 508 ZPO). Bei einem Streitwert von über 20.000 ı kann trotz eines
negativen Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts eine außerordentliche
Revision erhoben werden, in welcher der Revisionswerber (auch) die
Unrichtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit
der (ordentlichen) Revision dartun muss. In diesem Fall prüft der
OGH vorerst, ob überhaupt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung
vorliegt – und damit die erhobene Revision zulässig ist – und bejahendenfalls
dann die Berechtigung der (zulässigen) Revision. | |
 | Abbildung 19.2: Überblick über die Zulässigkeit der Revision (R) |
|
Die Revision kann
aus folgenden Gründen erhoben werden: Wegen Nichtigkeit
des erst- oder zweitinstanzlichen Verfahrens, wegen Vorliegens wesentlicher
Verfahrensmängel des Berufungsverfahrens (wesentliche Verfahrensmängel
im erstinstanzlichen Verfahren können dagegen nach der stRsp nicht
mehr geltend gemacht werden), wegen Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils
und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Einzubringen
ist die Revision binnen einer Notfrist von vier Wochen beim Erstgericht. | Revisionsgründe |
Der OGH entscheidet ohne mündliche Verhandlung mit Urteil,
wenn er das Berufungsurteil bestätigt oder abändert, sonst mit Beschluss. | |
6.
Rekurs (§§ 514 bis 528a ZPO) | |
Beschlüsse
der ersten Instanz sind grundsätzlich mit Rekurs anfechtbar.
Liegt der Streitwert unter 2.000 Euro ist der Rekurs nur in bestimmten
einzelnen Fällen zulässig; zB wenn die Einleitung oder Fortsetzung
des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wurde oder
gegen die Prozesskostenentscheidung (§ 517 ZPO). | Rekurs |
Gegen
Beschlüsse des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den OGH nur zulässig,
wenn die Berufung oder die Klage wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen
oder das Berufungsgericht die Zurückverweisung der Rechtssache an
die erste Instanz zur Verfahrensergänzung verfügt hat. Im letzten
Fall ist der Rekurs an den OGH zudem nur dann zulässig, wenn das
Berufungsgericht ausdrücklich die Zulässigkeit ausgesprochen hat,
was nur bei einem Entscheidungsgegenstand von über 4.000 ı und Vorliegen
einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zulässig ist (§ 519
ZPO). | |
Der Revisionsrekurs gegen
Beschlüsse des Rekursgerichts an den OGH ist ua jedenfalls unzulässig
gegen voll bestätigende Beschlüsse des Rekursgerichts, gegen Beschlüsse,
deren Entscheidungsgegenstand 4.000 ı nicht übersteigt, und gegen
Kostenentscheidungen. Außerhalb dieser Fälle ist die Zulässigkeit
analog der Revisionszulässigkeit geregelt, es muss also eine Rechtsfrage von
erheblicher Bedeutung vorliegen (§ 528 ZPO). | Revisionsrekurs |
Die
Rekurs wird grundsätzlich durch die Überreichung einer Rekursschrift
beim Erstgericht erhoben (§ 520 Abs 1 ZPO). Die Rekursfrist beträgt
beim einseitigen Rekurs 14 Tage, beim zweiseitigen Rekurs – außer
beim Kostenrekurs (hier ebenfalls nur 14 Tage) – vier Wochen (§
521 ZPO). Rekursgründe sind in der ZPO zwar nicht
ausdrücklich aufgezählt, von der hM werden jedoch Nichtigkeit, wesentliche
Verfahrensfehler, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung
