Kapitel 7 | |
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Das Sachenrecht wird zutreffend
als das Recht der Sachgüterzuordnung charakterisiert, das Schuldrecht
– komplementär dazu – als Recht der Güterbewegung. Dazu wird behauptet,
das Sachenrecht sei statisch, während das Schuldrecht dynamisch
sei. Allein diese Gegenüberstellung bleibt an der Oberfläche; denn
entgegen dieser Aussage tritt die rechtliche Güterbewegung – sei
es ein Eigentums- oder ein anderer dinglicher Rechtserwerb – nicht
schon durch die schuldrechtliche Verpflichtung, sondern erst durch
die sachenrechtliche Verfügung ein; zB Eigentumserwerb durch die
Übergabe beweglicher Sachen oder an Liegenschaften durch deren Verbücherung.
Gemeint ist mit dieser Charakterisierung wohl der gravierende Unterschied
zwischen dem Schuldrecht und Sachenrecht in Bezug auf die in diesen
Bereichen geltenden Prinzipien der Vertragsfreiheit auf der einen
und des Typenzwangs auf der anderen Seite. | Überblick |
Ist es Aufgabe des Sachenrechts für die nötige Rechtssicherheit
der Güterzuordnung und damit wichtige Gebrauchs- und Vermögenswerte
zu sorgen, verfolgt das Schuldrecht das Ziel, die vielfältigen Interessen
der Parteien im Rahmen ihrer rechtsgeschäftlichen Kontakte möglichst
effizient und funktional aufeinander abzustimmen. Das dafür nötige
Instrumentarium wird durch die Rechtsinstitute des Schuldrechts
zur Verfügung gestellt. Diesen unterschiedlichen Zielsetzungen und
Aufgaben von Schuld- und Sachenrecht entsprechen die divergierenden,
aber jeweils zentralen Prinzipien von Typenzwang und Vertragsfreiheit. | |
Eingegangen wird idF nach einer Darstellung allgemeiner
Fragen des Schuldrechts (A.: zB Schuld und Forderung, Schuldvertrag
und Schuldverhältnis, Schuld und Haftung, Leistung / Erfüllung, Novation,
Vergleich und Anerkenntnis) auf den praktisch so bedeutenden Bereich
der Leistungsstörungen mit seinen zentralen Rechtsinstituten des
Verzugs und der Gewährleistung (B.). Dabei wird auch auf die Produkthaftung
(B. VI.) und nunmehr in Form eines Links kurz auf die positiven Vertragsverletzungen
(B. IX.) eingegangen. | |
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Das
ABGB zählt das Schuldrecht (noch) zu den persönlichen Sachenrechten,
die zusammen mit den dinglichen Sachenrechten das Vermögensrecht des
ABGB bilden. Die moderne pandektistische Stoffeinteilung dagegen
weist das Schuldrecht als eigenen Bereich des bürgerlichen Rechts aus
und unterteilt ihn in Schuldrecht Allgemeiner Teil / SchRAT und
Schuldrecht Besonderer Teil / SchRBesT. | SchRAT und SchRBesT |
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Das Schuldrecht trägt seinen Namen zurecht.
Der Schuldner ist die Hauptperson jedes Schuldvertrags und idF vor
allem des Schuldverhältnisses. Auf ihn vertraut der Gläubiger. Der
Begriff „Gläubiger” ist eine Übersetzung aus dem Lateinischen: „creditor”
(Gläubiger) kommt von credo, glauben, vertrauen. Der Gläubiger vertraut
dem Schuldner hinsichtlich dessen Leistungsfähigkeit und -willigkeit.
Die Forderung eines Gläubigers ist immer nur so viel „wert”, wie
der Schuldner, gegen den sie sich richtet. Will sich ein Gläubiger
damit nicht begnügen, muss er zusätzliche „Sicherheiten” für seine
Forderung begründen → KAPITEL 15: (Privat)Rechtliche Sicherungsmittel. | Schuldner ist
Hauptperson |
Sie begründen zwischen Gläubiger
und Schuldner (aber nur zwischen ihnen!) ein besonderes Rechts-
und Vertrauensverhältnis, das auf ein der Vereinbarung entsprechendes
„obligationsmäßiges” Verhalten des Schuldners gerichtet ist. Dritte
haben daran grundsätzlich keinen Anteil. Zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen → Entstehungsgründe
von Schuldverhältnissen Ehe
auf die wichtigen Fragen der „Leistung” und die „Leistungsstörungen”
eingegangen wird, soll das Schuldrecht kurz skizziert werden. | Vertragliche
Schuldverhältnisse |
1. Die
Forderungsrechte als relative Rechte | |
Wir
haben in Kapitel 1 von der Einteilung der subjektiven Rechte gesprochen
und dabei die Forderungsrechte als relative Rechte – dh grundsätzlich
nur gegen und zwischen bestimmte/n Personen wirkende Rechte – kennengelernt.
Schuldrecht erzeugt relatives Recht und wirkt zwischen den Parteien
(inter partes) des Schuldvertrags, der sich häufig zum Schuldverhältnis
(aus)weitet → Schuldvertrag
und Schuldverhältnis
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§ 859 ABGB spricht davon, dass im Schuldrecht
„eine Person einer anderen zu einer Leistung verbunden ist” und
betont damit ebenfalls die relative Wirkung des Schuldrechts. Konkret
bedeutet das, dass zB ein Kaufvertragsgläubiger seine Kaufpreisforderung
(und allfällige weitere Ansprüche) nur von seinem Vertragspartner,
dem Käufer, verlangen kann (und von niemand anderem); und dem Käufer
steht sein Sachleistungsanspruch nur gegen den Verkäufer zu. – Das scheint
mehr als selbstverständlich, muss aber zur Betonung des Unterschieds
von Schuld- und Sachenrecht gesagt werden. | Wirkung
des Schuldrechts |
Ganz anders
nämlich ist die Wirkung des Sachenrechts und anderer absoluter Rechte,
die gegen alle/jedermann, also auch gegen dritte Personen wirken,
mit denen vorher keine Rechtsbeziehung bestanden hat. Man kann das
auch so ausdrücken, dass die Sachenrechte – verglichen mit den Schuldrechten
– eine unvergleichlich stärkere rechtliche Außenwirkung
besitzen, während sich Schuldrechte vornehmlich auf die Innenwirkung
beschränken. | Wirkung des Sachenrechts |
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Absolute
Rechte ( → KAPITEL 1: Absolute
und relative Rechte) sind bspw gewisse personen- und familienrechtliche
Ansprüche (zB die Persönlichkeitsrechte des § 16 ABGB) und vor allem
auch die sachenrechtlichen Rechtspositionen, also dingliche Ansprüche.
So wird die rechtliche Stellung des Eigentümers gegen jedermann
geschützt und nicht nur gegenüber bestimmten Personen; vgl die Formulierungen
der §§ 354, 366 ABGB. – Auch die Immaterialgüterrechte sind absolute
Rechte ...... Lercher | |
Das Schuldrecht
ist zwar älter als der Allgemeine Teil des bürgerlichen Rechts,
aber jünger als das Sachenrecht. Seine Bedeutung im Rechts- und
Wirtschaftsleben übertrifft aber alle anderen Teile des bürgerlichen
Rechts. | Bedeutung des Schuldrechts |
Das Schuldrecht kann
als das Recht der Schuldverträge und der – vertraglichen
wie gesetzlichen – Schuldverhältnisse umschrieben
werden. Im Mittelpunkt des Schuldrechts steht die Lehre von der Leistung,
die – wie die von den Leistungsstörungen – traditioneller
Weise im „SchRAT” angesiedelt ist und hier – losgelöst vom einzelnen
Schuldvertrag und Schuldverhältnis – dargestellt wird. Die Darstellungsweise
ist daher notwendigerweise – wie in jedem „Allgemeinen Teil” – abstrakt. | SchR: Recht der Schuldverträge und sonstigen
Schuldverhältnisse |
Im Rechtsleben begegnen uns diese Fragenbereiche
dagegen konkret: Etwa als Schuld oder Forderung des Herrn B aus
einem Kaufvertrag mit Frau A. – Oder: Die Leistungspflicht des Schlossers
A, der einen Rohrbruch zu reparieren hat. Oder: Das Arbeitsverhältnis
zwischen der Krankenschwester M und einem Krankenhaus. | |
2. Entstehungsgründe
von Schuldverhältnissen | |
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§ 859 ABGB umschreibt – wie
wir gehört haben – die persönlichen Sachenrechte (= Schuldrecht) als
Rechtsverhältnisse, „vermöge welcher eine Person [= der Schuldner]
einer anderen [= dem Gläubiger] zu einer Leistung verbunden ist”
und fügt hinzu, dass sich diese Leistungspflicht entweder: | §
859 ABGB |
• „
unmittelbar
auf ein Gesetz [zB Unterhaltsansprüche von Kindern gegen
ihre Eltern oder vice versa; §§ 140, 166, 143 ABGB]; | |
• oder auf ein Rechtsgeschäft [zB
KaufV]; | |
• oder auf eine erlittene Beschädigung”
[zB deliktische Schädigung = Schadenersatz: §§ 1293 ff ABGB] gründet;
dazu . | |
Wir unterscheiden daher – vergröbernd: | |
•
Schuldverhältnisse aus Vertrag (obligationes
ex contractu) und | |
•
Schuldverhältnisse aus Delikt (obligationes
ex delicto). | |
Alle entstandenen Schuldverhältnisse
– vertragliche wie gesetzliche (also auch Deliktsobligationen) –
genießen als rechtliche Sonderbeziehungen einen besonderen (schadenersatz)rechtlichen Schutz.
Dieser äußert sich einerseits darin, dass: | Rechtliche
Sonderbeziehungen |
•
die Erfüllungsgehilfenhaftung des
§ 1313a ABGB zum Tragen kommt (im Gegensatz zur Besorgungsgehilfenhaftung
des § 1315 ABGB für den deliktischen Bereich → KAPITEL 10: §
1315 ABGB: Besorgungsgehilfenhaftung)
und zudem grundsätzlich | |
•
die Beweislastumkehr des § 1298
ABGB (im Gegensatz zur normalen Beweislast des § 1296 ABGB) gilt → KAPITEL 10: Beweislast. | |
Die Römer umschrieben – griechisch und orientalisch
vermittelt – die rechtliche Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner
bildhaft als rechtliches Band: Obligatio est iuris vinculum,
quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae
civitatis iura (Justinian); vgl noch CodTher III 1 Num 3. Sie betonten
bereits, dass (bestimmte) schuldrechtliche Verpflichtungen durch
bloße Willensübereinstimmung / Konsens entstehen,
sei es bei Kauf, Miete, Gesellschaftsvertrag oder Auftrag; Konsensualverträge.
Anders die Realverträge! SIEHE Kap 3...... | |
Schuldverhältnisse,
die auf Rechtsgeschäft beruhen, gründen in der Vertragsfreiheit (die eigentlich
Rechtsgeschäftsfreiheit heißen müsste) und der Privatautonomie → KAPITEL 5: Vertragsfreiheit
und Privatautonomie. Wir
sprechen dabei vom Prinzip der Selbstgestaltung durch
die Parteien des Rechtsgeschäfts; W. Flume, F. Gschnitzer. – Vertragsfreiheit
und Privatautonomie werden aus dem verfassungsrechtlich geschützten
Prinzip der Selbstbestimmung abgeleitet, was derzeit
nur umständlich und nicht ideal möglich ist. Ein neues Verankern
dieses Prinzips in der Verfassung wäre daher erstrebenswert. | Privatautonomie als Prinzip der Selbstgestaltung |
3. Zur Abgrenzung
von Schuld- und Sachenrecht | |
Abzugrenzen gilt es das Schuldrecht – aus praktischen wie
didaktischen Gründen – insbesondere vom Sachenrecht, mit dem es
aber in vielfältiger Verbindung und Wechselwirkung steht: zB Kauf
– Eigentumsübertragung! | |
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| Abbildung 7.1: Entstehungsgründe von Schuldverhältnissen |
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| Abbildung 7.2: Das Schuldrecht |
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II. Schuld und Forderung
– Schuldvertrag und Schuldverhältnis – Schuld und Haftung | |
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Gschnitzer formuliert
einprägsam: „Schuld ist die Verpflichtung einer
Person [des Schuldners] gegenüber einer andern Person [dem Gläubiger] zu einer
Leistung; Forderung das entsprechende Recht des
Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung.
Schuld und Forderung sind also dasselbe, von zwei Seiten betrachtet.” | |
Der Gläubiger besitzt
danach ein Recht auf (die) Leistung des Schuldners;
wir sagen, er hat ein Forderungsrecht oder einen Anspruch (auf die
Leistung); er fordert. – Den Schuldner trifft die
Verbindlichkeit /Pflicht zu einer Leistung(an
den Gläubiger); er schuldet sie. | |
2. Schuldvertrag
und Schuldverhältnis | |
Der zwischen Gläubiger
und Schuldner abgeschlossene Schuldvertrag erzeugt
häufig nicht nur eine, sondern mehrere oder sogar viele – uU wiederkehrende
– Leistungsansprüche und -pflichten; vgl die folgenden Beispiele.
Die Gesamtheit dieser Rechte / Ansprüche und Pflichten zwischen
den Parteien eines konkreten Schuldvertrags – also dieses Spektrum
von Rechten und Pflichten – wird als Schuldverhältnis bezeichnet. | Schuldverhältnis |
Besonders
deutlich wird der Unterschied von Schuldvertrag (= Grundgeschäft
iSv Grundlage, Basis des Schuldverhältnisses) und Schuldverhältnis
bei den Dauerschuldverhältnissen, was die idF angeführten Beispiele
von Miete und Arbeitsvertrag deutlich machen sollen. | Dauerschuldverhältnisse |
So etwa bei der Miete,
wo zB monatlich (immer wieder) Mietzinsansprüche und Mietzinszahlungspflichten entstehen.
Dazu treten dauernd auf jeder Seite weitere Pflichten: zB die Pflicht
des Mieters auf pflegliche Behandlung des Mietobjekts / Mobiliars
und Ausbesserungs- und Reparaturpflichten auf Vermieterseite. Der einzelne
Mietzinsanspruch kann verjähren (vgl die Diktion des § 1480 ABGB
– „Forderungen … erlöschen in [3 J]; … – und damit dessen 2. HalbS
und § 1486 Z 4 ABGB: „Das Recht selbst in 30 Jahren”), zediert oder
verpfändet werden. Eine vereinbarte Wertsicherung gibt das Recht,
den Mietzins unter bestimmten Voraussetzungen zu valorisieren → KAPITEL 15: Wertsicherung.
Insbesondere bestehen aber idR beidseitige Kündigungsmöglichkeiten,
also kontinuierliche Gestaltungsrechte hinsichtlich der Beendigung
des bestehenden Schuldverhältnisses. Aber auch eine „ganze” Partei
des Schuldverhältnisses, zB der Vermieter, kann durch Vertragsübernahme
( → KAPITEL 14: Die
Vertragsübernahme) ausgewechselt werden; vgl auch § 1120
ABGB: Veräußerung der Bestandsache. – Neben dem Austausch einer
Partei im Schuldverhältnis (mit all ihren Rechten und Pflichten!
zB: Eintrittsrecht nach den §§ 12 und 14 MRG → KAPITEL 6: Was
regelt das MRG? ¿ Überblick)
kennt die Mietrechtspraxis auch das gespaltene Schuld(Miet-)verhältnis,
wozu folgendes zu sagen ist: Die Unterscheidung von Schuldvertrag
und Schuldverhältnis einerseits und zwischen den daraus entspringenden
Rechten und/oder Pflichten andererseits ist für das Verständnis
des gespaltenen Mietverhältnisses wichtig. Der typische Sachverhalt
für die Entstehung eines gespaltenen Mietverhältnisses ist folgender:
Ein eingemietetes Unternehmen wird zB veräußert. Da die Lage – und
damit die Mietrechte – für das Unternehmen wesentlich ist, soll
auch der Unternehmenskäufer „Mieter” der rechtlich geschützten Unternehmensräumlichkeiten werden.
Eine vollständige Überbürdung der Rechtsstellung des Mieters (dh
der aus dem Mietvertrag entspringenden Rechte und Pflichten!) ist
aber nur mit Zustimmung des Vermieters möglich (zur Vertragsübernahme → KAPITEL 14: Die
Vertragsübernahme),
die jedoch nicht immer zu erlangen ist. Daher hat sich als Ausweg
in der Praxis folgende Vorgangsweise herausgebildet: Der bisherige
Mieter (= Verkäufer des Unternehmens) überträgt seine Mietrechte
(!), mittels Zession an den Unternehmenskäufer, bleibt aber selbst
noch Schuldner / Verpflichteter aus dem ursprünglichen Mietvertrag,
denn auch die Schuldübernahme ( → KAPITEL 14: Der
eigentliche Schuldnerwechsel)
bedarf der Zustimmung des Gläubigers. Dadurch entsteht eine „Spaltung”
des (bisher einheitlichen) Mietverhältnisses auf Mieterseite: Die Mietrechte
stehen nunmehr dem (Unternehmens)Käufer zu, während für die Verbindlichkeiten
(insbesondere den Mietzins) noch der ursprüngliche Mieter, also
der (Unternehmens)Verkäufer, einzustehen hat. – § 46a Abs 5 MRG versucht
eine Sanierung des gespaltenen Mietverhältnisses: Anerkennung des
„neuen” Mieters durch den Vermieter bei gleichzeitiger Anhebung
des bisherigen Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 MRG. | Miete |
Seit Juli 2000 können im Fall der Neuvermietung alle Geschäftslokale
befristet vermietet werden. In diesem Fall kann der Mieter dann
sein Unternehmen aber nicht mehr (ohne weiteres) verkaufen, denn
er könnte dann nur mehr seine befristete Rechtsstellung in Bezug
auf das Mietverhältnis übertragen. | |
Ein Arbeitsvertrag begründet
für beide Parteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, eine Reihe grundlegender
Rechte und Pflichten; vor allem die Pflicht des Arbeitnehmers zu
persönlicher Arbeitsleistung unter Weisung des Arbeitgebers und
– korrespondierend dazu – die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung.
Diese Ansprüche, insbesondere die der Arbeitsleistung und Entgeltzahlung,
werden immer wieder fällig; Monat für Monat: Monatslohn. Dazu kommen
Ansprüche auf Urlaub, Abfindung oder Pflegefreistellung. Den Arbeitgeber
treffen ferner Fürsorgepflichten, Arbeitnehmer sog Treuepflichten,
wie die Verschwiegenheitspflicht oder ein Konkurrenzverbot. Für
beide Seiten bestehen Kündigungsmöglichkeiten. – All das zusammen
genommen macht das Arbeitsverhältnis aus. Zum Arbeitsvertrag → KAPITEL 12: Der
Arbeitsvertrag. | Arbeitsvertrag |
Kurz:
Aus dem Schuldvertrag entsteht das Schuldverhältnis.
Das gilt sinngemäß auch für Rechtsgebiete außerhalb des Schuldrechts,
etwa das Familienrecht, wo aus dem Ehevertrag das eheliche Verhältnis
zwischen den Gatten (mit vielfältigen wechselseitigen Rechten und
Pflichten) entsteht. Im Sachenrecht entsteht bspw aus dem Vertrag,
mit dem Wohnungseigentum begründet wird, die auf lange Zeit angelegte
WE-Gemeinschaft (§ 13c Abs 1 WEG 1975 = § 18 WEG 2002) → KAPITEL 8: Eigentümergemeinschaft,
Verwalter, Vorzugspfandrecht. | Beispiele |
3. Schuld
und Haftung – Naturalobligationen | |
Wer etwas schuldet, haftet heute
grundsätzlich auch (elbst) für die korrekte Erfüllung seiner Verbindlichkeit;
dh es steht nicht in seinem Belieben, ob er das Geschuldete leistet,
also zahlt oder nicht. – Gschnitzer: „Der Schuldner schuldet,
soll leisten, ist zu leisten verpflichtet [Leistensollen]. Er haftet aber
auch, muss leisten, kann zur Leistung gezwungen werden [Einstehenmüssen].” | Leistensollen
und Einstehenmüssen |
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Es war aber nach mancher Meinung
nicht immer so, dass der, der schuldete, auch selbst dafür haftete.
Die für das moderne (Privat)Recht charakteristische innere Verknüpfung
von Schuld und Haftung fehlte mitunter in frühen Recht(sordnung)en.
Sollte in ihnen ein Schuldner nicht nur (schuldrechtlich) verpflichtet
werden, sondern auch persönlich haften, musste diese Haftung durch einen
zusätzlichen Rechtsakt begründet oder doch bestärkt werden. Fraglich
bleibt, ob dieser zusätzliche Rechtsakt nicht bloß der konkreten
Rechtsdurchsetzung diente und diese absicherte. | Verknüpfung von
Schuld und Haftung |
Das alte germanische und deutsche Recht
baute noch auf der Trennung von Schuld und Haftung auf und kannte
bspw die sog Vergeiselung für eigene oder fremde Schuld als persönlichen
Haftungsgrund. In alten Recht(sordnung)en bestand nämlich eine persönliche
unmittelbare Haftung nur für begangene Delikte. | |
Die
Entdeckung der in alten Rechten bestehenden Unterscheidung von Schuld
und Haftung stellt eine Leistung germanistischer Rechtshistorie
dar; Karl v. Amira, Otto v. Gierke. Diese Einsicht führte zur Entdeckung
der hier aufgezeigten Unterscheidung im altgriechischen, babylonischen
und schließlich auch im römischen Recht (R. Hübner). | |
Leistet der Schuldner das,
was er schuldet, nicht, kann der Gläubiger seinen Anspruch zwangsweise
durchsetzen. Diese zwangsweise gerichtliche Durchsetzungsmöglichkeit des
Gläubigeranspruchs mittels Prozess und Exekution
wird Haftung genannt. | |
Selbsthilfe
ist in diesem Zusammenhang heute – wie wir wissen – nur mehr ausnahmsweise
gestattet; vgl §§ 19, 344 ABGB → KAPITEL 3: Zum
Begriff erlaubter Selbsthilfe: § 19 ABGB.
Früher, als der Staat und seine Organe noch schwach waren, konnte
Selbsthilfe vertraglich vereinbart werden. | |
Erwirkt der Gläubiger im Prozess gegen
seinen Schuldner ein stattgebendes Urteil, stellt dieses für ihn
einen Exekutionstitel dar. Die Exekutionstitel sind in § 1 EO aufgezählt → KAPITEL 19: Exekutionstitel.
Der Anspruch ist nun gerichtlich festgestellt (sog Judikatschuld)
und dient nunmehr dem Gläubiger 30 Jahre (!) lang als rechtliche
Basis der Exekution. Dabei haftet dem Gläubiger im Rahmen der Exekutionsführung
grundsätzlich das gesamte, also auch das private, Schuldnervermögen.
Man spricht deshalb von persönlicher Haftung des Schuldners, im
Gegensatz zu bloßer Sachhaftung → KAPITEL 15: Sachhaftung.
– Der Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner kann durch dritte
Personen „befestigt”, dh zusätzlich gesichert werden; etwa durch
Bürgschaft, Pfandbestellung oder Garantieübernahme → KAPITEL 15: Überblick. | Urteil
= Exekutionstitel |
Gschnitzer weist darauf hin, dass die Termini
Schuld und Haftung nicht nur iSv Leistensollen und Leistenmüssen verstanden
werden. So bedeutet „Haftung” im Schadenersatzrecht schlechthin
die Ersatzpflicht des Schädigers, zB des Tierhalters nach § 1320
ABGB. – Darüber hinaus wird Haftung auch iSv Verantwortlichkeit
gebraucht: Haftung für eigenes und fremdes Verschulden (§§ 1313a
und 1315 ABGB); Bürge oder Garant haften ebenfalls für eine fremde
Schuld. Auch in diesen Fällen kommt es demnach zu einer Trennung
von Schuld und Haftung. | |
Schuld und Haftung
treten auch im modernen Recht – wie wir gehört haben – zwar idR,
aber nicht immer gemeinsam, dh funktional verschränkt, auf. Neben
dem Regelfall gibt es Fälle, in denen etwas zwar geschuldet, nicht
jedoch dafür gehaftet wird; Fälle von Schuld ohne Haftung.
Die Naturalobligationen oder unvollkommene/natürliche Verbindlichkeiten
sind ein solcher Fall. Das Gesetz lässt zwar die Erfüllung des Geschuldeten
durch den Schuldner zu, weil dieser die Leistung nach wie vor schuldet,
versagt dem Gläubiger aber die gerichtliche Durchsetzung seiner
Forderung. | |
Naturalobligationen
sind zwar zahlbar, aber nicht mehr (ein)klagbar und daher auch nicht
mittels Exekution durchsetzbar. | Merkformel |
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Woraus entstehen Naturalobligationen? | |
| Beispiele |
•
Aus verjährten
Schulden (§ 1432 ABGB), wobei die Verjährung nach § 1502
ABGB im Prozess eingewendet werden muss und nicht von Amts wegen
beachtet wird → KAPITEL 13: Die
Verjährung. | |
Eine versehentlich vom Schuldner bezahlte
verjährte Schuld kann daher nicht zurück gefordert werden. Sie wurde ja
noch geschuldet! | |
•
Für Schulden,
„welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig” sind (formungültige Schulden)
statuiert § 1432 ABGB, dass solche Schulden durch Erfüllung geheilt
werden. Dazu auch → KAPITEL 15: Die
Heilung von Formmängeln: § 1432 ABGB. | |
•
Aus Spiel- und Wettschulden,
wenn sie bloß versprochen und nicht auch tatsächlich erbracht oder
hinterlegt wurden; §§ 1271, 1272 ABGB → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte:
Glücksverträge. – Nach § 1174 Abs 2 ABGB (→ KAPITEL 5: Die
Kondiktionstypen des ABGB)
kann aber ein für ein verbotenes Spiel gewährtes Darlehen nicht
zurückverlangt werden. | |
•
Aus Forderungsausfällen
von Gläubigern im Ausgleich oder Zwangsausgleich ihres Schuldners;
§ 53 Abs 1 AO und § 156 Abs 1 KO. Vgl aber → KAPITEL 19: Zwangsausgleich:
EvBl 1991/25. | |
| Abbildung 7.3: Schuldvertrag und Schuldverhältnis (1) |
|
| Abbildung 7.4: Schuldvertrag und Schuldverhältnis (2) |
|
| Abbildung 7.5: Schuld und Forderung |
|
| Abbildung 7.6: Schuld und Haftung (1) |
|
| Abbildung 7.7: Schuld und Haftung (2) |
|
| Abbildung 7.8: Schuld und Haftung (3) |
|
| Abbildung 7.9: Schuld und Haftung (4) |
|
III. Der Inhalt des
Schuldverhältnisses: Leistung/Erfüllung/Zahlung | |
1. Arten
der Leistung: Tun und Unterlassen | |
Schuldinhalt ist die Leistung
des Schuldners. Diese „Leistung” kann in einem
ganz verschiedenen (äußeren) Verhalten des Schuldners bestehen:
– der Kaufmann oder Händler schuldet und liefert die verkaufte Ware
(zB einen Pkw); – die Werkstätte repariert eine defekte Stereoanlage;
– eine Telefonistin arbeitet in der Vermittlung und erbringt so
ihre Leistung usw. | |
Allgemeiner
ausgedrückt lässt sich sagen: Die zu erbringende „Leistung” kann
in einem (positiven) Tun oder einem (negativen) Unterlassen bestehen;
zB einer Unterlassungspflicht aufgrund einer vereinbarten Konkurrenzklausel
oder eines gesetzlichen Konkurrenzverbots → KAPITEL 11: Rspr-Beispiele. | Tun oder Unterlassen |
Wichtige Unterlassungspflichten beinhalten
zahlreiche gesetzliche Verschwiegenheitspflichten; zB von Ärzten,
Psychotherapeuten, Rechtsanwälten und Steuerberatern. – Im Servitutsvertrag ( → KAPITEL 8: Rechtserwerb:
§ 380 ABGB)
räumt der Eigentümer des dienenden Grundstücks dem Eigentümer des herrschenden
Grundstücks zB ein Geh- oder Fahrrecht ein. Die „Leistung” des Eigentümers
des dienenden Grundstücks besteht hier in einem Unterlassen bestimmter
(ihm an und für sich zustehender) Eigentumsausübungsrechte. – Die
(negative) „Leistung” beim Unterlassen besteht darin, dass vereinbarungsgemäß
auf etwas verzichtet wird, wozu man sonst berechtigt wäre. | Unterlassungspflichten |
Zu den wichtigen gesetzlichen Konsequenzen
der Übernahme einer vertraglichen Leistungspflicht
seitens des Schuldners für seine Beweislast (§
1298 ABGB) → KAPITEL 10: Konsequenzen. | |
2. Unterlassungspflichten | |
Der
Unterlassungsanspruch ist eine Rechtsfigur des (materiellen) Privatrechts,
nicht des (formellen) Prozessrechts. | |
Als Voraussetzungen der Unterlassungsklage werden
heute gefordert: | Unterlassungsklage |
•
entweder eine
anhaltende / fortdauernde Störung oder | |
•
das Vorliegen von Wiederholungsgefahr. | |
Unterlassungspflichten
spielen sowohl aus Vertrag / ex contractu wie ohne einen solchen
/ ex delicto eine Rolle. Als Beispiel einer vertraglichen Unterlassungspflicht
sei eine vereinbarte Konkurrenzklausel erwähnt,
als Beispiel einer gesetzlichen Unterlassungspflicht das Konkurrenzverbot des
§ 112 HGB. Als Beispiel für deliktische Unterlassungspflichten wird
auf die Haftung aus einer Garantenstellung ( → KAPITEL 10: Zur
Haftung aus einer Garantenstellung)
oder bei Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten ( → KAPITEL 6: Ausdehnung
auf Verkehrssicherungspflichten)
hingewiesen. – § 364c ABGB regelt ein „vertragsmäßiges oder letztwilliges
Veräußerungs- oder Belastungsverbot”. | |
Zulässig ist nach hM aber auch schon
eine vorbeugende Unterlassungsklage, die sich gegen eine drohende
Verletzung / Gefährdung dinglicher, absoluter oder obligatorischer
Rechte richtet. Gefordert wird dafür eine ernstzunehmende „Begehungsgefahr”
(D. Medicus). | Vorbeugende
Unterlassungsklage |
| |
Die Unterlassungsklage setzt kein Verschulden voraus;
vgl § 43 ABGB. – Liegt aber Verschulden vor, kann neben der Unterlassung
auch Schadenersatz begehrt werden. Die Unterlassungsklagen gehören
zivilprozessual zu den Leistungsklagen → KAPITEL 19: Rechtsmittelklagen. | Kein
Verschulden nötig |
Auch die Verletzung von Schutzgesetzen verpflichtet
– neben der Leistung von Schadenersatz (bei Verschulden) – zur Unterlassung;
vgl EvBl 2002/32: Finanzstrafverfahren. | |
3. Verknüpfung
von Leistungspflichten | |
Beim
Kauf ( → KAPITEL 2: Gegenseitige
Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma) wurde kurz auf den Begriff Synallagma eingegangen
und zwischen genetischem, konditionalem und funktionellem Synallagma
unterschieden. Der Begriff steht heute als Synonym für die bei entgeltlichen
Verträgen ausgeprägte und notwendige Verschränkung beider
Leistungsverpflichtungen (Gegenseitigkeit); vgl das römische Recht:
do ut des. | Synallagma |
| |
Die Leistungspflichten
der Vertragsparteien sind von unterschiedlicher Natur, Haupt- und
Nebenpflichten sind zu unterscheiden. | Haupt(leistungs)-
und Neben(leistungs)
pflichten |
Die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung
bei entgeltlichen Verträgen umfasst primär die Haupt(leistungs)pflichten;
also bspw beim Kauf, den Austausch von Kaufgegenstand und Kaufpreis.
