Kapitel
19 | |
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E. Das
streitige Verfahren (Zivilprozessrecht) |
G.
Exekutionsverfahren |
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F. Das außerstreitige
Verfahren |
Von Peter G. Mayr | |
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Im Gegensatz zur Zivilprozessordnung
wird das mit kaiserlichem Patent vom 9. 8. 1854 eingeführte Gesetz
über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz
– AußStrG) allgemein als dringend einer umfassenden Reform
bedürftig angesehen. Das AußStrG wurde ursprünglich vorwiegend als
Rechtsfürsorgeverfahren für besonders schutzwürdige Personen geschaffen.
Es bewirkte im Vergleich zu der damals parallel für das streitige
Verfahren gültigen Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 ein moderneres,
weniger formgebundenes und flexibleres Verfahren, das dem Richter
mehr Möglichkeiten für eine aktive Verfahrensgestaltung einräumte;
Vorteile, die inzwischen aber längst von der ZPO 1895 für das streitige
Verfahren übernommen und ausgebaut worden sind. | Rechtslage |
Schwachstellen des geltenden Außerstreitverfahrensrechts
bilden aus heutiger Sicht etwa die nur sehr rudimentäre Regelungen
des (auf alle „außerstreitigen” Verfahren anzuwendenden) Allgemeinen
Teils (bloß 19 Paragraphe!), der modernen rechtsstaatlichen Ansprüchen
häufig nur noch durch eine ergänzende (oder korrigierende) Auslegung
der kargen Bestimmungen durch die Rechtsprechung genügen kann, weiters
das Fehlen einer generellen Verweisung auf die ZPO zum Schließen
der zahlreichen Regelungslücken, ferner die (oftmals nicht verständliche)
Verweisung vieler Rechtssachen, die an sich streitiger Natur sind,
in das Außerstreitverfahren sowie eine Fülle von besonderen, in verschiedenen
Gesetzen festgelegten und von den allgemeinen Regeln des AußStrG
abweichenden Verfahrensbestimmungen für zahlreiche Rechtsmaterien,
wodurch ein einheitliches Verfahrenskonzept nur noch schwer erkennbar
ist. | |
Die seit langer Zeit geplante Gesamtreform des
Außerstreitverfahrensrechts konnte vor kurzem mit der Beschlussfassung
eines neuen Außerstreitgesetzes, das am 1. Jänner
2005 in Kraft treten wird, abgeschlossen werden. In Punkt V wird
ein erster Überglich über die wichtigsten Neuerungen dieser umfassenden
Reform gegeben. | Reform |
II. Abgrenzung
zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren | |
Wegen
der – soeben erwähnten – (positivrechtlichen) Verweisung zahlreicher
zivilrechtlicher Rechtssachen in das Außerstreitverfahren ist eine
inhaltliche Unterscheidung zwischen Rechtsstreitigkeiten, die nach
den Bestimmungen der ZPO zu behandeln sind, und Rechtssachen (bzw
-angelegenheiten), über die von den Gerichten nach den Vorschriften
des AußStrG (bzw von ergänzenden Spezialvorschriften) zu verfahren
ist, nicht mehr möglich. Es muss daher eine formelle Abgrenzung genügen:
Für die Grenzziehung zwischen Streit- und Außerstreitsachen ist
gem § 1 AußStrG entscheidend, ob eine Rechtssache kraft gesetzlicher
Anordnung ausdrücklich oder zumindest aufgrund ihrer Beschaffenheit
unmissverständlich dem außerstreitigen Verfahren zuzuordnen ist
oder nicht. Insbesondere jene Rechtssachen, die vom Rechtsfürsorgegedanken
dominiert werden, gehören in das Außerstreitverfahren. Mangelt es
an einer eindeutigen oder unmissverständlichen Zuordnung, ist die
Rechtssache im streitigen Verfahren zu erledigen. Eine Disposition der
Parteien über die Anwendung des streitigen oder des außerstreitigen
Verfahrens ist nicht möglich. | Schwierige Abgrenzung |