(idR aber nicht eine unrichtige Tatsachenfeststellung) als taugliche
Rekursgründe anerkannt. Über einen erhobenen Rekurs oder Revisionsrekurs
entscheiden die Rechtsmittelgerichte ohne Durchführung einer mündlichen
Verhandlung. | |
| |
Die Zivilprozessordnung kennt
zwei Rechtsmittelklagen, mit denen die Aufhebung einer die Sache erledigenden
Entscheidung und (in der Regel) eine neue Verhandlung und Entscheidung
begehrt werden: Zum einen die
Nichtigkeitsklage (§
529 ZPO), mit der besonders gravierende Verfahrensfehler (nämlich
die Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Unparteilichkeit des
Richters) auch nach Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung
geltendgemacht werden können, und zum anderen die
Wiederaufnahmsklage (§§
530, 531 ZPO), wenn sich die Entscheidungsgrundlage im Nachhinein
als falsch oder unvollständig erweist, weil Umstände bekannt geworden sind,
die geeignet gewesen wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Besondere Bedeutung kommt der Wiederaufnahmsklage im Zusammenhang
mit dem streng gehandhabten Neuerungsverbot ( →
Neuerungsverbot)
zu, weil sie die Möglichkeit bietet, die frühe Präklusion von Tatsachenvorbringen
und Beweisanträgen (bei Schluss der mündlichen Streitverhandlung
erster Instanz) zu korrigieren, wenn der Partei kein Verschulden
an der Unvollständigkeit anzulasten ist. Beide Rechtsmittelklagen
kommen in der Praxis aber nur selten vor. | Nichtigkeits-
und Wiederaufnahmsklage |
VIII. Besondere
Verfahrensarten | |
| |
 | |
Das
Urkundenverfahren (§§ 548 bis 559 ZPO) gewährleistet die rasche
Durchsetzung von Ansprüchen auf Geld oder vertretbare Sachen. Der
Kläger hat bereits mit der Klage jene Urkunden (öffentliche oder
beglaubigte private Urkunden) oder Wechsel- oder Scheckurkunden
vorzulegen, die geeignet sind, die von ihm behaupteten rechtserzeugenden
Tatsachen zu beweisen (mandatsfähige Urkunden). Nach Prüfung der
Prozessvoraussetzungen erlässt das Gericht einen Zahlungsauftrag,
der nur mit begründeten Einwendungen bekämpft werden kann. Die Einwendungen bewirken
die Hemmung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des Zahlungsauftrages
und führen zur Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung
(vorbereitende Tagsatzung). Das Gericht spricht schließlich nach
der Durchführung der Verhandlung mit Urteil aus, ob der Zahlungsauftrag
aufrechterhalten oder aufgehoben wird. |
Mandats-
und Wechselmandatsverfahren |
Wegen der vergleichsweise geringen Bedeutung
des Urkundenwesens und der großen Bedeutung des obligatorischen Mahnverfahrens ( → Vorverfahren)
ist das Urkundenverfahren in Österreich nur zur Durchsetzung von
Wechsel- und Scheckansprüchen gebräuchlich. | |
2.
Arbeits-
und sozialgerichtliches Verfahren | |
 | |
Das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG)
von 1985 enthält einerseits besondere Verfahrensbestimmungen, die
generell anzuwenden sind (§§ 36 ff ASGG), andererseits Sonderbestimmungen
nur für das Verfahren in Arbeitsrechtssachen (§§ 49 ff ASGG) sowie
solche nur für Sozialrechtssachen (§§ 64 ff ASGG) und verweist schließlich
subsidiär auf die für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen
