Kapitel 10 | |
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A. Schadenersatz
– Besonderer Teil |
C. Entscheidungsbeispiele
zu den Kapiteln 9 und 10 |
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B. Behandlungsvertrag
– Medizinhaftung |
Mitbearbeitet von Gertrud Kalchschmid | |
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Der
folgende „Exkurs” behandelt einen Sonderfall des § 1299 ABGB und
geht auf den Behandlungsvertrag und damit verwandte Fragen ein.
– Der Behandlungsvertrag bildet die rechtliche Grundlage der Beziehung
zwischen Krankenanstalt/Arzt und Patient/in. Eine bestimmte Form
für den Abschluß eines Behandlungsvertrags ist nicht vorgeschrieben,
sodaß er mündlich, schriftlich oder konkludent geschlossen werden
kann. IdR wird er bloß mündlich und häufig konkludent abgeschlossen.
Aus dem Behandlungsvertrag heraus entsteht – bei längerer Dauer
– das Behandlungsverhältnis ( → Rechte
und Pflichten aus dem Behandlungsvertrag),
das auf jeder Seite unterschiedliche und uU vielfältige und sich wiederholende
Rechte und Pflichten entstehen lässt. | |
 | Abbildung 10.23: Recht und Medizin |
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 | Abbildung .24: Medizinrecht (Vorlesungsfolien) |
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I. Arten
des Behandlungsvertrags | |
Der Behandlungsvertrag tritt in der Rechtspraxis in unterschiedlichen
Ausformungen in Erscheinung, die klar auseinandergehalten werden
müssen. Diesem Ziel dient die folgende Unterscheidung, die auch
der Rechtssicherheit dient. | |
1. Der
einfache Behandlungsvertrag | |
Die
einfachste Form eines Behandlungsvertrags ist der Vertragsschluss
zwischen Patient und frei praktizierendem Arzt / Allgemeinmediziner
oder Facharzt. Dabei trifft den Arzt grundsätzlich eine unmittelbare
und persönliche Behandlungspflicht; § 49 Abs 2 ÄrzteG 1998. Der
Patient hat – als korrespondierende vertragliche Hauptpflicht –
das vereinbarte Behandlungsentgelt zu leisten. | |
Überweist ein Arzt den Patienten, mit
dem er den Behandlungsvertrag geschlossen hat, an einen anderen
Arzt, kommt es idR zu einer neuen vertraglichen Beziehung. Übernimmt
der Arzt, an den der Patient überwiesen wurde, die selbständige
Behandlung oder Teilbehandlung des Patienten, so kommt ein eigener
Behandlungsvertrag zustande. Der überweisende Arzt haftet in einem
solchen Fall allenfalls für culpa in eligendo, also für Verschulden,
das ihn bei der Auswahl des anderen Arztes trifft. Er haftet aber
keinesfalls für ein (fachliches) Verschulden des anderen Arztes.
– Zieht dagegen ein Arzt einen anderen Arzt konsiliariter zu Rate
und/oder überläßt ihm Behandlungsunterlagen/ Material zur Durchführung
von Spezialuntersuchungen, entsteht zwischen dem Patienten und dem
Konsiliararzt keine (eigene)Rechtsbeziehung. Vielmehr bleibt der
erste Arzt ausschliesslicher Vertragspartner des Patienten. Zwischen
den Ärzten bestehen dann gesonderte rechtliche Beziehungen; insbesondere
ist das Vorliegen einer § 1313a ABGB-Beziehung (Erfüllungsgehilfe) –
zB mit einem medizinisch-technischen Labor – oder eine werkvertragliche
Beziehung zu prüfen. Schutzwirkungen aus dem Vertrag zwischen den
beiden Ärzten erstrecken sich aber idR auf den Patienten, sodass
diesem sofern er aus einem schuldhaften Fehlverhalten des „zweiten”
Arztes einen Schaden erleidet, auch gegen diesen vertragliche Ersatzansprüche
erheben kann; Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ( → KAPITEL 9: Verträge
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter):
RdM 2002, 20 ff – Abklärung eines Mammakarzinoms. | Überweisung
zur Behandlung |
Daneben entstehen – wie erwähnt – auf jeder
Seite Nebenpflichten → Nebenpflichten
aus dem Behandlungsvertrag:
So trifft Patienten/innen eine Mitwirkungspflicht an der Behandlung,
Arzt und Ärztin ua eine Verschwiegenheitspflicht. Dazu gleich mehr. | |
2. Der einfache
Krankenhausaufnahmevertrag | |
Wird
ein/e Patient/in in einer Krankenanstalt behandelt, wird der Behandlungsvertrag
zwischen ihm/r und der Krankenanstalt geschlossen. Das kann wiederum
mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder konkludent geschehen. | |
Eine gemeinnützige
Krankenanstalt hat jede anstaltsbedürftige Person nach
Maßgabe der Anstaltseinrichtungen aufzunehmen ( Kontrahierungszwang!
→ KAPITEL 5: Abschlussfreiheit
<-> Kontrahierungszwang)
und die Patienten/innen so lange in der Krankenanstalt unterzubringen,
ärztlich zu behandeln, zu pflegen und zu verköstigen, als es ihr
Gesundheitszustand erfordert. – Für die ärztliche Behandlung und
Pflege ist ausschließlich der Gesundheitszustand des Patienten maßgebend;
§§ 23, 24 Tir-KAG. Das gilt für alle Arten der Behandlung und insbesondere
auch für Operationen. – Unabweisbare Personen müssen
in Anstaltspflege genommen werden; § 33 Abs 2 Tir-KAG. Als unabweisbar
iSd Abs 2 gelten Personen, deren geistiger oder körperlicher Zustand
wegen Lebensgefahr oder wegen Gefahr einer sonst nicht vermeidbaren
schweren Gesundheitsschädigung eine sofortige Anstaltsbehandlung
erfordert, sowie Frauen, deren Entbindung unmittelbar bevorsteht.
Als unabweisbar gelten auch Personen, die aufgrund besonderer Vorschriften
behördlich eingewiesen werden. Die unbedingt notwendige ärztliche
Hilfe darf in öffentlichen Krankenanstalten niemanden verweigert
werden. – In Krankenanstalten hat die ärztliche Betreuung grundsätzlich auf fachärztlichem
Niveau zu erfolgen; § 11 Abs 2 Tir-KAG. – Der ärztliche
Dienst muß so eingerichtet sein, daß ärztliche Hilfe in
der Anstalt jederzeit und sofort erreichbar ist; § 12 Abs 1 Tir-KAG.
Patienten dürfen nur nach den Grundsätzen und anerkannten
Methoden der medizinischen Wissenschaft ärztlich behandelt
werden; § 12 Abs 3 Tir-KAG. Zudem besteht die Verpflichtung der
Krankenanstalt, eine dauernde qualifizierte Pflege für stationär aufgenommene
Patienten sicherzustellen; § 9a Z 12 Tir-KAG. – Krankenanstalten
sind ferner zur Durchführung von Maßnahmen der (medizinischen) Qualitätssicherung
verpflichtet (§ 9 b Tir-KAG), was immer das bedeuten mag. | Kontrahierungszwang etc |
Im
Krankenhausaufnahmevertrag verspricht die Krankenanstalt eine sachgemäße
Behandlung durch ihr ärztliches und nichtärztliches Personal. Zwischen
Personal – ärztlichem wie Pflege- oder sonstigem Personal – und
Patient/in besteht keine Vertragsbeziehung. Das gesamte Personal
der Krankenanstalt haftet aber (allenfalls neben dem Träger) Patienten/innen deliktisch
→ KAPITEL 9: Vertrags-
und Deliktshaftung.
Krankenanstaltsträger schulden ihren Patienten aus dem Krankenhausaufnahmevertrag
als Gesamtleistung eine sachgemäße Heilbehandlung, Unterkunft und
volle Anstaltspflege. Die einzelnen behandelnden Krankenhausärzte
und Krankenschwestern treten in keine (persönliche) vertragliche
Beziehung zum Patienten. Sie werden vielmehr als Erfüllungsgehilfen
des Anstaltsträgers tätig; § 1313a ABGB. Nur der Anstaltsträger
haftet seinen Patienten/innen gegenüber vertraglich für Schäden,
die vom ärztlichen und nichtärztlichen Krankenhauspersonal verursacht
werden. | |
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SZ 41/87 (1968): Krankenanstalt
haftet für Krankenschwester, welche der Hebamme bei der Geburt hilft; zu
heiße Wärmflasche verbrennt Säugling. | |
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OGH 11. 7. 2001, 7 Ob 156/01v, RdM 2002/8: Schutz-
und Verkehrssicherungspflichten von Krankenhäusern –
Der Vertrag eines Patienten mit einer Krankenanstalt auf stationäre
Behandlung ist regelmäßig in erster Linie auf die ärztliche (Heil)Behandlung
gerichtet. Er umfasst aber auch die Pflege des Patienten, seine
Beherbergung und die Wahrung seiner körperlichen Sicherheit. Der
Rechtsträger einer Krankenanstalt ist verpflichtet, die notwendigen
Vorkehrungen zu treffen, damit der Patient durch andere Patienten, durch
Besucher, durch die technischen Einrichtungen zur Heilbehandlung
und Pflege und durch sonstige betriebliche Anlagen in seiner körperlichen
Unversehrtheit nicht zu Schaden kommt. – Das gilt auch für Krankenzimmer:
Hier Verletzung einer teilweise gelähmten Patientin durch eine umfallende
Stehlampe. | |
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Zur unbefriedigenden
Rspr bezüglich der Haftung von Krankenanstalten bei deren Verletzung
von Verkehrssicherungspflichten gegenüber Besuchern → KAPITEL 9: Verträge
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter:
sog Krankenhausbesuchs-
fälle. | |
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Die Krankenanstalt muss auch für eine entsprechende Weiterbildung
ihres Arzt- und Pflegepersonals sorgen, was durch den raschen medizintechnischen
Fortschritt besonders wichtig ist. – Man denke an Endoskopie oder
laparaskopische Methoden. | |
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SZ 62/125 (1989): Der Patient hat
Anspruch auf die nach dem Stand der Wissenschaft/state of
the art sichersten Maßnahmen zur Abwendung bekannter Operationsgefahren.
Vgl auch SZ 62/53. | |
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SZ 62/53 (1989): Der Artz handelt
nicht fahrlässig, wenn er eine Behandlungsmethode wählt,
die von einer anerkannten Schule medizinischer Wissenschaft vertreten
und noch nicht von einem gewichtigen Teil der medizinischen Wissenschaft
und Praxis für bedenklich gehalten wird, selbst wenn andere kompetente
Mediziner eine andere Methode bevorzugt hätten. Vgl auch SZ 62/125. | |
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Behandlungsverträge werden gleichermassen
von Kassen- wie Privatpatienten geschlossen
und kommen wie jeder andere Vertrag zustande, wobei den Beteiligten
klar sein muss, dass durch ihr Verhalten Rechte und Pflichten erworben
und übernommen werden sollen. – Behandlungsverträge werden nach
§ 863 ABGB ( → KAPITEL 5: Arten
von Willenserklärungen: § 863 ABGB) entweder ausdrücklich (mündlich oder schriftlich)
oder schlüssig sowie allenfalls auch stillschweigend geschlossen. | Kassen-
und
Privatpatienten |
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3. Mischformen
des Behandlungsvertrags | |
Neben den
beiden genannten Grundformen des Behandlungsvertrags existieren
in der Praxis Mischformen, insbesondere: | Mischformen der Praxis |
•
Bei
Aufnahme in die Sonderklasse einer Krankenanstalt wird
ebenso ein modifizierter Behandlungsvertrag geschlossen wie bei
der | |
•
Behandlung in einem (Privat)Sanatorium durch
einen Belegarzt. | |
Dazu gleich mehr. | |
Die
Sonderklasse erfüllt von ihrem Anspruch her hinsichtlich Verpflegung
und Unterbringung höhere Ansprüche; insbesondere
durch eine niedrigere Bettenanzahl in den Krankenzimmern (Tendenz
zum Einbettzimmer) sowie eine bessere Ausstattung und Lage der Krankenzimmer.