Zu den wichtigsten
Anwendungsbereichen des Außerstreitverfahrens gehören etwa das
Verlassenschaftsverfahren (§§
20 ff AußStrG), das Verfahren in
Vormundschafts-
und
Kuratelsangelegenheiten (§§
181 ff AußStrG) sowie in Eheangelegenheiten (insbesondere
die einvernehmliche Scheidung: §§ 220 ff AußStrG) und bei Adoptionen
(§§ 257 ff AußStrG), ferner die Sachwalterbestellung für
behinderte Personen (§§ 236 ff AußStrG) und die Unterbringung
psychisch kranker Personen in Krankenanstalten (UnterbringungsG),
weiters zahlreiche Angelegenheiten des Wohnrechts, das
Grundbuchs-
und das
Firmenbuchverfahren usw. | Anwendungsbereich |
Ob
eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu
behandeln ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die
Partei (Klage oder außerstreitiger Antrag) sondern nach dem Inhalt
des gestellten
Begehrens. Wenn (aufgrund
einer Einrede der anderen Partei oder von amtswegigen Bedenken des
Gerichts) zweifelhaft ist, welches Verfahren anzuwenden ist, hat
das Gericht darüber (in jeder Lage des Verfahrens) mit (anfechtbarem)
Beschluss zu entscheiden (§ 40a JN). Stellt sich nun heraus, dass
das gestellte Rechtsschutzbegehren im falschen Verfahren behandelt
worden ist, ist das durchgeführte Verfahren für nichtig zu erklären
und das gestellte Rechtsschutzbegehren (ev nach Durchführung eines
Verbesserungsverfahrens) im richtigen (streitigen oder außerstreitigen)
Rechtsweg zu behandeln. Nach Rechtskraft der Entscheidung in der
Hauptsache kommt eine Beseitigung des Verfahrens, das im falschen
(streitigen oder außerstreitigen) Rechtsweg durchgeführt worden
ist, aber nicht mehr in Frage. | Inhalt des Begehrens entscheidet |
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Die
Durchführung des Außerstreitverfahrens obliegt den ordentlichen
Gerichten; es gibt keine eigenen „Außerstreitgerichte”. Sachlich
zuständig sind im Regelfall die Bezirksgerichte (§ 104a JN),
nur ausnahmsweise (zB für die Führung des Firmenbuchs oder für die
Todeserklärung) die Landesgerichte (bzw das HG Wien); auch dort
herrscht Einzelrichterbesetzung. Die örtliche Zuständigkeit wird
in den §§ 105 ff JN sowie in diversen Sondergesetzen geregelt. Eine
Veränderung der gesetzlichen Zuständigkeit durch Vereinbarung der
Parteien ist grundsätzlich (ausgenommen für außerstreitige Eheangelegenheiten)
unzulässig. Wird ein unzuständiges Gericht angerufen, hat dieses
seine Unzuständigkeit jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen und
die Rechtssache an das zuständige Gericht zu überweisen (§ 44 JN). | Zuständigkeit |
Die internationale Zuständigkeit Österreichs
ergibt sich entweder aus Rechtsquellen der Europäischen Union (insbesondere
EuGVVO und EuEheVO) bzw des Völkerrechts (etwa LGVÜ) oder aus innerstaatlichen
Vorschriften (etwa §§ 110, 113b, 114a Abs 4 JN). | |
IV. Verfahrensbesonderheiten | |
Durch die bestehenden
zahlreichen Sonderbestimmungen ist das geltende Außerstreitverfahren äußerst
inhomogen, insbesondere muss häufig zwischen sogenannten „außerstreitigen”
und „streitigen” Außerstreitsachen unterschieden werden. Dennoch
können einige signifikante Abweichungen zum streitigen
Verfahren (nach den Bestimmungen der ZPO) hervorgehoben werden: | Besonderheiten |
• So kann etwa in manchen Bereichen (insbesondere
Verlassenschaftsverfahren) ein Außerstreitverfahren – im Gegensatz
zum streitigen Verfahren – (nicht [nur] auf Antrag einer Partei,
sondern [auch]) von Amts wegen eingeleitet werden (
Offizialgrundsatz). | |
• Alle Tatsachen, die für die Entscheidung erheblich