anzuwendenden Vorschriften (§ 2 Abs 1 ASGG). | ASGG |
Zu den allgemeinen Vorschriften zählen
etwa die sehr eingeschränkte Zulässigkeit von Gerichtsstands- und
Schiedsvereinbarungen (§§ 9 ASGG), die Laienbeteiligung in Form
von fachkundigen Laienrichtern (§§ 10 ff ASGG), eine beschleunigte
Verfahrensdurchführung (§ 39 Abs 1 ASGG), die erweiterte Anleitungs-
und Belehrungspflicht für das Gericht (§ 39 Abs 2 ASGG), Ausnahmen von
der Anwaltspflicht (§ 40 ASGG) und erweiterte Rechtsmittelmöglichkeiten
(§ 44 ASGG). | allgemeine
Regelungen |
Zu den Abweichungen, die nur in Arbeitsrechtssachen (ds
vor allem Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern;
vgl § 50 ASGG) gelten, zählen zB die Möglichkeit besonderer Feststellungsverfahren
(§ 54 ASGG), der Entfall einer Klagebeantwortung (§ 59 ASGG), die Anwendbarkeit
des bezirksgerichtlichen Mahnverfahrens (§ 56 ASGG), die vorläufige
Wirksamkeit erstinstanzlicher Entscheidungen, gegen die Berufung
eingelegt worden ist (§ 61 ASGG) und die Geltung einer Neuerungserlaubnis
für die Berufung, wenn die Partei in der ersten Instanz nicht qualifiziert
vertreten war (§ 63 ASGG). | besondere
Regelungen |
Für die Sozialrechtssachen (iSd
§ 65 ASGG) wird in § 67 ASGG die sukzessive Kompetenz für Leistungsansprüche
angeordnet, auf welche die Sonderregeln über die Wirkungen einer
Klage (§ 71 ASGG), die Klagszurücknahme (§ 72 ASGG) und die Beurteilung
von Vorfragen (§ 74 ASGG) Bedacht nehmen. Darüber hinaus bestehen
ua abweichende Vorschriften für die Rechtsnachfolge (§ 76 ASGG),
den Klagsinhalt (§ 82 ASGG), die Klagsänderung (§ 86 ASGG), das
Beweisverfahren (§ 87 ASGG), die vorläufige Leistungserbringung
(§§ 89, 91 ASGG) und das Rechtsmittelverfahren (§ 90 ASGG). | |
3.
Bestandverfahren
und Besitzstörungsverfahren | |
 | |
Das Bestandverfahren (§§
560 bis 576 ZPO) betrifft insbesondere Streitigkeiten um die Beendigung
von Miet- und Pachtverhältnissen an unbeweglichen Sachen und soll(te
ursprünglich) der möglichst raschen Erlangung eines Exekutionstitels
zur Räumung oder Übergabe eines Bestandobjektes dienen. | Bestandverfahren |
Das Besitzstörungsverfahren (§§
454 bis 459 ZPO) soll raschen Schutz des letzten ruhigen Besitzstandes
gegen Störung und Entziehung des Besitzes gewährleisten. Die Besitzstörungsklage muss
bei sonstiger Unzulässigkeit innerhalb von 30 Tagen ab Kenntnis
der Störung (oder Entziehung) und der Person des Störers (Entziehers)
eingebracht werden. Die Entscheidung erfolgt – obwohl es sich um
eine Sachentscheidung handelt – in Form des „Endbeschlusses”, der
mit (zweiseitigem) Rekurs (binnen vier Wochen) angefochten werden
kann. | Besitzstörungsverfahren |
Weitere besondere Verfahrensvorschriften bestehen
etwa für Ehesachen (§§ 460 ZPO), für
Abstammungsstreitigkeiten (Art
V UeKindG) oder für Amtshaftungs- und in
Organhaftpflichtverfahren (geregelt im AHG, BGBl 1949/20,
und OrgHG, BGBl 1967/181) → KAPITEL 12: Die
Amtshaftung ¿ AHG 1948. | |
IX.
Prozesskosten und Verfahrenshilfe | |
1. Prozesskosten (§§ 41 bis 55 ZPO) | |
 | |
Nach
dem Prinzip der Erfolgshaftung hat die Partei, die im Verfahren
gänzlich obsiegt, Anspruch auf Ersatz der gesamten Prozesskosten.