Daneben bestehen immer wieder auch Neben(leistungs)pflichten, die
das Erbringen der Hauptleistung ermöglichen, unterstützen, aber
auch denkbaren Schaden oder Nachteile von Vertragspartnern abhalten
sollen. – Zu erinnern ist daran, dass schon die Aufnahme eines rechtsgeschäftlichen
Kontakts von Gesetzes wegen Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten entstehen
lässt, ohne dass die Parteien dies vereinbaren müssen → KAPITEL 6: Cic
¿ culpa in contrahendo. | |
| |
Sie bestimmen
den konkreten Vertragstypus : etwa: Kauf oder Tausch;
Darlehen, Schenkung oder Leihe; Dienst- oder Werkvertrag. – Je nach
Ausgestaltung der Hauptleistungspflicht wird zwischen einseitig
und zwei- oder wechselseitig verpflichtenden Verträgen unterschieden. | Hauptleistungspflichten |
Sie
können wiederum: | Neben(leistungs)pflichten |
•
gesetzlich
festgelegt sein; | |
so
sind Ärzte nach § 51 ÄrzteG zu schriftlichen Behandlungsaufzeichnungen
/ sog Krankengeschichte verpflichtet und idF zu ihrer Heraus- und/oder
Bekanntgabe sowie nach § 54 ÄrzteG zur Wahrung des Berufsgeheimnisses
/ ärztliche Schweigepflicht → KAPITEL 10: Verschwiegenheits-, Anzeige-
und
Meldepflichten. | |
• oder sich aus dem Vertrag ergeben,
also konkret vereinbart werden; vertraglich können sie sich auch
aus § 914 ABGB ergeben: Übung des redlichen Verkehrs. | |
Besitzen
Neben(leistungs)pflichten Entgeltcharakter (sind sie Teil der Entgeltberechnung)
spricht man von äquivalenten oder selbständigen Neben(leistungs)pflichten.
Sie sind dann Teil von Leistung und Gegenleistung und ihre Verletzung
löst bspw ebenso Schuldnerverzug und damit das Recht auf Rücktritt
vom Vertrag aus (§ 918 ABGB), wie die Verletzung von Hauptpflichten. | Äquivalente Neben(leistungs)pflichten |
Sie besitzen für den Gläubiger dagegen
keinen selbständigen wirtschaftlichen Wert, sondern wollen vornehmlich
den Erfolg der Hauptleistung fördern und sichern; zB Gebrauchsanweisung, Reparatur-
oder Serviceanleitung oder Versendung der Ware, Vorbereitung der
Hauptleistung. Während selbständige Nebenleistungen unabhängig von
der Hauptleistung einklagbar sind, gilt das für unselbständige
Nebenleistungen nicht, da ihnen nur eine untergeordnete
/ dienende Aufgabe zukommt. Ihre Verletzung kann aber schadenersatzpflichtig
machen. | Unselbständige
Nebenleistungen |
Die Abgrenzung von Haupt- und Neben(leistungs)pflichten
kann bei atypischen Verträgen Schwierigkeiten bereiten (Beweislast!),
wozu kommt, dass Neben(leistungs)pflichten in der Form von Aufklärungs-,
Schutz- und Sorgfaltspflichten immer wieder erst von der Rspr entwickelt
werden müssen. | |
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E des
dtBGH 3.12.1998, ZR 63/96, Der Betrieb 1999, 1493: Warnpflicht
des Autohändlers im Hinblick auf einen bevorstehenden Modellwechsel,
der technische Verbesserungen bringt. Solche (von der Rspr entwickelte
Nebenpflichten in Form von) Aufklärungspflichten besitzenaber
über den Autohandel hinaus Bedeutung; zB im Buch- (Neuauflage!),
Elektro-, Maschinen- oder Computerhandel. | |
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SZ 55/7 (1982): Gastwirt
verwahrt Kfz seines Gastes; Verwahrung als selbständige
Nebenpflicht des Gastaufnahmevertrags → KAPITEL 3: Gesetzliche
Gastwirtehaftung.
(Diese Pflicht unterliegt nicht den gesetzlichen Haftungshöchstgrenzen!) | |
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4. Bestimmtheit
der Leistung | |
Wir haben
schon beim Kaufvertrag gehört, dass seine Perfektion Einigung über
Kaufgegenstand und Kaufpreis voraussetzt und dass der Kaufpreis
bestimmt oder doch bestimmbar sein muss. – Die Forderung nach Bestimmtheit
der Leistung gilt aber nicht nur für den Kaufvertrag, sondern für
alle Verträge. Nicht hinreichende Leistungsvereinbarung lässt den
Vertrag gar nicht gültig entstehen;
§ 869 ABGB: Wahre Einwilligung. | |
Leistungsvereinbarungen müssen bestimmt oder doch
bestimmbar erfolgen; sonst könnte später nicht auf die
jeweilige (konkret geschuldete) Leistung gedrungen, geklagt und
die Leistung daher nicht durchgesetzt werden. – Dieser Gedanke findet
sich deshalb auch in § 936 ABGB (Vorvertrag → KAPITEL 6: Der
Vorvertrag: § 936 ABGB):
„ ... wesentliche[n] Stücke des Vertrages bestimmt ...”. | Bestimmt
oder doch bestimmbar |
Die
Kriterien der Bestimmtheit der Leistung gelten für das bürgerliche und
das Handelsrecht. | „Bestimmtheit“ gilt für ABGB und HGB |
So müssen beim Kauf Gegenstand / Ware und Preis
wenigstens objektiv bestimmbar sein. Mangels ausdrücklicher Bestimmung
des Preises gilt im praktischen Rechtsleben oft ein Markt- oder
Börsenpreis oder der ortsübliche Preis als vereinbart → KAPITEL 2: Preisbestimmungsmodalitäten. | |
5. Leistungszeit
und Leistungsort | |
Die für das Erbringen
der Leistung wichtige Leistungs- oder Erfüllungszeit und
der Erfüllungs- oder Leistungsort ergeben
sich entweder: | |
• „aus dem Vertrag”
(selbst); | |
• oder doch „aus der Natur und
dem Zweck des Geschäfts” (Handkauf beim Bäcker
oder Behandlung beim Therapeuten; der Behandlungsvertrag mit Arzt
/ Ärztin inkludiert uU auch Hausbesuche); | |
•
oder letztlich „aus dem Gesetz”;
§§ 904, 905 ABGB. | |
| |
Für jede vereinbarte Leistung müssen Zeit
und Ort ihrer Erbringung wenigstens bestimmbar sein. Bei einem Kauf
ist zB zu vereinbaren, ob der Verkäufer den Kaufgegenstand (zB Möbel)
zu überbringen hat (Bringschuld) oder ob der Käufer die Ware beim
Verkäufer abzuholen hat (Holschuld). | Bring- oder
Holschhuld |
Manche Leistungsangebote sind gerade deshalb
günstiger, weil der Käufer die Ware selber abholt und transportiert, also
eine Holschuld vereinbart wird; zB IKEA. – Im Rahmen einer Leistungsbeziehung
kann eine primär bestehende Holschuld in eine Bringschuld umgewandelt
werden. | |
Kurz: Für Schuldner und Gläubiger ist es wichtig, zu bestimmen,
wann und wo die jeweilige Leistung erbracht werden muss, wobei hier
auch Verkehrssitte und Handelsbrauch eine wichtige Rolle spielen.
Denn danach muss jede Seite ihre Vorkehrungen treffen; zB der (Sach)Schuldner,
um die Leistung zu erbringen (zB Möbel bestellen oder herstellen
und die Finanzierung und den Transport organisieren); der Gläubiger
(zB Käufer), um sie in Empfang zu nehmen (Lagerung etc), zu verwenden
und seine Gegenleistung (den Kaufpreis) bereitzustellen. | |
Hauszustellungen, dh vertraglich vereinbarte
Bringschulden, nehmen zu. Vor allem Lebensmittel-Zustelldienste werden
von Großverkäufern direkt an Konsumenten geliefert. Es entstehen
– zB auch als Dienstleistungen im Rahmen der Altenpflege – eigene
oder firmenzugehörige Zustelldienste; zB: Express Mail Service (EMS)
oder Merkur – Ihr Zustelldienst. Die Gratishauszustellung hängt
idR von einem Mindestbestellwert ab (etwa 35 ı). | |
Bringschuld und Holschuld sind danach Varianten der Bestimmung
des Erfüllungsorts. Bei der Bringschuld trifft den Schuldner die
Pflicht, die geschuldete Leistung dem Gläubiger zu überbringen.
Erfüllungsort ist hier der Wohnort oder die Niederlassung des Gläubigers.
Bei der Holschuld muss sich der Gläubiger seine Leistung dagegen
beim Schuldner holen. Erfüllungsort ist hier der Wohnsitz oder die
Niederlassung des Schuldners. – Zu beachten ist, dass im Zweifel
nach § 905 Abs 1 ABGB eine Holschuld anzunehmen ist. | |
| |
Leistungszeit und Leistungsort gelten
grundsätzlich sowohl für den Schuldner wie den Gläubiger, werden
aber nicht selten unterschiedlich für beide Seiten festgelegt. | Bedeutung für Schuldner und Gläubiger |
| Leibrentenvertrag |
Das Handelsrecht bestimmt
in § 358 HGB einheitlich für Gläubiger und Schuldner: „Bei Handelsgeschäften
kann die Leistung nur während der gewöhnlichen Geschäftszeit bewirkt
und gefordert werden.” | Handelsrecht |
|
§ 359 HGB: (1) | |
(1) „Ist als Zeit der Leistung das Frühjahr oder
der Herbst oder ein in ähnlicher Weise bestimmter
Zeitpunkt vereinbart, so entscheidet im Zweifel der Handelsgebrauch
des Ortes der Leistung.” | |
(2) „Ist eine Frist von acht Tagen vereinbart,
so sind hierunter im Zweifel volle acht Tage zu verstehen.” | |
|
Als
Leistungszeit wird entweder ein Leistungszeitpunkt (zB
der 9. November; allenfalls noch näher bestimmt: wie 12 Uhr) oder
ein Leistungszeitraum vereinbart; etwa: Lieferung
in der 42. Woche oder im Monat Februar oder noch weiter gefasst:
Frühling 2003. In einem solchen Fall ist der konkrete Leistungstermin (also
der genaue Lieferzeitpunkt) später erst noch einvernehmlich festzulegen;
denn der Schuldner braucht idR den Gläubiger zur Erfüllung. | Leistungszeit |
| |
6. Nichterfüllung
und Schlechterfüllung | |
Der Schuldner hat seine
Leistung erbracht, wenn er alles ihm – nach Vertrag und/oder Gesetz
– Obliegende getan hat. Leistet der Schuldner nicht, nicht rechtzeitig
oder nicht am rechten Ort oder auf die richtige
Weise, gerät er in (Schuldner)Verzug / Nichterfüllung; vgl
die Legaldefinition des § 918 ABGB. Leistet er zwar, aber zB inhaltlich,
dh qualitativ schlecht, hat er dafür einzustehen; Gewährleistung
/ Schlechterfüllung
→ Gewährleistung
als „Schlecht-Erfüllung“
| |
| |
Diese Paragraphen treffen subsidiäre Regeln zur Bestimmung
von Leistungszeit und Leistungsort. Subsidiär insoferne als sie
nur zur Anwendung gelangen, wenn die Parteien keine anderweitige Regelung
getroffen haben. | |
IdR vereinbaren die Vertragsparteien
selbst im Vertrag oder in AGB
Leistungszeit und -ort. Das Gesetz trifft aber auch
Vorsorge dafür, wenn die Parteien das nicht tun. Wir haben gehört,
dass es zB für einen gültigen Kaufvertragsabschluss zwar nötig ist,
Kaufgegenstand und Kaufpreis zu bestimmen, nicht aber die uns hier
interessierenden Punkte der Leistungszeit und des Leistungsortes
anzusprechen und festzulegen → KAPITEL 2: Einigung
über Nebenpunkte?.
Tun die Parteien dies nicht, tritt an die Stelle der fehlenden
Partei( en) vereinbarung die
gesetzliche Regelung; konkret § 904 (Leistungszeit) oder § 905 ABGB
(Leistungsort). Gesetz lesen! | Fehlende
Parteivereinbarung |
Durch die dispositivrechtliche Ergänzung
wird die ansonsten (durch die fehlende Parteiabrede) bestehende
Unvollständigkeit und Unsicherheit in Bezug auf Zeit und Ort der
Leistung beseitigt; gesetzliche Lückenschließung einer vertraglichen
Lücke. Zur Funktion des Dispositiv- oder nachgiebigen Rechts → KAPITEL 1: Nachgiebiges
und zwingendes Recht. | |
Wichtig für die Bestimmung der Leistungszeit nach
dem Gesetz ist vor allem der erste Satz des
§ 904 ABGB, wonach dann, wenn „keine gewisse Zeit für die Erfüllung
des Vertrages bestimmt worden [ist]”, diese „sogleich, nämlich ohne
unnötigen Aufschub, gefordert werden” kann. | §
904 Satz1 ABGB |
Für den Erfüllungsort bestimmt
§ 905 Abs 1 ABGB: | §
905 Abs 1 ABGB |
„Kann der Erfüllungsort weder aus der Verabredung
[= Vertrag] noch aus der Natur oder dem Zwecke des Geschäftes [=
zB Friseur, Baumeister] bestimmt werden, so ist an dem Orte zu leisten,
wo der Schuldner zur Zeit des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz
hat, oder, wenn die Verbindlichkeit im Betriebe des gewerblichen
oder geschäftlichen Unternehmens des Schuldners entstand, am Orte
der Niederlassung ....” | |
| |
§ 905 Abs
1 ABGB weist uns noch auf etwas anderes hin: Leistungszeit, Leistungsort
und Leistungsart können durch die Parteien nicht nur ausdrücklich
festgelegt werden, sondern sich auch aus „der Natur oder dem Zwecke
des Geschäftes” ergeben. | Bestimmung
aus der Natur oder dem Zweck des Geschäfts |
So ist die Hochzeitstorte rechtzeitig zum
Hochzeitsessen und nicht am Tag danach zu liefern und darüber hinaus muss
das uU kunstvolle Gebilde dorthin geliefert werden, wo die Feier
stattfindet. Ähnliches gilt für Warenlieferungen für bestimmte Anlässe:
Christbaumschmuck, Frühjahrsmode oder ein Kranz für ein Begräbnis. | |
Eine
besonders wichtige Rolle spielt die Frage der Leistungszeit beim Fixgeschäft des
§ 919 ABGB ( → Das
Fixgeschäft: § 919 ABGB und § 376 HGB), das ebenfalls ausdrücklich vereinbart
sein muss oder sich aus der Natur oder dem Zwecke des Geschäfts
ergeben kann. | Fixgeschäft |
8. Nachgiebiges
und zwingendes Recht | |
| |
Im
Zusammenhang mit dem eben beschriebenen Mechanismus, dass das Gesetz
eine fehlende, aber notwendige Parteienvereinbarung ersetzt – hier
die Erfüllungszeit oder den Erfüllungsort, ist an einen wichtigen
Begriff zu erinnern:
den des Dispositiv-
oder nachgiebigen Rechts (ius dispositivum). Dispositivrecht
gelangt nämlich nur zur Anwendung, wenn die Parteien von ihrer konkreten
Gestaltungsmöglichkeit im Vertrag keinen Gebrauch gemacht haben
und dadurch eine Regelungslücke im Vertrag entstanden ist. Sie hätten
bspw auch vereinbaren können, dass der Leistungsgegenstand am 14.
Juli 2004 zu liefern ist und zwar so, dass der Schuldner den Leistungsgegenstand
dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu überbringen hat. Dispositivrecht
kann also von den Parteien grundsätzlich abgeändert oder ganz abbedungen
werden! – Eine Grenze zieht das zwingende Recht; Sittenwidrigkeit;
vgl den anschließenden Pkt 3 im Kasten. | Dispositivrecht |
Funktionen des Dispositivrechts
| |
• Dispositivrecht bedeutet,
dass die Parteien eine vom Gesetz abweichende Regelung treffen können,
wenn sie das wollen. – Dadurch kann größte Sach- und Problemnähe
erreicht werden; Vertragsfreiheit. | | •
Es bedeutet aber auch, dass das Gesetz zwecks vertraglicher
Lückenfüllung für den Fall, dass die Parteien keine eigene
Regelung getroffen haben, eine – subsidiäre und ausgewogene – eigene Lösung
bereit hält. | | •
Schließlich ist auf eine weitere Aufgabe des
Dispositivrechts hinzuweisen, nämlich seinen inhaltlichen Modellcharakter,
seine Richtigkeitsgewähr und Ausgewogenheit. Es dient daher als Gerechtigkeitsmaßstab.
Das Dispositivrecht gilt als „Messlatte” für richtige und ausgewogene –
dh die Interessen beider (!) Parteien angemessen berücksichtigende
– Lösungen. Ein krasses oder einseitiges (zB Freizeichnung → KAPITEL 9: Verschulden
(culpa))
Abweichen vom gesetzlich-dispositivrechtlichen Lösungsmodell ist
ein Indiz für Sittenwidrigkeit → KAPITEL 11: Gesetz-
und Sittenwidrigkeit.
Vgl auch → KAPITEL 5: Das
(kaufmännische) Bestätigungsschreiben: Bestätigungsschreiben. | |
| |
Der Gegensatzbegriff zum Dispositivrecht ist
das zwingende Recht (ius cogens), das von den Parteien
hingenommen werden muss und grundsätzlich nicht abgeändert werden
kann, es sei denn zum Vorteil Betroffener; sog relativ zwingendes
Recht: Typisch im Arbeitsrecht, wo ein Kollektivvertrag
nicht unter-, wohl aber überschritten, also verbessert werden darf!
Dadurch wird ein Mindeststandard gesetzt. – Zwingendes Recht gilt
also selbst dann, wenn die Parteien etwas anderes vereinbart haben.
Typische Beispiele für absolut zwingendes Recht enthalten das Familien-
oder Eherecht, das MRG oder KSchG, das Sachenrecht und vor allem
das Arbeitsrecht, überhaupt Schutzgesetze. | Zwingendes
Recht |
| |
| |
9. Kurzfassung:
Bestimmung der Leistungszeit | |
Fassen
wir zusammen: Die von den Parteien selbst vereinbarte Leistungszeit kann: | |
•
ein privatautonom
festgelegter Leistungszeitpunkt oder | |
•
ein vereinbarter Leistungszeitraum sein. | |
•
Die Leistungszeit kann
aber auch durch „die Natur der Sache”, also den
Zweck und die Art der Leistung bestimmt werden; so sind Alimente
nach § 1418 ABGB wenigstens einen Monat im Voraus zu bezahlen. | |
Im Handelsrecht wird die Leistungszeit aus
dem Zweck der Leistung auch durch Handelsgewohnheiten / Usancen und
Handelsbrauch bestimmt; Weihnachts- oder Osterware etc. | |
•
Schließlich
bestimmt § 904 ABGB, dass dann, wenn keine gewisse
Zeit für die Erfüllung des Vertrags bestimmt worden ist, die Leistung sogleich,
nämlich ohne unnötigen Aufschub, gefordert werden kann.
Dieses Fordern iS eines Festsetzens eines konkreten Leistungszeitpunkts
heißt auch Herbeiführen der Fälligkeit: Fälligstellung.
Sie geschieht durch (Ein)Mahnung und ist im praktischen
Rechts- und Wirtschaftsleben von größter Bedeutung. | |
§ 1417 ABGB bestimmt dazu: „Wenn die Zahlungsfrist
auf keine Art bestimmt ist; so tritt die Verbindlichkeit, die Schuld
zu zahlen, erst mit dem Tage ein, an welchem die Einmahnung geschehen
ist (§ 904 ABGB).” | |
| Mahnung |
Nach
§ 1334, 2. HalbS ABGB kann die (Ein) Mahnung, also
das Fälligstellen der Leistung, deren „Zahlungszeit nicht bestimmt”
ist, auch schon gerichtlich erfolgen. – In diesem
Fall riskiert der Kläger aber prozesskostenpflichtig zu werden,
denn § 45 ZPO bestimmt: „Hat der Beklagte durch sein Verhalten zur
Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben und den in der Klage
erhobenen Anspruch sofort bei der ersten Tagsatzung anerkannt, so
fallen die Prozesskosten dem Kläger zur Last. Er hat auch die dem
Beklagten durch das eingeleitete gerichtliche Verfahren verursachten
Kosten zu ersetzen.” | |
10. Fälligkeit,
Mahnung, Stundung, Kreditierung | |
Fälligkeit (einer Leistung)
bedeutet, dass der Gläubiger die ihm geschuldete Leistung (auch gerichtlich)
einfordern, also verlangen darf und der Schuldner sie umgekehrt
zu erbringen hat.
§ 1417 ABGB spricht von der „Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen,
...”. | |
| |
Der
Begriff Fälligkeit besitzt aber auch eine inhaltliche
Dimension für den Leistungspflichtigen; dies iSv eigener
vollständiger Leistungserbringung durch den Fordernden, also den
Gläubiger der Gegenleistung. Fälligkeit setzt nämlich voraus, dass
auch der Gläubiger seine (eigene) Leistungspflicht vollständig
erbracht hat oder wenigstens dazu bereit war. Fehlt von
seiner „Leistungserbringung” noch etwas, wird auch die (Gegen)Leistung
des Schuldners noch nicht fällig und der Gläubiger kann sie daher
auch nicht erfolgreich einklagen. Das zeigt anschaulich das folgende Urteil. | Fälligkeit
setzt
vollständiges Erbringen der eigenen Leistung voraus |
Die angesprochene inhaltliche Dimension
(der Fälligkeit) wird von § 1052 Satz 1 ABGB angesprochen, wenn
dort ausgeführt wird: „Wer auf die Übergabe dringen will, muss seine
Verbindlichkeit erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein.”
Daran hat es der Facharzt in der folgenden E fehlen lassen! – Zum
Zug-um-Zug-Prinzip → KAPITEL 2: Zug
um Zug-Leistung. | |
|
EvBl 1964/294: Ein Facharzt ist
verpflichtet, die von ihm erhobenen Befunde samt
allen Unterlagen dem Patienten oder dessen behandelndem Arzt auszufolgen.
Vor Erfüllung dieser Pflicht ist sein Honoraranspruch nicht fällig.
– Hier hatte sich der Facharzt geweigert, die von ihm angefertigten
EKG’s auszufolgen; Argument: Er benötige diese als Beweismittel
gegen allfällige Schadenersatzansprüche. Der OGH lehnte den Honoraranspruch
des klagenden Arztes mit dem Hinweis ab, dass er sich von den besagten
Unterlagen auch Kopien anfertigen könne. | |
|
Der Begriff Fälligkeit ist
auch prozessual von Bedeutung. § 406 ZPO bestimmt,
dass die „Verurteilung zu einer Leistung ... nur zulässig [ist],
wenn die Fälligkeit zur Zeit der Urteilsschöpfung bereits eingetreten
ist.” | Prozessuale
Bedeutung der Fälligkeit |
Während
im bürgerlichen Recht (Verzugs)Zinsen erst ab Eintritt
des objektiven (Schuldner)Verzugs verlangt werden können (und höhere
als die gesetzlichen Zinsen, wenn nicht anders vereinbart, nur bei
verschuldetem Verzug!), ordnet § 353 HGB für „Kaufleute untereinander”
(= zweiseitige Handelsgeschäfte) an, dass sie für ihre Forderungen
schon „vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern” berechtigt
sind. Das gilt aber nicht für Zinseszinsen! | Zinsen |
Die
(Ein)Mahnung: Der Begriff Fälligkeit ist nicht identisch mit dem
der (Ein)Mahnung! Die (Ein)Mahnung iSd § 1334, 2. HalbS ABGB führt
vielmehr die Fälligkeit erst herbei, bewirkt – wie ausgeführt wurde
– Fälligstellung, wenn die konkrete Leistungszeit
weder durch (Partei)Vereinbarung, noch durch die Natur der Sache
bestimmt erscheint. | Fälligkeit und Mahnung |
| |
Mit der Kreditierung (§
1063 ABGB) wird immer wieder die Stundung verwechselt. – Kreditierung
bedeutet ein vertragliches (also gemeinsames) Hinausschieben der
gesetzlich an und für sich anders festgelegten Leistungspflicht
eines Vertragsteils; zB Modifikation der an und für sich bestehenden
Zug-um-Zug-Leistungspflicht des Käufers. Beim Kreditkauf wird von
Anfang an ein Abgehen vom üblichen Zug um Zug-Leistungsaustausch
vereinbart (iSd § 863 ABGB). | Kreditierung
und Stundung |
Stundung dagegen
meint Aufschub des (zB idR bereits vertraglich festgelegten) Fälligkeitszeitpunkts
im Nachhinein. So wenn der Schuldner seinen Gläubiger ersucht, nicht
am 7. Februar bezahlen zu müssen, sondern erst am 17. April. | |
Erfolgt die Stundung vor (der
vereinbarten) Fälligkeit, wird im Zweifel angenommen,
dass der Schuldner (gar) nicht in Verzug gerät; sog verzugshindernde
Stundung. Dies im Gegensatz zur verzugsaufhebenden oder -heilenden
Stundung nach (bereits) eingetretenem Verzug.