sind, hat das Gericht von sich aus, ohne Rücksicht auf das Verhalten
der Beteiligten, zu ermitteln, für die Stoffsammlung gilt also der
Untersuchungsgrundsatz,
woraus sich auch ergibt, dass es im Außerstreitverfahren keine Säumnisentscheidungen
gibt. | |
• Das Prinzip der Öffentlichkeit und Mündlichkeit
des Verfahrens sowie der Grundsatz der Unmittelbarkeit kommen
im außerstreitigen Verfahren nur eingeschränkt zur Anwendung. Hingegen
ist auch im Außerstreitverfahren der Grundsatz der Gewährung (allseitigen)
rechtlichen Gehörs jedenfalls
zu beachten. | |
• Anders als im streitigen Verfahren mit seinem
(strengen) Zweiparteiensystem ist im Außerstreitverfahren auch ein mehrseitigen
Verfahren mit mehreren Parteien möglich, da alle Personen
als Beteiligte (bzw Parteien) gelten (und damit Teilnahmerechte
haben), deren rechtlich geschützte Interessen durch das Verfahren
oder die anschließende Entscheidung unmittelbar berührt werden. | |
• Die Parteien sind im Regelfall weder im erstinstanzlichen
noch im Rechtsmittelverfahren verpflichtet, sich durch einen Rechtsanwalt
vertreten zu lassen, es herrscht also (grundsätzlich) keine Anwaltspflicht.
Die einschlägigen Vorschriften über die Verfahrenshilfe sind jedoch
im Außerstreitverfahren sinngemäß anzuwenden. | |
• Ein Kostenersatz ist im Außerstreitverfahren
nicht vorgesehen, sodass jede Partei ihre anfallenden Kosten grundsätzlich
selbst zu tragen hat. | |
• Sowohl Sachentscheidungen als auch Entscheidungen
über verfahrensrechtliche Fragen ergehen einheitlich in Form von Beschlüssen. | |
•
An Rechtsmitteln sind
im AußStrG (§§ 9 ff) der Rekurs und der Revisionsrekurs vorgesehen. Darüberhinaus
können erstinstanzliche Entscheidungen mit einer Vorstellung bekämpft
werden. Diesem Rechtsmittel fehlt die aufsteigende Wirkung (der
Suspensiveffekt) und ihm kann nur dann stattgegeben werden, wenn
andere Personen (Verfahrensgegner oder dritte Personen) durch die
angefochtene Entscheidung noch keine Rechte erlangt haben. Sie hat
daher nur eine geringe praktische Bedeutung. Der Rekurs gegen erstinstanzliche
Entscheidungen ist unbeschränkt zulässig. Das Vorbringen von neuen
Tatsachen und neuen Beweisanboten ist zwar ex lege zulässig, diese
Neuerungserlaubnis wird von der Rechtsprechung aber sehr einschränkend gehandhabt.
Gegen Beschlüsse der zweiten Instanz kann ein Revisionsrekurs an
den OGH gerichtet werden (§§ 14 ff AußStrG). Dessen Zulässigkeit
ist ähnlich wie im streitigen Verfahren die Zulässigkeit einer Revision
geregelt →
Revision (§§ 502 bis 513 ZPO): Abgesehen von Angelegenheiten, in denen ein
Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist (zB Kosten, Verfahrenshilfe),
muss daher grundsätzlich eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung
vorliegen, um den OGH anrufen zu können. | Rechtsmittel |
• Die Zulässigkeit von Wiederaufnahms-
oder Nichtigkeitsklagen im Außerstreitverfahren
hat die ständige Rechtsprechung bis vor kurzem stets verneint. | |
•
Außerstreitige
(Leistungs)Entscheidungen bilden einen Exekutionstitel (§ 1 Z 6
EO) und können entweder mit den Mitteln der Exekutionsordnung oder
durch „angemessene Zwangsmittel” vollstreckt werden
(§ 19 AußStrG). | |
V. Wesentliche Neuerungen im AußStrG 2003 | |
Nach langjährigen Vorbereitungsarbeiten
konnte zum Jahresende 2003 (endlich) ein neues Bundesgesetz über
das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen
(Außerstreitgesetz – AußStrG) beschlossen werden
(BGBl I 2003/111), das am 1. 1. 2005 in Kraft treten wird. Nach
dem Willen des Gesetzgebers sollen mit dieser Reform die bisherigen