Dazu gehören neben den Gerichtskosten (zB Gerichtsgebühren, Zeugengebühren)
und den Vertretungskosten (zB Rechtsanwaltshonorar) auch vorprozessuale
Kosten, die einer Partei schon vor Einleitung des Verfahrens erwachsen
sind (zB Kosten der Beweissicherung). Bei teilweisem Obsiegen reduziert
sich dieser Anspruch auf das Verhältnis des Obsiegens. | Prozesskosten |
Durchbrochen wird das Erfolgshaftungsprinzip
etwa dann (Kostenseparation), wenn durch schuldhaft verspätetes Sach-
oder Beweisvorbringen Mehrkosten verursacht werden: Das Gericht
kann unter diesen Voraussetzungen einer Partei ohne Rücksicht auf
den Prozesserfolg den Ersatz dieser Kosten auftragen. Ähnliches
gilt unabhängig vom Verschulden in bestimmten, im Gesetz vorgesehenen
Fällen (zB bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, beim Widerspruch
gegen ein Versäumnisurteil). Hat der Beklagte zur Klagserhebung
nicht Anlass gegeben und erkennt er den klägerischen Anspruch bei
erster Gelegenheit an, so treffen die Kosten den (obsiegenden) Kläger
(§ 45 ZPO). | |
Diese Kostenersatzregelungen gelten auch im Rechtsmittelverfahren,
wobei der Enderfolg über die Pflicht zur Tragung der Kosten sämtlicher
Instanzen entscheidet. | |
Die Kostenentscheidung
erfolgt mittels Beschluss und ist in die das Verfahren
beendende Sachentscheidung aufzunehmen. Sie kann (für sich allein)
mit einem zweiseitigen (Kosten)Rekurs angefochten werden. | Kostenentscheidung |
Ist die Durchführung
einer Beweisaufnahme mit erhöhten Kosten verbunden, kann das Gericht einer
oder beiden Parteien einen
Kostenvorschuss auferlegen, dessen
Nichterlegung zur Folge hat, dass das Verfahren ohne den beantragten
Beweis weitergeführt wird. Überhaupt kann einem ausländischen Kläger,
der kein Vermögen im Inland besitzt, auf Antrag des Beklagten zur
Sicherung der Kostenersatzpflicht eine
Sicherheitsleistung auferlegt
werden (§§ 56 ff ZPO). Leistet der Kläger die Sicherheit nicht,
ist über Antrag des Beklagten die Klage für zurückgenommen zu erklären.
Für Kläger aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus
einem Vertragsstaat des Luganer Übereinkommens ist die Auferlegung
einer solchen aktorischen Kaution freilich ausgeschlossen,
weil durch diese Rechtsquellen sichergestellt ist, dass eine österreichische
Entscheidung auch im Heimatstaat des Klägers vollstreckt werden
kann. | Sicherheitsleistung |
2. Verfahrenshilfe
(§§ 63 bis 73 ZPO) | |
Ist eine Partei
nicht imstande, ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen
Unterhalts die Prozesskosten zu bestreiten, kann ihr auf
Antrag und nach Vorlage eines Vermögensbekenntnisses Verfahrenshilfe
gewährt werden. Dies gilt auch für juristische Personen und Vermögensmassen
(zB Konkursmasse, Nachlass), wenn weder sie selbst noch die wirtschaftlich
Beteiligten die Mittel zur Führung des Verfahrens aufbringen können.
In jedem Fall darf freilich die Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung)
nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos sein. | Voraussetzungen |
Die
Verfahrenshilfe besteht in der vorläufigen Befreiung von bestimmten
Verfahrenskosten, kann aber gegebenenfalls auch die unentgeltliche
Beigabe eines Rechtsanwalts umfassen (§ 64 ZPO). Die Auswahl des
Rechtsanwalts trifft (wegen der spezifischen Regelung der staatlichen
Vergütung für Verfahrenshilfeleistungen) die örtliche Rechtsanwaltskammer.
Es gilt hier also keine freie Anwaltswahl, jedoch ist den Wünschen
der Partei nach Möglichkeit zu entsprechen (§ 67 ZPO). | Umfang |
Die
Verfahrenshilfe ist beim Prozessgericht erster Instanz (oder auch
beim Bezirksgericht des Aufenthalts des Antragstellers) schriftlich
oder mündlich zu Protokoll zu beantragen (§ 65 ZPO). Mit dem Antrag
hat die Partei ein aktuelles Bekenntnis über ihre Vermögens-, Einkommens-
und Familienverhältnisse (§ 66 ZPO). Für dieses
Vermögensbekenntnis besteht
ein amtliches Formblatt: ZPForm 1. Der Antrag auf Bewilligung der
Verfahrenshilfe, mit dem auch die Beigebung eines Rechtsanwalts
begehrt wird, unterbricht einschlägige Fristen: zB die Klagebeantwortungsfrist
oder die Einspruchsfrist gegen einen Zahlungsbefehl. Die Entscheidung
des Erstgerichts kann von beiden Parteien angefochten werden, ein
Revisionsrekurs ist jedoch jedenfalls unzulässig. | Verfahren |
X.