Der Standard muss höher sein, als in der allgemeinen Gebührenklasse
der jeweiligen Krankenanstalt (!). Die Realität hält hier nicht
überall mit dem Anspruch Schritt. – In die Sonderklasse dürfen Patienten
nur auf eigenes Verlangen aufgenommen werden; vgl § 30 TirKAG. Patienten/innen
haben sich bei ihrer Aufnahme in die Sonderklasse durch eine schriftliche
Erklärung zu verpflichten, den allgemeinen Kostenbeitrag
und die zusätzlich anfallenden Sondergebühren zu tragen. Zuvor sind
Patienten/innen über die voraussichtliche Höhe dieser Gebühren sowie
über die Honorarberechtigung der Ärzte zu informieren, was oft unterbleibt. | |
Sonderklassepatienten/innen schließen zusätzlich zum Krankenhausaufnahmevertrag
einen Behandlungszusatzvertrag mit einem idR leitenden
Spitalsarzt ab, der darin die persönliche medizinische Betreuung,
worin immer sie bestehen mag, zusagt. Nicht immer wird diese Zusage eingelöst,
denn es kommt immer wieder vor, dass der medizinische Vertragspartner
nicht selber behandelt oder operiert, sondern andere für ihn. –
Die anfallenden zusätzlichen Behandlungskosten übernimmt idR eine
private (Kranken)Zusatzversicherung. Zu zahlen ist natürlich nur
einmal: Zusatzversicherung oder selbstzahlende/r Patient/in. Doppelverrechnungen
sind aber vorgekommen und wurden sogar als standesgemäß betrachtet. | |
Krankenhausträger und leitender
Spitalsarzt haften aus einer solchen Vertragsbeziehung gemeinsam
– dh solidarisch – für die medizinische Behandlung von Patienten/innen.
Das stellt ein Privileg dieser Ärztegruppe dar, das längst (im Innenverhältnis)
hinterfragt gehörte. Für den Bereich öffentlicher Krankenanstalten
hat ein sorgfältiger Träger hier Klarstellungen zu treffen, wofür
mehrere Möglichkeiten offen stehen: Abschluss von spezifischen Haftpflichtversicherungen in
angemessener Höhe, Erfüllungsübernahmen udglm. Auch hinsichtlich
der allgemeinen Verpflegung wäre ein Ausgleich anzustreben. Erstaunlicherweise
ist die „Geduld” der Privatversicherer, die das alles bezahlen müssen,
hier sehr groß. Über die Gründe darf nachgedacht werden. – Vgl auch → Der
Sonderklassepatient:
Der Sonderklassepatient. | Haftung |
Belegärzte haften – mangels gegenteiliger
Vereinbarung – auch für das ihnen vom Rechtsträger des Spitals zur
Verfügung gestellte Personal. Das Personal des Belegspitals wird
idR als Erfüllungsgehilfe des Belegarztes tätig. | |
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OGH 27. 10. 1999, 1 Ob 267/99t („Blutleermanschette- Fall”), SZ 72/164 = JBl 2001, 56 = EvBl 2000/67:
Die im „Belegarztvertrag” erkennbare Aufgabenteilung führt gegenüber
dem Patienten zu einer entsprechenden Aufspaltung der Leistungspflichten
des Belegarztes einerseits und des Belegspitals andrerseits. Der
Belegarzt haftet für „Assistenz seiner Wahl” im Rahmen einer Operation
nach § 1313a ABGB. Dies gilt auch für Verletzungen der Sorgfaltspflichten
bei der Operationsvorbereitung (hier: Anlegen einer Blutleermanschette),
weil diese untrennbar mit dem Operationsvorgang selbst verbunden
ist. | |
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OGH 23. 11. 1999, 1 Ob 269/99m („Die
brutale Anästhesistin”), JBl 2001,
58 = RdM 2000, 90: Wirtschaftlich selbständige
Anästhesistin hilft befreundetem Belegarzt „aus Gefälligkeit” bei
Knieoperation. Als der erste Intubationsversuch fehlschlug, benützte
sie „mehr Kraft”, wodurch sie die Zähne der Patientin im Oberkiefer
samt deren Wurzeln lockerte und ein Stück des Kieferknochens abbrach.
– OGH: Die Vertragspflicht des Belegarztes, eine bestimmte Operation
am Patienten durchzuführen, schließt auch eine fachgerechte Operationsvorbereitung
ein. Der Belegarzt haftet auch für das Verhalten aller wirtschaftlich selbständigen
(Fach)Ärzte, die ärztliche Leistungen unter seiner medizinischen
Oberleitung erbringen. (Eine fachliche Weisungsbefugnis des Belegarztes
ist somit keine notwendige Voraussetzung für seine Haftung für Erfüllungsgehilfen.)
Personen, denen sich ein Belegarzt zur Erfüllung seiner Pflichten
aus dem Behandlungsvertrag bedient, sind auch dann Erfüllungsgehilfen,
wenn ein solcher Vertrag im Einzelfall als freier Dienstvertrag
einzuordnen wäre. | |
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In der Praxis schließen Patienten aber nicht nur mit dem
Belegarzt einen (Behandlungs)Vertrag, sondern für Verpflegung und
Unterbringung auch einen Aufnahmevertrag mit dem Belegspital, zB
einem Sanatorium. Die Grenzziehung ist in der Praxis aber oft unsicher
– weil in Verfolgung einer beruflichen Vogelstraußpolitik häufig
keine schriftlichen Verträge zwischen Belegspital und Belegarzt
geschlossen werden. Dies sollte im Interesse aller Beteiligten durch
klare schriftliche Verträge verbessert werden; vgl den Mustervertrag
bei Hilber / Barta 61 (1999). | |
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 | Abbildung 10.25: Belegarztvertrag: Doppelvertragsvariante |
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 | Abbildung 10.26: BelegarztV: Erfüllungsgehilfenvariante |
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 | Abbildung 10.27: BelegarztV: NL-Zentralhaftung |
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II. Zur Rechtsnatur
des Behandlungsvertrags | |
1. Der
Behandlungsvertrag als freier Dienstvertrag | |
Der Patient ist Subjekt, nicht Objekt der Behandlung. Der
Gedanke der Privatautonomie fordert rechtliche Gleich-, nicht Unterordnung!
Die rechtliche Grundlage dafür legt die durch den Behandlungsvertrag
geschaffene vertragliche (Sonder)Beziehung zwischen Patient/in und
Arzt. | |
Der Behandlungsvertrag
– als grundsätzlich entgeltlicher Vertrag – wird heute überwiegend
als freier Dienstvertrag verstanden, der vom normalen
Arbeitsvertrag, wie vom Werkvertrag, aber auch dem Auftrag zu unterscheiden
ist; mehr dazu in Kapitel 12. Beim freien Dienstvertrag (einer nicht
unproblematischen und rechtlich schillernden Rechtsfigur) wird –
anders als beim Werkvertrag – kein Erfolg (hier iSv Heilung oder
Gesundung) geschuldet; vielmehr nur eine fachgerechte medizinische
Behandlung. Dies deshalb nicht, weil die komplexen Abläufe im menschlichen
Körper und deren Reaktionen auf medikamentöse oder operative Eingriffe
nicht immer völlig vorhersehbar und zur Gänze beherrschbar sind.
– Dieses Argument wird von medizinischer Seite aber gerne überdehnt
und zur eigenen Exkulpierung überbewertet! | Zum freien Dienstvertrag |
Aus diesem
Grund schulden Ärzte idR keinen vertraglichen Erfolg, sondern bloß
ein korrektes, fachliches Bemühen. Es ist darauf gerichtet, die
Gesundheit ihrer Patienten/innen möglichst wiederherzustellen oder
doch Linderung zu verschaffen. | Was wird geschuldet? |
Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass
Arzt, Pflegepersonal und Krankenanstalt privatrechtlich in Bezug auf
ihre medizinische Tätigkeit als Sachverständige iSd § 1299 ABGB
behandelt werden und ihre Tätigkeit daher an den jeweiligen Wissens-
und Könnens-”Standards” gemessen wird → Die
Sachverständigenhaftung
| |
2. Der Behandlungs-Werkvertrag | |
Ausnahmsweise schulden Ärzte
ihren Patienten/innen einen bestimmten Erfolg, was bedeutet, dass ein
(Behandlungs)Werkvertrag anzunehmen ist. Ein Behandlungs-Werkvertrag
wird bspw beim Anfertigen von individuell passendem Zahnersatz (etwa
einer Zahnbrücke), bei diversen Prothesen, dem Einsetzen von Implantaten,
dem Erheben eines EEG- oder EKG-Befundes, dem Durchführen von Labortests
oder dem Anlegen eines Gipsverbands angenommen. Indiz für das Vorliegen
eines (Behandlungs)Werkvertrags ist es, wenn technische und handwerkliche
Fähigkeiten des Arztes bei der Behandlung im Vordergrund stehen
und die beschriebenen Ungewissheiten zurücktreten. Das Arbeitsergebnis
hängt in diesem Fall überwiegend von der technisch-fachlichen Qualifikation
des Arztes und seiner Hilfspersonen und der richtigen Verwendung
von Materialien und Arbeitsbehelfen ab. – Die Abgrenzung ist aber
nicht immer einfach, rechtlich aber bedeutsam. | Hier
wird ein Erfolg geschuldet |
3. Der
Sonderklassepatient | |
Der
Sonderklassepatient schließt – wie wir gehört haben – zusätzlich
zum gewöhnlichen Krankenhausaufnahmevertrag (mit dem Anstaltsträger)
noch einen weiteren Behandlungszusatzvertrag (mit
einem idR leitenden Spitalsarzt) ab. Inhalt dieses Zusatzvertrags
ist zB das Versprechen durch Herrn Prof. X, den Patienten persönlich
zu betreuen. Die persönliche Betreuung wird durch ein Zusatzhonorar abgegolten.
Mit dem Abschluss eines solchen Zusatzvertrags will sich ein Patient die
Behandlung durch einen Spezialisten, etwa durch einen hervorragenden
Internisten oder Chirurgen, sichern. Beim einfachen Krankenhausaufnahmevertrag
hat der Patient nämlich keinen Anspruch auf Behandlung/Operation
durch einen bestimmten Arzt! – Manche Krankenanstalten gewähren
ihren Patienten aber im Rahmen des Möglichen ein Wahlrecht, obwohl
sie es nicht müssten. | Zusatzvertrag
und Zusatzhonorar |
Wurde ein Behandlungszusatzvertrag abgeschlossen,
haften – wie erwähnt – Krankenhausträger und leitender Spitalsarzt
als Vertragspartner gemeinsam für die medizinische Behandlung des
Patienten; Gesamt- oder Solidarhaftung: „Einer für alle und alle
für einen”. Der Anstaltsträger haftet also auch für Fehler des honorarberechtigten
Arztes (und umgekehrt), kann aber, falls er als Anstaltsträger zur
Haftung herangezogen wird, uU vom Behandler Ersatz verlangen; Rückgriff/Regress. | Solidarhaftung von
Träger und Arzt |
Für die (persönliche) Haftung des
Arztes/der Krankenanstalt gegenüber Patienten kommen demnach sowohl: | Die Arzthaftung als Vertrags-
oder Deliktshaftung |
• eine vertragliche Haftung,
wie eine | |
•
deliktische Haftung in Frage;
angestellter Krankenhausarzt haftet bspw Patienten nur deliktisch!