– Stundung setzt immer die Zustimmung des Gläubigers voraus. | verzugshinderende
und verzugsheilende Stundung |
| Abbildung 7.10: Fälligkeit, Mahnung, Kreditierung … |
|
Mitunter treten diese juristischen Termini
gehäuft auf; vgl § 30 ABs 1 Z 1 MRG wo im Rahmen der MRG-Kündigung
aus wichtigem Grund auch Fälligkeit, Mahnung und Verzug vorkommen. | |
| |
Schick-
und Geldschulden stellen Modifikationen der Leistungspflicht des
Schuldners dar. | |
Bei der Schickschuld bleibt der Wohnsitz
des Schuldners der Erfüllungsort. Den Schuldner trifft aber die
zusätzliche Pflicht, die geschuldete Leistung an den Gläubiger abzusenden.
Gefahr und Transportkosten trägt dabei grundsätzlich bereits der
Gläubiger (!). Zum abweichenden Versendungskauf: § 429 ABGB → Die
Schickschuld
| §
905 Abs 1 ABGB |
| |
| Abbildung 7.11: Versendungskauf: § 429 ABGB |
|
| Abbildung 7.12: Versendungskauf. § 429 ABGB (1) |
|
| Abbildung 7.13: Versendungskauf. § 429 ABGB (2) |
|
12. Die
Geldschuld als qualifizierte Schickschuld | |
Nach dieser Bestimmung hat der Schuldner
„Geldzahlungen im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger
an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen.” Geldschulden
sind demnach qualifizierte Schickschulden. Dies, weil die Gefahr-
und (Transport)Kostenregelung gegenüber der normalen Schickschuld
gesetzlich erneut modifiziert – nämlich „umgedreht” – wird. | §
905 Abs 2 ABGB |
| |
Erfüllungsort für
Geldschulden bleibt aber der Wohnsitz des Schuldners.
Den Schuldner trifft aber – wie bei anderen Schickschulden – eine
zusätzliche Absendungspflicht. Dies mit folgenden Besonderheiten: | |
•
Der Schuldner trägt
zwar nicht das Verspätungsrisiko,
wenn seine (wie eben beschrieben) rechtzeitig abgesendete Leistung,
bspw durch Säumigkeit oder Fehler der Bank, verspätet zugeht (vgl dazu
das unten wiedergegebene Urteil: SZ 25/199); | |
•
er trägt aber die Kosten der Übersendung und
(!) die Gefahr des Verlustes, dh also des (Nicht)Ankommens
seiner Leistung; zB: Geldsendung geht Gläubiger nicht oder nicht
vollständig zu oder ist mit höheren Kosten (als erwartet) verbunden.
Der Schuldner muss dann zB nochmals zahlen, unbeschadet seiner allfälligen
Ersatzansprüche gegen das Kreditinstitut. | |
Zur Frage der Kosten von Geldüberweisungen
nach § 905 Abs 2 ABGB vgl EvBl 1999/3: Die Kosten von Geldzahlungen,
so auch die beim Empfänger einzuhebende Postanweisungszustellgebühr,
hat grundsätzlich der Schuldner zu tragen und daher bei der Einzahlung
zu berücksichtigen. – Die Kosten von Erlagscheinen und
deren Verrechnung gehen aber nach der Verkehrssitte zu Lasten des
Gläubigers. | |
Sie liegt dann vor, wenn der Überweisungsauftrag
am Fälligkeitstag noch während der Geschäftsstunden bei der kontoführenden
Bank des Schuldners (!) einlangt. Hier kommt es also nicht auf den Eingang
der Zahlung / des Buchungsauftrags bei der Zahlstelle des Gläubigers
an. Das gilt auch für den elektronischen Zahlungsverkehr. – „Im
Zweifel” (§ 905 Abs 2 ABGB) meint: Wenn von den Parteien nicht anders
vereinbart. | Rechtzeitige
Übermittlung einer Geldschuld |
| |
Bei Geldschulden
ist zwischen Geldbetrags- und Geldwertschulden zu unterscheiden;
eine wichtige, von der Praxis (auch der Rspr!) aber immer wieder
vernachlässigte Unterscheidung. – Erstere sind allenfalls vertraglich,
nicht aber von Gesetzes wegen aufzuwerten, auch wenn der „innere”
Geldwert nachträglich beachtlich gesunken ist; letztere dagegen
schon. Eine Ausnahme statuiert SZ 71/4: Beispiele. | Geldbetrags-
und
Geldwertschulden |
| |
Eine übliche Kaufpreis- oder eine Darlehensschuld ist Geldbetragsschuld;
– eine Unterhalts- oder Schadenersatzleistungspflicht dagegen eine
Geldwertschuld. Die Rspr lässt hier aber Konsequenz vermissen: | |
|
OGH 24. 2. 2000,
6 Ob 154/99m, JBl 2000, 670: Die Wertminderung des Geldes allein
stellt keinen Grund für eine Unterhaltserhöhung dar. Unterhaltsschuld über
den Regelbedarf hinaus wird vom OGH nicht als Geldwertschuld gesehen.
(?) | |
|
|
SZ 60/37 (1987):
Selbst bei erheblicher Geldwertveränderung ist eine nicht ausdrücklich
vereinbarte Geldwertanpassung bei Ausübung des Wiederkaufsrechts auszuschließen. | |
|
|
SZ 71/4 (1998)
mwH: Bei einer infolge der überlangen Dauer des Entschädigungsverfahrens
von rund 11 Jahren exorbitanten Indexsteigerung von 32 Prozent kann
der Geldwertverfall nicht mehr allein dem Enteigneten als Sonderopfer
auferlegt werden, weshalb es nicht notwendigerweise darauf ankommt,
dass die Geldentwertung rasch erfolgte; teilweise Abkehr von SZ
51/175 (1978): Enteignungsentschädigung für eine
nach dem BundesstraßenG enteignete Liegenschaft als Geldbetragsschuld. | |
|
| |
Nach Art 8 Nr 8 EVHGB kann eine in ausländischer Währung
ausgedrückte Geldschuld, die im Inland zu zahlen ist, in inländischer
Währung erfolgen, es sei denn, dass die Zahlung in ausländischer
Währung ausdrücklich bedungen ist. Die Umrechnung erfolgt dann nach
dem Kurswert, der zur Zeit der Zahlung für den Zahlungsort maßgebend
ist. | |
Neue
Regelung für bestimmte Auslandsüberweisungen: Für grenzüberschreitende
Überweisungen bis zu 50.000 Euro (= 688.015 S) gilt seit 13. August
1999 das ÜberweisungsG, BGBl I 1999/123. Das neue Gesetz regelt
auch die Haftung bei Säumnis oder fehlgeschlagenen Überweisungen,
statuiert Informationspflichten und trifft Anordnungen über die
Kostentragung und die Dauer von Überweisungen. Die Überweisungen
müssen künftig längstens 5 Bankarbeitstage – wenn nicht anders vereinbart
– nach dem Tag der Auftragsannahme durch die Überweisungsbank beim
Institut des/der Begünstigten einlangen und diesem zur Verfügung
stehen. | Auslandsüberweisungen |
Der österreichische Gesetzgeber hat die
Gelegenheit aber nicht dazu genützt, um auch klarere Regeln für
den innerstaatlichen Überweisungsverkehr zu schaffen. | |
| |
Ermittlung des Erfüllungsorts nach Art 5
Z 1 LGVÜ iVm § 905 ABGB: Zum maßgebenden Zeitpunkt für die Bestimmung
des Wohnsitzes oder der Niederlassung des Schuldners vgl EvBl 1999/14: | Art
5 Z 1 LGVÜ |
„Der Ort, an dem die Verpflichtung in Ermangelung
einer Vereinbarung nach dem Gesetz zu erfüllen ist, ist auf Grund
des Kollisionsrechts desjenigen Vertragsstaats zu bestimmen, dessen
Gerichte mit dem Rechtsstreit befasst wurden. – Geldschulden sind
als Schickschulden nach österreichischem Recht am Wohnsitz bzw an
der Niederlassung des Schuldners im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
zu erfüllen; spätere Änderungen dieses Ortes – wie etwa bei Schuldnerwechsel
– sind unbeachtlich.” | |
13. Entscheidungsbeispiel
zur Frage der korrekten zeitlichen Erfüllung von Geldschulden | |
|
SZ 25/199 (1952): Einzahlung eines
geschuldeten Geldbetrages per Postanweisung am
letzten Tag der Frist. | |
Betreibende Partei = Gläubiger
und Kläger
Verpflichtete (Partei) und Beklagter = Ratenschuldnerin zum 15.
eines jeden Monats bei sonstigem Terminsverlust
Die Verpflichtete schuldete der betreibenden Partei den Betrag von
1.000 S, zahlbar in am 15. eines jeden Monates fälligen Raten von
je 100 S bei Terminsverlust. Die erste Rate, die von der Verpflichteten
am 15.9.1951 beim Postamt M. zur Einzahlung gebracht wurde, ging
erst am 19.9.1951 der betreibenden Partei zu. Da diese inzwischen
unter Geltendmachung des Terminsverlustes Exekution auf den ganzen Betrag
geführt hatte, beantragte die Verpflichtete die Einstellung [der
Exekution] gemäß § 40 EO.
Das Erstgerichtwies den (Einstellungs)Antrag ab.
– Das Rekursgerichtgab ihm statt. – Der OGH bestätigte den
Beschluss des RekursG.
Aus der Begründung: Die Rechtsausführungen des Revisionsrekurses
[der betreibenden Partei] verkennen die entscheidende Rechtsfrage,
die nicht darin zu erblicken ist, ob die Übergabe des Geldbetrages
an die Post bereits als Übermachung der Geldzahlung an den Gläubiger
iSd § 905 Abs 2 ABGB zu gelten hat, sondern darin, ob durch Einzahlung
der 1. Rate von 100 S am Fälligkeitstage beim Postamt M. mittels Postanweisung
die Verpflichtete im Hinblick darauf in Verzug geraten ist, dass
der Betrag bei der betreibenden Partei erst am 19.9.1951 eingegangen
ist. Die modernen Formen des Zahlungsverkehrs bringen es mit sich,
dass Schulden, wenn sie nicht zweckmäßig durch bargeldlosen Zahlungsverkehr
im Wege des Clearing oder wenigstens durch Einzahlung auf ein Bank-
oder Postsparkassenscheckkonto des Gläubigers erfolgen, in welchem
Fall die Bank oder Postsparkasse als Zahlungsstelle des Gläubigers
fungiert, im Wege des Geldbriefes oder Postanweisungsverkehrs oder
der Postsparkassenzahlungsanweisung oder Postzahlungsanweisung getilgt
werden. Wenn der Gläubiger nicht bestimmte Zahlungsformen
ausdrücklich vorgeschrieben hat (§ 429 ABGB),
kann der Schuldner jede dieser verkehrsüblichen Zahlungs- und Übersendungsarten
wählen und muss angenommen werden, dass der Gläubiger damit einverstanden
ist. [Vgl dazu die Ausführungen in der anschließenden Rubrik
"Beachte".] Die Übermachung der Geldschuld an den Gläubiger gilt
allerdings erst dann als bewirkt, wenn die Postanstalt den ihr durch
Postanweisung oder Postsparkassenzahlungsanweisung übergebenen Betrag
dem Gläubiger auszahlt. Unabhängig davon ist jedoch die Frage zu
beurteilen, ob der Schuldner, wenn er bspw die verkehrsübliche Zahlungs-
und Übersendungsart des Postanweisungsverkehrs gewählt hat, durch
Einzahlung des Betrages beim Postamt am Fälligkeitstag von allen
vertraglichen oder gesetzlichen Verzugsformen befreit wird. Diese
Frage wurde vom OGH ... ausdrücklich bejaht. Geldzahlungen
sind nach § 905 ABGB vom Schuldner auf seine Gefahr
und Kosten dem Gläubiger zu übermachen. Dadurch werden
sie jedoch nicht zu Bring-, sondern sie bleiben Schickschulden.
Am gesetzlichen Erfüllungsorte (Wohnsitz oder Niederlassung des
Schuldners) ändert sich dadurch nichts. Es genügt daher, wenn der
Schuldner innerhalb der Zahlungsfrist an seinem Wohnorte (Niederlassung),
indem er von einer der verkehrsüblichen Zahlungs- und Übersendungsarten
Gebrauch machte, eine Handlung setzt, welche in ihrer Wirkung zur
Befriedigung des Gläubigers und speziell bei einer Geldforderung
dazu führen muss, dass der geschuldete Geldbetrag in die Hand des
Gläubigers gelangt. Damit hat der Schuldner die Zahlungshandlung
bereits begonnen und die Tilgung seiner Verbindlichkeit hängt nur
mehr von der Bedingung ab, ob der Betrag tatsächlich in die Hand
seines Gläubigers gelangt ist oder nicht, da der Schuldner das Risiko
der von ihm gewählten Zahlungsart zu tragen hat. Mit Übergabe
des Geldbetrags an das Postamt trägt sohin der Schuldner nur mehr
die Gefahr des Verlustes, nicht aber der Verspätung der Geldübersendung.
Da die am Fälligkeitstag mittels Postanweisung beim Postamt M. zur
Einzahlung gebrachte Rate von 100 S der betreibenden Partei am 19.9.1951
tatsächlich zugegangen ist, erscheint auch die Bedingung der tatsächlichen Übermachung
des Geldbetrages an den Gläubiger erfüllt. Der Ansicht des RekursG,
wonach die Verpflichtete nicht in Verzug geraten und somit auch
der vereinbarte Terminsverlust nicht eingetreten ist, haftet daher
kein Rechtsirrtum an. | |
|
| |
| Abbildung 7.14: Schuldinhalt: Leistung / Erfüllung / Zahlung |
|
| Abbildung 7.15: Unterlassung als Leistung (1) |
|
| Abbildung 7.16: Unterlassung als Leistung (2) |
|
| Abbildung 7.17: Bestimmtheit der Leistung |
|
| Abbildung 7.18: Haupt- und Neben(leistungs)pflichten (1) |
|
| Abbildung 7.19: Haupt- und Neben(leistungs)pflichten (2) |
|
| Abbildung 7.20: Leistungszeit und Leistungsort (1) |
|
| Abbildung 7.21: Leistungszeit und Leistungsort (2) |
|
| Abbildung 7.22: Leistungszeit und Leistungsort (3) |
|
| Abbildung 7.23: Leistungszeit: § 904 ABGB |
|
| Abbildung 7.24: Leistungsort: § 905 ABGB |
|
| Abbildung 7.25: Varianten des Erfüllungsorts (1) |
|
| Abbildung 7.26: Varianten des Erfüllungsorts (2) |
|
| Abbildung 7.27: Schickschuld |
|
| Abbildung 7.28: Schickschuld und Geldschuld |
|
| Abbildung 7.29: Geldschuld als qualifizierte Schickschuld |
|
14. Die
Wahlschuld oder Alternativobligation | |
Das ABGB regelt
sie in den §§ 906 und 907 in unmittelbarem Anschluss an die §§ 904
und 905, welche Zeit und Ort der
Leistung bestimmen helfen. – Die Wahlschuld, als Möglichkeit zwischen mehreren
Leistungen wählen zu können, betrifft dagegen die inhaltliche
Ausgestaltung einer Schuld. – Geschuldet werden danach
– von Anfang an – zwei oder mehrere Leistungen, von denen aber nur
eine zu erbringen ist. | §§ 906, 907 ABGB |
| |
Abzugrenzen
ist die Wahlschuld von der Gattungsschuld, bei
der nicht zwei oder mehrere Leistungen, sondern nur eine, wenn auch
eine gattungsmäßig bestimmte, Leistung geschuldet wird. – Auch bei
der Wahlschuld kann aber das Geschuldete wieder
nach Stück/en (Wahl zwischen zwei Kunstwerken) oder der Gattung
nach (Wahl zwischen Äpfeln und Birnen) bestimmt sein. – Im jüngeren
Schrifttum glauben manche, diesen Unterschied nicht mehr beachten
zu müssen. | Abgrenzung von der Gattungsschuld |
| |
§
906 ABGB stellt klar, dass das Wahlrecht nach dem
Gesetz dem Verpflichteten zusteht, der aber von
der „einmal getroffenen Wahl für sich allein nicht abgehen” kann.
– Häufig wird aber das Wahlrecht dem Gläubiger eingeräumt
(HS 229) und es kann auch einem Dritten überlassen werden. | Wahlrecht |
|
OGH 5. 5. 1933,
SZ 15/119: Hat der Gläubiger die Wahl zwischen mehreren Leistungen,
muß er sein Wahlrecht schon in der Klage ausüben. | |
|
|
WBl 1987, 165 =DRdA
1990, 60: Die Bindung des Berechtigten an seine einmal getroffene
Wahl gilt auch bei Dauerschuldverhältnissen, es
sei denn, die Parteien haben etwas anderes vereinbart. | |
|
|
ZAS 1985, 20: Wurde
dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme von Überstundenvergütung und Zeitausgleich eingeräumt,
ist er an die (im Einzelfall) getroffene Wahl gebunden. | |
|
|
GlUNF 7691 (1915):
Wahlrecht eines Ausgedingsberechtigten zwischen
Naturalverköstigung und Ersatzleistung in Geld. | |
|
Verzögert der Schuldner die
ihm zustehende Wahl, gerät er in Schuldnerverzug, wählt der Gläubiger nicht,
hat dies seinen Annahmeverzug zur Folge. – Klagt bspw der Gläubiger
den in Verzug geratenen Schuldner auf Leistung, hat er alternativ
(iSd Inhalts der Wahlschuld) zu klagen. Eine sich allenfalls daran
anschliessende Exekution ist aber bloss auf eine Leistung
zu richten. | Verzögerung und Vereitelung der Wahl |
Bei
Vereitelung des Wahlrechts – bspw bei Untergang eines Wahlgegenstandes,
sie mag verschuldet sein oder nicht (Zufall), ist zu unterscheiden: | Vereitelung des Wahlrechts |
•
Reine Auswahlschuld:
Hier überwiegt das Interesse des Wahlberechtigten an der Wahl, das
bspw durch den Untergang beschränkt wurde oder ganz weggefallen
ist. Das ABGB spricht davon (§ 907), dass ein solcher Vertrag „mit
Vorbehalt der Wahl geschlossen” werde, was als Bedingung der freien
Wahlmöglichkeit zu verstehen ist; § 901 ABGB: Die Wahl wurde iS
dieser Bestimmung „ausdrücklich [oder schlüssig] zur Bedingung gemacht”.
Der Vertrag muss daher vom Wahlberechtigten nicht zugehalten werden,
er kann zurücktreten. – Es kommt in diesem Fall also nicht etwa
zur Konzentration auf die verbleibenden (Wahl)Möglichkeiten. | reine
Auswahlschuld |
•
Nichtreine oder unbedingte
Wahlschuld: Hier steht das Sicherungsintersse an der Leistungserbringung
im Vordergrund, weshalb es zur Konzentration auf die verbleibende/n
Möglichkeit/en kommt. Für eine verschuldete Vereitelung ist
einzustehen und der Wahlberechtigte ist so zu stellen wie er stünde,
wäre die Vereitelung nicht erfolgt. Es kann aber auch Schadenersatz
für das untergegangene Stück gewählt werden. | nichtreine Auswahlschuld |
•
Rspr und ein wohl überwiegender Teil des Schrifttums
(Reischauer, Koziol) gewähren dem Geschädigten nach § 1323 ABGB
ein Wahlrecht zwischen Naturalherstellung und Geldersatz,
was nicht dem ABGB entspricht. Das Argument, dass die Naturalrestitution
schon dann „untunlich” sei, wenn sie nicht gewünscht werde, überzeugt
nicht. – Das Gesetz legt die Latte höher. Damit wird ein signifikantes
Charakteristikum des ABGB gegenüber dem römischen Recht aufgeweicht. | |
Abzugrenzen ist
die Wahlschuld von der Ersetzungsbefugnis / facultas
alternativa, bei der nur eine Leistung in obligatione geschuldet
wird und der Gläubiger auch nur diese Leistung fordern kann, während
der Schuldner sich auch durch das Erbringen einer Ersatzleistung
von seiner Schuld befreien kann. | Ersetzungsbefugnis |
| |
| |
IV. Trade
Terms und Incoterms | |
1. Überlegungen
zur Sicherheit der Leistung | |
Im
Zusammenhang mit dem Festlegen der konkreten Leistung zwischen Gläubiger
und Schuldner, gilt es weiteres zu bedenken; insbesondere die Sicherheit,
dass der Gläubiger die vereinbarte Leistung auch tatsächlich (rechtzeitig)
erhält und dabei ist zu überlegen, wann gewisse Risiken im Rahmen
der Leistungserbringung / Erfüllung vom Schuldner auf den Gläubiger
übergehen (sollen). Denn neben der dispositivgesetzlichen Regelung
besteht im Schuldrecht immer auch die Möglichkeit, vom Gesetz abweichende
vertragliche Regeln zu vereinbaren, um ein optimales Anpassen an
die Regelungsbedürfnisse des Einzelfalls und dadurch größte Sach-
und Lebensnähe zu erreichen. | |
| |
Hier haben sich
folgende rechtliche Fragen (weltweit) als bedeutsam
erwiesen: | Wichtige Fragen |
•
Wann soll das Eigentum übergehen?; | |
•
wann die Gefahr ?
Wobei Gefahr hier bedeutet, wer (Gläubiger oder Schuldner) den Nachteil
des zufälligen (!) Untergangs oder der zufälligen Beschädigung /
Verschlechterung der Ware / Leistung (zwischen Vertragsschluss und
Übergabe) zu tragen hat. | |
•
Wer
hat die – oft beträchtlichen – (Transport)Kosten zu
tragen? | |
• Und wer hat für eine allfällige Versicherung des
Leistungsgegenstandes vorzusorgen und aufzukommen? | |
•
Auch die Fragen von Export- und Importabfertigung spielen
(bei internationalen Warenkäufen außerhalb der EU) eine Rolle, zumal
sie Zeit braucht und Kosten verursacht. | |
| |
2. Internationaler
Warenkauf | |
Der sich
in unserem Jahrhundert rasch ausbreitende internationale
Warenkauf hat früh im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden
Warenlieferungen Regeln und Bezeichnungen entwickelt, auf die idF
kurz eingegangen werden soll: | |
•
die Trade Terms (=
nationale Handelsbräuche) und | |
•
die Incoterms (=
International Commercial Terms). | |
Die Internationale Handelskammer (ICC) in Paris veröffentlichte
erstmals 1953 je einen Klauselkatalog für Trade- und Incoterms.
Ihre Kenntnis ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil insbesondere
Käufer wissen müssen, ab wann sie zB für die „reisende” Ware selber
vorsorgen müssen. – Wie das Handelsrecht überhaupt, ist auch der
internationale Warenverkehr auf rasche und sichere Geschäftsabwicklung
angewiesen, wozu (kurze) Käuferklauseln beitragen können. | |
Trade
Terms = Länderweise, also nationale Sammlung
von Handelsbräuchen, ohne inhaltliche Abstimmung (der Länder) untereinander;
wohl aber begrifflich. | |
| |
Die TRADE-
und INCOTERMS müssen, um Vertragsbestandteil zu werden, wie AGB
oder ein Eigentumsvorbehalt, von beiden Parteien vereinbart werden.
– Funktional sollen sie auch dazu beitragen, Rechtsstreitigkeiten
und Missverständnisse auszuräumen, weil auch gleiche Klauselbezeichnungen
in den einzelnen Ländern (Trade Terms) doch verschiedene inhaltliche
Bedeutung besitzen können. | Incoterms-Klauseln
1990
(= International Commercial Terms) – Beispiele |
EXW – Ex Works: Abnahmeklausel,
die Verkäufer nur verpflichtet, die Ware in seinem Werk zur Verfügung zustellen.
Käufer muss Ware dort abholen und trägt allein Transportkosten und
Transportrisiko. | |
FCA – Free Carrier: Verkäufer muss die
zur Ausfuhr freigemachte Ware einem von Käufer benannten Frachtführer übergeben;
erst hier geht Risiko auf Käufer über. | |
FAS – Free Alongside Ship: Verkäufer muss
Ware zu einem bestimmten Ladeplatz in einem Verschiffungshafen bringen
und diese an der Längsseite des Schiffs übergeben. Ware muss aber
von Verkäufer exportfrei gemacht werden. | |
FOB – Free on Board: Zusätzlich zu den
Verpflichtungen aus der FAS-Klausel muss Verkäufer hier das Schiff
noch beladen. Gefahrübergang erfolgt, wenn die Ware die Reling überschreitet. | |
CFR – Cost and Freight: Verkäufer hat für
die Fracht der Ware bis in den Bestimmungshafen zu sorgen und dafür alle
Kosten zu tragen. | |
CIF – Cost, Insurance and Freight: Zusätzlich
zur CFR-Klausel ist Verkäufer verpflichtet, eine TransportVers abzuschließen
und dafür die Kosten zu tragen. (Das Transportrisiko trägt hier
aber bereits Käufer.) | |
CPT
– Carrige paid to (named place): Verkäufer hat Frachtkosten
bis zu einem namentlich anzuführenden Bestimmungsort zu tragen.
Gefahrübergang erfolgt (aber bereits) mit der Warenübergabe an Frachtführer. | |
CIP – Carriage and Insurance paid to (named place):
Verkäufer muss zusätzlich zur CPT-Klausel auf seine Kosten eine
TransportVers abschließen. | |
DAF – Delivered at Frontier: Ware muss
von Verkäufer zur Ausfuhr freigemacht und an einer benannten Stelle
des Grenzortes zur Verfügung gestellt werden. | |
DDU – Delivered duty
unpaid: Ware muss an einem bestimmten Ort des Importlandes
zur Verfügung gestellt werden. Alle Kosten – mit Ausnahme der Zölle
Steuern und sonstigen Abgaben – und die Gefahr trägt bis dorthin Verkäufer. | |
DDP – Delivered duty paid: Zusätzlich zur
DDU-Klausel sind hier auch noch alle Zölle und Abgaben vom Verkäufer
zu tragen. Diese Klausel beinhaltet die umfangreichsten Verkäuferverpflichtungen. | |
| Abbildung 7.30: Trade Terms und Incoterms (1) |
|
| Abbildung 7.31: Trade Terms und Incoterms (2) |
|
| Abbildung 7.32: Incoterms-Klauseln 1990: Beispiele |
|
V. Erlöschen
der Schuld: Zahlung / Erfüllung und andere Endigungsgründe | |
| |
Das ABGB spricht von „Zahlung”
(als Oberbegriff) und meint damit ganz allgemein: Leistung, Erfüllung.
– Am Beginn des Dritten Hauptstücks des ABGB, das „Von der Aufhebung
der Rechte und Verbindlichkeiten” handelt, führt § 1412 ABGB aus: | |
„Die Verbindlichkeit wird vorzüglich durch die
Zahlung, das ist: durch die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig
ist, aufgelöst (§ 469 ABGB).” | |
| |
Durch Zahlung / Erfüllung endet also idR ein bestehendes
Schuldverhältnis. Der Leistungsaustausch wird damit abgeschlossen.
Von diesem Regelfall geht das ABGB in § 1412 aus.
– Aber es gibt neben der Erfüllung / Leistung ieS weitere Endigungsgründe
von Schuldverhältnissen, bspw den (Schuld)Erlass oder einen Rücktritt
vom Vertrag. Vgl die folgende Darstellung: | |
•
Gerichtliche Hinterlegung (als Erfüllungssurrogat)
bei Gläubigerverzug: § 1425 ABGB → Voraussetzungen
und Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs: §§ 1419 und 1425 ABGB
| Endigungsgründe
neben der Erfüllung |
•
Rücktritt vom Vertrag: gesetzlich (§ 918 ABGB)
und vertraglich | |
•
Leistung an Zahlungs Statt; § 1414 ABGB → Leistung
an Zahlungs Statt
| |
•
Einvernehmliche Beendigung;
römR: contrarius actus | |
•
Zeitablauf und
außerordentliche Kündigung → KAPITEL 6: Bedeutung
der Unterscheidung. | |
•
Aufrechnung /
Kompensation; §§ 1438 ff ABGB → KAPITEL 15: Aufrechnung
/ Kompensation. | |
•
Vereinigung von Schuldner-
und Gläubiger-Stellung; sog Konfusion: §§ 1445 f ABGB | |
•
Verzicht/Entsagung:
§ 1444 ABGB (Das Gesetz spricht für die Annahme eines einseitigen
Rechtsgeschäftes!) | |
•
Tod | |
• Bedingungseintritt: auflösende Bedingung → KAPITEL 13: Aufschiebende
und
auflösende Bedingung. | |
| |
Die Zahlungsmoral ist, zumal in Krisenzeiten,
nicht die beste. Österreich liegt allerdings diesbezüglich im europäischen
Mittelfeld. – Zur neuen Verzugszinsenregelung (EU) →
Verzugsfolgen
| |
|
OGH 21.