Schiedsgerichtsbarkeit
und andere Rechtsschutzalternativen | |
1. Das schiedsrichterliche
Verfahren | |
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Die Schiedsgerichtsbarkeit stellt
eine klassische Alternative zum staatlichen Rechtsschutz dar. Bisweilen
haben nämlich die Parteien ein Interesse daran, ihren (zivilrechtlichen)
Rechtsstreit nicht vor den ordentlichen Gerichten nach den Regeln
der staatlichen Prozessordnung sondern vor anderen Organen, die
nicht in die staatliche Organisation eingebunden sind, auszutragen.
Die Zivilprozessordnung respektiert diese Wünsche insoweit dadurch
nicht schützenswerte Interessen der Parteien beeinträchtigt werden
und gibt daher in einem eigenen Abschnitt (§§ 577 bis 599 ZPO) nur
rechtliche Rahmenbedingungen für das schiedsrichterliche Verfahren
vor. | Schiedsgerichtsbarkeit |
Gründe für
die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit sind insbesondere Geheimhaltungsinteressen
der Parteien (der Öffentlichkeitsgrundsatz gilt dort nicht) sowie
die Möglichkeit, besonders fachkundige und das Vertrauen der Parteien
genießende Fachleute als Richter auswählen zu können. Schiedsrichterliche
Verfahren dauern auch häufig weniger lang als staatliche Verfahren
(mit ihrem aufwändigen Instanzenzug). Andererseits sind Schiedsverfahren idR
nicht billiger als staatliche Verfahren und auch nur eingeschränkt
überprüfbar. Ein großes Problem der Schiedsgerichtsbarkeit liegt
ferner in der Sicherstellung der Objektivität der
Schiedsrichter und in der Gefahr, dass der wirtschaftlich stärkere
Vertragspartner dem schwächeren ein nachteiliges Schiedsgericht
aufzwingt. | Gründe |
Die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit
liegt vor allem im internationalen Wirtschaftsverkehr,
weil damit für die Parteien die Wahl neutraler Schiedsgerichtsorte
mit flexiblen Schiedsgerichtsordnungen möglich ist und Schiedssprüche
häufig einfacher in fremden Staaten zu vollstrecken sind als staatliche
Urteile. Bezüglich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer
Schiedssprüche besteht nämlich ein UN-Übereinkommen vom 10. 6. 1958,
das von über 120 Staaten (und auch von Österreich: BGBl 1961/200)
ratifiziert worden ist, und das ausländische Schiedssprüche den
inländischen grundsätzlich gleichstellt. | Internationale
Schiedsgerichtsbarkeit |
Voraussetzung
für die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens ist ein Schiedsvertrag für
einen bestimmten Rechtsstreit oder für Rechtsstreitigkeiten
aus einem bestimmten Rechtsverhältnis (§ 577 ZPO). Dieser muss schriftlich abgeschlossen
werden (oder in Telegrammen, Fernschreiben oder in elektronischen
Erklärungen enthalten sein, die die Parteien gewechselt haben) und
sich auf einen Gegenstand beziehen, über den die Parteien einen
Vergleich abschließen können also schiedsfähig (=
vergleichsfähig) sein. Ein gültiger Schiedsvertrag begründet die
Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts, bindet die Parteien sowie