Auch hier gilt: Vertragshaftung ist günstiger! (§ 1313a + § 1298
ABGB) Als Haftungsmaßstab dient § 1299 ABGB (Sachverständigenhaftung),
der eine objektivierte Verschuldenshaftung enthält. | |
• Die Arzthaftung ist eine allgemeine Verschuldenshaftung und
greift daher ab leichter Fahrlässigkeit; derzeit bestehen
keine Sonderregeln. Auf Grund der besonderen Vertrauensbeziehung
und gesteigerter Sorgfaltspflichten (§ 1299 ABGB) zwischen Arzt
und Patient erscheint eine Freizeichnung (→ KAPITEL 9: Verschulden
(culpa))
von leichter Fahrlässigkeit unzulässig. Vgl aber meinen Vorschlag
einer neuen Medizinhaftung: http://www2.uibk.ac.at/zivilrecht/mitarbeiter/barta/index.html
| |
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Eine ausreichende ärztliche Aufklärung ( → Zur
ärztlichen Aufklärungspflicht)
ist Voraussetzung für eine wirksame Zustimmung / Einwilligung des
Patienten zur Heilbehandlung! Die Rechtmäßigkeit der konkreten (Heil)Behandlung
hängt von einer korrekten ärztlichen Aufklärung ab! Andernfalls
liegt eine (rechtswidrige) eigenmächtige Heilbehandlung iSd
§ 110 Abs 1 StGB vor. Die ärztliche Aufklärung dient als Rechtfertigungsgrund
für den ärztlichen Eingriff, der an und für sich nach hA immer noch
eine Körperverletzung darstellt! Hier tut ein Umdenken und ein neues
Verständnis im Zivilrecht not! Vgl dagegen § 90 StGB: einwilligung
des Verletzten – Abs 1: „Eine Körperverletzung oder Gefährdung der
körperlichen Sicherheit ist nicht rechtswidrig, wenn der Verletzte
oder Gefährdete in sie einwilligt und die Verletzung oder Gefährdung
als solche nicht gegen die guten Sitten verstößt.“ – Allein hier
verlangt der Grundsatz der „Einheit der Rechtsordnung“ eine Korrektur
zivilrechtlichen Denkens. Vgl auch → Respektierung
des Selbstbestimmungsrechts des Patienten
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III. Partner
des Behandlungsvertrags | |
Partner eines Behandlungsvertrags sind einerseits Arzt oder Krankenanstalt und
andrerseits der Patient, der voll geschäftsfähig
oder minderjährig sein kann oder – bei Vorliegen einer geistigen Krankheit
oder Behinderung – unter Sachwalterschaft stehen oder einen Patientenanwalt
nach dem UbG haben kann → KAPITEL 4: Das
Unterbringungsgesetz 1990 . | |
1. Der voll geschäftsfähige
Patient | |
Das sind Patienten/innen, die das 18. Lebensjahr vollendet
haben und im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte sind. Sie schließen
den Behandlungsvertrag persönlich ab. | |
Sie geben auch persönlich ihre Zustimmung zur
Behandlung aufgrund vorangegangener ärztlicher Aufklärung. | |
2. Der
minderjährige Patient | |
Diese Alters- und Patientengruppe kann, mangels voller Geschäftsfähigkeit,
selbständig noch keine Verpflichtungen eingehen und daher auch keinen
(sie verpflichtenden) entgeltlichen Behandlungsvertrag abschließen,
für den die Kosten oft sehr hoch sind. Das trifft auf Kinder, unmündige Minderjährige
und mündige Minderjährige zu. Bei diesen Personengruppen ist daher
für den Abschluss des Behandlungsvertrages die Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters nötig. Der gesetzliche Vertreter – das sind im Normalfall
Mutter oder Vater oder der alleinerziehende Elternteil, allenfalls
ein Vormund oder Sachwalter – schließt in diesen Fällen den Behandlungsvertrag
für den minderjährigen Patienten ab oder stimmt dem vom Minderjährigen
bereits geschlossenen Vertrag nachträglich zu. Für geistig behinderte
Patienten schließt ein Sachwalter den Behandlungsvertrag, wobei
dafür uU eine zusätzlich Genehmigung des Pflegschafftsgerichts einzuholen
ist; §§ 273 ff ABGB → KAPITEL 4: Die
Sachwalterschaft. | |
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3. Die
„Einwilligung“ in die medizinische Behandlung | |
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Von der
für den Abschluss entgeltlicher (Behandlungs)Verträge durch Minderjährige
nötigen Zustimmung des gesetzlichen Vertreters
(§§ 151 ff, 865 ABGB) zu unterscheiden ist die Einwilligung Minderjähriger
in die medizinische Behandlung / Operation, die grundsätzlich schon
von mündigen Minderjährigen, ja Kindern selbst – entsprechend ihrer
Einsicht – gegeben oder verweigert werden kann. Diese Zustimmung
hängt also nicht vom Erreichen der Volljährigkeit (18 Jahre) ab;
§ 146c ABGB hat diese Zustimmung Minderjähriger neu geregelt und
damit Judikaturrecht gesetzlich eingefangen. | Unterscheide |
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§ 146c ABGB (idFd KindRÄG 2001, BGBl
I 135) | |
„(1) Einwilligungen in medizinische Behandlungen kann
das einsichts- und urteilsfähige Kind nur selbst erteilen; im
Zweifel wird das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilfähigkeit
bei mündigen Minderjährigen vermutet. Mangelt es an der notwendigen
Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so ist die Zustimmung der Person
erforderlich, die mit Pflege und Erziehung betraut ist. | |
(2) Willigt ein einsichts- und urteilsfähiges
minderjähriges Kind in eine Behandlung ein, die gewöhnlich mit einer schweren
oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit
oder der Persönlichkeit verbunden ist, so darf die Behandlung
nur vorgenommen werden, wenn auch die Person zustimmt, die mit der
Pflege und Erziehung betraut ist. | |
(3) Die Einwilligung des einsichts- und urteilsfähigen
Kindes sowie die Zustimmung der Person, die mit Pflege und Erziehung
betraut ist, sind nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend
notwendig ist, dass mit der Einholung der Einwilligung
oder der Zustimmung verbundene Aufschub das Leben des Kindes gefährden
würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit
verbunden wäre.” | |
§ 146d ABGB: „Weder ein minderjähriges Kind noch
die Eltern können in eine medizinische Maßnahme, die eine dauernde
Fortpflanzungsunfähigkeit des minderjährigen Kindes zum
Ziel hat, einwilligen.” (Hervorhebungen von mir) | |
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Zu beachten
ist, dass die Zustimmung / Einwilligung des Patienten
in die konkrete Behandlung auch nur begrenzt / limitiert,
also eingeschränkt erteilt werden kann. Daran ist
der jeweilige Arzt vertraglich gebunden! – In der Praxis ergeben
sich aber immer wieder Probleme, weil bspw Operierende sich nicht
an die getroffene Vereinbarung halten. Vgl das folgende, nicht erfundene
Beispiel. | Limitierte Zustimmung |
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 | Abbildung 10.28: Arzthaftung: Einwilligung |
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IV. Rechte
und Pflichten aus dem Behandlungsvertrag | |
Aus
dem Behandlungsvertrag – und dem daraus entstehenden Behandlungsverhältnis
– erfließen eine Reihe von Haupt- und oft auch (wiederkehrende)
Nebenpflichten. | |
1. Ärztliche Hauptpflichten | |
Die Hauptpflichten
bestehen in der sachgemäßen medizinischen Behandlung (einschliesslich
die ärztliche Aufklärung → Zur
ärztlichen Aufklärungspflicht)
auf der einen und der Entgeltzahlung auf der anderen Seite. Ärzte und
Krankenpflegepersonal schulden Patienten/innen eine sorgfältige
medizinische und pflegerische Behandlung im Einklang mit den beruflichen
Standards und allfälligen bestehenden Vorgaben. | Hauptpflichten |
Der
ärztliche (Haupt)Pflichtenkatalog beginnt bei praktischen
Ärzten mit der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung,
wozu die Verpflichtung gehört, eine Anamnese zu erheben, Patienten
fachkundig zu untersuchen und – wenn nötig – an einen Facharzt oder
in stationäre Behandlung zu überweisen. – Die Untersuchung umfasst
Diagnose- und Indikationsstellung, woran sich eine sachgemäße Therapie
anzuschließen hat. Die ärztlichen Informations-
und Beratungspflichten (gegenüber ihren Patienten),
wie das Mitteilen der Diagnose, des Behandlungsverlaufs und der
Behandlungsrisiken, zählen ebenfalls zu den Hauptpflichten des Arztes
aus dem Behandlungsvertrag. Patienten haben zudem Anspruch darauf,
nach dem letzten Stand der Wissenschaft und mit den sichersten Methoden
behandelt zu werden. | Was zählt zu den ärztlichen Hauptpflichten? |
2. Nebenpflichten
aus dem Behandlungsvertrag | |
Bedeutsame
Nebenpflichten des Behandlungsvertrags sind auf ärztlicher Seite
bspw das Erstellen einer Dokumentation des (gesamten) Behandlungsverlaufs,
Medikation eingeschlossen und ihren Patienten gegenüber
das Gewähren des Einsichtsrechts in ihre Krankenunterlagen /
sog Krankengeschichte, Ambulanzaufzeichnungen, Röntgen- und CT-Bilder
sowie die Pflegedokumentation; vgl dazu die Zusammenfassung im Anschluss.