12. 2000, 8 Ob 325/99y, SZ 73/207 = EvBl 2001/99: Als Sicherstellung
für ein Darlehen akzeptieren die solidarisch haftenden Darlehensschuldner
je einen Wechsel in der Höhe der Darlehenssumme. Ein Schuldner zahlt
bei Fälligkeit und lässt sich die Darlehensforderung abtreten. Anschließend
erhebt er gegen seinen Mitschuldner die Wechselzahlungsklage.
– OGH: Ist bei nach außen solidarisch haftenden Schuldnern im Innenverhältnis
letztlich nur einer zur Abdeckung der Schuld verpflichtet, führt
die Legalzession (vom Darlehensgläubiger an den im Innenverhältnis
nicht haftenden, aber die Schuld begleichenden, Schuldner) nicht
zum Erlöschen der Forderung nach § 1445 ABGB (Vereinigung/Konfusion). | |
|
2. Dogmatisches
Verständnis der „Zahlung” | |
Die Erfüllung oder Zahlung
ist nach hA kein eigenes Rechtsgeschäft, insbesondere liegt darin
kein Erfüllungsvertrag. | |
| |
| Abbildung 7.33: Erlöschen der Schuld – Zahlung |
|
3. „Wie” ist zu
zahlen?: § 1413 ABGB | |
Das
Gesetz bestimmt, dass der Gläubiger gegen seinen Willen weder
gezwungen werden kann, „etwas anderes anzunehmen, als dieser zu
fordern hat, noch der Schuldner etwas anderes zu leisten, als er
zu leisten verbunden ist.” – Das gilt für Zeit, Ort und Art der
Leistung. | |
| Abbildung 7.34: Mögliche Zahlungsarten – Wie wird heute gezahlt? |
|
§ 1414
ABGB: „Wird, weil der Gläubiger und der Schuldner einverstanden
sind, oder weil die Zahlung selbst unmöglich ist, etwas anderes
[als das Geschuldete] an Zahlungs Statt gegeben; so ist die Handlung
als ein entgeltliches Geschäft zu betrachten.” | Leistung
an Zahlungs Statt |
Die Leistung an Zahlungs Statt
ist Novation / Neuerungsvertrag → Novation
oder Neuerungsvertrag Sie
kann nicht einseitig erfolgen. Es liegt eine Änderung des Hauptgegenstandes
einer Forderung – eben der geschuldeten Leistung – vor. | |
Durch
die Leistung an Zahlungs Statt wird aber rechtswirksam erfüllt!
Gläubiger und Schuldner kommen überein, statt der ursprünglichen
Leistung – zB weil diese unmöglich geworden ist – „etwas anderes
an Zahlungs Statt” zu leisten/anzunehmen. Dem Gläubiger kann aber
rechtswirksam nur mit seiner Zustimmung etwas anderes als das ursprünglich
Vereinbarte geleistet werden. – An Zahlungs Statt wird heute auch
durch sog Buchgeld, dh sofort verfügbares Geld auf Konten bei Kreditinstituten,
geleistet; aber auch durch eine im Rahmen einer Forderungspfändung erfolgende
Überweisung zur Einziehung iSd §§ 308 ff, 322 f und 347 f EO. | Buchgeld |
Von
der Leistung an Zahlungs Statt ist die Leistung zahlungshalber zu
unterscheiden. | |
| |
Die Leistung zahlungshalber bewirkt daher für sich noch
keine Erfüllung. Durch die Hingabe von etwas anderem erfolgt keine
unmittelbare Schuldtilgung; vielmehr nur unter der Bedingung der
tatsächlich erfolgten Befriedigung des Gläubigers. So auch, wenn
der Schuldner an den Gläubiger zwecks Zahlung eine Forderung abtritt;
Zession. Die Tilgung erfolgt erst dann, wenn der Gläubiger aus der
abgetretenen Forderung tatsächlich bezahlt wird. Dasselbe gilt für
die Begebung eines Wechsels zur Deckung oder die Zahlung mittels
Scheck. Sie erfolgen im Zweifel nicht an Zahlungs Statt sondern
bloß zahlungshalber. Die Schuld wird erst getilgt, wenn der Scheck
von der bezogenen Bank eingelöst oder der Betrag dem Gläubiger gutgeschrieben
wird. | |
| Abbildung 7.35: Leistung an Zahlungs Statt |
|
| Abbildung 7.36: Leistung zahlungshalber |
|
4. Abtragung der
Schuld: §§ 1415 und 1416 ABGB | |
Nach § 1415 ABGB
ist der Gläubiger nicht verpflichtet, „die Zahlung einer Schuldpost teilweise, oder auf
Abschlag anzunehmen. Sind aber verschiedene Posten zu zahlen;
so wird diejenige für abgetragen gehalten, welche der Schuldner
mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen, sich ausdrücklich
erklärt hat.” | |
§ 1416 ABGB: „Wird die Willensmeinung des Schuldners bezweifelt,
oder von dem Gläubiger widersprochen; so sollen zuerst die Zinsen,
dann das Kapital, von mehreren Kapitalien aber
dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist,
und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner
am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.” | |
| |
|
EvBl 2000/103
(§ 1416 ABGB – Widmung von Zahlungen ): Der Gläubiger
bestimmt grundsätzlich die Widmung durch die Einforderung und kann
darüber hinaus nicht einseitig Widmungsänderungen vornehmen. Nach
der Übung des redlichen Verkehrs ist nicht einmal der Schuldner
berechtigt, nach Zahlung eine bestimmte Widmung derselben zu verfügen.
Innerhalb einer Geschäftsverbindung bilden mehrere Schuldposten
insofern ein Ganzes, als die einzelnen Teilzahlungen nicht auf bestimmte
Posten, sondern auf das Ganze geleistet werden. | |
|
5. „Von
wem” ist zu leisten? – §§ 1421 ff ABGB | |
Frage: Was meinen Sie nach der Lektüre der
§§ 1422, 1423 ABGB: Kann ein Dritter ohne oder sogar gegen die Einwilligung
des Schuldners dessen Schuld bezahlen? – Antwort: Gegen den Willen
des Schuldners ist es möglich, nicht aber gegen den Willen des Gläubigers! | |
| |
•
§ 1421
ABGB: „Auch eine Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu
verwalten [dh ganz oder beschränkt Geschäftsunfähige; vgl auch §
1424 ABGB], kann eine richtige und verfallene Schuld rechtmäßig
abgetragen, und sich ihrer Verbindlichkeit entledigen. Hätte sie
aber eine noch ungewisse, oder nicht verfallene
Schuld abgetragen; so ist ihr Vormund oder Kurator berechtigt,
das Bezahlte zurückzufordern.” Zu Satz 2 vgl § 1434 ABGB → KAPITEL 5: Leistungskondiktionen
¿ Überblick. | |
•
§ 1422 ABGB: „Wer die Schuld eines anderen, für
die er nicht haftet (§ 1358 ABGB) [dazu → KAPITEL 15: Legalzession
des
§ 1358 ABGB],
bezahlt, kann vor oder bei der Zahlung vom Gläubiger die Abtretung
seiner Rechte verlangen; hat er dies getan, so wirkt die Zahlung
als Einlösung der Forderung.” | |
•
§ 1423 ABGB: „Wird die Einlösung [dem
Gläubiger von einem Dritten] mit Einverständnis des Schuldners angeboten,
so muss [!] der Gläubiger die Zahlung annehmen; doch hat er außer
dem Falle des Betruges für die Einbringlichkeit und Richtigkeit
der Forderung nicht zu haften. Ohne Einwilligung des Schuldners
kann dem Gläubiger von einem Dritten idR (§ 462 ABGB) die Zahlung
nicht aufgedrängt werden.” – Zur Erfüllungsübernahme → KAPITEL 14: Die
Erfüllungs- oder Belastungsübernahme. | |
6. „An wen” ist
zu leisten? | |
Wie die folgenden Rspr-Beispiele zeigen, kann es durchaus
zweifelhaft sein, an wen zu zahlen ist. – Vorsicht ist auch hier
besser als „Nachsicht”. | |
”Der
Schuldbetrag muss dem Gläubiger oder dessen zum Empfange geeigneten
Machthaber, oder demjenigen geleistet werden, den das Gericht als
Eigentümer der Forderung [Zu dieser bildhaften Ausdrucksweise des
ABGB → KAPITEL 8: Zu
weite Fassung des § 353 ABGB] erkannt hat. Was jemand an eine Person bezahlt
hat, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten darf [Vgl § 1421 ABGB],
ist er insoweit wieder zu zahlen verbunden, als das Bezahlte nicht
wirklich vorhanden, oder zum Nutzen des Empfängers verwendet worden
ist.” | |
| |
|
OGH 28.
1. 2002, 2Ob 13/02d, JBl 2002, 590: Einem Ehepaar wird ein hypothekarisch
sichergestellter Kredit gewährt; der Kreditgeber beauftragt zwei
Jahre später einen Rechtsanwalt mit der Eintreibung der offenen
Kreditforderung. Der Anwalt stirbt und ein Stellvertreter wird von
der RA-Kammer bestellt; an diesen zahlt das Ehepaar. Die Erben
des Rechtsanwaltes leugnen die schuldbefreihende Wirkung einer Zahlung
an den Substituten und verweigern daher die Löschung der
Hypothek. – OGH: Die Bestimmungen der RAO über die Amtsfortführung
durch den Stellvertreter eines verstorbenen Anwalts stellen einen
gesetzlichen Auftrag zur Fortführung des Unternehmens des verstorbenen
Rechtsanwalts dar. Der Umfang der Vollmacht des mittlerweiligen
Stellvertreters umfasst all das, was die Führung des Unternehmens
selbst erfordert und was damit gewöhnlich verbunden ist (§ 1029
ABGB), somit auch die schuldbefreihende Entgegennahme von geschuldeten
Geldern. | |
|
|
OGH 10.
7. 2001, 4 Ob 66/01m, EvBl 2002/3: Das Theater in der Josefstadt führt
das Stück „1000 Clowns” auf. Verschiedene Verlage behaupten, sie
seien die richtigen Gläubiger für die Tantiemenzahlungen. Die Theaterbetreiberin
zahlt an einen der Verlage anstatt die Aufführungstantiemen gerichtlich
zu hinterlegen. Der leer ausgegangene Verlag klagt idF den anderen.
– OGH erklärt § 1041 ABGB – aufgrund des weiten Verständnisses von
„Sache” im ABGB – als taugliche Anspruchsgrundlage. | |
|
| §
1425 ABGB |
| §§ 1426-1430 ABGB |
7. Das Streckengeschäft
als Sonderfall des § 1423 ABGB | |
Es kommt immer wieder vor, dass ein Verkäufer / VK (zB ein
Großhändler) Waren verkauft (zB an einen Kleinhändler), die er selber
gar nicht hat und die er sich daher erst „besorgen”, dh sie selber zukaufen
muss; sei es bei einem Produzenten oder einem (General)Importeur.
In solchen oder ähnlich gelagerten Fällen kann es einfacher sein,
dass der Großhändler seinen Lieferanten – zB den Produzenten – ersucht,
die von ihm bestellte und gekaufte Ware – zB Elektrogeräte – gleich
an seine Kundschaft zu liefern. Das erspart Zeit und Geld. | |
Beim Streckengeschäft sind zwei Rechtsgeschäfte (häufig
sind es Kaufverträge, es kann sich aber auch um Werkverträge oder
andere Rechtsbeziehungen handeln) zu unterscheiden: | Zwei Kaufverträge
–
ein Erfüllungsakt |
• Einerseits (nach
unserem Beispiel) der Kaufvertrag des Großhändlers (G = VK1) mit
dem Klein- oder Vertragshändler (K= K1) und | |
• andrerseits der Kaufvertrag zwischen dem Großhändler
(= K2) und dem Produzenten (P = VK2). | |
Durch
die Leistung des Produzenten (P = VK2) an den Klein- oder Einzelhändler
(= K1) erfüllt der Produzent sowohl seine eigene Kaufvertragsverpflichtung
gegenüber dem Großhändler, als auch die des Großhändlers – als dessen
Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB; vgl HS 26.613 und SZ 55/31: Ankauf
von Weinbergschnecken) er tätig wird – gegenüber K1. | |
Beim Streckengeschäft werden also zwei Kaufverträge über
dieselbe/n Sache/n geschlossen, die – durch den rechtlichen Rationalisierungsakt
des Streckengeschäfts – bloß durch einen Erfüllungs- und Übergabeakt
erfüllt werden; HS 26.613 (1995) mwH. | |
Das Streckengeschäft ist eine Dreiparteienbeziehung,
was zu verschiedenen Konstruktionen seiner Erklärung geführt hat:
Rechtliche Lösungen (des Streckengeschäfts). | |
| Abbildung .37: Rechtliche Lösungen |
|
| Abbildung 7.38: Streckengeschäft als Dreipersonenverhältnis |
|
Die
einfachste und die dem ABGB wohl entsprechendste Lösung ist die
über § 1423 ABGB; vgl Gschnitzer, SchRAT 220 f (19912).
Diese Bestimmung handelt davon, dass die Erfüllung der Schuld (das
ABGB spricht von „Zahlung”) – mit Einverständnis des Schuldners
(!) – dem Gläubiger von einem Dritten angeboten wird. In diesem
Fall bestimmt das ABGB „dass der Gläubiger die Zahlung [= Erfüllung]
annehmen” muss. Das bedeutet für das Streckengeschäft, dass K1 die ihm
von P mit Einverständnis des G angebotene Erfüllung nicht ablehnen
kann. | |
Rechtliche
Lösungen des Streckengeschäfts werden aber auch auf andere Weise
versucht, nämlich: | Andere Lösungsansätze |
• Über
die Zession: G (= Zedent) zediert dem K (= Zessionar),
die ihm aus seinem Kaufvertrag mit P (= Zessus) zustehende Forderung
auf Lieferung (der Elektrogeräte). Hier erfüllt P an seinen neuen
Gläubiger K. | |
| |
• Über die Schuldübernahme (→ KAPITEL 14: Der
eigentliche Schuldnerwechsel):
Hier übernimmt und erfüllt P die Schuld des G gegenüber K, der zustimmen
muss, durch privative oder kumulative Schuldübernahme. | |
• Über die Annahme eines Vertrags zu
Gunsten Dritter (→ KAPITEL 15: Verträge
zugunsten Dritter)
abgeschlossen zwischen G und P zugunsten von K. | |
• Schließlich über die Rechtsfigur der Anweisung
→ KAPITEL 15: Die
Anweisung: §§ 1400 ff ABGB:
Hier des G (= Anweisender) an P (= Angewiesener), dass dieser an
K (= Anweisungsempfänger) leisten soll. – Dieser Lösungsansatz will
die in § 1400 Satz 1 ABGB enthaltene doppelte Ermächtigung und die
damit verbundene doppelte Erfüllungswirkung nützen.
§ 1404 Abs 1 Satz 1 ABGB kann direkt angewandt werden, weil P „das
zu Leistende dem Anweisenden [= G] bereits schuldet”. P ist als
Angewiesener G gegenüber „verpflichtet, der Anweisung Folge zu leisten”.
Auch § 1401 Abs 1 Satz 2 ABGB ist anzuwenden. Die „Tilgung der Schuld
[des G gegenüber K und des P gegenüber G] erfolgt, ..., ...durch
die Leistung”. Möglich erscheint sowohl eine Anweisung auf Schuld
wie eine auf Kredit. Eine Rolle spielen kann auch § 1403 Abs 1 Satz
2 ABGB: Danach gelten für das Rechtsverhältnis Anweisender und Angewiesener
dann, wenn „kein anderer Rechtsgrund” besteht, „die Vorschriften
über den Bevollmächtigungsvertrag”, also Auftragsrecht. | |
| |
Weitere Fragen sind zu beantworten, wenn beim Streckengeschäft
unter Eigentumsvorbehalt geliefert wird oder bei
Schlechterfüllung die
Mängelrüge erhoben werden muss: | |
•
Für die Mängelrüge (§
377 HGB) wird es als ausreichend erachtet, wenn nicht G, sonder
K1 den Mangel bei P rügt, was oft auch vereinbart wird; vgl insbesondere
SZ 55/31 (1982, dazu eingehend → Kaufmännische
Rügepflicht)
oder SZ 33/146 (1960). – Zu beachten ist, dass die strengen Regeln
des Handelsrechts auch dann gelten, wenn der Letzterwerber nicht
Kaufmann ist. In diesem Fall trifft den Vertragspartner des Letzterwerbers
die Obliegenheit, dafür zu sorgen, dass der Rügepflicht ordnungsgemäß
nachgekommen wird. | |
| |
•
Gschnitzer,
SchRAT 221 (19912): Wird unter Eigentumsvorbehalt (→ KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel)
geliefert, besteht die Möglichkeit, dass P den Eigentumsvorbehalt
gegenüber G auf K offen weiterleitet und K nur unter der Voraussetzung
Eigentümer wird, dass P bezahlt wird. Anders liegt der Fall, wenn
zusätzlich zum offen weitergeleiteten noch zwischen G und K ein
nachgeschalteter Eigentumsvorbehalt vereinbart wird. In diesem Fall
verbleibt, trotz voller Zahlung des K an G, wenn dieser P nicht
bezahlt, das Eigentum noch bei P. Umgekehrt erlischt der Eigentumsvorbehalt
des P, wenn er von G bezahlt wird, der gegenüber K aber noch Vorbehaltseigner
sein kann. K erwirbt durch die direkte Übergabe an ihn von P ein
bedingtes Anwartschaftsrecht auf sein Volleigentum und zugleich
als Machthaber nach § 1424 ABGB ein Anwartschaftsrecht auf bedingtes
Vorbehaltseigentum für G. K kann allerdings mit Einwilligung des
P auch ohne Einverständnis des G die Kaufpreisforderung des P gegen
G einlösen (Umkehrschluss aus § 1423 ABGB); | |
|
JBl 1984, 671:
Fliesenlieferung, Konkurs des G. Zu einem Streckengeschäft bei einem
Werkvertrag HS 5376/11. | |
|
VI. „Von Umänderung
der Rechte und Verbindlichkeiten”: Novation,
Vergleich, Anerkenntnis | |
Erinnern
wir uns: Das ABGB gliedert sich in eine Einleitung (§§ 1-14) und
drei Teile (§§ 15-283: Personenrecht,
§§ 285-1341: Sachenrecht und §§ 1342-1502 von den gemeinschaftlichen
Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte). – Das 1. Hauptstück
des 3. Teils handelt „Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten”
(§§ 1342-1374) und regelt Bürgschaft (§§ 1344-1367) und Pfandvertrag
(§§ 1368-1374). Das 2. Hauptstück des 3. Teils (§§ 1375-1410) trägt
die Überschrift: „Von Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten”.
Damit wollen wir uns idF auseinandersetzen. | |
| |
§
1342 ABGB (als gemeinsame programmatische Bestimmung für das 1.
und 2. Hauptstück des 3. Teils) erklärt: | |
„Sowohl Personenrechte als Sachenrechte,
und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestigt, umgeändert und
aufgelassen werden.” | |
Wir
wollen uns hier die „Umänderung der Rechte und Verbindlichkeiten”
näher ansehen, zumal eine solche „Umänderung” oft die geschuldete
Leistung / Erfüllung und immer das Schuldverhältnis und seine Parteien
betrifft. | Was wird geändert? |
| |
§ 1375 ABGB umschreibt:
„Es hängt | Voraussetzungen |
•
von dem Willen des Gläubigers
und des Schuldners ab, ihre gegenseitigen willkürlichen Rechte und
Verbindlichkeiten umzuändern. | |
•
Die
Umänderung kann ohne, oder mit Hinzukunft einer dritten Person,
und zwar entweder | |
Der erste Satz dieser Umschreibung drückt aus, dass einverständliche rechtsgeschäftliche Änderungen der
gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien grundsätzlich unbeschränkt
möglich sind, zumal ein solches Vorgehen Konsens verlangt und damit
den Grundsatz des pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten)
achtet. | |
Dazu kommt: Nicht
alles, was sich in einem Schuldverhältnis ändert, ist Novation.
– Stundet bspw der Gläubiger seine Kaufpreisforderung, ändert dies
zwar die Fälligkeit der Forderung, die Schuld bleibt aber die gleiche.
Daher keine Novation! – Wird dagegen über die Kaufpreisforderung
ein Wechsel ( → KAPITEL 15: Der
Wechsel) ausgestellt, bedeutet das Novation; denn
dadurch entsteht ein neues, vom ursprünglichen unabhängiges, nämlich
abstraktes Schuldverhältnis. Ein neuer Rechtsgrund (die Wechselverpflichtung)
tritt an die Stelle des alten; zB Kaufvertrag. | Nicht jede Änderung
im Schuldverhältnis ist Novation |
§ 1379 ABGB stellt zudem klar, dass ein Verändern
von Nebenbestimmungen – wie Bedingung, Befristung, Zinsenhöhe, Fälligkeit,
Darlehenslaufzeit – keine Novation darstellt. Dasselbe gilt für Lohnerhöhungen
oder die Lieferung von mangelfreier statt mangelhafter Ware (im
Rahmen von Gewährleistungsansprüchen); vgl SZ 43/24 (1972): Tiefkühltruhe. | |
| Was ist als „Umänderung“ von Rechten und Verbindlichkeiten anzusehen? |
•
Novation :
§§ 1376-1379 ABGB → Novation
oder Neuerungsvertrag
| |
•
Vergleich :
§§ 1380-1391 ABGB → Der
Vergleich: §§ 1380-1390 ABGB
| |
•
Zession : §§ 1392-1399 ABGB → KAPITEL 14: Zession,
Gläubigerwechsel, Forderungsübergang. | |
•
Anweisung / Assignation: §§
1400-1403 ABGB → KAPITEL 15: Die
Anweisung: §§ 1400 ff ABGB. | |
•
Schuldübernahme : §§ 1404-1410
ABGB → KAPITEL 14: Der
eigentliche Schuldnerwechsel. | |
•
Dazu kommt das Anerkenntnis (→ Das
Anerkenntnis),
das vom ABGB hier zwar nicht angeführt, aber andernorts behandelt
wird; vgl zB § 1497 ABGB: Anerkenntnis der Unterbrechung der Ersitzung oder
Verjährung; oder §§ 163b ff ABGB: Vaterschaftsanerkenntnis. | |
2. Novation
oder Neuerungsvertrag | |
Novation (§§ 1376-1379 ABGB)
ist nach § 1376 ABGB die Umänderung von Rechten oder Pflichten (im
Schuldverhältnis) „ohne Hinzutritt einer dritten Person” [wie
bei der Bürgschaft] und beinhaltet entweder: | |
•
die Änderung
des Rechtsgrundes / Titels oder | |
• die Änderung des Hauptgegenstandes einer
Forderung. | |
In diesen Fällen geht „die alte Verbindlichkeit
in eine neue über”. | |
| |
§ 1377 ABGB bestimmt,
dass durch Novation „die vorige” [= alte] Hauptverbindlichkeit auf[hört], und
die neue ... zugleich ihren Anfang” nimmt. – Das hat Konsequenzen! | |
Die
alte Verbindlichkeit erlischt und wird durch eine neue ersetzt,
wobei das Entstehen der neuen Verbindlichkeit davon abhängt, dass
die alte tatsächlich gültig bestanden hat; Abhängigkeit oder Akzessorietät der
Novation. War die alte Schuld ungültig, entsteht auch keine neue.
– Grundgedanke: Die neue Schuld entsteht aus der alten, ist aber
doch eine neue. Das zeigt sich am Schicksal der Nebenrechte. | Akzessorietät der Novation |
Eine Naturalobligation kann
aber noviert werden! Denn die (alte) Schuld besteht (noch) gültig,
mag sie auch rechtlich nicht mehr durchsetzbar sein → Naturalobligationen
| |
§ 1378 ABGB handelt von den Wirkungen der
Novation auf Nebenrechte wie „Bürgschafts-, Pfand-
oder andere Rechte” (etwa Sicherungsrechte wie eine Konventionalstrafe)
und bestimmt für sie, dass diese Nebenrechte grundsätzlich „erlöschen”,
es sei denn, die Vertragspartner des Neuerungsvertrags hätten „hierüber
etwas anderes festgesetzt”. | Wirkungen
auf Nebenrechte |
§
1379 ABGB erklärt, was nicht unter den Begriff der Novation fällt
(und nennt dabei „die bloße Ausstellung eines neuen Schuldscheines,
oder einer anderen dahin gehörigen Urkunde) und betont im letzten
Satz: | Zweifelsregel |
„Im Zweifel wird die alte
Verbindlichkeit nicht für aufgelöst gehalten,
solange sie mit [also neben] der neuen noch wohl bestehen kann.” | |
Diese Zweifelsregel ist insofern von Bedeutung,
als nicht immer klar ist, ob etwas Haupt- oder bloße Nebenbestimmung
ist und ob die Parteien wirklich eine Novation wollten. | |
| |
3. Der
Vergleich: §§ 1380-1390 ABGB | |
Der
Vergleich ist seinem Wesen nach Novation, genauer: er ist (entgeltlicher)
Neuerungsvertrag;
§ 1380 Satz 2 ABGB. – Das ABGB umschreibt den Vergleich als Neuerungsvertrag,
„durch welchen streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt
werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun,
oder zu unterlassen verbindet”. | Neuerungsvertrag |
Der
– wie er auch genannt wird – außergerichtliche oder bürgerliche
Vergleich schafft also einen neuen Rechtsgrund; GlU 9840
(1884) uam. – Aber nicht alles, was als Vergleich bezeichnet wird, ist
ein Neuerungsvertrag. Die Rspr betont, dass der Vergleich nur dann
Neuerungsvertrag ist, wenn damit eine neue Rechtsgrundlage geschaffen
und ein Zurückgreifen auf das ursprüngliche Rechtsverhältnis ausgeschlossen
werden soll; EvBl 1975/240 = JBl 1976, 148. | Schafft neue Rechtsgrundlage |
Anders als die
bloße Novation setzt die Gültigkeit eines Vergleichs nicht voraus,
dass ein gültiges Grundgeschäft vorgelegen hat. Der Vergleich ist
demnach nicht akzessorisch. Der Vergleich geht eben
oft geradezu davon aus, dass das Grundgeschäft – oder doch Teile
davon – unsicher oder zweifelhaft ist. Bestand kein (gültiges) Grundgeschäft,
behält der Vergleich daher dennoch seine Wirkung; sog rechtsgestaltende
Wirkung des aussergerichtlichen Vergleichs: EvBl 1955/379 (strittige
Forderung). | Nicht akzessorisch |
Inhaltlich werden mit dem
Vergleich „streitige, oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt.., dass
jede Partei sich wechselseitig etwas geben, zu tun, oder zu unterlassen
verbindet” (= verpflichtet); man spricht von Bereinigungs- oder
Klarstellungswirkung des Vergleichs. Es geht dabei immer um ein
wechselseitiges Nachgeben beider (!) Vertragsteile. Anders ist das
beim Anerkenntnis → Das
Anerkenntnis – Nach der Rspr liegt das Wesen des Vergleichs
darin, „dass die Parteien an die Stelle einer streitigen oder zweifelhaften
Verbindlichkeit eine feststehende setzen”; MietSlg 35.262 (1983). | Bereinigungs-
oder Klarstellungswirkung |
Der
Vergleich – zum Teil gilt dies auch für das Anerkenntnis – stellt
ein hervorragendes Rechtsinstrument der außergerichtlichen Streitbereinigung
dar. Nur muss es adäquat eingesetzt werden, was psychologisches
Einfühlungsvermögen voraussetzt. Mediationsergebnisse können
auf diese Weise rechtlich abgesichert werden. | Instrument außergerichtlicher Streitbereinigung |
Nicht alle rechtlichen Zweifelsfragen
können aber durch Vergleich bereinigt werden. Das Gesetz selbst
bringt Beispiele, worüber kein gültiger Vergleich geschlossen werden
kann. Wie die folgenden Beispiele zeigen, handelt es sich um „Fälle”
an deren Gestaltung ein öffentliches Interesse besteht, weshalb
der privatautonomen Gestaltung Grenzen gesetzt werden, nämlich: | Grenzen
privatautonomer Gestaltung |
•
§ 1382 ABGB: Streit über die Gültigkeit
einer Ehe; | |
•
§ 1383 ABGB: oder „über den Inhalt einer letzten
Anordnung ... vor deren Bekanntmachung”; | |
•
§ 1384 ABGB: oder über strafbare Handlungen;
vgl aber § 167 Abs 2 Z 2 StGB: tätige Reue und sog Privatanklagedelikte. | |
• Auch zwingende gesetzliche Vorschriften wie
der Kündigungsschutz nach dem MRG können durch Vergleich nicht umgangen
werden; MietSlg 30.253 (1978). | |
| |
§
1381 ABGB grenzt den Vergleich vom (Schuld)Erlass ab.
Beim Erlass wird ein unstreitiges (Vergleich = streitig!) und unzweifelhaft
(Vergleich = zweifelhaft!) bestehendes Recht unentgeltlich (Vergleich
= entgeltlich!) erlassen. | Abgrenzung des Vergleichs vom (Schuld)Erlass |
Die Rechtsnatur des
(Schuld)Erlasses ist aber selbst strittig. Für manche ist er Vertrag,
nämlich Schenkung (vgl § 939 ABGB), für andere (als Verzicht) bloß
ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Streit ist überflüssig: Schenkung
braucht Annahme, einseitiger Erlass (als Verzicht dagegen) nicht; §
939 ABGB. | |
Als Neuerungsvertrag wirkt der Vergleich konstitutiv,
dh er schafft eine neue Rechts(grund)lage, ein neues Titelgeschäft
/ causa. – Anders als bei der Novation bleiben aber beim Vergleich
Bürgen und Pfänder (also Nebenrechte und Sicherungen) grundsätzlich
aufrecht, soweit dadurch keine Haftungserweiterung eintritt. Dem
Schuldner bleiben auch alle Einwendungen gegen den Gläubiger erhalten;
§ 1390 ABGB. | |
Als Vertrag wird der Vergleich formlos,
also auch bloß mündlich, geschlossen. Ist aber das, worüber verglichen
werden soll formbedürftig (zB die Verpflichtungserklärung des Bürgen
nach
§ 1346 Abs 2 ABGB), unterliegt auch der Vergleich insofern der Formpflicht. | |
Ein Vergleich
will „streitige oder zweifelhafte Rechte” klären und soll daher
nicht wieder ohne weiteres, insbesondere nicht im selben Ausmaß
angefochten werden können wie andere Verträge; zB wegen Irrtums.