deren Rechtsnachfolger und gewährt, wenn der Anspruch dennoch bei
Gericht eingeklagt wird, die Einrede der prorogablen Unzuständigkeit. | Voraussetzungen |
Der Schiedsvertrag ist zu unterscheiden
vom Schiedsgutachtervertrag, bei dem einem Dritten
die Feststellung einer Tatsache überlassen wird (zB die Höhe eines
Schadens), und vom Schiedsrichtervertrag, der mit den Schiedsrichtern
über die Ausübung ihrer Tätigkeit (zB Honorarfrage) abgeschlossen
wird. | |
Die Zivilprozessordnung enthält insbesondere
dispositive Regeln über die Schiedsrichterbestellung und teils zwingende
Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren. Kann der (oder können
die) Schiedsrichter keine vergleichsweise Regelung erzielen (Schiedsvergleich),
erfolgt die Entscheidung in der Form eines Schiedsspruchs,
der, wenn im Schiedsvertrag kein Rechtsmittel an ein Oberschiedsgericht
vorgesehen ist, die Wirkungen eines gerichtlichen Urteils hat
(§ 594 ZPO). Er bildet – soweit er Leistungen zuspricht – nach Ablauf
der Leistungsfrist einen Exekutionstitel, aufgrund dessen die gerichtliche
Zwangsvollstreckung beantragt werden kann (§ 1 Z 16 EO). | Schiedsvergleich
– Schiedsspruch |
Nur
aus ganz bestimmten, im Gesetz (§ 595 ZPO) taxativ aufgezählten
Gründen (zB Verletzung des rechtlichen Gehörs, Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen,
Unwirksamkeit des Schiedsvertrags) kann der Schiedsspruch beim staatlichen
Gericht mit einer Aufhebungsklage angefochten werden. | Anfechtung |
Der
österreichische Gesetzgeber fördert in letzter Zeit die Verlagerung
von Rechtsstreitigkeiten zu Schiedsgerichten: Durch Beschlüsse der
zuständigen Kammerorgane können bei den Rechtsanwaltskammern und
den Notariatskammern (institutionelle) Schiedsgerichte (mit Unterwerfungszuständigkeit)
für private Rechtsstreitigkeiten eingerichtet werden: § 59 RAO und
§ 188 NO jeweils idF ZVN 2002. | |
2. Weitere Rechtsschutzalternativen | |
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Die ZPO sieht vor, dass sowohl bereits vor
der Einleitung eines gerichtlichen Rechtsstreites (durch die Klagseinbringung)
ein Vergleichsversuch vor einem Bezirksgericht vorgenommen (sog prätorischer
Vergleich nach § 433 ZPO) als auch, dass im Lauf eines
gerichtlichen Verfahrens (insbesondere in der vorbereitenden Tagsatzung)
auf Antrag oder von Amts wegen eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits
versucht werden kann (§ 204 ZPO). Ein protokollierter gerichtlicher Vergleich bildet
einen Exekutionstitel (§ 1 Z 5 EO). | gerichtlicher
Vergleich |
Die
außergerichtliche Schlichtung von Streitigkeiten hat bisher in Österreich
– nicht zuletzt wegen eines funktionierenden Zivilverfahrensrechts
– keine große Rolle gespielt. Einem internationalen Trend folgend
besinnt sich jedoch auch der österreichische Gesetzgeber in jüngster
Zeit vermehrt auf die Möglichkeiten einer alternativen Streitbeilegung.