Krankenanstalten sind nämlich verpflichtet Krankengeschichten anzulegen,
in denen die Vorgeschichte der Erkrankung ( Anamnese), der
Zustand des Patienten zur Zeit der Aufnahme ( status praesens),
der Krankheitsverlauf ( decursus morbi), die angeordneten
Maßnahmen sowie die erbrachten ärztlichen Leistungen einschließlich Medikation (insbesondere
hinsichtlich Name, Dosis und Darreichungsform), die Aufklärung des
Patienten ( → Zur
ärztlichen Aufklärungspflicht), sonstige angeordnete sowie erbrachte
wesentliche Leistungen, insbesondere der pflegerischen, einer allfälligen
psychologischen oder psychotherapeutischen Betreuung sowie Leistungen
der medizinisch-technischen Dienste dargestellt werden. – Eine wichtige
ärztliche Nebenpflicht aus dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag
heraus ist die Verschwiegenheitspflicht, die auch
für andere Berufsgruppen des Medizinsektors gilt; etwa Pflegeberufe,
medizinisch-technisches Personal oder (Psycho)Therapeuten; vgl aber
vor allem § 54 ÄrzteG 1998 oder § 15 PsychotherapieG. – Ärzte, Pflegepersonal
oder Psychotherapeuten können aber gerichtlich von ihrer Pflicht
zur Verschwiegenheit entbunden werden; vgl insbesondere § 321 ZPO. | |
Kassenpatienten
trifft die (Neben)Pflicht, einen Krankenschein (oder
die geplante Chipcard) zur Behandlung mitzubringen, um sich gegenüber
dem Vertragsarzt zu legitimieren und ihm die Abrechnung mit dem
Krankenversicherungsträger zu ermöglichen. Patienten sind auch verpflichtet,
notwendige ärztliche Maßnahmen zu unterstützen sowie ärztliche Hinweise
zu befolgen; sog Mitwirkungspflicht. Andernfalls
kann der Arzt/die Krankenanstalt den Behandlungsvertrag, der idR
ein Dauerschuldverhältnis ist, sogar lösen. § 50 ÄrzteG 1998 spricht
vom Rücktritt von einer Behandlung. | Patientennebenpflichten |
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OGH 10. 9.2001, 15 R 135/01k, RdM 2002/9:
Wird ein Psychotherapeut gerichtlich gültig von
seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden, ist
er verpflichtet, als Zeuge vor Gericht auszusagen. | |
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Der Dokumentationsanspruch des
Patienten gegen den Arzt ist ein vertraglicher Nebenanspruch aus
dem Behandlungsvertrag. | Einsichtsrecht
und Herausgabe in/von Behandlungsunterlagen:
§ 51 ÄrzteG 1998 |
• Der
Dokumentationsanspruch hängt mit dem Recht auf umfassende und erschöpfende
Aufklärung zusammen; Selbstbestimmung des Patienten. – Was umfasst
er? | |
• Herausgabe der Unterlagen? – Ja! Untersuchungsergebnisse;
zB Röntgenbilder, EKGs, Befunde | |
• Bloße Mitteilung des Inhalts? – Nein! OGH:
Kopie ist anzufertigen! | |
•
Aufzeichnungen über objektive physische Befunde
und Berichte über Behandlungsmaßnahmen. Therapeutische Gründe können
dagegen sprechen; sog therapeutisches Privileg.
Eventuell gütliche Einigung auf neutralen Arzt. In Einzelfällen
hat der OGH (SZ 57/98, JBl 1985, 161) ein therapeutisches Privileg
befürwortet. Nur bei der Unterbringung in psychiatrischen Krankenanstalten
kann uU das Einsichtsrecht aus therapeutischen Gründen beschränkt werden;
§ 39 UbG. Aber auch hier ist grundsätzlich davon auszugehen, dass
Einsicht zu gewähren ist; jedenfalls dem Patientenanwalt. | |
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Der wesentliche Zweck der ärztlichen Dokumentationspflicht
liegt in der Therapiesicherung, der Beweissicherung und
der Rechenschaftslegung. – Die Dokumentationspflicht
besteht für diagnostische wie therapeutische Leistungen. Bei medizinisch
erteiltem Rat ist auch die zugrunde liegende Diagnose zu dokumentieren. | Zur ärztlichen
Dokumentationspflicht – Zweck |
Vgl JBl
1985, 159 -
Die Pflicht des Arztes zur Führung einer „ärztlichen Dokumentation”
resultiert aus: | |
• Öffentlichrechtlicher
Verpflichtung: KAKuG oder § 5 GuKG (Pflegedokumentation) | |
•
Standesrechtlicher
Verpflichtung: § 51 Abs 1 ÄrzteG 1998 (früher § 22a ÄrzteG 1984) | |
• Vertraglicher Nebenpflicht des Behandlungsvertrags
zur Information und Aufklärung des Patienten; RdM 2002/4. | |
•
§ 16 ABGB: Persönlichkeitsschutz personenbezogener
Daten! | |
•
Ärztliche „Kunst” verlangt nach Gedächtnisstütze;
§ 1299 ABGB. Es handelt sich somit auch um eine Maßnahme ärztlicher
Sorgfalt. | |
Recht auf Einsicht in Dokumentationen
– Auskunftserteilung resultiert aus: | |
•
Rechtsgrundlage ist
der Behandlungsvertrag + § 10 KAKuG + Landes-KAG + ÄrzteG 1998 (§
51 Abs 1) + UbG | |
• Ist zu gewähren, wenn keine therapeutischen
Gründe entgegenstehen. | |
• Die Verletzung ärztlicher Dokumentationspflichten hat
im Prozess beweisrechtliche Konsequenzen, die dazu führen,
dass dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht
eingetretenen größeren (Beweis)Schwierigkeiten, einen ärztlichen
Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokumentationspflicht
entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt. Sie begründet die
Vermutung, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt auch
nicht getroffen wurde; OGH 1. 12. 1998, 7 Ob 337/98d, ebenso OGH 16.
8. 2001, 8 Ob 134/01s, RdM 2002/4: Zur Dokumentationspflicht bei Vorsorgeuntersuchungen. | |
|
RdM 2002/4: Arzt weist im Rahmen
einer Vorsorgeuntersuchung auf die Notwendigkeit
einer neuerlichen Untersuchung innerhalb eines Jahres hin, dokumentiert
aber nicht, worauf sich dieser Rat stützte. OGH: Ziel von Vorsorgeuntersuchungen
liegt insbesondere darin, bösartige Gefahren aufzudecken (hier: rechtes
Ovar), ein Nichtdokumentieren der diagnostischen Grundlage des erteilten
Rates stellt eine Verletzung der Dokumentationspflicht dar und macht
beweispflichtig dafür, warum die Nachfolgeuntersuchung nicht schon
früher (zB in einem halben Jahr) angeordnet wurde. | |
|
Auch Erben / Angehörige haben ein Recht
auf Einsicht und Abschrift der Krankengeschichte, wenn sie ein berechtigtes
Interesse nachweisen können; zB § 1327 ABGB: Unterhaltsanspruch
bei fraglichen Behandlungsfehler, Unklarheit der Todesursache).
– Der Persönlichkeitsschutz Verstorbener darf aber
nicht entgegenstehen; das fortwirkende Persönlichkeitsrecht von
Patienten/innen (zB § 16 ABGB, Art. 8 EMRK) ist zu beachten. Eine
allenfalls weiterbestehende Verschwiegenheitspflicht muss aber vom
Arzt begründet, und allenfalls durch Sachverständige beurteilt und
richterlich entschieden werden. | Recht
von Angehörigen
auf Einsicht |
Zeitliche Aufbewahrungspflichten: §
51 Abs 3 ÄrzteG 1998 bestimmt, dass Behandlungsaufzeichnungen sowie
sonstige der Dokumentation dienliche Unterlagen mindestens 10
Jahre aufzubewahren sind. Die bundesrechtliche Grundsatzbestimmung
des § 10 Abs 1 Z 3 KAKuG überbindet diese Pflichten an die Landesgesetzgeber.
Die Ausführungsgesetze der Länder kennen aber unterschiedliche Regelungen.
– Nach überwiegender Auffassung sind Krankengeschichten und Röntgenbilder 30
Jahre, Ambulanzaufzeichnungen mindestens 10 Jahre aufzubewahren. | Zeitliche
Aufbewahrungspflichten |
 | |
§
9 Abs 1 KAKuG statuiert für die in Kranken- und Kuranstalten tätigen
Personen sowie die Mitglieder der Ethikkommissionen (nach § 8c KAKuG)
eine Verschwiegenheitspflicht; Abs 2 nennt Ausnahmen.
– § 54 ÄrzteG 1998 normiert in den Abs 1-3 die ärztliche Verschwiegenheitspflicht samt
statuierten Ausnahmen. Bei Verdacht strafbarer Handlungen bestehen
Anzeige-
und Meldepflichten. Der Arzt und seine Hilfspersonen
sind grundsätzlich – von Ausnahmen abgesehen – zur Verschwiegenheit
über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt
gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Zahlreiche sanitätspolizeiliche
und sonstige gesundheitsrechtliche Vorschriften sehen aber Meldepflichten
vor, so etwa beim Auftreten ansteckender Krankheiten: zB § 1 ff
EpidemieG, BGBl 1950/186; §§ 1 ff AIDS-G, BGBl 1993/728. – Keine
Verschwiegenheitspflicht besteht dann, wenn ärztliche Mitteilungen
oder Befunde an Sozialversicherungsträger, Krankenfürsorgeanstalten
oder sonstige Kostenträger übermittelt werden oder der Patient den
Arzt von seiner Verschwiegenheitspflicht entbindet oder die Offenbarung
eines Geheimnisses zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen
Gesundheitspflege oder Rechtspflege unbedingt erforderlich ist oder
Unterlagen an „Dienstleistungsunternehmen” zur Honorar- oder Medikamentenabrechnung
überlassen werden müssen. – Im Zweifel geht aber das Patientenwohl
vor. | Verschwiegenheits-, Anzeige-
und
Meldepflichten |
Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes
der Verdacht, daß durch eine gerichtlich strafbare Handlung der
Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt, oder
ein Minderjähriger oder sonst eine Person, die
ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, misshandelt, gequält,
vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist, so ist er ermächtigt,
hierüber persönlich Betroffenen oder Behörden oder öffentlichen Dienststellen
Mitteilung zu machen, sofern das Interesse an dieser Mitteilung
das Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Bei Verdacht, dass durch
eine gerichtlich strafbare Handlung – zB durch Misshandlung eines
Kindes – der Tod oder die schwere Körperverletzung (länger als 24
Tage dauernde Gesundheitsschädigung: § 84 StGB) eines Menschen herbeigeführt
wurde, hat ein Arzt der Sicherheitsbehörde unverzüglich und nachweislich
Anzeige zu erstatten; § 54 Abs 5 ÄrzteG 1998. Für nahe Angehörige
(§ 166 StGB) besteht eine Sonderregelung. | |
 | Abbildung 10.29: Behandlungsvertrag (1) |
|
 | Abbildung 10.30: Behandlungsvertrag (2) |
|
 | Abbildung 10.31: Arzthaftung: Vertrags- oder Deliktshaftung |
|
 | Abbildung 10.32: Ärztliche Dokumentationspflicht (1) |
|
 | Abbildung 10.33: Ärztliche Dokumentationspflicht (2) |
|
 | Abbildung 10.34: Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte |
|
V. Behandlungsfehler
– Übersicht | |
Hinsichtlich der allgemeinen Schadenersatzvoraussetzungen,
die hier von grosser Bedeutung sind – nämlich insbesondere das Vorliegen
eines Schadens, von Verschulden und Kausalität – sowie der Bedeutung
der Beweislast oder der Möglichkeit Schmerzengeld verlangen zu können,
wird auf Kapitel 9 verwiesen. | |
Es empfiehlt sich Behandlungsfehler im engeren und im weiteren
Sinn zu unterscheiden. Der Behandlungsvertrag verpflichtet – wie
ausgeführt – den Arzt oder die Krankenanstalt zu fachgerechter Behandlung.
Es kommt aber immer wieder vor, dass trotz bester Absicht und Bemühens, mitunter
aber auch aus „Schlamperei” oder Unfähigkeit, Fehler unterlaufen.
Es hat sich eingebürgert, von „Behandlungsfehlern” zu sprechen.