– § 1385 ABGB bestimmt daher, dass ein (unterlaufener) Irrtum einen
geschlossenen Vergleich „nur insoweit ungültig machen” kann, als
er die „Wesenheit der Person, oder des Gegenstandes”, also der Vergleichsbasis (Gschnitzer)
betrifft; dh jene Punkte, die die Parteien als feststehend und gerade
nicht als strittig oder zweifelhaft betrachtet haben. (Zum Wegfall
/ Störung der Geschäftsgrundlage → KAPITEL 5: Störung
oder Wegfall
der Geschäftsgrundlage.)
Das Gesetz selbst (§ 1385 ABGB) nennt dafür Beispiele: | |
•
Irrtum in
der Person (des Vergleichspartners) oder | |
•
Irrtum im Vergleichsgegenstand. | |
Ein Vergleich
kann daher nicht wegen einer Verletzung über die Hälfte angefochten
werden
(§ 1386 ABGB) → Verkürzung
über die Hälfte – „Ebenso wenig können neu gefundene Urkunden,
wenn sie auch den gänzlichen Mangel eines Rechtes auf Seite einer
Partei entdecken, einen redlich eingegangenen Vergleich entkräften”;
§ 1387 ABGB. Betrug und Täuschung können
aber immer geltend gemacht werden; § 1389 iVm §§ 1386, 1387 ABGB:
„redlich errichtet” oder „eingegangen”. Rechenfehler schaden
nach § 1388 ABGB aber niemanden. | |
| |
| Typische Anwendungsfälle des außergerichtlichen Vergleichs |
|
DRdA 1991, 470:
Bereinigung offener, strittiger
Punkte bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. | |
|
|
EvBl 1993/24:
Eine sog Generalbereinigung ist
ein Vergleich;. Hier ging es um die Bereinigung von Differenzen
zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer. – Die Entlastung
nach § 35 Abs 1 GmbHG ist eine einseitige Erklärung der GmbH, mit
der diese ihre/n Geschäftsführer von Schadenersatzansprüchen befreit,
die aus Verstößen derselben erwachsen können. Die Entlastung ähnelt
in ihrer Wirkung dem Verzicht auf Ersatzansprüche oder dem Anerkenntnis
des Nichtbestehens solcher Ansprüche. – Die Generalbereinigung,
als Vergleich, geht aber darüber hinaus und enthält auch den Verzicht
auf bislang nicht erkennbare Ersatzansprüche. Aber auch eine Generalbereinigung
erstreckt sich nicht, wie jeder andere Vergleich, auf Rechte, die
verheimlicht worden sind oder an welche die Parteien nicht denken
konnten; also einen Irrtum über die Vergleichsbasis! | |
|
|
RZ 1979/89 = EFSlg
33.839 oder EvBl 2000/68: Dem Unterhaltsvergleich wohnt
die Umstandsklausel inne → KAPITEL 6: Vorvertrag
und Umstandsklausel:
Vergleichsweise
Regelung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung (Unterhaltsvergleich). | |
|
|
Bedeutsam ist
der (außergerichtliche) Vergleich im Versicherungsrecht.
– Um Zivilprozesse zu vermeiden, schließen Versicherungen mit Geschädigten
sog Abfindungsvereinbarungen mit denen bestehende Ansprüche generell
und endgültig geklärt – eben abgefunden – werden sollen. Dabei besteht
– wie die Praxis zeigt – die Gefahr, dass Versicherer anspruchsberechtigte
Personen übervorteilen, indem sie versuchen, in Abfindungserklärungen
gegenwärtig noch gar nicht absehbare, also unvorhersehbare und später eintretende
Schäden selbst von außergewöhnlichem Umfang miteinzubeziehen, was
ein späteres Geltendmachen dieser Ansprüche vereiteln soll. Das
spielt im Kfz-Schadensrecht ebenso eine Rolle wie bei Personenschäden
aus Verkehrsunfällen oder medizinischen Behandlungsfehlern. Der
OGH (bspw 2 Ob 130/97z: E 10.7.1997) hält derartige Vergleiche dann
für sittenwidrig, wenn Abfindungsklauseln unvorhersehbare Schäden
von außergewöhnlichem Umfang erfassen und die Abfindungssumme nur
auf der Basis der bekannten Schäden berechnet wurde; vgl ecolex
1997, 917 = RZ 1998/27 = ZVR 1998/8 = JBl 1998, 38. | |
|
|
EvBl
1991/25: Auch der außergerichtliche Ausgleich ist
Vergleich. Bei ihm verzichten die Gläubiger auf den die Ausgleichsquote
übersteigenden Schuldrest. Im Gegensatz zum gesetzlichen / gerichtlichen
Ausgleich ( → KAPITEL 19: Das Ausgleichsverfahren) entsteht für die Restschuld keine Naturalobligation → Schuld
und Haftung – Naturalobligationen
| |
|
|
OGH 23. 11. 2000,
6 Ob 271/00t, EvBl 2001/78:Der Kläger vermietet an den Beklagten
ein Forsthaus, benützt es aber weiter. Das Bestandobjekt
war in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Zwischen den Parteien waren
im Zusammenhang mit dem Bestandverhältnis zahlreiche Prozesse anhängig,
welche durch einen Generalvergleich beigelegt werden sollten. Dabei
ist eine Partei durch einen Sachwalter vertreten. Diese ficht den
Vergleich später wegen Irrtums mit dem Argument an sie habe auf
Grund extremen psychischen Stresses den Vergleich nicht richtig
verstanden. – OGH zur Irrtumsanfechtung bei Geschäften, bei denen ein
Stellvertreter tätig wird: Grundsätzlich ist ein Irrtum des Vertretenen
nicht kausal; es sei denn dieser Irrtum hätte sich in einer Weisung
an den Stellvertreter ausgewirkt. | |
|
|
OGH 26. 7. 2000,
7 Ob 165/00s, JBl 2001, 179: Schriftlicher Kaufvertrag enthält Schiedgerichtsklausel. Ein
Vertragspartner beruft sich darauf auch nach abgeschlossenem Vergleich.
– OGH: Novationswirkung des Vergleichs besteht nur bei Änderung
des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes. Da im konkreten Fall
eine solche Änderung nicht vorlag, blieb das alte Schuldverhältnis
bestehen; der Einwand der Unzuständigkeit des ordentlichen Gerichtes
wegen Weiterbestand der Schiedsgerichtsklausel besteht daher zurecht. | |
|
| Räumungsvergleich |
Das Verfahrensrecht kennt den gerichtlichen
Vergleich; § 204 ZPO. Er wird von der Rspr als prozessrechtlicher
Vertrag verstanden, der ein Verfahren bedingt oder unbedingt beendet
oder doch Streitpunkte klärt. Der gerichtliche Vergleich ersetzt
das streitige Urteil und ist als sog Urteilssurrogat nach § 1 Z
5, 11 und 16 EO Exekutionstitel. – Die Praxis erblickt im gerichtlichen
Vergleich sowohl eine (verfahrensbeendende) Prozesshandlung, als
auch einen zivilrechtlichen Vertrag; sog Doppelnatur des gerichtlichen
Vergleichs. | Gerichtlicher
Vergleich |
Der gerichtliche Vergleich stellt (gleichsam)
die letzte Chance für die Streitparteien dar, den Streit durch privatautonome
Vereinbarung zu beenden, das heißt ohne richterliches Urteil. –
Der gerichtliche Vergleich ist in der Praxis beliebt und beendet
viele streitige Zivilverfahren. Parteien schließen Vergleiche auch
oft (bloß) deshalb, um einer nach außen imageschädigenden Verurteilung
zu entgehen, die mit langen Prozessen verbunden sein kann. | |
| |
Auch
das Anerkenntnis ist ein Fall der Novation. Es ist dem Vergleich
verwandt, zumal es ebenfalls dazu dient, streitige oder unklare
Rechte oder Tatsachen zu bereinigen. Anders als beim Vergleich kommt
es zum Anerkenntnis aber nicht durch beiderseitiges Nachgeben, sondern
bloß durch einseitiges; EvBl 1974/4: Zum Begriff des echten oder
konstitutiven Anerkenntnisses. Sinnvollerweise könnte daher einseitige
(zugangsbedürftige) Erklärung hinreichen; str (Gschnitzer!). Die Rspr
erblickt im Anerkenntnis aber einen Feststellungsvertrag. | |
Das Anerkenntnis
besitzt rechtsgestaltende Wirkung und schafft einen neuen
Rechtsgrund. – Das echte Anerkenntnis stellt ein vom Gläubiger
behauptetes und bislang vom Schuldner angezweifeltes Recht außer
Streit und schafft dadurch eine neue selbständige Verpflichtung;
SZ 51/176 (1978): Abgrenzung von Schuldbekenntnis und konstitutivem
Anerkenntnis. Der Gläubiger kann sich daher künftig auf das Anerkenntnis
stützen und muss nicht auf den früheren (strittigen) Rechts- oder
Schuldgrund zurückgreifen. | Neuer Rechtsgrund |
In
Bezug auf Nebenrechte (Sicherungen) lässt man diese,
anders als bei der Novation, aber wie beim Vergleich, grundsätzlich
weiterbestehen. – Auch für die Anfechtung von
Anerkenntnissen gelten die Voraussetzungen des Vergleichs; also
nur erschwerte Anfechtungsmöglichkeit. | Nebenrechte |
Auch Anerkenntnisse können iSd § 863 ABGB konkludent
/ stillschweigend erfolgen, was aber – wie das Gesetz ausführt –
nicht leichtfertig angenommen werden darf. | |
Die Hauptbedeutung des
Anerkenntnisses liegt: | Vorkommen |
•
im Familienrecht (Vaterschaftsanerkenntnis;
§§ 163b ff ABGB) und | |
•
Erbrecht;
vgl § 665 ABGB (Schuldvermächtnis); | |
•
aber es kommt auch im Schuldrecht vor,
ist hier aber gesetzlich nicht geregelt. | |
Das Prozessrecht kennt
das Anerkenntnisurteil; § 395 und § 45 ZPO. | |
„Anerkenntnis” Echtes oder konstitutives Anerkenntnis | Geständnis oder deklaratives Anerkenntnis |
= Willenserklärung (enthält
zB ein Zahlungsversprechen)
- bezieht sich nach
hA auf: Rechtsgeschäfte, Verträge, Rechte oder Pflichten
= nicht widerlegbar
und widerrufbar
- aber (wenn auch
wie derVergleich erschwert) anfechtbar
-
schafft einen neuen Rechtsgrund / causa
- nach der Rspr: Feststellungsvertrag; aber auch Deutung
als einseitige Erklärung möglich (Gschnitzer)
|
= Willenserklärung; bloße
Aussage
- bezieht sich in der Regel auf Tatsachen*;
aber auch Rechtsgeständnisse
= widerlegbar
und widerrufbar
- /
- schafft keinen neuen Rechtsgrund, bewirkt aber
~ Beweislastverschiebung im Prozess; Schuldner
hat Nichtbestand der Forderung durch Widerlegung des Anerkenntnisses
zu beweisen
- ist einseitige (Wissens)Erklärung
|
| |
* Das Geständnis kann
wiederum Tatsachen- (Geständnis ieS) oder Rechts geständnis
(auch unechtes Anerkenntnis genannt) sein. – Im Ausstellen eines Schuldscheines,
einer Quittung oder in der Bitte um Stundung wird
gleichzeitig ein (einseitiges) Rechtsgeständnis erblickt, weil damit
mittelbar auch der Bestand des Rechtsverhältnisses bestätigt / anerkannt
wird. | |
|
OGH 27. 4. 2001,
1 Ob 27/01d (verst Senat), JBl 2001, 593: Verbraucher erhebt keine
Einsprüche gegen vierteljährliche Kontoauszüge samt
Rechtsbelehrung. – OGH: Das Saldoanerkenntnis nach
AGBKr hat im Regelfall nur deklarative Wirkung. Konstitutiv wirkt
es nur bei konkreter Streitbereinigungsabsicht, dh wenn im konkreten
Fall ein ernstlicher Streit oder Zweifel beigelegt werden soll. | |
|
Das Geständnis ist
deklaratorisches Anerkenntnis: Vom echten oder konstitutiven Anerkenntnis, das
einen neuen und selbständigen Rechtsgrund schafft, ist das bloß deklaratorische Anerkenntnis oder
Geständnis zu unterscheiden. – Nicht immer ist einfach festzustellen,
ob ein konstitutives oder bloß deklaratorisches Anerkenntnis vorliegt.
Dies ist durch rechtsgeschäftliche Auslegung zu ermitteln; §§ 914,
915 ABGB. | Geständnis |
| |
VII. Teilbarkeit
oder Unteilbarkeit der Leistung: Teil- oder Gesamtschuldverhältnis | |
1. Mehrheit
von Berechtigten und Verpflichteten | |
Auf beiden Seiten
einesSchuldverhältnisses, also auf Gläubiger- und
Schuldnerseite, können mehrere Personen stehen. Je nachdem liegt Gläubiger-
oder Schuldnermehrheit vor; vgl § 888 ABGB: | |
„Wenn zwei oder mehrere Personen jemanden
eben dasselbe Recht zu einer Sache versprechen, oder es von ihm annehmen;
so wird sowohl die Forderung, als die Schuld nach den Grundsätzen
der Gemeinschaft des Eigentumes [§§ 825 ff ABGB] geteilt.” | |
Für die
rechtliche Behandlung dieser Konstellation macht es einen Unterschied,
ob die Leistung der einen oder/und der anderen
Seite teilbar ist oder nicht.
– Die Frage der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit einer Leistung kommt
im praktischen Rechtsleben häufig vor und stellt sich nicht nur
für körperliche, sondern auch für unkörperliche Sachen insbesondere
auch Dienstleistungen und Rechte. | Teilbarkeit der Leistung? |
| |
| |
Eine teilbare Leistung
(zB Geld), die mehreren geschuldet wird (Gläubigermehrheit), gilt
grundsätzlich als geteilt; dh jeder (Mit)Gläubiger kann
vom Schuldner nur seinen (An)Teil fordern. – Entsprechendes gilt,
wenn bei teilbarer Leistung mehrere (Mit)Schuldner vorhanden
sind (Schuldnermehrheit); hier schuldet jeder (Mit)Schuldner dem
Gläubiger nur seinen (An)Teil; vgl §§ 888, 889 ABGB. | |
Diese
Unterscheidung, ob nämlich bei mehreren Schuldnern jeder nur für
seinen Teil haftet oder – wie idF ausgeführt – ein Gesamtschuldverhältnis
mit sog Solidarhaftung (dh: „einer [haftet] für alle,
alle [haften] für einen”) anzunehmen ist, ist von praktischer Bedeutung. | Solidarhaftung |
Die Solidarhaftung besitzt auch im bürgerlichen
Recht in allen möglichen Zusammenhangen Bedeutung, wie das Beispiel
der folgenden E verdeutlichen mag. | |
|
OGH 5. 7. 2001,
6 Ob 315/00t, JBl 202, 40: Ein Mann trennt sich von seiner Frau
und nimmt eine außereheliche Beziehung zu einer anderen Frau auf.
Ehefrau wusste von ehewidrigem Verhältnis und beauftragte Detektivbüro
zur Beweissicherung. Die Detektivkosten will sie
von der Freundin des Mannes einklagen. – OGH: Die sonst von der
Rspr bejahte solidarische Haftung des Ehestörers mit dem
Ehepartner für Detektivkosten scheidet aus, wenn der betrogene
Ehegatte mit der Überwachung nur das Interesse an der Beweissicherung
für ein Ehescheidungsverfahren verfolgt; dh wenn keine Unsicherheit
über die Tatsache der außerehelichen Beziehung selbst besteht. | |
|
Im Zweifel wird
im bürgerlichen Recht Teilbarkeit angenommen; „im
Zweifel” meint: wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben
(EvBl 1961/305) oder sich aus der Natur der Leistung nichts anderes
ergibt. – Teilbar sind etwa Schadenersatzansprüche in Geld; SZ 41/82
(1968) oder JBl 1979, 88. | Bürgerliches
Recht nimmt im Zweifel Teilbarkeit an |
Diese Lösung ist für Schuldner wesentlich
günstiger, weil das Haftungsrisiko deutlich geringer ist. Die unterschiedlichen
Lösungen des bürgerlichen und Handelsrechts offenbaren die größere
Strenge des Handelsrechts, was sich nicht nur in dieser Frage zeigt. | |
| |
Gegenteilig
die Regelung des Handelsrechts (Art 8 Nr 1 EVHGB):
„Verpflichten sich mehrere [Kaufleute] durch Vertrag gemeinschaftlich
zu einer teilbaren Leistung, so haften sie im Zweifel als Gesamtschuldner.” | Anders das Handelsrecht |
3. Unteilbare Leistung:
§§ 890 ff ABGB | |
Genau umgekehrt
verhält es sich bei einer unteilbaren Leistung, wenn auf Schuldner-
oder Gläubigerseite mehre Parteien stehen. | |
| |
Das Schuldverhältnis kann also
auch so ausgestaltet sein, dass jeder einzelne Gläubiger die ganze Leistung
zu fordern berechtigt ist oder jeder einzelne Schuldner die ganze
Leistung schuldet. In einem solchen Fall sind alle Gläubiger befriedigt,
wenn einer von ihnen die (ganze) Leistung erhalten hat und auf der
anderen Seite werden alle Schuldner von ihrer Leistungspflicht befreit, wenn
(auch nur) ein Schuldner vollständig geleistet hat. – Man spricht
in diesem Fall von Gesamt- oder Solidarschuld und Gesamtforderung.
Vgl aber die Kautelen des § 890 ABGB. | Solidarschuld
und Gesamtforderung |
4. Gesamtschuld-
und Gesamtforderung | |
§ 891 ABGBumschreibt
die Gesamt- oder Solidarschuld,
auch Korrealität (vgl die Überschrift von § 891 ABGB) genannt: | |
„Versprechen
mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur ungeteilten Hand dergestalt,
dass sich einer für alle, und alle für einen ausdrücklich
verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt
dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern
das Ganze, oder nach von ihm gewählten Anteilen; oder ob er es von
einem einzigen fordern wolle.” | |
Neben der vertraglichen Entstehung einer
Solidar- oder Gesamtschuld (zB im Falle eines Schuldbeitritts: §
1347 ABGB → KAPITEL 14: Der
Schuldbeitritt) gibt es auch zahlreiche gesetzliche
Entstehungsgründe. | Vertragliche
und gesetzliche
Entstehungsgründe |
ZB nach den §§ 1301, 1302 ABGB:
Zufügen eines Schadens durch mehrere Teilnehmer; etwa der Mitglieder
des Vorstands oder Aufsichtsrats einer AktGes nach § 100 AktG oder
einer GmbH nach §§ 10 Abs 4, § 25 Abs 2, § 33 Abs 2, § 56 Abs 3
etc GmbHG; oder nach § 17 UWG bei unlauterem Wettbewerb, Eingriffen
in ein Patentrecht
(§ 153 PatG), ins Urheberrecht (§ 89 UrhG), aber auch insbesondere
nach § 5 Abs 2, 8 und 11 EKHG (mehrere Kfz-Halter) → KAPITEL 9: Halterbegriff oder
§ 128 HGB (Verbindlichkeiten der OHG) oder nach §§ 28 Abs 6 und
30 GebG für Gebühren von Rechtsgeschäften; so haften Vermieter und
Mieter solidarisch (gegenüber dem Finanzamt) für zu entrichtende
Gebühren. | |
Hat bei einer Gesamt- oder Solidarschuld
ein Schuldner die gesamte Leistung erbracht oder doch mehr als seinem
Anteil entspricht geleistet, so steht ihm gegen seine Mitschuldner nach
§ 896 ABGB ein entsprechendes Rückgriffs- oder Regressrecht zu. | Rückgriffsrecht
von Mitschuldnern |
| |
|
OGH 14.. 1999,
4 Ob 306/99z, EvBl 2000/105: Einer von mehreren Solidarschuldnern
bringt Garantie bei; der Interzedent wird bei Fälligkeit
in Anspruch genommen. – OGH lässt Garantie eines Solidarschuldners
iSd hM für alle wirken. Daraus ergibt sich nach Inanspruchnahme
des Garanten ein Regressanspruch nach § 1358 ABGB gegen die übrigen
Solidarschuldner. | |
|
| |
Zu den genannten kommt
eine weitere Gestaltungsmöglichkeit des Schuldverhältnisses hinzu:
Bei der Gesamthandschuld oder Gesamthandforderung können
überhaupt nur alle Schuldner gemeinsam leisten und nur alle Gläubiger
gemeinsam die Leistung / Erfüllung fordern; vgl § 890 ABGB. | |
| |
| |
Zur Wiederholung: | |
| Abbildung 7.39: Teil- oder Gesamtschuldverhältnis |
|
| Abbildung 7.40: Gläubiger- oder Schuldnermehrheit (1) |
|
| Abbildung 7.41: Gläubiger- oder Schuldnermehrheit (2) |
|
| Abbildung 7.42: Gläubiger- oder Schuldnermehrheit (3) |
|
| Abbildung 7.43: §§ 890 ff ABGB |
|
B. Die
Leistungsstörungen |
Wurde
die Leistung (sowie Zeit und Ort ihrer Erbringung – wie auch immer)
bestimmt und erbringt die leistungspflichtige Partei (Schuldner)
die so bestimmte Leistung dennoch nicht oder nicht korrekt, liegt
eine Leistungs-Störung vor. Die
Leistung wird dabei entweder überhaupt nicht oder doch
nicht so wie vereinbart oder üblich erbracht;
je nachdem spricht man von Nichterfüllung / Verzug oder Schlechterfüllung
/ Gewährleistung. | |
Gschnitzer (SchRAT
2 79)
formuliert daher: „Unter Leistungsstörung versteht man Mängel
in der Abwicklung des richtig zustande gekommenen Schuldverhältnisses –
zum Unterschied von Mängeln im Entstehungsakt, also in der Wurzel,
zB Wucher, Irrtum; sie scheiden hier aus und gehören in die Lehre
vom Rechtsgeschäft.” | |
Das kommt immer wieder
vor, unverschuldet oder verschuldet, wenngleich die Leistungsstörungen grundsätzlich
kein Verschulden voraussetzen, sondern – wie man sagt – objektiv
konzipiert sind; mehr dazu bei den einzelnen Leistungsstörungen. | Leistungsstörungen
setzen kein Verschulden voraus |
Der Problemkreis der Leistungsstörungen ist
von größter praktischer Bedeutung. Täglich geraten tausende Schuldner
und Gläubiger in Verzug oder erfüllen mangelhaft / schlecht. – Leistungsstörungen
spielen für Kaufleute wie Konsumenten / Verbraucher eine wichtige
Rolle. Rechtliche Regeln für diese Lebenssachverhalte sind daher
nötig. | Praktische
Bedeutung |
Die folgenden Folien grenzen einerseits die
Leistungsstörungen, auch Mängel in der Abwicklung genannt, von den Mängeln
in der Wurzel, also solchen bei der Entstehung von Rechtsgeschäften,
ab und geben einen ersten Überblick über die Arten der Leistungsstörungen. | |
| Abbildung 7.44: Mängel von Rechtsgeschäften |
|
| Abbildung 7.45: Leistungsstörungen: Überblick |
|
| |
Als praktisch bedeutsamere Verzugsvariante
wird der Schuldnerverzug zuerst behandelt. | |
1. Objektiver
(dh nicht verschuldeter) Verzug | |
Eine
Legaldefinition bringt § 918 Abs 1 ABGB: „Wenn ein entgeltlicher
Vertrag von einem Teil entweder nicht •
zur gehörigen Zeit, | | •
am gehörigen Ort oder | | •
auf die bedungene Weise erfüllt
wird”, | |
| § 918 ABGB |
gerät dieser Vertragsteil
in (Schuldner)Verzug. – Der Verkäufer liefert zB nicht wie versprochen
am 9. November; oder: die Käuferin zahlt nicht wie gesetzlich vorgesehen
oder vertraglich versprochen bei Übergabe der Ware. – Es genügt,
um Verzug eintreten zu lassen, dass die Leistung objektiv nicht
korrekt iSd § 918 ABGB erbracht wird; mag das deshalb sein, weil
der Schuldner vergessen hat oder weil er die Leistung nicht erbringen
kann, weil er zB die nötigen Vorbereitungen nicht getroffen hat
oder weil er selbst von seinen Zulieferern im Stich gelassen wurde;
so der instruktive Sachverhalt von SZ 22/6: Küchenmesser → Entscheidungsbeispiele
zum Verzug Aber
auch wer die Leistung nicht erbringt, weil er (als Schuldner) krank
war oder weil ihn ein Unwetter oder sogar eine Naturkatastrophe
(zB Hochwasser) daran gehindert hat, gerät in Verzug! – Das erscheint
auf den ersten Blick ungerecht und unannehmbar. Eine nähere Betrachtung
zeigt uns jedoch, dass auch diese Regelung (gerade im Hinblick auf
Praktikabilität und Gerechtigkeitsüberlegungen) ihren Sinn hat.