Insbesondere haben in den letzten Jahren
Mediationsverfahren erfolgreich
Einzug in die österreichische Rechtspraxis und zum Teil auch in die
Rechtsordnung gehalten; vgl § 99 EheG idF EheRÄG 1999 und Art XVI
KindRÄG 2001 oder etwa die bekannte Mediation zum Flughafenausbau
in Wien: http://www.viemediation.at/
| Mediation |
Als Gründe für
die zunehmende Inanspruchnahme der Methoden der Mediation werden
genannt: die oft negativen Erfahrungen mit den (weitgehend starren)
staatlichen (Massen)Verfahren, der insbesondere in der Wirtschaft
bestehende Zeitdruck („time is money”), Kostengründe – die Kosten
eines Mediationsverfahrens sind relativ gut abschätzbar und häufig
niederer als jene eines Gerichtsverfahren – sowie insbesondere der
Wunsch der Parteien nach einer privatautonomen und selbständig erarbeiteten
flexiblen Konfliktlösung, mit der bestehende (Vertrags)Beziehungen
für die Zukunft erhalten oder wenigstens nicht vollständig zerstört
werden. | Gründe |
Der Gesetzgeber hat daher
vor kurzem mit dem
Zivilrechts-Mediations-Gesetz (BGBl
I 2003/29) einen rechtlichen Rahmen für die Mediation in Zivilrechtssachen
(also in Konflikten, für deren Entscheidung an sich die ordentlichen
Gerichte zuständig sind) geschaffen, der stufenweise – zuletzt mit
1. 5. 2004 – in Kraft tritt. In § 1 ZivMediatG wird Mediation als
„eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit” definiert,
„bei der ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler (Mediator)
mit anerkannten Methoden die Kommunikation zwischen den Parteien
systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst
verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen.” | ZivMediatG |
Regelungsgegenstand des
neuen Gesetzes sind insbesondere die Voraussetzungen und das Verfahren
für die Eintragung von Personen in die Liste der eingetragenen Mediatoren
(§§ 8 ff; vgl auch die Zivilrechts-Mediations-Ausbildungsverordnung
BGBl II 2004/47) sowie die Voraussetzungen und das Verfahren für
die Eintragung von Ausbildungseinrichtungen und Lehrgängen für Mediation
in Zivilrechtssachen (§§ 23 ff), ferner die Rechte und Pflichten
der eingetragenen Mediatoren (§§ 15 ff) und etwa die Einrichtung
eines Beirats für Mediation beim BMJ (§§ 4 ff). | Wer regelt das
neue Gesetz? |
Verfahrensrechtlich bedeutsam ist es,
dass nach § 22 ZivMediatG der Beginn und die gehörige Fortsetzung
einer Mediation durch einen eingetragenen Mediator Anfang und Fortlauf
der Verjährung sowie sonstiger Fristen zur Geltendmachung
der von der Mediation betroffenen Rechte und Pflichten hemmen. | Hemmung
der Verjährung |
Weiters sieht
der (neu gefasste) § 320 Z 4 ZPO vor, dass eingetragene Mediatoren
in Ansehung dessen, was ihnen im Rahmen der Mediation anvertraut
oder sonst bekannt wurde, nicht als Zeugen vernommen werden
dürfen. Es handelt sich also um ein von Amts wegen zu beachtendes Beweisaufnahmeverbot,
das im Interesse der Förderung des Vertrauensverhältnisses zwischen Medianden
und Mediator normiert worden ist. Eine Entbindung von dieser Verschwiegenheitspflicht (vgl
§ 18 ZivMediatG) durch die Parteien ist nicht möglich. | Beweisaufnahmeverbot |
Schließlich
wird das Gericht durch eine Ergänzung des § 204 ZPO (generell) angewiesen,
im Zuge von gerichtlichen Vergleichsgesprächen auch auf (außergerichtliche)
Einrichtungen hinzuweisen, die zur einvernehmlichen Lösung von Konflikten
geeignet sind. Dadurch konnte die bisherige, speziell für Ehestreitigkeiten
bestandene Reglung des § 460 Z 7a ZPO aufgehoben werden. | Anbindung an Zivilprozess |
Bemerkenswert
ist in diesem Zusammenhang, dass jetzt Art III Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 (BGBl
I 2003/91) sogar einen zwingend vorgeschriebenen Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung
vorsieht: Vor der Einbringung einer Klage im Zusammenhang mit dem
Entzug von Licht oder Luft durch fremde Bäume oder Pflanzen (§ 364
Abs 3 ABGB) hat ein Nachbar vorerst eine geeignete Schlichtungsstelle
zur gütlichen Einigung zu befassen. Die Klage ist erst dann zulässig,
wenn nicht längstens innerhalb von 3 Monaten ab Einleitung des Schlichtungverfahrens eine
gütliche Einigung erzielt worden ist. | obligatorischer Schlichtungsversuch |
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D. Die zivilgerichtlichen
Verfahrensarten |
F. Das außerstreitige
Verfahren |
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