Dabei wird unterschieden: | |
Der Begriff
„Behandlungsfehler ieS” umfasst ärztliches Verhalten
im Rahmen einer medizinischen Behandlung, das (ungewollt) zur Schädigung
der Gesundheit des Patienten führt; und zwar körperlich oder psychisch. | Behandlungsfehler ieS |
Zu
den „ Behandlungsfehlern iwS” zählen auch noch die
praktisch wichtigen (weil immer noch häufigen) Fehler bei der Aufklärung
von Patienten ( → Zur
ärztlichen Aufklärungspflicht) sowie Konsultationsfehler und das Verletzen
von Organisationspflichten samt fehlerhafter Apparateüberwachung,
die vor allem für Krankenanstalten von Bedeutung sind. Dazu gleich
mehr. – Hierher gehören auch Pflegefehler und Lagerungsmängel, bspw
Decubitus. Dieser weit gefasste Begriff des Behandlungsfehlers ersetzt die
alten Termini „Kunstfehler” und „Verletzung der lex artis”. | Behandlungsfehler iwS |
Vorwürfe unterlaufener Behandlungsfehler dürfen aber nicht
leichtfertig erhoben werden, zumal dies verantwortlich machen kann,
was die folgenden Urteile deutlich machen. | |
Medizinsche Fallbeispiele | |
|
OGH 22. 2. 2001, 6 Ob 307/00s, RdM 2002/5:
Der (unberechtigter) Vorwurf eines Behandlungsfehlers im
Internet (Aufnahme in eine Homepage oder deren Unterverzeichnisse)
erfüllt den Tatbestand des
§ 1330 Abs 2 ABGB – „Ingrid R’s Homepage und Biographie”. | |
|
|
OGH 20. 12. 2001, 6 Ob 249/01p, RdM 2002/51: Vorwurf eines Behandlungsfehlers
im Fernsehen (Facelifting): Die Haftung des Medienunternehmers
für rufschädigende Äußerungen Dritter (Gäste) nach
§ 1330 Abs 2 ABGB setzt die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen
voraus. Der dem „Täter” obliegende Wahrheitsbeweis wird schon dann
als erbracht angesehen, wenn die Richtigkeit des Tasachenkerns nachgewiesen
ist. Die Bezeichnung eines Aufklärungsfehlers als Behandlungsfehler
schadet nicht → Rechte
und Pflichten aus dem Behandlungsvertrag sowie die hier getroffene Unterscheidung
zwischen Behandlungsfehlern ieS und iwS. Für Text- und Bildberichterstattung gelten
gleiche Grundsätze. Bildberichte über nachweislich wahre Sachverhalte
sind daher auch dann zulässig, wenn sie für davon Betroffene nachteilig,
bloßstellend oder herabsetzend wirken. | |
|
| |
Der hier verwendete Begriff des Behandlungsfehlers ieS umfasst
folgende Typen: Fehler bei der Anamnese, bei der Diagnoseerstellung,
der Prophylaxe, der Therapie und bei der Nachsorge. Dazu einige
Beispiele: | |
Irrtümer in der Diagnoseerstellung (iS einer objektiv unrichtigen
Diagnose) kommen in der Praxis nicht selten vor. Sie bedeuten nicht
automatisch eine Haftung des jeweiligen Arztes, zumal Krankheitssymptome
nicht immer eindeutig in Erscheinung treten. | |
Unter Diagnose wird begrifflich das Erkennen
einer Krankheit verstanden. Die Diagnose ist aber nicht gleichzusetzen
mit einer endgültigen Feststellung der Krankheit und ihrer Ursachen.
– Fehldiagnosen sind meistens dann Gegenstand einer Haftung, wenn
Krankheitserscheinungen in unvertretbarer, der (Schul)Medizin nicht
entsprechender Weise gedeutet, elementare Kontrollbefunde nicht
erhoben werden oder eine Überprüfung der ersten Diagnose im weiteren
Behandlungsverlauf unterbleibt. Standards der Diagnostik sind zu
erfüllen. Ärzte sind nach dem Behandlungsvertrag verpflichtet, im
Laufe der Behandlung auch eine ursprünglich gesicherte Diagnose
zu überprüfen und notfalls zu revidieren. | |
Zu beachten ist, dass ein Behandlungsfehler nicht immer
schon dann anzunehmen ist, wenn ein Arzt zu einer objektiv unrichtigen
Diagnose gelangt. Nur das Nichterkennen einer erkennbaren Erkrankung und
der für sie kennzeichnenden Symptome ist als Behandlungsfehler zu
bewerten; vgl E des dtBGH vom 8. 7. 2003, VI ZR 304/02: Nichterkennen
des Bruchs des achten Brustwirbelkörpers; fälschlich wurde eine
Prellung angenommen. | |
Ferndiagnosen sind danach unzulässig, wenngleich
insbesondere im Gutachtensbereich nicht selten. – Dies schliesst
aber nicht aus, dass Ärzte in Notfällen zu telefonischer
Information/Anordnung berechtigt sind, um bis zum Eintreffen ärztlicher
Hilfe einstweilige Maßnahmen zu ermöglichen. | |
 | |
|
OGH 1985, KRSlg 696: Um einen Diagnosefehler
handelt es sich, wenn ein Verrenkungsbruch der Halswirbelsäule als
Folge eines Bergunfalls nicht erkannt wird und in Folge zu einer
Querschnittslähmung führt. | |
|
|
OGH: JBl 1962, 91 = EvBl 1961, 39:
Diagnoseprobleme treten oft auf, wenn sich mehrdeutige Symptome überlagern
und die Krankheit dadurch nicht leicht festzustellen ist. Das ist
bspw bei der Feststellung einer Blinddarmentzündung/Appendizitis
der Fall. In einem konkreten Fall überlagerten sich Grippesymptome
mit den Symptomen einer Appendizitis, einer Nierenentzündung sowie
Darmverschluss und Magenkatarrh. Der behandelnde Arzt ließ den Patienten
trotz dieser Symptome über das Wochenende ohne ärztliche Betreuung
zu Hause und veranlasste erst am kommenden Montag die Einweisung
ins Krankenhaus, wo sogleich eine Blinddarmnotoperation durchgeführt
werden musste. Der Patient konnte aber dennoch nicht mehr gerettet
werden und verstarb an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs. –
Der OGH erblickte einen Behandlungsfehler darin, dass der behandelnde
Arzt trotz Vorliegens mehrdeutiger Symptome mit der Einweisung ins
Krankenhaus über das Wochenende gewartet hatte. – Ärzte sind daher
verpflichtet, Patienten/innen entsprechend den medizinischen Erfordernissen
rechtzeitig zu behandeln. | |
|
 | |
| |
 | |
Die Zusammenarbeit ausgebildeter Ärzte mit diplomiertem
Krankenpflegepersonal in der ärztlichen Einzel- und Gruppenpraxis
darf nach den einschlägigen Rechtsvorschriften (insbesondere dem
ÄrzteG) nur bei Wahrung der ärztlichen Eigenverantwortung erfolgen.
Ärzte sind grundsätzlich zur persönlichen Behandlung verpflichtet;
§ 49 Abs 2 ÄrzteG 1998. Ihnen steht – ohne Zustimmung des Patienten
– nicht das Recht zu, sich eines Vertreters/Substituten zu bedienen.
Patienten gegenüber haftet grundsätzlich nur der jeweils behandelnde
Arzt. Ein frei praktizierender Arzt haftet daher grundsätzlich nicht
für seinen Urlaubsvertreter. Zur Überweisung an einen Kollegen → Der
einfache Behandlungsvertrag
| Verletzung von
Organisations- und
Aufsichtspflichten |
Bedient sich der behandelnde
Arzt aber der Mithilfe anderer (als ärztlicher) Hilfspersonen (§
49 Abs 3 ÄrzteG), treffen ihn nach dem Gesetz Anleitungs-
und Überwachungspflichten. Weiters kann der Arzt
nach § 49 Abs 3 ÄrzteG 1998 im Einzelfall an Angehörige anderer
Gesundheitsberufe oder in Ausbildung zu einem Gesundheitsberuf stehende
Personen ärztliche Tätigkeiten übertragen, sofern diese vom Tätigkeitsbereich
des entsprechenden Gesundheitsberufs umfasst sind; zB nach dem GuKG,
MTD-G, HebG. Ärzte tragen aber die Verantwortung für ihre Anordnungen
an diese Personen und haften für das Verschulden dieser (Hilfs)Personen
im Rahmen des Behandlungsvertrags wie für ihr eigenes; § 1313a ABGB: Erfüllungsgehilfenhaftung.
Die ärztliche Aufsicht entfällt nur dann, wenn die Regelung der
entsprechenden Gesundheitsberufe (bei der Durchführung übertragener
ärztlicher Tätigkeiten) keine ärztliche Aufsicht vorsehen; § 49
Abs 3 ÄrzteG 1998. Dasselbe gilt für Krankenanstalten. | Anleitungs-
und Überwachungspflichten |
 | |
|
OGH 19. 12. 2001, 3 Ob 237/00z, RdM 2002/20:
Zieht der behandelnde Arzt im ausdrücklichen oder stillschweigenden
Einverständnis seines Patienten einen weiteren Arzt (Konsiliarius)
für die zu stellende Diagnose und/oder die beim Patienten einzuschlagende
Therapie hinzu (hier: Überweisung zur Kernspintomografie), kommt
auch zwischen Konsiliararzt und Patient ein eigenes vertragsverhältnis
zustande. Bei bloß interner Konsultation zwischen Arzt und Konsiliarius
entsteht zwischen diesem und dem Patienten keine eigene Vertragsbeziehung.
(Im Einzelfall ist das abzuklären.) | |
|
Diese Grundsätze bestehender
Organisations- und Aufsichtspflichten gelten auch für die Teamarbeit
in einer Krankenanstalt oder einer Gemeinschaftspraxis;
§ 52 ÄrzteG 1998. Auch die Berufsausübung angestellter Ärzte erfolgt
eigenverantwortlich. Allerdings haftet – wie ausgeführt – Patienten
gegenüber vertraglich nur die Krankenanstalt für Verschulden ihres
ärztlichen und nichtärztlichen Personals. Krankenhausärzte und Pflegepersonal
haften – wie erwähnt – Patienten/innen gegenüber nur deliktisch. | Teamarbeit
und Gemeinschaftspraxen |
Ein/e geschädigte/r Patient/innen kann aber
gleichzeitig die Krankenanstalt aus Vertrag und den behandelnden Krankenhausarzt
oder eine Krankenschwester zusätzlich deliktisch klagen: Der Schaden
ist aber nur einmal zu ersetzen, und Krankenanstalt und Krankenhausärzte/Schwestern
haften – bei Erfolg der Klage – gemeinsam/solidarisch. – Allfällige
Regressansprüche der Krankenanstalt gegen angestellte Ärzte und
Pflegepersonal regelt das D(N)HG → KAPITEL 12: Die
Dienstnehmerhaftung. | |
Auch Krankenschwestern und
-pfleger sind Sachverständige iSd § 1299 ABGB und
haften ab leichter Fahrlässigkeit. Eine Krankenschwester haftet
für Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen ihres beruflichen Fachwissens.