Dazu gleich mehr. | |
Vorbild für die Legaldefinition des Schuldnerverzugs
in § 918 ABGB, der durch die III. TN neu gefasst wurde, war der
zum Urbestand des ABGB gehörende § 1047 (Tausch), wo es heißt: „…
zur rechten Zeit, am gehörigen Ort und in eben dem Zustand, in welchem
sie sich bei Schließung des Vertrages befunden haben, …” | |
Die §§
1333, 1334 +aF ABGB fassten die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs
objektiv als „Verzögerung der bedungenen Zahlung” (§ 1333 ABGB);
und § 1334 ABGB formulierte in derselben Richtung: | Voraussetzungen
des Schuldnerverzugs |
„Eine Verzögerung fällt einem Schuldner
überhaupt [! = objektive Umschreibung] zur Last, ...”. | |
Das österreichische
Privatrecht setzt also für den Eintritt des Verzugs kein Verschulden
(iSv persönlich vorwerfbarem Verhalten) des Schuldners für die Nichterfüllung
voraus! – Ein Schuldner gerät vielmehr auch dann in Verzug, wenn
ihn persönlich kein Vorwurf am Nichterbringen der Leistung trifft. | |
Die Situierung der §§ 1333, 1334 aF ABGB (durch
Zeiller) im Schadenersatzrecht hat die Akzeptanz eines objektiven
(Schuldner)Verzugs verzögert und unsicher gemacht; | |
Die Situierung dieser Regeln im ABGB macht aber
auch deutlich, dass die Schuldnerverzugsregeln der §§ 1333, 1334
aF ABGB für alle Arten von Verträgen – also auch unentgeltliche
und entgeltfremde – gelten, während § 918 ABGB nur auf entgeltliche
Verträge Anwendung findet. | |
Das dtBGB trifft auch nach der Schuldrechtsreform eine andere
Lösung und bestimmt in seinem § 286: „Der Schuldner kommt nicht
in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt,
den er nicht zu vertreten hat.” – Die österreichische Lösung verdient
als einfachere und praktikablere den Vorzug. Ob sich unser Verständnis
europäisieren lässt, erscheint aber fraglich. | |
| |
Die gemeinsame Marginalrubrik der durch BGBl
I 2002/118 (in Geltung ab 1.8.2002) geänderten Bestimmungen lautet
nunmehr: | Neufassung der
§§ 1333-1335 ABGB |
„Besonders durch die Verzögerung der Zahlung.
– Gesetzliche Zinsen und weitere Schäden”. | |
Dadurch
wird kaum (mehr) Klarheit geschaffen. Zunächst ist in der Marginalrubrik
und in
§ 1333 ABGB von „Schaden” die Rede und Schaden setzt grundsätzlich
Verschulden voraus. Auf der anderen Seite wird im Text das Verschulden
als Zurechnungsvoraussetzung von Verzugsschäden nicht erwähnt. – Auszugehen ist deshalb
davon, dass die bisherige objektive Fassung des Verzugs durch
die Neuregelung nicht geändert werden sollte; arg § 1333 Abs 1 ABGB:
„Verzögerung der Zahlung” iVm Abs 3, der den Ersatz „verschuldeter
… Schäden” gesondert regelt. | Weiterhin objektive Fassung des Verzugs |
•
Rechtsfolgen
des § 1333 ABGBNach § 1333 Abs 1 ABGB ist der Schaden „den der Schuldner
seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung seiner
Geldforderung zugefügt [! nicht verschuldet] hat, ... durch
die gesetzlichen Zinsen ... vergütet“. Die gesetzlichen
(Verzugs)Zinsen nach § 1333 Abs 1 ABGB betragen für Nicht-Kaufleute gemäß
§ 1000 Abs 1 ABGB 4% jährlich. – Nach § 1333 Abs
2 ABGB betragen die gesetzlichen Verzugszinsen „zwischen
Unternehmern aus unternehmerischen Geschäften” (= zweiseitige
Handelsgeschäfte) 8% „über dem Basiszinssatz” (d.s.
dzt insgesamt: 10,2 %); dazu Abs 2 Satz 2 leg cit. | |
•
§
1333 Abs 3 ABGB bestimmt, dass der Gläubiger „außer den gesetzlichen
Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner
verschuldeter” Schäden geltend machen kann; insbesondere die
notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher
Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen können
verlangt werden „soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur
betriebenen Forderung stehen”. | Ersatz verschuldeter Schäden |
Die Höhe der Verzugszinsen nach § 1333 Abs
2 ABGB beinhalten nunmehr für Kaufleute eine Pönalisierung und bedeuten
eine Verteuerung, was schon in der RL-Vorgabe beabsichtigt war.
Durch Abs 3 werden nunmehr Inkassobüros gefördert. | |
Die Abfolge der §§ 1333, 1334 ABGB stellt
die „Lehre vom Rechtssatz“ (Kap 11......) auf den Kopf: § 1333 stellt
die Rechtsfolge voran und lässt mit § 1334 ABGB die Tatbestandsvoraussetzungen
folgen. | Tatbestandsvoraussetzungen des Schuldnerverzugs:
§ 1334 ABGB |
§
1334 ABGB nF hat das „überhaupt” der Vorfassung gestrichen,
womit nichts gewonnen, allenfalls aber Unklarheit gefördert wurde.
Unsere Bestimmung lautet nunmehr: | |
„Eine Verzögerung fällt einem Schuldner
zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht
einhält. Sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben, hat
der Schuldner seine Leistung bei vertragsgemäßer Erbringung der
Gegenleistung ohne unnötigen Aufschub nach der Erfüllung durch den
Gläubiger oder, wenn die Parteien ein solches Verfahren vereinbart
haben, nach der Abnahme oder Überprüfung der Leistung des Gläubigers
oder, wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht feststeht, nach
dem Eingang der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung
zu erbringen. Ist die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, so trägt
der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach
dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht
mit dem Gläubiger abgefunden hat.” | |
Der Schuldner
hat seine Leistung nunmehr (bei vertragsgemässer Erbringung der
Gegenleistung), sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben,
zu erbringen: | Wann
hat der Schuldner seine Leistung zu erbringen? |
• „ohne unnötigen
Aufschub nach der Erfüllung durch den Gläubiger” oder | |
• nach der Abnahme oder Überprüfung der
Leistung des Gläubigers oder, | |
• wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht
feststeht, nach dem Eingang der Rechnung oder | |
• einer
gleichwertigen
Zahlungsaufforderung. | |
•
Als letzte Möglichkeit sieht § 1334 ABGB die
schon bisher hier geregelte (Ein)Mahnung vor; vgl
auch § 1417 ABGB. | |
Wie bisher kann zum objektiven Verzug Verschulden
(= subjektiver Verzug) hinzutreten, dann treffen
den Schuldner neben den objektiven Verzugsfolgen des § 1333 Abs
1 und 2 ABGB auch noch die Schadenersatzpflichten des § 1333 Abs
3 ABGB. Schadenersatz setzt grundsätzlich Verschulden voraus → KAPITEL 9: Die
Schadenersatzvoraussetzungen. | Verschuldeter
Verzug |
|
Beispiele
für subjektiven Verzug: | |
|
|
EvBl
1993/15 – Prozessführung als Verschulden: „Die
Rechtsausführungen des Berufungsgerichts bezüglich der Schadenersatzpflicht
des säumigen Vertragspartners sind grundsätzlich richtig. Den Ersatz eines
über die gesetzlichen Zinsen hinausgehenden Nachteils der nicht
rechtzeitigen Zahlung setzt auf jeden Fall einen schuldhaften Zahlungsverzug
voraus; hiebei hat der säumige Schuldner nach § 1298 [ABGB] den
Beweis zu erbringen, dass ihn kein Verschulden trifft .... Im Hinblick
auf die schuldhafte Nichtzahlung des Kaufpreises haftet der Beklagte
dem Kläger für alle durch ihre Unterlassung verursachten adäquaten
Schäden. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, dass es sich
bei der Geltendmachung der Kreditzinsen um einen Verzögerungsschaden
handelt. Ein solcher Schaden wird im allgemeinen durch die gesetzlichen
Verzugszinsen vergütet; bei schuldhaftem Verzug ist jedoch die
Geltendmachung höherer Ansprüche möglich. [!] Über die
gesetzlichen oder vertraglichen Verzugszinsen hinausgehende Zinsennachteile
sind [wirklicher oder] positiver Schaden, daher auch bei Verschulden
zu ersetzen .... Es ist ... von einem grob fahrlässigen Verzug der
Beklagten auszugehen. Die Beklagte hat daher dem Kläger die Zinsen
für einen Kredit zu ersetzen, der zur Abwendung der durch die Nichtzahlung
des Kaufpreises drohenden Schäden aufgenommen worden ist.” | |
|
|
JBl
1999, 470: Verzinsung des Schadenersatzanspruchs (§
1333 aF ABGB): Ein die gesetzlichen Zinsen übersteigender Ersatz
von Kreditzinsen gebührt dem Geschädigten bei verschuldetem Verzug
des Schädigers mit der Ersatzleistung auch dann, wenn der Geschädigte
den Schaden noch nicht behoben hat. (Das gilt wegen des Ausschlusses
fiktiver Reparaturkosten [ → KAPITEL 9: Fiktive
Reparaturkosten]
nur dann nicht, wenn feststeht, dass eine Schadensbehebung überhaupt
unterbleiben wird.) | |
|
Objektiv wurde
der Verzug (im Rahmen der III. TN 1916) deshalb ausgestaltet, weil
andernfalls Ausreden und dadurch Unsicherheiten des Geschäftsverkehrs
Tür und Tor geöffnet würde. Verkehrssicherheit –
also Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs – ist aber ein
hoher Rechtswert. – Der eine Schuldner würde vorgeben, er habe deshalb
nicht geleistet, weil er krank gewesen sei (das ärztliche Attest
ist leicht zu beschaffen!), ein anderer würde das oder jenes anführen.
Die Gerichte hätten diese Einwände zu prüfen! Um solchen Versuchen
von vornherein den Boden zu entziehen, lässt man unabhängig vom
Grund der Verzögerung Verzug eintreten, weil dadurch die Rechtssicherheit erhöht
und der Rechtsverkehr auf eine sichere Grundlage gestellt wird.
– Das sieht zunächst unbillig und hart aus, erweist sich aber bei
näherem Hinsehen als durchaus zweckmäßig und gerecht; und andrerseits
sind die Rechtsfolgen des objektiven Schuldnerverzugs (wenigstens
für Nichtkaufleute) moderat → Weitere
Rechtsfolgen des objektiven Schuldnerverzugs
| Objektiver
Verzug dient der „Verkehrssicherheit“ |
Ein Beurteilen dieser scheinbar unbilligen
gesetzlichen Lösung des Schuldnerverzugs darf nicht bei der Betrachtung der
Situation und Interessen eines Vertragsteils verharren,
sondern hat die Interessen beider Vertragsteile
in die Beurteilung einzubeziehen. Dann sieht „die Sache” eben anders
aus! | |
| |
| Abbildung 7.46: Neufassung der §§ 1333-1335 ABGB (1) |
|
| Abbildung 7.47: Neufassung der §§ 1333-1335 ABGB (2) |
|
| Abbildung 7.48: Neufassung der §§ 1333-1335 ABGB (3) |
|
2. Fälligkeit,
(Ein)Mahnung, Verzug | |
Die Termini Fälligkeit und (Ein)Mahnung sind
uns bereits geläufig. Dazu gesellt sich nunmehr der Verzug.
– Die Unterscheidung ist praktisch wichtig, weil die Begriffe funktional
miteinander verzahnt sind. | |
Nach
dem bisherigen Text des § 1334 aF ABGB „fällt einem
Schuldner eine Verzögerung überhaupt zur Last”, wenn
er: | Alte Fassung des § 1334 ABGB |
•
„den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten
Zahlungstag nicht zuhält” (römisches Recht: dies interpellat
pro homine) oder | |
•
„in
dem Falle, dass die Zahlungszeit nicht bestimmt ist,
nach dem Tage [= am Tag nach Zugang der Mahnung!] der geschehenen
gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung sich
nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.” | |
Auf die Textänderungen der §§ 1333 und 1334 ABGB (ab 1.8.2002)
wurde eben eingegangen. Die weitschweifige neue Textierung hat aber
an der hier dargestellten grundsätzlichen Regel nichts geändert,
sie wurde nur komplizierter. | |
Immer dann, wenn die Leistungszeit nicht (genau)
bestimmt wurde, was nunmehr in § 1334 ABGB ausführlicher geregelt
wird (zB Abnahme oder Überprüfung der Leistung, Eingang der Rechnung), bedarf
es der (Ein)Mahnung. | |
Die Mahnung geht – wie wir schon
wissen – vom Gläubiger aus und richtet sich an den Schuldner. Eine
besondere Form ist dafür nicht vorgesehen; dh sie
kann mündlich oder schriftlich, mittels Fax, e-mail oder telefonisch
erfolgen. Sie muss aber ein klares Leistungsbegehren beinhalten (Gschnitzer).
Die Mahnung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung;
sie muss daher dem Schuldner zugehen, dh sie muss
so in seinen Machtbereich gelangen, dass er sich von ihr Kenntnis
verschaffen kann. | Was
ist die (Ein)Mahnung? |
Mahnung bewirkt FälligstellungMit
Zugang der Mahnung wird die Leistung fällig (gestellt);
dh es entsteht die „Verbindlichkeit, die Schuld zu zahlen”; § 1417
ABGB. – Man kann daher sagen: (Ein)Mahnung bewirkt Fälligstellung. | |
Verzug tritt nach der Lösung des
ABGB dagegen erst ein, wenn der Schuldner sich auch am Tag nach
(Zugang) der Mahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden
hat; dh gezahlt oder eine andere Zahlungsvereinbarung getroffen
– etwa eine Stundung erwirkt – hat. Das zeigt: (Ein)Mahnung, Fälligkeit
und Verzug sind also zu unterscheiden! | Verzug
tritt erst ein, … |
Sind mehrere Personen gemeinsam eine schuldvertragliche
Verpflichtung eingegangen – zB Freund und Freundin mieten eine Wohnung
– verlangt die Rspr, dass bspw nicht nur ein Mitmieter gemahnt wird,
sondern alle beide ! – Und: Einmahnung (iSv Fälligstellung)
spielt keineswegs nur im Schuldrecht eine Rolle, sondern zB auch
im Familienrecht; vgl JBl 1991, 589: Einmahnung der Unterhaltspflicht
nach Beendigung einer Lebensgemeinschaft → KAPITEL 16: Persönliche
Rechtswirkungen der Ehe. | |
Anders
wird der Begriff „
Einmahnung”
im dtBGB verwendet; vgl dessen § 286: „Leistet
der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem
Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug.
Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie
die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.” – Abs
2 legt fest, wann es der Mahnung nicht bedarf: zB wenn „für die
Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist” (dies interpellat
pro homine) oder wenn die Leistungszeit wenigestens bestimmbar ist
oder der „Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert”.
Die österr Lösung verdient, weil einfacher und praktikabler den
Vorzug. Bedenkenswert erscheint aber die gesetzliche Regelung des
§ 286 Abs 3 dtBGB: „Der Schuldner kommt spätestens in Verzug, wenn
er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer
Rechnung oder gleichwertigen Forderungsaufstellung leistet. Das
gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf
diese Folgen in der Rechnung oder Forderungsaufstellung besonders
hingewiesen worden ist.” | Anderes Verständnis des dtBGB |
| Abbildung 7.49: Zahlungszeitpunkt oder Fälligkeit |
|
| Abbildung 7.50: Fälligkeit und Verzug |
|
Im Hinblick
auf die Fälligstellung / Einmahnung sind zwei Zeitpunkte zu unterscheiden: | Legende |
• der Eintritt der Fälligkeit und
der | |
•
Eintritt des Verzugs, §§ 1334,
1417 iVm § 904 ABGB. | |
Die Einmahnung oder Fälligstellung führt
die Fälligkeit herbei, wenn diese nicht bereits anderweitig bestimmt wurde.
Die Einmahnung kann auch formfrei und befristet erfolgen, hat aber
ein klares Leistungsbegehren zu enthalten. – Der Beginn
des Verzugs dagegen tritt erst mit Ablauf des dem Zugang
der Einmahnung folgenden Tages ein; § 1334 letzter Satz ABGB. –
Die Unterscheidung besitzt Bedeutung, kann doch der Gläubiger erst
ab Eintritt des Verzugs vom Vertrag zurücktreten; verlangen – auch
gerichtlich (dh einklagen) – kann der Gläubiger die Leistung aber
schon ab Eintritt der Fälligkeit!. | |
3. Weitere
Rechtsfolgen des objektiven Schuldnerverzugs | |
Auch
bei bloß objektivem Schuldnerverzug entsteht dem Gläubiger ein Wahlrecht: | Wahlrecht des Gläubigers |
• Er kann den Vertrag
aufrechterhalten (und sich mit den dafür vorgesehenen Rechtsfolgen begnügen)
oder er kann | |
•
den Rücktritt
vom Vertrag für den Fall erklären, dass der Schuldner auch
in der gesetzten Nachfrist den Vertrag nicht korrekt erfüllt; dazu
gleich mehr. | |
Die Verzugsfolgen bei Schuldnerverzug betreffen: | |
•
Primär hat
der Schuldner bei Geldschulden – und die sind häufig – mit deren
Entrichtung er in Verzug geraten ist, die gesetzlichen Verzugszinsen zu
zahlen → Objektiver
(dh nicht verschuldeter) Verzug
| |
Wegen
der niedrigen gesetzlichen Verzugszinsen (für Nicht-Kaufleute)
werden in der Praxis häufig höhere vertragliche,
sog bankmäßige Verzugszinsen vereinbart und idF
verrechnet → Vertragliche
Verzugsfolgen
| Gesetzliche und vertragliche Verzugszinsen |
•
Nach
§ 918 ABGB besteht (bei entgeltlichen Verträgen) schon bei bloß
objektivem Verzug ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Gläubigers;
dh der Gläubiger kann sich unter (gleichzeitiger!) Setzung einer
angemessenen Nachfrist vom Vertrag lösen → Zum
gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB Das
bedeutet einen Wink mit dem „Zaunpfahl“. | Rücktrittsrecht |
•
Auch die Gefahrtragung des Schuldners wird
– schon bei bloß objektivem Verzug – verlängert. Der Schuldner trägt
also – solange er in Verzug ist – weiterhin die Gefahr; dh das Risiko
für den Nachteil aus dem zufälligen Untergang der Sache / des Leistungsgegenstandes
und für deren zufällige Verschlechterung / Beschädigung. | Gefahrtragung
des Schuldners |
| |
4. Rechtsfolgen
des subjektiven Schuldnerverzugs | |
Nur
bei subjektivem, also verschuldetem (= vorwerfbarem)
Verzug kann der Gläubiger über die (genannten) objektiven gesetzlichen
Verzugsfolgen hinaus Schadenersatzansprüche erheben.
Und zwar entweder: | Schadenersatzansprüche des Gläubigers |
•
bei Aufrechterhaltung
des Vertrags und damit einhergehendem Festhalten an der
Erfüllung– den sog Verspätungsschaden (§ 918 iVm
§ 1333 ABGB) oder | |
•
im Falle des Rücktritts und
der damit verbundenen Vertragsaufhebung – den sog Nichterfüllungsschaden. | |
§
921 ABGB stellt klar, dass der Rücktritt vom Vertrag den Ersatzanspruch
des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt
lässt; § 1333 ABGB. – Dazu tritt die kondiktionenrechtliche Rückstellungsanordnung
von § 921 Satz 2 ABGB: | § 921 ABGB |
„Das bereits empfangene Entgelt ist auf
solche Art zurückzustellen oder zu vergüten, dass kein Teil aus
dem Schaden des anderen Gewinn zieht.” | |
5. Vertragliche
Verzugsfolgen | |
Erwähnt werden soll,
dass die – eben geschilderten – gesetzlichen Verzugsfolgen,
oft durch vertragliche Vereinbarungen ergänzt und
erweitert werden; zB um höhere (vertragliche, sog bankmäßige) Verzugszinsen
(die gesetzlichen für Nichtkaufleute 4% sind sehr nieder!) oder
ein (vom gesetzlichen abweichendes) vertragliches Rücktrittsrecht
( → Das
vertragliche Rücktrittsrecht), einen Terminsverlust oder eine Konventionalstrafe:
§ 1336 ABGB → KAPITEL 15: Die
Konventionalstrafe des § 1336 ABGB. | |
| Abbildung 7.51: Schuldnerverzug: §§ 918 ff, 1333 ff ABGB |
|
| Abbildung 7.52: Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs |
|
6. Das
vertragliche Rücktrittsrecht | |
Das
vertragliche Rücktrittsrecht spielt ua beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt
( → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel) eine wichtige Rolle, denn der Verkäufer
behält es sich für den Fall vor, dass der Käufer mit der Kaufpreiszahlung
in Verzug gerät. Die Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts
beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt ist deshalb nötig, weil dem Verkäufer
ansonsten kein Rücktrittsrecht zustünde, da das gesetzliche Rücktrittsrecht
des ABGB durch die Regel des Art 8 Nr 21 EVHGB ausgeschlossen ist;
abgedruckt im HGB bei § 373 HGB. | Wichtig beim ETV |
|
Art 8 Nr 21 EVHGB | |
„Hat der Verkäufer dem Käufer die Ware übergeben
und den Kaufpreis gestundet [richtig müsste es nach österreichsicher
Terminologie heißen: „kreditiert” (!)], so steht ihm ein Rücktrittsrecht
nach § 918 ABGB ... nicht zu.” | |
|
Das fehlende gesetzliche Rücktrittsrecht wird daher beim
Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch Vereinbarung eines vertraglichen
ersetzt. | |
|
Vgl etwa HS 4301
(1964): „(Rücktrittsrecht des Vorbehaltsverkäufers) Die Vereinbarung
des Eigentumsvorbehalts schließt im Zweifel die Vereinbarung eines
[vertraglichen] Rücktrittsrechts unter Abdingung der nicht zwingenden
Vorschrift des Art 8 Nr 21 EVHGB in sich ...” | |
|
|
OGH 24. 5. 2000, 3 Ob 290/99i, JBl 2000, 727 = EvBl 2000/209:
OGH wendet die für bewegliche Sachen konzipierte Regel des Art 8
Nr 21 EVHGB (Rücktrittsausschluss wenn Sache übergeben
und Kaufpreis kreditiert wurde) auch auf den Kauf von Liegenschaften
an. Klargestellt wird: „Übergabe” bei Liegenschaften bedeutet
nicht Verbücherung, sondern bloß Leistung aller Voraussetzungen,
um ins Grundbuch zu kommen (insbesondere Aufsandungserklärung und
Übergabe der entsprechenden Urkunde). Gschnitzer hat diese Analogie
schon 1967/68 vorgeschlagen; vgl seinen Beitrag in der GS F. Gschnitzer. – OGH unterscheidet
nicht korrekt zwischen Stundung und Kreditierung. | |
|
7. Die Leistung
muss nachholbar sein | |
Klarzustellen ist, dass
von Verzug nur gesprochen werden kann, wenn die Leistung (vom Schuldner)
noch erbracht, dh nachgeholt werden kann; andernfalls liegt bereits
nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung vor → Nachträgliche
Unmöglichkeit Der
Gläubiger kann und wird daher im Normalfall, obwohl sein Schuldner
in Verzug geraten ist, weiter auf Erfüllung (der Leistung) bestehen!
– Auch das Rücktrittsrecht des § 918 ABGB – dessen Formulierung
mit Vorsicht zu lesen ist – ist so gestaltet, dass die Rücktrittserklärung
des Gläubigers erst dann ihre (volle) Wirkung entfaltet, nämlich
den Vertrag auflöst, wenn der Schuldner auch in der – gleichzeitig
mit der Rücktrittserklärung – zu setzenden angemessenen Nachfrist
nicht geleistet hat → Zum
gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB
| |
8. Zum
gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB | |
Das ABGB von 1811 kannte
die Rücktrittsmöglichkeit des Gläubigers bei Schuldnerverzug noch
nicht. Das Rücktrittsrecht des § 918 ABGB wurde erst durch die III.
TN zum ABGB (1916) eingeführt. Der Gläubiger konnte nach
dem ABGB von 1811 grundsätzlich nur auf Erfüllung bestehen. Die
Bestandskraft von Verträgen (Vertragstreue) war damals noch größer,
die Möglichkeit sachgerechter Lösungen aber deutlich geringer. Nur
in wenigen Fällen sah das Gesetz schon damals die Möglichkeit eines
„völligen” Abgehens vom Vertrag vor; so bei der Wandlung (§ 932
ABGB → §
932 ABGB ) und bei vertraglich vereinbarter Rücktrittsmöglichkeit;
§ 908 ABGB: sog Reugeld → KAPITEL 15: Reugeld:
§§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG.
– Zum wesentlichen Irrtum → KAPITEL 5: Wesentlicher
Irrtum: § 871 ABGB. | Historische
Entwicklung |
Ausgehend vom Rücktrittsrecht
des Gläubigers nach § 918 ABGB bei Schuldnerverzug, erlangte das
Rücktrittsrecht seit der III. TN über das ABGB Schritt für Schritt
hinaus einen immer weiteren Anwendungsbereich. Insbesondere für
Konsumenten (KSchG) erwies es sich als effizientes
Mittel der Interessenwahrung; vgl etwa: | |
•
§§ 3, 4 KSchG: Rücktritt
von sog Haustürgeschäften | |
•
§§
5e-g KSchG: Verbraucherrücktritt von „im Fernabsatz” geschlossenen
Verträgen; BGBl I 1999/185 | |
•
§ 15 KSchG: Verträge über wiederkehrende Leistungen
– getarnt als Kündigungsrecht! → KAPITEL 6: Sonderregelung
des § 15 KSchG
| |
•
§ 30a KSchG: Rücktritt von Immobiliengeschäften;
Änderung durch Art II MaklerG, BGBl 262/1996 | |
•
§ 5 BTVG 1997: gesetzliches Rücktrittsrecht des
Erwerbs → KAPITEL 15: Das
Bauträgervertragsgesetz / BTVG
| |
•
§§ 31c und d KSchG: Rücktritt vom Reiseveranstaltungsvertrag
(BGBl 1993, 247) | |
• § 17 ÜbernahmeG | |
• § 50 Abs 1 ÄrzteG 1998 statuiert für den Rücktritt
des Arztes vom Behandlungsvertrag eine rechtzeitige Anzeigepflicht,
trifft aber sonst keine vom allgemeinen Zivilrecht abweichende Sonderregelung. | |
Eine wichtige rechtspolitische Aufgabe der
Zukunft bestünde darin, den bereits merklichen „Wildwuchs” von Sonderrücktrittsrechten
wiederum ins ABGB zu integrieren und dabei möglichst zu vereinheitlichen. | |
| |
Nach
§ 918 ABGB kann der Gläubiger – wie erwähnt – bei Verzug des Schuldners
entweder: | |
• weiterhin Erfüllung
verlangen (und bei Verschulden zusätzlich Schadenersatz „wegen Verspätung”;
sog Verspätungsschaden) oder | |
•
vom Vertrag zurücktreten (und bei Verschulden
zusätzlich Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen; sog Nichterfüllungsschaden:
§ 921 Satz 1 ABGB). | |
|
Durch die Klage auf Erfüllung
nach § 918 ABGB verliert der vertragstreue Teil nicht das Recht,
vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Schuldner weiterhin säumig
ist und zu erkennen gibt, dass er den Vertrag nicht zu erfüllen
bereit ist; EvBl 1964/293. | |
|
Nach § 1298 ABGB trifft den Schuldner die
Beweislast für seine Verschuldensfreiheit; Beweislastumkehr. | §
1298 ABGB |
Das Rücktrittsrecht
des Gläubigers besteht auch bei bloß objektivem Schuldnerverzug;
es besteht während der gesamten Verzugsdauer. – Die Rücktrittserklärung
ist formfrei und muss auch (bei Nichteinigung)
nicht gerichtlich erklärt werden, was einen Unterschied zur Gewährleistung
(§ 933 ABGB) bedeutet. – Zu beachten ist, dass der Schuldner bei
Gläubigerverzug kein Rücktrittsrecht besitzt; vgl jedoch § 1425
ABGB. | Rücktrittsrecht
auch bei bloß objektivem Schuldnerverzug |
Soll der Rücktritt gültig erklärt
werden, muss mit der Rücktrittserkärung eine Nachfristsetzung verbunden
werden. Es stellt einen häufigen Fehler dar, dass dies nicht geschieht.
Die Nachfrist muss zudem angemessen sein; dh lange genug sein, um
die bereits vorbereitete Leistung erbringen zu können. | Rücktrittserklärung
braucht Nachfristsetzung |
Der Sinn der Nachfristsetzung
liegt darin, dass damit dem Schuldner nochmals eine Chance eröffnet
wird, den Vertrag (und seine Erfüllung) zu retten; favor contractus.