Regelungsdefizite beseitigt und eine moderne, den Grundsätzen der
Rechtsstaatlichkeit, aber auch dem besonders hilfeorientierten und
friedensrichterlichen Charakter des Außerstreitverfahrens Rechnung
tragende, eigenständige Verfahrensordnung geschaffen werden, die
insb auch geeignet ist, die Lebensverhältnisse des Alltagslebens
zukunftsorientiert zu regeln. | AußStrG neu |
Im Allgemeinen
Teil des neuen Außerstreitgesetzes sind folgende wesentliche
Neuerungen hervorzuheben: | Allgemeiner Teil |
• Umschreibung des Parteibegriffs mit
materiellen Komponenten | |
• Erleichterungen hinsichtlich der Bestimmtheit des
Antrags | |
• besondere richterliche Anleitungs-
und Belehrungspflichten
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• Sicherstellung des rechtlichen Gehörs zB
durch Einführung einer generellen Zweiseitigkeit von Rechtsmitteln | |
• Neuregelung der Vertretungspflicht
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• Regelung der Öffentlichkeit und Mündlichkeit der
Verhandlung | |
• Betonung des Grundsatzes der amtswegigen Sachverhaltsermittlung (Untersuchungsgrundsatz) mit Mitwirkungspflichten der
Parteien | |
• (punktuelle) Verweise auf
die Bestimmungen der ZPO über Protokolle, Akten,
Sitzungspolizei, Verfahrenshilfe, Fristen und die Zustellung | |
• Möglichkeit einer Unterbrechung und
eines Ruhens des Verfahrens | |
• Möglichkeit des Innehaltens des
Verfahrens bis zu sechs Monaten | |
• Beseitigung des Rechtsmittels der Vorstellung und
der Möglichkeit der Verweisung auf den Rechtsweg
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• Regelung des Rechtsmittelverfahrens mit
Einschränkung der Neuerungserlaubnis | |
• Regelung des Eintritts der Wirksamkeit bzw.
der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen | |
• Regelung der Kostenersatzpflicht
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• Einführung eines Abänderungsverfahrens (entsprechend
den Rechtsmittelklagen) | |
• Regelung über Zwangsmaßnahmen und die Vollstreckung außerstreitiger
Entscheidungen | |
Im Besonderen
Teil des neuen Außerstreitgesetzes finden sich – teilweise
grundlegend neu gefasste – Bestimmungen über das Verfahren in Ehe-,
Kindschafts- und Sachwalterschaftsangelegenheiten, über das Verlassenschaftsverfahren
sowie über Beurkundungen und die freiwillige Feilbietung. Im Verlassenschaftsverfahren
stellt ua die Integration der Entscheidung über das Erbrecht in
das außerstreitige Verfahren eine wesentliche Neuerung dar: Eine
Verteilung der Klägerrolle und eine darauffolgende Erbrechtsklage
ist jetzt nicht mehr vorgesehen. Künftig wird das Verlassenschaftsgericht
das Erbrecht des oder der Erben feststellen und die übrigen Erbantrittserklärungen,
die nicht zur Grundlage der Einantwortung werden, abweisen. | Besonderer Teil |
Mit einem
umfangreichen Außerstreit-Begleitgesetz (BGBl I
2003/112) werden (ab 1. 1. 2005) zahlreiche auf verschiedene Rechtsquellen
verstreute Vorschriften an die neue Rechtslage angepasst und teilweise
auch inhaltlich novelliert, so zB das Notwegegesetz und das Eisenbahnenteignungsgesetz.
Ein eigenes Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz (BGBl
I 2003/113) nimmt schließlich eine Anpassung und Neuordnung der
in vielen Bereichen des Wohnrechts geltenden besonderen (außerstreitigen)
Verfahrensregeln vor und novelliert insofern insb das MRG und das WEG
2002. | Außerstreit-Begleitgesetze |
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E. Das
streitige Verfahren (Zivilprozessrecht) |
G.
Exekutionsverfahren |
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