Diese Berufe haben für das Wohl und die Gesundheit der Patienten, Klienten
und pflegebedürftigen Personen unter Einhaltung der hiefür geltenden
Vorschriften und nach Maßgabe fachlicher und wissenschaftlicher
Standards und Erfahrungen zu sorgen. Dabei ist jede eigenmächtige
Heilbehandlung zu unterlassen; § 4 GuKG. – Angehörige der Gesundheits-
und Krankenpflegeberufe haben sich über die neuesten Entwicklungen
und Erkenntnisse der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der medizinischen
und anderer berufsrelevanter Wissenschaften regelmäßig fortzubilden;
§ 4 Abs 2 GuKG: Fortbildungspflicht. Der Anstaltsträger
hat dafür vorzusorgen. | |
 | |
Setzt ein Arzt ein Behandlungsgerät ein – und
das geschieht, wie wir wissen häufig –, hat er die Pflicht, sich
über dessen Funktionsweise zu informieren und allenfalls
einschulen zu lassen. Selbstverständlich müssen medizinische Geräte
auch entsprechend gewartet werden. In der Praxis werden
diesbezüglich immer wieder Fehler gemacht! Entsteht einem Patienten
durch eine derartige Nachlässigkeit ein Schaden, haben Krankenanstalt
oder praktischer Arzt (ab leichter Fahrlässigkeit) einen Behandlungsfehler
zu vertreten. Krankenanstalten trifft auch die Pflicht für eine angemessene
technische und organisatorische Schulung und Weiterbildung ihres
Personals vorzusorgen. Auch hier gelten die Standards der Sachverständigenhaftung. | Mängel bei der Bedienung
und Überwachung von Apparat(ur)en |
 | |
VI. Zur
ärztlichen Aufklärungspflicht | |
1. Respektierung
des Selbstbestimmungsrechts des Patienten | |
Von besonderer Bedeutung in
der Praxis ist die ärztliche Aufklärungspflicht, gegen die immer wieder
– bewusst oder unbewusst – verstoßen wird. Sie soll eine optimale
Kooperation von Patienten/innen mit dem behandelnden Arzt sicherstellen
und den Patienten vor Übergriffen und möglichen schädlichen (Aus)Wirkungen
bewahren. Sichergestellt werden soll dadurch aber vornehmlich die
freie Entscheidung von Patienten/innen im Rahmen einer (Heil)Behandlung.
– Dies ist das unverzichtbare Selbstbestimmungsrecht des Patienten.
Dieses Selbstbestimmungsrecht wird grundsätzlich durch die Einwilligung Betroffener
in die ärztliche Behandlung ausgeübt. Diese Einwilligung in die
Behandlung ist streng vom Abschluß des Behandlungsvertrags zu unterscheiden.
Eine korrekte Einwilligung setzt aber eine (vorangehende) entsprechende
ärztliche Aufklärung voraus. | Selbstbestimmungsrecht des Patienten
als Persönlichkeitsrecht |
Eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des
Patienten bedeutet stets einen Verstoß gegen das absolut wirkende
Persönlichkeitsrecht des Patienten, das von § 16 ABGB iVm
dem Bundes-KAKuG und den Länder-KAGs gewährt wird. Dieser wichtige
Zusammenhang zwischen der ärztlichen Aufklärungspflicht und der
Respektierung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten als Persönlichkeitsrecht
wird von Medizinern immer wieder missverstanden. | |
| |
Ein Fehlen der ärztlichen
Aufklärung führt zivilrechtlich zur Rechtswidrigkeit des
gesamten medizinischen Eingriffs, weil ein Patient ohne
entsprechende ärztliche Aufklärung über die geplante Behandlung
und die damit verbundenen Risiken keine gültige Einwilligung in
diese abgeben kann. Zu beachten ist dabei: Das Nichteinholen der
Zustimmung des Patienten macht den Arzt rechtlich immer verantwortlich;
und zwar selbst dann, wenn der ärztliche Eingriff erfolgreich war.
Neben der zivilrechtlich-schadenersatzrechtlichen, kommt hier auch
die strafrechtliche Verantwortung nach § 110 StGB (eigenmächtige
Heilbehandlung) zum Tragen. | Fehler
bei der Aufklärung und Einwilligung |
Zivilrechtlich bedeutet der ärztliche Eingriff nach überwiegender
Auffassung immer eine Körperverletzung. Die nach
korrekter ärztlicher Aufklärung erfolgte Einwilligung stellt aber
einen Rechtfertigungsgrund ( → KAPITEL 9: Rechtswidrigkeit)
dar; vgl damit § 90 StGB, der diese Frage bereits lebensnäher regelt → Der
Sonderklassepatient –
Dieses Verständnis sollte längst legistisch überdacht werden. | |
 | |
2. Wobei ist aufzuklären? | |
Heute wird zwischen Diagnose-, Verlaufs-, Therapie- und Risikoaufklärung unterschieden. Umfang
und Grenzen der ärztlichen Aufklärung richten sich grundsätzlich
danach, ob Patienten/innen die Bedeutung und Tragweite der ärztlichen
Behandlung im großen und ganzen überblicken können, die Vor- und
Nachteile des bevorstehenden Eingriffs abzuwägen vermögen und somit
über die notwendige Entscheidungsbasis verfügen, um eine Einwilligung
in den ärztlichen Eingriff zu erteilen. Die „gewissenhafte
ärztliche Übung und Erfahrung unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten
des Krankheitsbildes” bildet den Maßstab, wie weit die Aufklärung
in concreto zu reichen hat; JBl 1991, 455 f. – Darüber hinaus sind
aber auch die seelische Verfassung, die Art des geplanten Eingriffs,
mögliche Risiken und Komplikationen sowie der Grad der Verständigkeit
des Patienten, mögliche alternative Behandlungsmethoden, die Dringlichkeit
des Eingriffs und die Indikation der medizinischen Behandlung zu
berücksichtigen. Es geht um die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts
von Patienten/innen. | |
Aufklärungspflichten bestehen für alle Formen der medizinischen
Behandlung, invasiven (also in den Körper eindringenden) Eingriffen ebenso,
wie bei medikamentöser Behandlung. – Die Diagnoseaufklärung umfaßt
die Aufklärung von Patienten/innen über den vom Mediziner erhobenen Befund.
– Die Verlaufs- oder Therapieaufklärung dient
der Mitteilung über Art, Umfang, Durchführung, Schwere, Schmerzintensität,
Dringlichkeitsgrad und Erfolgsaussichten des geplanten Eingriffs
sowie über mögliche Behandlungsalternativen und Krankheitsverläufe
bis zur Ablehnung der medizinischen Maßnahme. Darüber hinaus ist
vom Arzt darauf hinzuweisen, ob der medizinische Eingriff vorbeugenden,
diagnostischen oder therapeutischen Zwecken dient. Besonders hohe Anforderungen
werden bei Eingriffen verlangt, die keinen therapeutischen Eigenwert
besitzen. – Der Umfang der Verlaufsaufklärung richtet sich grundsätzlich
nach den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls, wie Dringlichkeit
des Eingriffs, Aufklärungswunsch und persönliche Kriterien auf Seite
des/der Patienten/in. Die Verlaufsaufklärung soll Patienten/innen
das Wesen des Eingriffs und die damit verbundenen Belastungen verdeutlichen.
Sie schafft somit auch die Basis für die darauf folgende Risikoaufklärung.
Die Risikoaufklärung dient der Mitteilung möglicher Komplikationen
und Nebenfolgen eines ärztlichen Eingriffs, die auch bei einer Behandlung
lege artis und bei Anwendung der größten Sorgfalt nicht vermieden
werden können. | Umfang der
Aufklärungspflicht |
Bei klinischen
Prüfungen und der Anwendung neuer Behandlungsmethoden sind
Patienten/innen auch darüber aufzuklären, daß es sich um eine neue
oder erst im Versuchsstadium befindliche Methode mit noch nicht
abschätzbaren Risiken handelt; vgl dazu das folgende Beispiel. –
Ähnliches gilt für die Vertrautheit des/der Behandlers/erin mit
einer Methode. | Klinische Prüfungen – neue Behandlungsmethoden |
|
OGH 23. 11. 1999, 1 Ob 254/99f, SZ 72/183 = JBl 2000, 657:
Die Beweislast für die ordnungsgemäße ärztliche
Aufklärung trägt der Arzt oder das Krankenhaus. (Interessante Ausführungen
über die Gründe, die eine Beweislastumkehr rechtfertigen). | |
|
|
OGH 20. 1. 2000, 6 Ob 238/99i, SZ 73/13:
Unzulässige Patientenversuche an Salzburger Landesnervenklinik –
Patientenanwalt beantragt, nach Entlassung von Patienten aus der
Landesnervenklinik Salzburg die Zulässigkeit von an diesen durchgeführten
Heilbehandlungen in Form der Verabreichung von in klinischer Prüfung
befindlichen und damit nicht zugelassenen Medikamenten zu überprüfen.
– OGH: Die Rechtsschutzbestimmungen des UbG sind im Lichte der Bestimmungen
der Art 3 und 13 EMRK dahin auszulegen, dass derjenige, der behauptet,
in dem Recht auf Achtung der Menschenwürde verletzt zu sein, auch
noch nach Beendigung der gegen ihn gesetzten Maßnahmen ein rechtliches
Interesse an der Feststellung hat, ob die an ihm vorgenommene Behandlung
zu Recht erfolgte. Jedoch unterliegt die klinische Prüfung von Arzneimitteln
an Untergebrachten als Versuchspersonen der nachträglichen Zulässigkeitskontrolle
durch das Unterbringungsgericht nach Meinung des OGH nur dann, wenn
die klinische Prüfung im Zuge einer Heilbehandlung erfolgte. Aus
Gründen des Rechtsschutzdefizits ist eine Ausweitung der Entscheidungskompetenz
des Unterbringungsgerichtes nicht erforderlich, da die Betroffenen bei
einer Überschreitung der ärztlichen Befugnisse einen individuellen
Rechtsschutz in Form von Amtshaftungsansprüchen haben. (?) Die E
ist in sich widersprüchlich – Heilbehandlung! – und unbefriedigend. Zu
vieles bleibt offen. | |
|
|
RdM 2002/2: Nasenseptumoperation.
Ein bloß formularmäßiges Einholen der Zustimmung des
Patienten zu einer Operation oder die nur in einem Formular gegebene
Aufklärung ohne ärztliches Aufklärungsgespräch ist nicht ausreichend.
Informationsblätter etc können aber das Aufklärungsgespräch vorbereiten
und unterstützen. Die Risken des jeweiligen Eingriffs müssen jedoch
im unmittelbaren Gespräch zwischen (behandelndem oder operierenden)
Arzt und Patient/in erörtert werden. Der Arzt darf dem Patienten
gegenüber jedenfalls nicht den Eindruck vermitteln, dass aus der
Alltäglichkeit des Eingriffs auf seine völlige Ungefährlichkeit
geschlossen werden darf. | |
|
Der Begriff der Dringlichkeit besitzt sowohl
eine zeitliche Komponente, als auch eine sachliche Indikation.
Beide Komponenten können zusammenfallen, müssen das aber nicht.
Hat eine Behandlung zwar nicht binnen kürzester Frist zu erfolgen,
erscheint sie aber (insgesamt) medizinisch dringend geboten, hat
die Aufklärung hohen Anforderungen zu genügen. Hat demgegenüber
die Behandlung rasch bei einem nicht vital indizierten Eingriff
zu erfolgen, da sonst schwere gesundheitliche Nachteile zu befürchten
sind, genügt eine weniger umfassende Aufklärung. | Von der Rspr entwickelte „Allgemeine
Grundsätze” der ärztlichen Aufklärung |
•
Je weniger
dringlich der medizinische Eingriff, desto umfassender hat
die Aufklärung zu erfolgen. | |
•
Je dringlicher der medizinische
Eingriff, desto weniger ausführlich hat die Aufklärung
zu erfolgen. | |
Ärzte sind aber nicht verpflichtet, Patienten/innen über
alle nur erdenklichen nachteiligen Behandlungsfolgen aufzuklären.