– Eine zu kurz bemessene Nachfrist wirkt mit Verlängerung. Der Rücktritt
bleibt aber gültig. | favor contractus |
Es empfiehlt sich bei der Nachfristsetzung
nicht kleinlich zu sein, um die Erfüllung des Vertrags nicht unnötig
zu gefährden. Der Grund des Rücktritts sollte zudem genannt werden. | |
Unter
bestimmten Voraussetzungen kann die
Nachfristsetzung entfallen,
nämlich: | Nachfristsetzungkann entfallen |
•
bei Leistungsverweigerung des
Schuldners, oder | |
• wenn die Leistung mittlerweile unmöglich geworden
ist, | |
• oder wenn die Leistung auch trotz angemessener
Nachfristsetzung nicht mehr zeitgerecht nachgeholt werden
kann. | |
| |
Erfüllt
der Schuldner auch in der angemessen gesetzten Nachfrist nicht oder
hat er erklärt nicht mehr erfüllen zu wollen, bewirkt die Rücktrittserklärung
des Gläubigers die Vertragsauflösung ex tunc, also
rückwirkend. Und zwar rückbezogen auf den Zugang der Rücktrittserklärung;
sog schuldrechtliche ex tunc-Wirkung
→ Wirkungen
der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts Dies
aber nur für den Fall, dass der Schuldner die ihm gleichzeitig gesetzte
Nachfrist nicht nützt! – Nützt der Schuldner die ihm gesetzte Nachfrist
durch – wenn auch verspätete – Erfüllung, bleibt der Vertrag aufrecht.
(Der Schuldner hat aber allenfalls bereits entstandene Verzugsfolgen
zusätzlich zur vereinbarten Leistung zu ersetzen.) Wird die Vertragsauflösung
dagegen wirksam, weil der Schuldner auch in der Nachfrist nicht
leistet, wird das bisher aus dem Vertrag Geschuldete nicht mehr
geschuldet. | Wirkungen
der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts |
Die
Parteien trifft nunmehr die gesetzliche Pflicht zur Rückabwicklung;
§ 921 Satz 2 ABGB. Und zwar zur Rückabwicklung Zug um Zug.
Es handelt sich dabei – wie erwähnt – um eine obligatorische, also
schuldrechtliche Rückwirkung. Der Gläubigerrücktritt bewirkt also
nicht automatisch die Rückübertragung des allenfalls bereits übertragenen
Eigentums. Das Eigentum am zB bereits teilweise übertragenen Leistungsgegenstand
muss vielmehr erneut durch Übergabe erlangt, also rückübertragen
werden. | Pflicht zur Rückabwicklung |
• Bei
der sog dinglichen / sachenrechtlichen Rückwirkung fällt
dagegen das Eigentum durch den Titelverlust von selbst zurück → KAPITEL 5: Dingliche
oder obligatorische Rückwirkung?. | |
•
Gesetzlich-kondiktionenrechtliche Rückabwicklungsanordnungen
kennen neben § 921 Satz 2 ABGB, § 1447 Satz 3 ABGB auch § 877 ABGB
und § 1435 ABGB → KAPITEL 5: Ungerechtfertigte
Bereicherung. | |
•
Wenigstens erwähnt
werden soll die unterschiedliche Wirkung des „Rücktritts”
bei Dauerschuldverhältnissen: Hier wandelt sich das gesetzliche
Rücktrittsrecht (bei Zielschuldverhältnissen) in ein außerordentliches Kündigungsrecht um,
wobei dieses – den Regeln der Dauerschuldverhältnisse entsprechend
– nicht ex tunc, sondern ex nunc, also bloß für
die Zukunft, wirkt. – So gewährt § 1118 ABGB dem Bestandgeber das
Recht früherer Vertragsaufkündigung, wenn der Bestandnehmer „nach
geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig
ist, dass er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins
nicht vollständig entrichtet hat; vgl nunmehr auch § 30 Abs 2 Z
1 MRG. | |
| Abbildung 7.53: Rücktritt vom Vertrag: § 918 ABGB (1) |
|
| Abbildung 7.54: Rücktritt vom Vertrag: § 918 ABGB (2) |
|
| Abbildung 7.55: Rücktritt vom Vertrag: § 918 ABGB (3) |
|
| Abbildung 7.56: Rücktritt vom Vertrag: § 918 ABGB (4) |
|
| Abbildung 7.57: Rücktritt vom Vertrag: § 918 ABGB (5) |
|
| Abbildung 7.58: Rücktritt vom Vertrag: § 918 ABGB (6) |
|
| Abbildung 7.59: Rücktritt vom Vertrag: § 918 ABGB (7) |
|
Effizienter Konsumentenschutz
verlangt für die Ausübung des Rücktrittsrechts durch Konsumenten
(gegenüber Unternehmern) eine gewisse Modifikation des Rücktritts(rechts).
Die Rspr verlangt vom Unternehmer, dass er rechtsunkundige Kunden
über die richtige Ausübung ihres gesetzlichen Rücktrittsrechts aufklärt.
– Das gilt insbesondere auch dafür, dass eine angemessene Nachfrist
gesetzt werden muss und Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung
miteinander zu verbinden sind. | |
Das
hat der sog
Markisenfall gezeigt;
JBl 1988, 317: | Markisenfall |
Eine Frau hatte eine Markise als Maßanfertigung (Werkvertrag)
bestellt. Der vereinbarte Liefertermin betrug drei Wochen. Nach
zwei Monaten fruchtlosen Wartens „stornierte” die Bestellerin ihren
„Auftrag”. Die Antwort der Firma lautete: „Bei einer Maßanfertigung
ist ein Rücktritt nicht möglich!” Ein bestimmter Liefertermin wurde seitens
der Firma nicht angeboten. Erst einen weiteren Monat später wird
die Markise samt Rechnung über 17.500 S geliefert. Die Bestellerin
wollte den Vertrag nicht mehr zuhalten. Der OGH erklärte: „Das Erfüllungsangebot
der Klägerin war ... verspätet. Der Vertrag war zu diesem Zeitpunkt
bereits aufgelöst. Das Begehren auf Erfüllung des Vertrags durch
die Klägerin ist demnach unberechtigt.” | |
| Abbildung 7.60: Verbraucherrücktritt – Angemessene Nachfrist? |
|
9. Das
Fixgeschäft: § 919 ABGB und § 376 HGB | |
In der geschäftlichen
Praxis spielt das Fixgeschäft eine wichtige Rolle. Es bringt rechtlich
die erhöhte Bedeutung einer zeitgerechten Erfüllung für den Gläubiger zum
Ausdruck; Lieferung just in time. – Zu achten ist aber darauf, dass
nicht jede zeitliche Terminisierung ein Geschäft schon zum Fixgeschäft
macht. Vielmehr muss – ausdrücklich, nach der Verkehrssitte / Handelsbrauch oder
schlüssig (nach der Natur des Geschäfts) – dazukommen, dass für
den Fall der nicht zeitgerechten Erfüllung von vornherein der Rücktritt
bedungen wurde. – Damit wird klargestellt, dass die Erfüllung pünktlich
oder gar nicht erfolgen soll. | |
Zwei Kriterien machen demnach ein Geschäft zum Fixgeschäft: | |
• Die Leistungszeit (ein
Zeitpunkt oder Zeitraum) muss klar oder doch bestimmbar festgelegt sein; und | |
• die Rücktrittserklärung muss
schon im Vorhinein für den Fall nicht rechtzeitiger
Erfüllung abgegeben werden, was nicht nur ausdrücklich erfolgen
kann. Damit wird die erhöhte Bedeutung zeitgerechter Erfüllung zum
Ausdruck gebracht. – In der Praxis werden dafür „Kürzel” verwendet:
fix, prompt, präzise, genau, ultimo, just in time etc; vgl HS 1755
(1952) = EvBl 1953/161. – Diese Kürzel müssen aber nicht gebraucht
werden! | |
Die Beweislast für
das Vorliegen eines Fixgeschäfts trägt derjenige, der aus dem Geschäft
Rechte für sich herleiten will; SZ 54/3 (1981). | Beweislast |
Zu beachten ist, dass sich ein Fixgeschäft
auch aus der „Natur der Leistung” ergeben kann. Bestellt
ein Unternehmer für ein Waldfest 500 Paar Würstel, ist ihm nicht
damit gedient, wenn diese am Tag danach geliefert werden. Eine derart
vereinbarte Leistung stellt vielmehr schon nach der Verkehrsauffassung
ein Fixgeschäft dar. – Ähnliches gilt für ein vereinbartes Hochzeitsfoto, eine
anzufertigende Muttertagstorte oder den Kranz für das Begräbnis. | „Natur
der Leistung” |
Zu unterscheiden sind absolute von relativen Fixgeschäften.
– Beim absoluten Fixgeschäft hat eine verspätete Leistung für den
Gläubiger keine Bedeutung mehr; vgl SZ 54/186 (1981): Würstelstand.
Hat ein Reisebüro für eine Europarundreise in verschiedenen Hauptstädten
Zimmer gemietet und klappt bspw die Buchung in London zum vereinbarten
Termin nicht, nützt es nichts, wenn die Zimmer einen Tag später
zur Verfügung stehen. – Beim relativen Fixgeschäft ist die Leistung
uU sowohl noch möglich, als auch für den Gläubiger uU noch sinnvoll.
Der Gläubiger (!) kann daher weiterhin auf Erfüllung bestehen, muss
dies jedoch dem Schuldner unverzüglich anzeigen. Durch diese Anzeige
wandelt sich das Fixgeschäft zu einem normalen Termingeschäft. Der
Schuldner kann dem Gläubiger die verspätete (Fixgeschäft)Leistung
aber nicht aufdrängen! | Arten
von Fixgeschäften |
Das ABGB besitzt die modernere Regelung. Die
Praxis wendet daher die umständlichere HGB-Regelung nicht an und
übernimmt inhaltlich auch für den Bereich des HGB (§ 376) die modernere Regel
des § 919 ABGB. – Daher ist auch bei Handelsgeschäften kein Rücktritt
erforderlich. | ABGB
und HGB |
Diese Gesetzesanalogie ist mittlerweile gewohnheitsrechtlich
verankert und Beispiel dafür, dass Gewohnheitsrecht heute vornehmlich
als Richterrecht geschaffen wird → KAPITEL 11: Richterrecht. | |
|
§ 376 Abs 1 HGB | |
„Ist bedungen, dass die
Leistung des einen Teiles genau zu einer festbestimmten Zeit oder
innerhalb einer festbestimmten Frist bewirkt werden soll, so kann
der andere Teil, wenn die Leistung nicht zu der bestimmten Zeit
oder nicht innerhalb der bestimmten Frist erfolgt, von dem Vertrag
zurücktreten oder, falls der Schuldner im Verzug ist, statt der
Erfüllung Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Erfüllung kann
er nur beanspruchen, wenn er sofort nach dem Ablaufe der Zeit oder
der Frist dem Gegner anzeigt, dass er auf Erfüllung bestehe.” | |
|
Eine Sonderregelung
für Fixgeschäfte enthält § 22 Abs 1 KO: | § 22 Abs 1 KO |
„War die Ablieferung von Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis
haben, genau zu einer festbestimmten Zeit oder binnen einer fest
bestimmten Frist bedungen und tritt die Zeit oder der Ablauf der
Frist erst nach der Konkurseröffnung ein, so kann nicht Erfüllung
verlangt, sondern nur Schadenersatz wegen Nichterfüllung gefordert
werden.” | |
|
SZ 27/212 (1954):
§ 919 Satz 2 ABGB ist auch auf ein nicht rechtzeitiges Erbringen
von Naturalleistungen im Rahmen eines Ausgedinges
( → KAPITEL 8: Das
Ausgedinge) und → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte (Glücksverträge)
anwendbar. | |
|
|
EvBl 1990/63: Kein
absolutes, aber ein relatives Fixgeschäft ist bei einem Personenbeförderungsvertrag mit
Luftfahrzeugen mit bestimmten Hin- und Rückflugterminen
im Linienverkehr anzunehmen. | |
|
|
ÖBA 1996, 69: Gerät
der Schuldner bei einem Fixgeschäft in Verzug,
so „zerfällt” der Vertrag, ohne dass der Gläubiger eine Nachfrist
setzen oder den Rücktritt erklären muss. | |
|
|
Rspr 1928/312:
Ein Fixgeschäft liegt auch vor, wenn sich die Fixgeschäftklausel
auf die Abnahme der Ware und deren Bezahlung bezieht;
ebenso SZ 54/186 (1981). | |
|
| Abbildung 7.61: Fixgeschäft: § 919 ABGB |
|
| Abbildung .62: Relatives Fixgeschäft |
|
II. Gläubiger-
oder Annahmeverzug | |
1. Voraussetzungen
des Gläubigerverzugs | |
§ 1419 ABGB
formuliert knapp: „Hat der Gläubiger gezögert, die Zahlung [= Erfüllung]
anzunehmen; so fallen die widrigen Folgen auf ihn.” | § 1419 ABGB |
In Annahmeverzug gerät danach jener Gläubiger, der die vom
Schuldner ordnungsgemäß – verbal oder real – angebotene Leistung,
aus welchem Grund auch immer, nicht annimmt. Der Verzug endet, wenn
der Gläubiger die Leistung abnimmt und zusätzlich den allenfalls
entstandenen Aufwand ersetzt. Auch eine allfällige Stundung ( → Fälligkeit,
Mahnung, Stundung, Kreditierung)
beendet den Gläubigerverzug. | |
In Annahmeverzug geraten kann man grundsätzlich
bei Kaufverträgen ebenso, wie bei Arbeits-, Werk- oder Mietverträgen;
so gerät der Vermieter in Annahmeverzug, wenn er die vom Mieter
korrekt angebotenen Wohnungsschlüssel nicht abnimmt. | |
2. Keine
rechtlich durchsetzbare Abnahmepflicht | |
| Keine Abnahmepflicht |
Ausnahmen
macht die Rspr aber dann, wenn der Schuldner an der Abnahme (seiner
Leistung) ein besonderes Interesse hat. – Aber
auch bei entsprechender Vereinbarung (!) besteht
ein Anspruch auf Übernahme des Kaufgegenstands; MietSlg 32.113 (1980). | Ausnahmsweise besteht Abnahmepflicht |
Beispiele für ein von der Rspr angenommenes besonderes Interesse
des Schuldners an der Abnahme seiner Leistung durch den Gläubiger: | |
| |
Diese Judikaturhaltung – wohl ein Beispiel
für Gewohnheitsrecht (contra legem) – wirkt zunächst befremdend
und widerspricht dem klaren Wortlaut des Gesetzes; vgl § 1047 ABGB
(„… sind … verpflichtet … zu übernehmen”) und § 1062 ABGB: „Der
Käufer ... ist verbunden, die Sache ... zu übernehmen ...” – Die
erzielten Ergebnisse sind zwar akzeptabel, sollten aber überdacht
werden. | Gewohnheitsrecht
contra legem |
Diese Lösung gilt vornehmlich für den Erwerb
beweglicher Sachen, denn der Liegenschaftskäufer kann
zB nach abgeschlossenem Kaufvertrag auch ohne Mitwirkung des Käufers,
den Käufer verbüchern lassen; vgl JBl 1984, 380: Anm Hoyer. Darüber
hinaus kann er den Käufer auf Mitwirkung an der Verbücherung klagen.
Nach der Rspr gilt das Judikat 179 aber auch beim Verkauf
unbeweglicher Sachen; JBl 1929, 418 und EvBl 1959/402.
– Zum Liegenschaftskauf → KAPITEL 2: Besonderheiten
des Liegenschaftskaufs. | |
3. Objektiver Gläubigerverzug | |
Auch
für den Gläubigerverzug gilt, dass er vom Gesetz objektiv ausgestaltet
wurde, also wie der Schuldnerverzug nicht verschuldet sein muss.
Auch schuldlose Nichtannahme der Leistung begründet
Gläubigerverzug; SZ 34/4: Weigerung der Rücknahme des Bestandgegenstands.
– Hinzukommendes Verschulden berechtigt aber auch hier zu Schadenersatz. | |
4. Voraussetzungen
und Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs: §§ 1419 und 1425 ABGB | |
§
1419 ABGB enthält eine sehr „großzügige” Rechtsfolgenanordnung und
überlässt sie der näheren Ausformung durch die Rspr. Allein § 1425
ABGB statuiert das Recht des Schuldners, seine Schuld gerichtlich
zu hinterlegen; oder „wenn sie dazu nicht geeignet ist,
die gerichtliche Einleitung zu deren Verwahrung anzusuchen.” | § 1425 ABGB |
Ein
häufiger Fehler ist der, dem Schuldner beim Gläubigerverzug – wie
dem Gläubiger beim Schuldnerverzug – ein Rücktrittsrecht zu gewähren.
Allein dem Schuldner steht ein solches Rücktrittsrecht nicht zu.
Das Gesetz verweist ihn auf die gerichtliche Hinterlegung iSd §
1425 ABGB, versagt ihm aber ein (außergerichtliches!) Rücktrittsrecht. –
Weiter geht das Handelsrecht → Befreiungshandlungen
des Schuldners nach bürgerlichem und Handelsrecht
| |
Diese Befreiungshandlungen des Schuldners sind
nötig, um sich vom vertragsbrüchigen Gläubiger lösen zu können.
§ 1425 Satz 2 ABGB bestimmt ferner: | |
„Jede dieser Handlungen, wenn sie rechtmäßig
geschehen und dem Gläubiger bekannt gemacht worden ist, befreit den
Schuldner von seiner Verbindlichkeit, und wälzt die Gefahr der geleisteten
Sache auf den Gläubiger.” | |
§ 1425
Satz 2 ABGB regelt also den Gefahrübergang bei gerichtlicher Hinterlegung.
– Zur Gefahrverlagerung vom Schuldner auf den Gläubiger kommt es
aber nach hA nicht erst durch die gerichtliche Hinterlegung. Sie
tritt vielmehr bereits mit dem Eintritt des objektiven Gläubigerverzugs
ein; insbesondere wenn die Fälligkeit bestimmt war. Die Anordnung
des § 1425 ABGB gilt daher nur für den Fall, dass bis zur gerichtlichen
Hinterlegung ein Gefahrübergang noch nicht stattgefunden hat. –
Darin liegt eine Korrektur des § 1425 ABGB, die aber um angemessener
Ergebnisse willen sinnvoll erscheint. | |
Die Praxis hat für den Eintritt des Gläubigerverzugs
Konsequenzen „entwickelt”, zumal es nicht anginge, diesen Vertragsbruch
einfach hinnehmen zu müssen: | Obligationsmildernde Wirkungen |
• Der Schuldner haftet
nur mehr für vorsätzliche und grob fahrlässige
Beschädigung der geschuldeten Leistung / Sache; | |
•
die Preisgefahr geht auf den
Gläubiger über: §§ 1048, 1049 ABGB → KAPITEL 8: Preisgefahr; | |
• der Gläubiger hat allfälligen Aufwand (zB
Transport- oder Lagerungskosten) zu ersetzen; und | |
• der Schuldner muss nur mehr den tatsächlich gezogenen
Nutzen herausgeben, nicht auch den zu ziehen verabsäumten;
das spielt bei Zivil- und Naturalfrüchten eine Rolle. | |
| |
Die Schwäche dieser Regelung
liegt darin, dass die gerichtliche Hinterlegung des Leistungsgegenstands
durch den Schuldner, diesem noch nicht das Entgelt sichert oder
bringt. Rechtspolitisch sollte daher daran gedacht werden, um unnötige
Prozesse zu vermeiden und dadurch die Gerichte zu entlasten, in
diesem Fall (mit der Hinterlegung) eine gerichtliche Zahlungsaufforderung
mit dem Hinweis zu verbinden, entweder binnen eines Monats zu zahlen
oder seine Einwendungen – bei sonstiger Präklusion – vorzubringen.
Das könnte in einem § 1425 Abs 2 ABGB formuliert werden. IdF wäre
für eine erleichterte Anspruchsdurchsetzung zu sorgen. – Zu den
handelsrechtlichen Rechstfolgen → Befreiungshandlungen
des Schuldners nach bürgerlichem und Handelsrecht
| Schwäche
der Gläubigerverzugsregelung |
5. Befreiungshandlungen
des Schuldners nach bürgerlichem und Handelsrecht | |
Nach bürgerlichem Recht kann
der Schuldner die geschuldete Leistung gerichtlich hinterlegen oder deren
gerichtliche Verwahrung veranlassen; § 1425 ABGB. | |
Das Handelsrecht kennt
darüber hinaus für den Handelskauf in § 373 HGB gegenüber § 1425 ABGB: | Vorbildliche
Regelung des Handelsrechts |
•
ein
erweitertes
Hinterlegungsrecht des Schuldners (vgl SZ 54/90 [1981]:
Hinterlegung einer Schrankwand im Lagerhaus des Spediteurs) | |
•
und
§ 373 Abs 2 Satz 1 HGB gewährt dem Schuldner darüber hinaus das
dem ABGB unbekannte Recht des Selbsthilfeverkaufs.
Danach wird dem Schuldner gestattet, „nach vorgängiger Androhung
die Ware öffentlich versteigern zu lassen oder, wenn die Ware einen
Börsen- oder Marktpreis hat, nach vorgängiger Androhung den Verkauf
auch aus freier Hand ... zum laufenden Preis [zu] bewirken”. | |
•
§
373 Abs 2 Satz 2 HGB steigert das Recht des Selbsthilfeverkaufs
zum Notverkaufsrecht des Verkäufers / Schuldners,
wenn die Ware „dem Verderb ausgesetzt und Gefahr im Verzuge” ist. Hier
bedarf es der vorgängigen Androhung nicht mehr. Der letzte Halbsatz
des Abs 2 des § 373 HGB erweitert den Anwendungsbereich auf jene
Fälle, „wenn die Androhung aus anderen Gründen untunlich ist”. | |
Ein Selbsthilfeverkauf erfolgt nach § 373
Abs 3 HGB immer „für Rechnung des säumigen Käufers”.
Das bedeutet für die bestehende Schuld: Ein Mehrerlös ist dem Gläubiger
herauszugeben, ein Mindererlös tilgt die Schuld nicht vollständig. | |
Diese Befreiungsmöglichkeiten des HGB werden
über eine Analogie zaghaft und partiell auch im bürgerlichen
Recht angewandt; vgl SZ 23/95 (1950): Verkauf verderblicher
Mostbirnen. Dabei wird der (umständliche) Weg über die Geschäftsführung
ohne Auftrag gegangen; GoA im Notfall oder GoA zum Nutzen des anderen → KAPITEL 12: Geschäftsführung
ohne Auftrag. | |
6. Zur Verwertung
gerichtlich hinterlegter Gegenstände | |
Vgl dazu EvBl 1999/137 (§ 1425 ABGB, § 377 StPO,
§ 90 Abs 2 FinStrG): Das Gericht, bei dem eine Sache gemäß § 1425
ABGB hinterlegt wurde, hat bei drohendem Verderb oder der Gefahr einer
krassen Wertminderung der Sache, aber auch beim Auflaufen unverhältnismäßiger
Kosten in Analogie zu den genannten Bestimmungen nach angemessener
Frist für eine Verwertung (Versteigerung) dieser Sachen zu sorgen,
um dem Ausfolgungsberechtigten zumindest den Erlös aus der Verwertung
zu sichern. | |
Das entspricht inhaltlich den geschildeten handelsrechtlichen
Grundsätzen. – Ein rechtspolitischer Vorschlag zu den ganz normalen
§ 1425 ABGB-Fällen wurde oben gemacht. Eine klare und einfache Lösung
wäre wünschenswert. | |
| Abbildung 7.63: Gläubigerverzug: § 1419 ABGB (1) |
|
| Abbildung 7.64: Gläubigerverzug: § 1419 ABGB (2) |
|
| Abbildung 7.65: Gläubigerverzug: § 1419 ABGB (3) |
|
| Abbildung 7.66: Gläubigerverzug: § 1419 ABGB (4) |
|
III. Entscheidungsbeispiele
zum Verzug | |
|
SZ 22/6 (1949): Küchenmesserfall –
Objektiver Schuldnerverzug – Bestellung von 30.000
Küchenmessern, die nicht geliefert werden können. – Leitsatz: Rücktritt
nach § 918 ABGB setzt nicht schuldhaften Leistungsverzug voraus.
Kläger = Bestellerin der Messer; Beklagter = Lieferant. Der OGH bestätigte
die E des Berufungsgerichts, womit das erstgerichtliche Urteil bestätigt
wurde. Entscheidungsgründe: Die Klägerin hat bei der Beklagten 30.000
Stück Küchenmesser, lieferbar ab September 1947, wöchentlich mindestens
5000 Stück, bestellt und eine Anzahlung von 50.000 S geleistet.
Da die Beklagte trotz wiederholter Mahnung nicht zeitgerecht mit
der Lieferung begann, ist die Klägerin nach Nachfristsetzung im
Dezember 1947 vom Vertrag zurückgetreten. Sie begehrt Rückzahlung
der Anzahlung. Die Beklagte wendete ein, dass sie an der Verzögerung
kein Verschulden treffe. Der Erstrichter hat der Klage Folge gegeben,
das Berufungsgericht bestätigte. Diese E wird von der beklagten
Partei mit Revision angefochten .... Mit der Rechtsrüge bekämpft
die Revision die Rechtsanschauung der Untergerichte, dass wegen
Leistungsverzuges zurückgetreten werden könne, auch wenn dem Leistungspflichtigen
kein Verschulden zur Last fällt. Die Rüge ist nicht begründet. | |
|
|
SZ 55/102 (1982): Gläubiger-
oder Schuldnerverzug? – Leitsatz: Bei vereinbarter Zulieferung
von Baumaterial an einen Privaten „frei Haus”
/ „frei Baustelle” ist der Käufer im Zweifel nicht zur Mithilfe
beim Abladen verpflichtet. Kläger = Verkäuferin / Lieferantin des
Baumaterials. Beklagter = Käufer / Besteller des Baumaterials). | |
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| |
|
HS 4304 (22) (1963): § 919 ABGB; § 376 HGB:
Voraussetzungen für die Annahme eines Fixgeschäfts. – Fixgeschäft
beim Kauf eines Zigarettenautomaten? (Zum Wesen des Fixgeschäftes.)
Ein Fixgeschäft liegt nicht schon dann vor, wenn die Leistung zu
einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist
bewirkt werden soll, sondern zu der Vereinbarung einer festbestimmten
Zeit oder Frist der Erfüllung muss der ausdrücklich erklärte oder
aus den Umständen ersichtliche Parteiwille hinzutreten, dass nur
eine zeitgerechte Leistung als Erfüllung gelten soll [ ...]. Auch
die einer Zeitbestimmung hinzugefügten Worte ‘fix’, ‘prompt’, ‘genau’,
‘präzise’ können als Ausdruck des Willens, ein Fixgeschäft zu beabsichtigen,
gelten. OGH 5.9.1963, 5 Ob 239/63 (22). Kläger = Lieferant des Automaten
bzw Zessionar; Beklagter = Bestellerin. | |
|
| |
IV. Gewährleistung
als „Schlecht-Erfüllung“ | |
| |
| |
| |
Das Gewährleistungsrecht regelt die Folgen mangelhafter,
also schlechter Erfüllung/Leistung. Vertragspartner sind gesetzlich
dazu verpflichtet, vereinbarte Leistungen ordnungsgemäß, dh mangelfrei
zu erbringen. Der Verkäufer ist bspw dem Käufer gegenüber zu mangelfreier
Lieferung des Kaufgegenstandes verpflichtet und haftet ihm nach
den Gewährleistungsregeln auch dann für Mängel – zB Fabrikationsfehler,
wenn ihn am Vorliegen des Mangels kein Verschulden trifft. Wie wir
sehen werden, ist diese Haftung aber zeitlich beschränkt. | |
Einzustehen ist aber nur
für solche Mängel, die bereits im Zeitpunkt
der Übergabe (der Leistung) vorhanden waren; § 924 ABGB.