Der behandelnde Arzt hat aber über jene Risiken aufzuklären, die
für eine eigenverantwortliche Behandlungseinwilligung des/der Patienten/in
ernsthaft ins Gewicht fallen. Über häufig eintretende und typische
Risiken eines Eingriffs ist aufzuklären. | Aufklärungspflicht
darf nicht überzogen werden |
Als typische Risiken werden
vom OGH bspw angesehen: Tetanie und Nebenschilddrüsenverletzungen
bei einer Schilddrüsenoperation, Strahlenschäden durch Röntgenbehandlung,
Erblindung nach einer Nasen- oder Septumoperation, Gesichtslähmungen
nach einer Tympanoplastik, Verschlußgelbsucht nach einer Cholezystektomie,
das Durchtrennen des Ductus choledochus bei einer Gallenblasenentfernung,
Peronaeusnervlähmung bei einer Varizenoperation oder Lähmungen bei
Bandscheibenoperationen. | |
|
Aufklärungspflicht
– Rspr-Beispiele
| |
Aufklärungspflicht wird von der Rspr etwa angenommen bei: | |
|
|
Kropf- oder Schilddrüsenoperationen: Stimmbandlähmung (SZ 55/114)
| |
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|
Herzoperationen:
zB Hirnschädigung (SZ 57/207)
| |
|
|
Nierensteinentfernung
:
bezüglich anderer Behandlungsmethoden (KRSlg
685) | |
|
|
Ozonbehandlung:
wegen Embolie(gefahr) etc (SZ 62/18) | |
|
|
Lumbalpunktion
:
wegen möglicher Komplikationen (SSt 59/18) | |
|
|
Nasenseptumoperation –
schwere Nachblutungen bei 2,6 % der Fälle als typisches Risiko (OGH 28.2. 2001, 7 Ob 233/00s, RdM
2002/2) | |
|
|
(Weisheits)Zahnextraktion –
mögliche Schädigung des Nervus lingualis: OGH
8.3.2001, 8 Ob 33/01p, RdM 2002/3. | |
|
Besonders streng handhabt die Rspr die ärztliche
Aufklärungspflicht bei Schönheitsoperationen. Es besteht demnach
ein reziproker Zusammenhang zwischen medizinischer Indikation (der
Operation) und ärztlicher Aufklärungspflicht: Je geringer die Notwendigkeit
eines operativen Eingriffs, desto umfangreicher und sorgfältiger
die Aufklärungspflicht! | Aufklärungspflicht
bei Schönheitsoperationen |
• Arzt
muss bei Schönheitsoperationen hinweisen auf: | |
• das zu erwartende Ergebnis, einschließlich
etwaiger Misserfolge | |
• auf damit verbundene bloße Unannehmlichkeiten,
wie Schmerzen; | |
• die Tatsache, dass er einen bestimmten Erfolg
nicht garantieren kann etc; | |
• Schließlich darf Patienten/innen nicht unterstellt
werden (im Gegensatz zu medizinisch erforderlichen Operationen),
dass sie Risiken, die mit Operationen sonst verbunden sind, auch
hier bereit sind in Kauf zu nehmen. | |
|
SZ 63/152 (1990): „Ein Facharzt
der allgemeinen Chirurgie muss den Patienten nach dem jeweiligen Stand
der ärztlichen Wissenschaft über alternative Operationsmethoden der
plastischen Chirurgie informieren.” – Die Klägerin hatte als Kind
schwere Verbrühungen im Bereich des rechten Oberarms, der rechten
Schulter und im oberen Brust- und Halsbereich erlitten, woraus großflächige
Narben verblieben. – OGH-Merksatz: „Die Pflicht des Arztes zur Aufklärung
ist umso umfassender, je weniger der Eingriff dringlich erscheint.
Ist der Eingriff zwar medizinisch empfohlen, aber nicht eilig, so
ist grundsätzlich eine umfassende Aufklärung notwendig.” Vgl auch
SZ 55/114 (1982). | Rspr-Beispiele
zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht |
|
|
JBl 1999, 531: Die ärztliche Aufklärungspflicht
ist um so umfassender, je weniger vordringlich oder gar geboten
der Eingriff aus Sicht eines vernünftigen Patienten ist. In einem
solchen Fall ist Aufklärung über mögliche Risken selbst dann geboten,
wenn die nachteiligen Folgen wohl erheblich, jedoch wenig wahrscheinlich
sind. – Die Aufklärungspflicht ist bei Vorliegen typischer, mit
der Heilbehandlung verbundener Risken verschärft. Auf sie ist auch
bei Seltenheit ihres Eintritts hinzuweisen. – An der Rspr, wonach
den Arzt im Fall der Verletzung der Aufklärungspflicht die Beweislast dafür
treffe, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung
zum Eingriff erteilt hätte, wird festgehalten. | |
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JBl 2000, 169:
Schadenersatzansprüche eines Blutspenders wegen
einer Hepatitis C-Infektion: Bei Fehlen eines ärztlichen
Aufklärungsgesprächs tritt eine umfassende Haftung für die negativen
Behandlungsfolgen ein, auch wenn im Tatsachenbereich Zweifel bestehen,
ob über das besonders seltene Risiko, das sich im konkreten Fall
verwirklicht hatte, überhaupt Aufklärung erforderlich gewesen wäre.
Bei Verletzung der Aufklärungspflicht trifft den
Arzt die Beweislast dafür, dass der Patient auch
bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zum Eingriff erteilt
hätte. | |
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Ein Aufklärungsfehler liegt auch
vor, wenn einem Patienten die von ihm einzuhaltenden Verhaltensmaßregeln zum Schutze
seiner bestrahlten Haut nicht mitgeteilt wurden, weshalb er zu Schaden
kommt. – In einem anderen Fall wurde ein Patient unzureichend über
die richtige Dosierung einer arsenhaltigen Lösung
informiert, weshalb er einen Gesundheitsschaden erlitt. – Über Nebenwirkungen
von Medikamenten, etwa eine mit der Verabreichung verbundene
eingeschränkte Lenkfähigkeit von Kraftfahrzeugen, ist ebenfalls
aufzuklären; zB wenn bei Magen- oder Darmspiegelungen eine Beruhigungsspritze
verabreicht wird: 24 Stunden! | Weitere
Aufklärungspflichten |
3. Die therapeutische
Aufklärung | |
Dabei geht
es um die Sicherung des Heilerfolgs und eines therapiegerechten
Verhaltens von Patienten/innen. – Eine wichtige vertragliche Nebenpflicht
des Behandlungsvertrags stellt daher die Pflicht zur Ausstellung
eines Arztbriefs nach Abschluss der medizinischen Behandlung
oder Operation dar. Der Arztbrief hat alle für die weitere medizinische
Betreuung maßgebenden Angaben und Empfehlungen zu enthalten. Er
richtet sich an den/die Patient/in/en und den nachbetreuenden Arzt
und ist auf Wunsch Patienten/innen selbst auszuhändigen. – In der
Praxis werden Arztbriefe oft mit (großer) zeitlicher Verspätung
erstellt. Das stellt einen Sorgfaltsmangel dar und kann zu Behandlungsfehlern
und idF zu Haftungen führen, wenn dadurch eine sachgemäße (Nach)Behandlung unterbleibt
oder erst verspätet einsetzen kann. – Die gesetzliche Anordnung
– zB § 35 Abs 6 Tir-KAG, dass der Arztbrief unverzüglich auszustellen
sei, bedeutet: ohne schuldhaftes Zögern ! Die Beweislast für
das korrekte Erfüllen dieser gesetzlichen Pflicht trägt die Krankenanstalt
oder der behandelnde Arzt nach § 1298 ABGB iVm § 1311 ABGB; sog Schutzgesetzverletzung → KAPITEL 9: §
1311 Satz 2 ABGB: Schutzgesetzverletzung. | |
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Der Patient ist
im Rahmen der therapeutischen Aufklärung auch auf
allfällige nachteilige Folgen einer Nichtbefolgung therapeutischer
Anweisungen sowie darauf hinzuweisen, dass er bei atypischen Veränderungen
unverzüglich ärztlichen Rat einholen müsse; OGH
23.3.2000, 10 Ob 24/00b, RdM 2001, 18:
Hinweis auf die Möglichkeit des Auftretens einer Sudeck´schen
Dystrophie (Muskelschwäche) bei unterlassener Bewegungstherapie. | |
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Wünscht ein/e Patient/in vorzeitig entlassen zu werden,
ist darüber eine Niederschrift (Revers) aufzunehmen,
die vom Patienten zu unterfertigen ist und in der er auf mögliche
nachteilige Folgen aufmerksam zu machen ist. – Eine solche Entlassung
auf Wunsch von Patienten kann sinnvoll sein, wenn sich bspw zeigt,
dass der behandelnde Arzt nicht in der Lage ist eine plausible Diagnose
zu stellen und den Patienten als Simulanten abtut. Durch das Unterfertigen
eines Reverses wird aber nicht auf allfällige Ansprüche verzichtet
oder ein Eigenverschulden einbekannt. | |
 | Abbildung 10.35: Aufklärungspflicht (1) |
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 | Abbildung 10.36: Aufklärungspflicht (2) |
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 | Abbildung 10.37: Aufklärungspflicht (3) |
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 | Abbildung 10.38: Aufklärungspflicht (4) |
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 | Abbildung 10.39: Aufklärungspflicht (5) |
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 | Abbildung 10.40: Aufklärungspflicht (6) |
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VII. Medizinhaftung
– Beweislast | |
Die Arzt- oder besser
Medizinhaftung ist derzeit in Österreich gesetzlich nicht besonders
geregelt. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen des ABGB; insbesondere
§ 1299 ABGB: sog Sachverständigenhaftung. Ärzte, Krankenanstalten,
aber auch Pflegepersonal oder Therapeuten unterliegen ihr. Sie greift
ab leichter Fahrlässigkeit. Eine Besonderheit des § 1299 ABGB liegt
darin, dass sein Tatbestand eine objektivierte Verschuldenshaftung enthält,
was meint, dass für Wissens-, Könnens- und Sorgfaltsstandards einzustehen
ist → Die
Sachverständigenhaftung
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Vertrakt und für Patienten/innen
ungünstig wird die Frage der Beweislast von der Rspr und einem Teil
des Schrifttums (vgl Reischauer in Rummel2,
§ 1298 ABGB Rz 26) gehandhabt: Obwohl zwischen Krankenanstalt /
Arzt und Patient/in eine vertragliche Beziehung – der Behandlungsvertrag –
besteht, wird die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB auf diese Beziehung
zum Teil nicht angewandt; anders behandelt wird aber die Frage der
Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht für deren Durchführung
der behandelnde Arzt beweispflichtig ist. Für den Fall der Verletzung
der Aufklärungspflicht trifft den Arzt oder den für das Fehlverhalten
seiner Ärzte haftenden Krankenanstaltsträger die Beweislast dafür,
dass der Patient auch bei ausreichenderAufklärung die Zustimmung
zur Behandlung gegeben hätte. | Ein
umstrittenes Problem |
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Probleme
bereitet vor allem der Verschuldensbeweis, bei
dem ein beträchtlicher Teil von Schrifttum und Rspr einen „arztfreundlichen
Standpunkt” – so treffend Karl Kohlegger – einnimmt. Es wird nämlich
die Meinung vertreten, dass es Sache des schadenersatzfordernden
Patienten sei, den Beweis eines Behandlungsfehlers des Arztes iS
einer Sorgfalts- oder Wissensverletzung nach § 1299 ABGB zu erbringen.
Erst aus diesem objektiven Beweis eines unterlaufenen Behandlungsfehlers
sei sodann in subjektiver Hinsicht, bis zum Beweis des Gegenteils,
auch auf eine Sorgfaltsverletzung des Arztes zu schließen. | Verschuldensbeweis |
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Wie zur Beweislast dargelegt, ist zwischen Schadens-, Kausalitäts-
und Verschuldensbeweis zu unterscheiden. Ein Rspr-Beispiel
für die Anforderungen an den Kausalitätsbeweis findet sich im Franz
Gschnitzer Lesebuch 735 (JBl 1953, 18 mit Anm von F. Gschnitzer):
Zur Begründung des Schadenersatzanspruchs genügt danach der Nachweis schlichter
(!) Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen
dem Schaden und dem schädigenden Ereignis, insbesondere wenn es
in Unterlassungen bestehen soll. | |
Zur Wahrscheinlichkeitsproblematik im Rahmen der
Kausalzurechnung
→ KAPITEL 9: Kausalität
/ Verursachung.
und dort insbesondere → KAPITEL 9: Kausalitätsspektrum.: Kausalitätsspektrum. Die Rspr verlangt
aber seit geraumer Zeit, schlecht beraten vom Schrifttum, entgegen
früherer anderer eigener Position, hohe und höchste Wahrscheinlichkeitsgrade,
was abzulehnen ist. Klar und strikt zu trennen wären die Bereiche
„Möglichkeit” und „Wahrscheinlichkeit” innerhalb des Kausalitätsspektrums.
Schlichte/einfache Wahrscheinlichkeit sollte jedoch ausreichend
sein, um rechtlich einen Kausalzusammenhang annehmen zu können. | |
2. Welche Konsequenzen
hat das? | |
Wenn
Sie bspw operiert und dafür narkotisiert werden, also bei der Operation
gar nicht bei Bewusstsein waren, müssen Sie dennoch den oben geschilderten
objektiven Verschuldensbeweis eines Behandlungsfehlers erbringen.
Sie können sich vorstellen, wie hoch Ihre Chancen insbesondere in
schwierigen Fällen sind. – Ein beachtlicher Teil des Schrifttums
zeigt sich auch von solch’ unleugbaren Fakten unberührt und huldigt
einer weltfernen Dogmatik: Man kann dazu nicht einmal sagen – Fiat
iustitia pereat mundus, denn das Gesetz, konkret § 1298 ABGB, sähe
es ja anders vor. | |
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4. §
27 a KAKuG: Patientenentschädigungsfonds | |
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Nunmehr
besteht eine weitere Möglichkeit der Entschädigung nach Schäden,
die durch die Behandlung von Patienten in Fonds-Krankenanstalten
entstehen. Nach § 27a KAG (BGBl I 5/2000) sind die Träger von Fonds-Krankenanstalten
verpflichtet, einen Betrag in der Höhe von 0,7267 ı (10 öS) pro
Verpflegstag von Patienten einzuheben. | |
Diese
Beträge werden zur Entschädigung nach Schäden zur Verfügung gestellt: | Gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen |
• die durch
die Behandlung entstanden sind und | |
• bei denen eine Haftung des Rechtsträgers
nicht eindeutig gegeben ist. | |
Auf dieser fragwürdigen bundesgesetzlichen Grundlage sind
in den einzelnen Bundesländern Ausführungsgesetze erlassen worden
oder noch zu erlassen. | |
Wie
es aber bei einer derart anspruchslosen bundesgesetzlichen Grundlage
zu einer einheitlichen Landesausführungsgesetzgebung kommen soll,
bleibt abzuwarten, wobei schon jetzt aufgrund vorliegender Ausführungsgesetze
in einzelnen Bundesländern (Niederösterreich, Salzburg, Tirol, Wien)
gesagt werden kann, dass die Lösung einer verschuldensunabhängigen
Haftung verfehlt wurde und die Praxis alles andere als
Gutes verheißt. – Das Schweigen der Lehre/Theorie zu dieser niveaulosen
Gesetzgebung und Praxis ist beschämend. | Anspruchslose bundesgesetzliche Grundlage |
Die Formulierung des § 27a KAKuG „…Haftung
nicht eindeutig gegeben” lässt bei allen bestehenden Zweifeln eines
erkennen, dass nämlich grundsätzlich von einer „Haftung” auszugehen
ist, mag diese auch nicht eindeutig – das heißt insbesondere beweismäßig
– durchsetzbar erscheinen. | Formulierung des
§ 27a KAKuG |
Es
wurden eigene Patientenentschädigungsfonds geschaffen.
Eine Entschädigungskommission hat sodann die Aufgabe,
zu entscheiden, ob die Voraussetzungen zur Erlangung einer Entschädigung
erfüllt sind. Geprüft werden muss, ob der eingetretene Schaden mit
einer Behandlung in einer Fonds-Krankenanstalt im zeitlichen, örtlichen
und ursächlichen Zusammenhang steht; rechtliche Schadenszurechnung.
Es ist also der Zusammenhang des konkreten Schadenfalls mit dem Risikobereich
der behandelnden Fonds-Krankenanstalt und der Zusammenhang des eingetretenen Schadens
mit der jeweiligen Behandlung zu prüfen. | Patientenentschädigungsfonds |
VIII. Zur Verjährung
von Ansprüchen aus Behandlungsfehlern | |
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§ 1489 ABGB unterscheidet zwischen kurzer
Verjährungszeit (drei Jahre) und allgemeiner oder langer Verjährungszeit
(30 Jahre). Die dreijährige Frist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt
zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schade und
die Person des Beschädigers bekannt geworden sind.
– Lehre und Rspr legen diese Bestimmung dahin aus, dass die Verjährung
beginnt, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist,
dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann. Das bedingt die Kenntnis
des Kausalzusammenhangs und auch die Kenntnis der Umstände, die
das Verschulden behandelnder Personen begründen. Ist aber der Geschädigte
Laie und setzt die Kenntnis dieser Umstände Fachwissen voraus, so
beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig erst zu laufen, wenn der
Geschädigte bspw durch ein medizinisches Sachverständigengutachten
Einblick in die bestehenden Zusammenhänge erlangt hat; vgl RdM 2001,
21. – Werden Schädiger und Schaden (insbesondere der Kausalzusammenhang)
zunächst nicht bekannt, verjährt der Anspruch (absolut) in 30 Jahren.
Bestehende Pläne, diese Frist auf 10 Jahre zu kürzen, dienen nicht
dem Interesse der Patienten/innen. | Voraussetzungen
der Verjährung |
Ist ein sog Erst-
oder Primärschaden entstanden und sind künftige
Schäden vorhersehbar, muss innerhalb der kurzen Verjährungsfrist
eine Feststellungsklage eingebracht werden, um
Verjährungsfolgen auszuschließen. Kommen nicht vorhersehbare Folgen/Wirkungen
eines Schadensfalles hervor oder tritt ein nicht vorhersehbarer
Schaden als Folge des ursprünglichen Schadensfalles ein, so beginnt
eine neue Verjährungsfrist zu laufen; OGH 27. 1. 1998, 1 Ob 155/97v,
JBl 1998, 454 = ZVR 1998/94. | Feststellungsklage |
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OGH 6 Ob 273/98k: Kommt demnach
jemand durch einen ärztlichen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler
zu Schaden, beginnt die Verjährungsfrist nicht, solange die Unkenntnis,
dass es sich um einen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler handelt,
andauert, mögen auch der Schade und die Person des (möglichen) Schädigers
an sich bekannt sein. | |
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OGH 23.5.2000 4 Ob 131/00v, RdM 2001, 21:
Über ein derart umfassendes Wissen wird ein Patient aber regelmäßig
nicht verfügen, denn Klarheit wird erst ein Sachverständigengutachten schaffen.
– Es besteht aber keine Verpflichtung der geschädigten Partei zur
Einholung eines Gutachtens! | |
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Der
Verlauf der Verjährungsfrist wird aber nunmehr
gemäß § 58a ÄrzteG 1998 gehemmt, dh, die bereits
laufende Verjährungsfrist wird vorübergehend angehalten, wenn zB
zwischen dem geschädigten Patienten und der Haftpflichtversicherung
des Schädigers Schadenersatzverhandlungen (iSv Vergleichsverhandlungen
→ KAPITEL 7: Der
Vergleich: §§ 1380-1390 ABGB)
geführt werden. Um solche Verhandlungen nicht zeitlich „unter Druck”
zu setzen, beginnt die Verjährungsfrist erst nach deren Beendigung
– also etwa dem Scheitern – dieser Verhandlungen zu laufen. | Hemmung der Verjährung |
Diese Rspr des OGH hatte einen „realen”
Anlaß: Eine Versicherungsgesellschaft hatte lang und hinhaltend verhandelt,
um nach Ablauf von drei Jahren festzustellen, daß der Anspruch nun
verjährt sei. Dieser unseriösen Vorgangsweise trat der OGH entgegen. | |
Bei Wegfall des Hemmungsgrundes läuft
die Verjährungsfrist – unter Einrechnung der bereits abgelaufenen
Zeit – weiter. Hat ein Patient, der behauptet, durch Verschulden
eines Arztes bei dessen Beratung, Untersuchung oder Behandlung geschädigt
worden zu sein, schriftlich eine Schadenersatzforderung erhoben,
so ist der Lauf der Verjährungsfrist von dem Tag an gehemmt, an welchem
der bezeichnete Schädiger (sein bevollmächtigter Vertreter oder
sein Haftpflichtversicherer oder der Rechtsträger jener Krankenanstalt,
in welcher der genannte Arzt tätig war) schriftlich erklärt hat,
zur Verhandlung über eine außergerichtliche Regelung der Angelegenheit bereit
zu sein. Diese Hemmung tritt auch ein, wenn ein Patientenanwalt oder
eine ärztliche Schlichtungsstelle vom angeblich
Geschädigten oder vom angeblichen Schädiger oder von einem ihrer
bevollmächtigten Vertreter schriftlich um Vermittlung ersucht wird,
in welchem Falle die Hemmung an jenem Tag beginnt, an welchem dieses
Ersuchen beim Patientenanwalt oder bei der ärztlichen Schlichtungsstelle
einlangt. Die Hemmung des Laufes der Verjährungsfrist endet mit dem
Tag, an welchem entweder der angeblich Geschädigte oder der bezeichnete
Schädiger oder einer ihrer bevollmächtigten Vertreter schriftlich
erklärt hat, dass er die Vergleichsverhandlungen als
gescheitert ansieht oder durch den angerufenen Patientenanwalt oder
die befasste ärztliche Schlichtungsstelle eine gleiche Erklärung
schriftlich abgegeben wird, spätestens aber 18 Monate nach Beginn
des Laufes dieser Hemmungsfrist. So nunmehr die neu eingeführte
Bestimmung des § 58a ÄrzteG 1998, idF BGBl I 110/2001. | Wegfall des
Hemmungsgrundes |
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A. Schadenersatz
– Besonderer Teil |
C. Entscheidungsbeispiele
zu den Kapiteln 9 und 10 |
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