– Der neu gefasste § 924 ABGB enthält nunmehr eine Rechtsvermutung der
Mangelhaftigkeit (bei Übergabe) bis zum Beweis des Gegenteils, „wenn
der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt”. | Mängel
im Zeitpunkt der Übergabe |
Unser
Rechtsinstitut dient dazu, um bei entgeltlichen Geschäften Äquivalenzstörungen,
die durch den (bereits erfolgten) Leistungsaustausch entstanden
sind, zu beseitigen oder doch zu mildern. Dem dienen die gestaffelten
Rechtsmittel, die § 932 ABGB bereithält → Arten
von Gewährleistungsansprüchen –
Die Gewährleistung bildet zusammen mit dem Verzug den Kernbereich
der Leistungsstörungen. | |
| |
Gewährleistung
bedeutet: | |
•
das gesetzliche Einstehenmüssen
(= Haftung) für Sach- und Rechtsmängel;
und zwar (nur) | |
• bei entgeltlichen Geschäften. | |
| |
„ Pfusch”
und „ Ausverkauf”: Gewährleistungsansprüche bestehen
auch gegenüber „Pfuschern”, wenn diese „schlecht arbeiten”, zB Fliesen
unsachgemäß verlegen oder schlampig ausmalen. Es empfiehlt sich
hier – wie bei anderen Professionisten – aus Gründen der eigenen
Rechtsdurchsetzung bis zur endgültigen Abnahme der Leistung (wenigstens)
einen Teilbetrag des Entgelts zurückzubehalten, also besser nicht
schon im Voraus zu zahlen. – Zu allfälligen Schadenersatzansprüchen
gegen Pfuscher im Rahmen des § 1299 ABGB → KAPITEL 10: Die
Sachverständigenhaftung: Motto.
– Gleiches gilt für im „ Ausverkauf” erworbene Ware,
für die nur deshalb, weil sie billiger ist, nicht auf Gewährleistung
verzichtet wird. Der Entgeltcharakter bleibt erhalten. So wenn ein
Mädchen 1 Paar hohe Schnürschuhe im Ausverkauf kauft, deren Nähte
immer wieder aufgehen! | |
3. Reform des Gewährleistungsrechts | |
Die EU-RL über
den Verbrauchsgüterkauf (und Garantien für Verbrauchsgüter
– 1999/44/EG) verlangte eine Reform des österreichischen Gewährleistungsrechts.
Die neuen Regeln sind am 1.1. 2002 in Kraft getreten. – Ziel der
Reform war es, die Rechtsstellung von Verbrauchern zu verbessern.
Gleichzeitig sollten übermäßige Belastungen von Handel und Wirtschaft
vermieden werden. Darüber hinaus sollten durch die RL die Vorteile
des europäischen Binnenmarktes für Verbraucher gesichert und europaweit
einheitliche Standards geschaffen werden. – Der Gesetzgeber nahm
die EU-Vorgaben zum Anlaß einer Reform des ABGB-Gewährleistungsrechts.
Es blieb also nicht nur bei einer Novellierung des KSchG. – Die
EU-RL regelt das Gewährleistungsrecht ieS und das Garantierecht.
Dazu kommt die Regelung von Schadenersatzansprüchen im
Kontext der Gewährleistung. | Ziel der Reform |
Die allgemeinen
Gewährleistungsregeln der §§ 922 ff ABGB gelten für sehr
unterschiedliche Sachverhalte: einerseits den Konsumgüter
kauf (bei
dem Mängel an der Sache auftreten können) und den Liegenschafts
kauf (zB
Rechtsmängel, Baumängel), andrerseits auch den Unternehmenskauf (zB
falsche Bilanzen) und nunmehr auch für Werkverträge (zB
Reparaturgewerbe, Hoch- und Tiefbau, gewerblicher Dienstleistungssektor). | §§ 922 ff ABGB |
| Abbildung 7.67: Gewährleistung „neu” (1) |
|
| Abbildung 7.68: Gewährleistung „neu” (2) |
|
| Abbildung 7.69: Gewährleistung „neu” (3) |
|
| Abbildung 7.70: Gewährleistung und Schadenersatz (1) |
|
| Abbildung 7.71: Gewährleistung und Schadenersatz (2) |
|
| Abbildung 7.72: § 933b ABGB: Besonderer Rückgriff |
|
| |
Geregelt ist das Rechtsinstitut der Gewährleistung
insbesondere in den §§ 922 ff ABGB. – Daneben existieren gesetzliche Sonderregeln inner-
und außerhalb des ABGB; zB für die Zession in § 1397 ABGB, den Bestandvertrag
in § 1096 ABGB und für das Handelsrecht in § 377 HGB: Kaufmännische
Rügepflicht / Mängelrüge → Kaufmännische
Rügepflicht –
Durch die Reform beseitigt wurde die Sonderregel für den Werkvertrag
in § 1167 ABGB. | Auch
Sonderregeln |
§ 1167 neu ABGB bestimmt
nunmehr: „Bei Mängeln des Werkes kommen die für entgeltliche Verträge
überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b) zur Anwendung.” | |
Die genannten Sonderregeln weisen
größere oder geringere Selbständigkeit gegnüber den §§ 922 ff ABGB
auf. So ist der Anspruch auf Zinsminderung gemäß § 1096 ABGB nach
der Rspr kein Gewährleistungsanspruch iSd § 932 ABGB und daher auch
nicht gemäß § 933 ABGB befristet; SZ 18/188 (1936). Der Anspruch
auf Zinsminderung hängt aber ebenfalls nicht von einem Verschulden
des Bestandgebers am Eintritt des Mangels ab; SZ 63/20 (1990). | |
| Abbildung 7.73: Schuldnerverzug – Gewährleistung |
|
5. Grenze
zum Schuldnerverzug | |
Innerhalb der Leistungsstörungen
müssen die Gewährleistungs- von den Verzugsregeln abgegrenzt werden.
Diese Abgrenzung war lange umstritten, wird aber seit geraumer Zeit
folgendermaßen vorgenommen: | |
•
Bis zur Übergabe
des Leistungsgegenstandes (§ 924 ABGB) gelten nach wie
vor die Verzugsregeln, | |
• ab Übergabe/Ablieferung jedoch jene der Gewährleistung. | |
•
Ein Mangel muss also, um einen Gewährleistungsanspruch
erheben zu können, schon bei Übergabe vorliegen,
was bislang immer der Käufer zu beweisen hatte. Das hat sich durch
die Neufassung des § 924 ABGB geändert → Sachmängel
und Rechtsmängel
| |
Zur unechten oder Herstellergarantie → Vertragliche
Garantie,
wo auch auf die neue
Vermutung der Mangelhaftigkeit eingegangen
wird. | |
6. Voraussetzungen
eines Gewährleistungsanspruchs | |
Voraussetzung
eines Gewährleistungsanspruchs nach § 922 ABGB ist es – das gilt
nunmehr für Kauf- und Werkverträge gleichermaßen, dass bspw der
Verkäufer: | |
• die mangelhafte „Sache”
/ das Werk „einem andern überlässt” (zB Verkäufer leistet
/ erfüllt also den Vertrag, wenn auch – wissentlich oder unwissentlich
– „schlecht”) und | |
•
der andere Teil diese (wenn
auch nicht korrekte) Leistung als Erfüllung annimmt;
freilich idR in Unkenntnis der Schlechterfüllung / des Mangels. | |
Eine Ausnahme bildet die
Annahme
unter Vorbehalt (der Richtigkeit der Leistung); sie wahrt
die (Schuldner)Verzugsfolgen. Erweist sich in solch einem Fall die
Ware als mangelhaft, kann daher noch der Rücktritt vom Vertrag erklärt
werden; § 918 ABGB. Das hat den Vorteil, dass der Rücktritt vom
Vertrag auch außergerichtlich erklärt werden kann, während Gewährleistungsansprüche
im Falle der Nichteinigung nur gerichtlich geltend gemacht werden
können. Es gibt auch – anders als bei der Gewährleistung ( → Gewährleistungsfristen
– Geltendmachung)
– keine gesetzlichen Rücktrittsfristen. Der Rücktritt kann vielmehr
solange erklärt werden, als der Verzug andauert. | Annahme
unter Vorbehalt |
Hier wird bestimmt, dass derjenige, der „einem anderen eine
Sache gegen Entgelt überläßt”, Gewähr dafür leistet, „dass sie dem
Vertrag entspricht”. Er haftet dann dafür, | |
• „dass die Sache die bedungenen oder | |
•
gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, | |
• dass sie einer Beschreibung,
einer Probe oder einem Muster entspricht
und | |
• dass sie der Natur des Geschäftes oder | |
• der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden
kann.” | |
Abs 2 präzisiert
die grundsätzliche Aussage des Abs 1: | § 922 Abs 2 ABGB |
„(2) Ob die Sache dem Vertrag entspricht,
ist auch danach zu beurteilen, was der Übernehmer auf Grund der
über sie gemachten öffentlichen Äußerungen des Übergebers oder des
Herstellers, vor allem in der Werbung und in den der Sache beigefügten
Angaben, erwarten kann; das gilt auch für öffentliche Äußerungen
einer Person, die die Sache in den Europäischen Wirtschaftsraum
eingeführt hat oder die sich durch die Anbringung ihres Namens,
ihrer Marke oder eines anderen Kennzeichens an der Sache als Hersteller
bezeichnet. Solche öffentlichen Äußerungen binden den Übergeber
jedoch nicht, wenn er sie weder kannte noch kennen konnte, wenn
sie beim Abschluss des Vertrags berichtigt waren oder wenn sie den
Vertragsabschluss nicht beeinflusst haben konnten.” | |
Diese von der Reform
unberührt gebliebene Bestimmung zählt anschaulich „Fälle“
der Gewährleistung auf: | § 923 ABGB |
„Wer also der Sache Eigenschaften
beilegt, die sie nicht hat, und die ausdrücklich
oder vermöge der Natur des Geschäftes stillschweigend
bedungen worden sind; wer ungewöhnliche Mängel,
oder Lasten derselben verschweigt; wer eine nicht
mehr vorhandene, oder eine fremde Sache
als die seinige veräußert; wer fälschlich vorgibt, daß die Sache
zu einem bestimmten Gebrauche tauglich; oder daß
sie auch von den gewöhnlichen Mängeln und Lasten
frei sei; der hat, wenn das Widerspiel hervorkommt, dafür
zu haften.” | |
| |
Für
Gewährleistung einzustehen ist – wie erwähnt – nur bei entgeltlichen Geschäften;
vgl § 922 ABGB: | |
”Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt
überlässt, leistet Gewähr ...” | |
| |
8. Kein
Verschulden – Abdingbarkeit der Gewährleistungsvorschriften | |
Gewährleistung setzt
– wie der Verzug – kein Verschulden an der Mangelhaftigkeit der
Leistung voraus. Daran hat sich durch die Reform nichts geändert.
Auch die Gewährleistung ist objektiv gefasst und bedeutet ein Einstehen
müssen auch für nichtverschuldete Mängel; Erfolgshaftung
→ KAPITEL 9: Erfolgs-
oder
Kausalhaftung . | |
| |
Die bürgerlichrechtlichen Gewährleistungsvorschriften sind
aber nicht zwingendrechtlicher Natur und können daher grundsätzlich abbedungen oder modifiziert werden,
was in der Praxis auch immer wieder ( in AGB, Formular- und Rahmenverträgen
etc) geschieht. Allerdings setzt dabei das KSchG (§ 9 → Gewährleistung
und KSchG)
und andere Gesetze Grenzen. | |
Unwirksam nach
§ 9 Abs 1 KSchG ist insbesondere ein Verkürzen der gesetzlichen
Gewährleistungsfrist. Zulässig ist es dagegen nach der neuen Regelung,
„bei der Veräußerung gebrauchter beweglicher Sachen die Gewährleistungsfrist
auf ein Jahr” zu verkürzen, sofern dies „im Einzelnen ausgehandelt”
wird. – Bei Kfz ist ein Verkürzen der Frist nur
dann wirksam, „wenn seit dem Tag der ersten Zulassung mehr als ein
Jahr verstrichen ist”. | Grundsätzliches Verbot der Fristverkürzung nach KSchG |
| |
9. Sachmängel
und Rechtsmängel | |
Wir haben gehört, dass
Gewährleistung das Einstehenmüssen für Sach- und Rechtsmängel bedeutet.
Damit sind die zwei Arten von Mängeln benannt.
Die Reform hat diese Unterscheidung nicht berührt. Auch die grundsätzliche
Gleichbehandlung von Sach- und Rechtsmängeln – den Beginn der Frist
ausgenommen – hat sich nicht geändert. | |
Daneben werden
noch: | Arten von Mängeln |
•
wesentliche oder
Hauptmängel und | |
•
unwesentliche oder Nebenmängel
sowie | |
•
behebbare und unbehebbare Mängel
unterschieden. | |
Die
richtige Qualifikation eines Mangels ist wichtig, weil sich danach
auch die Einordnung der unterschiedlichen Rechtsfolgen bestimmt;
vgl § 932 ABGB. | |
Ein Sachmangel
liegt vor, wenn einer Sache: | |
• gewöhnlich vorausgesetzte
Eigenschaften oder | |
•
bedungene, d.s. zugesicherte Eigenschaften fehlen;
§ 922 ABGB. | |
|
OGH 24. 10. 2000,
1 Ob 140/00w – „
Fleischschmalzkonserven für das BMfV”,
SZ 73/159 = EvBl 2001/55: Das Verteidigungsministerium erteilte
einem Unternehmen den Zuschlag, 150.000 Dosen Fleischschmalz zu
liefern. Als sich herausstellt, dass die Innendosenbeschichtung
toxinhältig ist, verteidigt sich das Unternehmen: es sei keine „BADGE”-freie
Lieferung vereinbart worden und eine Gesundheitsbeeinträchtigung
könne nicht bewiesen werden. – OGH: Eine schon ihrem Wesen nach
ausschließlich für den Verzehr bestimmte Ware ist schon dann als
mangelhaft zu beurteilen, wenn die Gefahr einer gesundheitlichen
Beeinträchtigung der darauf angewiesenen Personen nicht ausgeschlossen
werden kann. | |
|
Die „Zusicherung” von Eigenschaften
erfolgt ausdrücklich, schlüssig oder stillschweigend; § 863 ABGB → KAPITEL 5: Arten
von Willenserklärungen: § 863 ABGB.
§ 923 ABGB stellt klar, dass die Zusicherung auch bloß durch die
„Natur des Geschäftes” erfolgen kann. – „Ungewöhnliche Mängel” oder
„Lasten” dürfen nach § 923 ABGB nicht verschwiegen werden. | Zusicherung
von Eigenschaften |
Für
zugesicherte Eigenschaften galt bisher folgende Beweislastmodifikation:
Der Käufer hatte die Zusicherung zu beweisen, die
Verkäuferseite idF die
Mangelfreiheit. Darin lag für die Verkäuferseite
eine teilweise Beweislastumkehr! – Auch künftig trifft bspw den
Käufer die Beweislast für das Vorliegen einer „Zusage”. – Die Vermutung der
Mangelhaftigkeit nach § 924 ABGB gilt aber nunmehr auch für zugesicherte
Eigenschaften. | Beweislast für „zugesicherte Eigenschaften” |
| |
Die
Beweislast für das Vorliegen einfacher Mängel traf nach der Rspr bisher den
Käufer, was häufig kritisiert wurde, weil dieser Beweis oft schwer
zu erbringen war. Änderungen wurden daher rechtspolitisch immer
wieder gefordert und sind nunmehr im Rahmen der Umsetzung besagter
EU-RL in § 924 ABGB geregelt worden. | Beweislast für das Vorliegen „einfacher Mängel“ |
Es
kam zu einer Beweiserleichterung für Käufer: Tritt
ein Mangel innerhalb der ersten 6 Monate ab Übergabe
auf, so wird nunmehr nach § 924 ABGB widerlegbar vermutet, dass
der Mangel schon bei Übergabe vorhanden war. Die Vermutung tritt
nach § 924 Satz 3 ABGB nicht ein, „wenn sie mit der Art der Sache
oder des Mangels unvereinbar ist.” – Die Beweislast für
die Mangelhaftigkeit einer Ware liegt demnach nunmehr innerhalb
dieser Frist beim Verkäufer. | Beweiserleichterung |
Eine Ausnahme von dieser Regel besteht aber dann,
wenn der Kaufgegenstand eine äußere Beschädigung aufweist, die eine
unsachgemäße Behandlung nahe legt. Hier hat erneut der Käufer die
Mangelhaftigkeit der gekauften Ware im Zeitpunkt der Übergabe zu
beweisen. | |
| |
Von einem Rechtsmangel spricht man, wenn der
Verkäufer dem Erwerber nicht jene rechtliche Stellung überträgt
oder verschafft, zu welcher er vertraglich verpflichtet war. – Die
Frist beginnt hier nicht schon mit Übergabe zu laufen, sondern erst
ab Erkennbarkeit des Mangels; zB eine andere Person (Dritter) erhebt
rechtlich Anspruch (Klage!) auf die Sache. | |
Zu unterscheiden
sind: | |
•
privatrechtliche –
so wenn ein Grundstück mit einer Servitut belastet ist oder im Rahmen
der Veräußerung von Musikkassetten festgestellt wird, dass das Urheberrecht
/ Werknutzungsrecht fehlt, | |
• von öffentlichrechtlichen Mängeln;
etwa fehlende gewerberechtliche Anlagengenehmigung oder eine fehlende
Baugenehmigung. | |
10. Arten
von Gewährleistungsansprüchen | |
Welche
Gewährleistungsansprüche stehen nach dem Gesetz zu? § 932 ABGB kennt
mehrere Möglichkeiten, die allerdings von bestimmten Voraussetzungen
abhängen und nicht beliebig gewählt werden können. – Die Wertigkeit
der einzelnen Gewährleistungsansprüche wurde durch die Reform zugunsten
der Wirtschaft verschoben. | |
•
Wandlung, das
ist die gänzliche Aufhebung des Vertrags, das Abstehen vom Vertrag.
Sie stand bei wesentlichen und unbehebbaren Mängeln immer zu. | Bisher folgende
Reihung |
•
Preisminderung und | |
•
Verbesserung :
Diese beiden Möglichkeiten konkurrierten weithin bei den verbleibenden
Fällen; sowie | |
•
Nachtrag des Fehlenden (bei
Quantitätsmängeln). | |
Die Reform entschied
sich für folgende komplizierte und wenig praxisfreundliche Lösung: | Reform: § 932 ABGB neu |
• Nach § 932 Abs
1 ABGB kann ein Übernehmer wegen eines
Mangels: | |
• § 932 Abs 2 ABGB führt dann
näher aus, dass der Übernehmer zunächst nur : | |
Dies richtet sich nach dem „Wert der mangelfreien Sache,
der Schwere des Mangels” und den damit für den Unternehmer (!) verbundenen
Unannehmlichkeiten. | |
• § 932 Abs
3 ABGB bestimmt, dass Verbesserung oder Austausch innerhalb angemessener Frist und
mit möglichst geringen Unannehmlichkeiten für den
Übernehmer zu bewirken sind (wobei Sache und Zweck zu berücksichtigen
sind). | |
• § 932 Abs 4 ABGB: Nur wenn Verbesserung und Austausch
unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig
hohen Aufwand verbunden sind, kann der Übernehmer Preisminderung und
– wenn der Mangel nicht geringfügig ist, Wandlung begehren.
– Dasselbe gilt bei Verweigerung der Verbesserung oder
des Austauschs oder bei Nichtvornahme innerhalb angemessener
Frist. | |
Die weiteren Einschränkungen im Gesetz erscheinen,
weil zu kompliziert, legistisch verfehlt. (Gesetz lesen!) | |
Wie die anderen Rechtsmittel
des Gewährleistungsrechts kann auch die Wandlung einvernehmlich (=
außergerichtlich) oder – wenn kein Einvernehmen
erreicht wird – gerichtlich geltend gemacht werden.
Sie wirkt wie der Rücktritt vom Vertrag (§ 918 ABGB) und die Vertragsaufhebung
wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB); sog schuldrechtliche
ex-tunc-(Rück)Wirkung. Dh: Durch eine erfolgreiche Wandlung
wird die schuldrechtliche Verpflichtung begründet, den früheren
Rechtszustand wiederherzustellen; Rückabwicklung.
– Ihre Wirkung ist also eine andere als bspw die der Irrtumsanfechtung
(§ 871 ABGB), wo es zur dinglichen eo ipso ex
tunc-(Rück)Wirkung kommt → KAPITEL 5: Dingliche
oder obligatorische Rückwirkung?. | |
In Bezug auf den Eigentumsübergang zeigt sich
der Unterschied: Bei der Wandlung war – zB durch die erfolgte Übergabe
des Kaufgegenstands – Eigentum bereits übergegangen und muss nun
rückübertragen werden. Bei erfolgreicher Irrtumsanfechtung dagegen
wird angenommen, dass das Eigentum – mangels eines schon bei Übergabe ungültigen
Titels – gar nicht übergegangen ist und daher auch rechtlich nicht
rückübertragen werden muss. Die erfolgreiche Anfechtung bewirkt
ohne weiteres Zutun den Eigentumsübergang an den Verkäufer, dem
idF die Eigentumsklage des § 366 ABGB und nicht nur ein schuldrechtlicher
Anspruch auf Rückübertragung oder Übereignung/ Herausgabe der Sache
gegen den Vertragspartner (Käufer) zusteht. | |
Zur Frage der Vorteilsausgleichung bei
der Gewährleistung : B. Jud, JBl 2000, 1. | |
| |
11. Vertragliche
Garantie | |
Von den gesetzlich festgelegten Gewährleistungsregeln
ist die vertraglich vereinbarte – auch unechte oder Herstellergarantie genannt
– zu unterscheiden. Sie erstreckt die Haftung auch auf Mängel, die
erst nach Übergabe, aber doch innerhalb der Garantiefrist auftreten;
zB beim Autokauf: „Garantie für 10.000 km oder 1 Jahr”. Die Fristen
vertraglich vereinbarter Garantien sind üblicherweise länger als
die gesetzliche Frist des § 933 ABGB; Konkurrenzdruck. | |
Die
unechte oder Herstellergarantie war bisher gesetzlich nicht geregelt. §
9 b KSchG – eingeführt durch den letzten Reformschritt
– bezeichnet sie nunmehr als „vertragliche Garantie”
und regelt sie folgendermaßen: | Herstellergarantie |
• Im Falle einer vertraglichen Garantiezusage eines
Unternehmers gegenüber einem Verbraucher (beinhaltend Verbesserung,
Austausch, Kaufpreisrückerstattung oder sonstige Abhilfe) hat der Unternehmer
„auch auf die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Übergebers”
und zudem „darauf hinzuweisen, dass sie [sc: die Gewährleistungspflicht]
durch die Garantie nicht eingeschränkt wird.” | |
• Der letzte Satz des § 9 b Abs 1 KSchG betont,
dass der „Unternehmer … an die Zusagen in der Garantieerklärung und
an den in der Werbung bekannt gemachten Inhalt
der Garantie gebunden” ist. – Die Abs 2 und 3 des
§ 9 b KSchG regeln den
Inhalt der Garantieerklärung; Name
und Anschrift des Garanten, Dauer und räumliche Geltung der Garantie
sind anzuführen. – Abs 3 statuiert das Recht des Verbrauchers, die
Garantie schriftlich oder auf einem Datenträger zu erhalten. | |
12. Gewährleistung
und KSchG | |
Oben
wurde festgestellt, dass die bürgerlichrechtlichen Gewährleistungsvorschriften
dispositivrechtlicher Natur sind. Die Praxis zeigte, dass dabei
die Gefahr eines unvorteilhaften Abdingens zu Lasten von Verbrauchern
besteht. Dem schob das KSchG insofern einen Riegel vor, als es zwar gewisse
Modifikationen des Dispositivrechts zulässt, aber dennoch einen Standard setzt,
der nicht unterschritten werden darf. | |
Die Gewährleistungsvorschriften gelten –
auch nach der Reform – für Stück- und Gattungsschulden;
dazu → KAPITEL 8: Vertretbare
und unvertretbare Sachen. Bei Gattungsschulden (zB Kauf eines CD-Players
oder Wein) wird in der Praxis im Gewährleistungsfall gerne der mangelhafte
Leistungsgegenstand gegen einen mangelfreien ausgetauscht; das ist
– wie wir sehen werden – KSchG-konform. | |
Im
Gewährleistungsbereich bestehen auch weit verbreitete (Rechts)Übungen oder Usancen,
die keinesfalls nur zwischen Kaufleuten gelten; § 928 ABGB analog.
Man denke etwa an die Übung beim Kauf von besseren Flaschenweinen
im Hotel etc, den Wein sogleich – also während Kellner oder Kellnerin
warten – zu verkosten und diesen für gut oder schlecht zu befinden.
Rechtlich bedeutet das meist, das bestehende Austauschrecht auszuüben
oder darauf zu verzichten. | |
Die KSchG-Regelung ist das Ergebnis eines
Kompromisses zwischen Konsumentenschutz und Wirtschaft. Nach dem
KSchG konnten schon bisher die Vorschriften des ABGB nur in bestimmter Hinsicht
abgeändert werden, nämlich: | §§
8 und 9 KSchG |
•
Gestattet
war ein Austausch der mangelbehafteten Ware gegen eine mangelfreie.
Dadurch sollte Wandlung und Preisminderung vermieden werden; | |
•
erlaubt war es auch, statt der Preisminderung
nur einen Verbesserungsanspruch einzuräumen. | |
•
Im Falle eines Abzahlungsgeschäftes läuft zudem
die Gewährleistungsfrist bis zur letzten Rate;
§ 23 KSchG: Das wurde durch die Reform nicht geändert. | |
• Eine allfällige Verbesserung hatte grundsätzlich
am Wohnort des Verbrauchers zu erfolgen; eine Versendung auf Kosten
des Unternehmers war aber möglich. – Näheres bestimmen nun §§ 8
ff KSchG. | |
Auch die neue Regelung
des § 8 KSchG räumt der unentgeltlichen Verbesserung und
dem Austausch Vorrang gegenüber der Preisminderung und
der Wandlung (also der Vertragsauflösung) ein;
vgl § 932 ABGB → Arten
von Gewährleistungsansprüchen Damit wird der vom KSchG eingeschlagene
Weg im ABGB fortgesetzt und ausgebaut. (?) Der Vorrang der Verbesserung
soll aber dann ausgeschlossen sein, wenn diese dem Verbraucher erhebliche
Unannehmlichkeiten bereiten würde; zB Zahnarzt verpfuscht eine Zahnspange.
Hier soll der Patient gleich Preisminderung verlangen können. | Vorrang
für Verbesserung und Austausch |
§
9a KSchG bestimmt nunmehr eine neue Haftung des Unternehmers
für unsachgemäße Montage – und bei Montage durch den Verbraucher
– für eine fehlerhafte Montageanleitung; sog IKEA-Klausel. | Fehlerhafte
Montageanleitung |
•
§ 9b
KSchG: Vertragliche Garantie → Vertragliche
Garantie
| |
•
§ 9 Abs 2 KSchG erklärt die
§§ 925-927 und § 933 Abs 2 ABGB über Viehmängel auf
Verbrauchergeschäfte für unanwendbar. | |
•
§ 13a KSchG regelt Verbraucherverträge
mit Auslandsbezug
→ KAPITEL 1: Internationales
Privatrecht. | |
13. Gewährleistungsfristen
– Geltendmachung | |
Gewährleistungsansprüche müssen im bürgerlichen
Recht innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden; § 933
ABGB. | §
933 ABGB |
§ 933 ABGB trägt nun die Überschrift: „Verjährung”,
was zum Ausdruck bringen soll, dass die Gewährleistungsfristen nicht
wie bisher als Präklusivfristen zu verstehen sind. | |
Gewährleistungsansprüche müssen aber
nicht nur innerhalb bestimmter Fristen, sondern – im Falle der Nichteinigung
mit dem Vertragspartner – auch gerichtlich geltend gemacht werden;
was (immer noch) einen Unterschied zum Rücktritt vom Vertrag darstellt,
der auch außergerichtlich erklärt werden kann. – Das bedeutet, dass
der Anspruch, wenn er nicht innerhalb offener Frist gerichtlich
geltend gemacht wird, verjährt. | Gerichtliche
Geltendmachung |
Eine Ausnahme von der eben erwähnten
grundsätzlichen klagsweisen Geltendmachung macht
§ 933 Abs 3 ABGB: Danach bleibt dem Erwerber die Geltendmachung
seiner Gewährleistungsansprüche im Prozess durch Einrede „in
jedem Fall vorbehalten, wenn er innerhalb der Frist dem Übergeber
den Mangel [wenn auch bloß außergerichtlich!] an[ge]zeigt hat.” | Einredeweise
Geltendmachung |
Einrede bedeutet das Geltendmachen
eines Gegenrechtes im Prozess. | |
| |
Die Gewährleistungsfrist
beträgt für: | Gewährleistungsfristen
– neu: § 933 ABGB |
• bewegliche Sachen: 2
Jahre (bisher 6 Monate) | |
• für unbewegliche Sachen (wie bisher): 3
Jahre
| |
• und für Tiermängel (wie bisher): 6
Wochen; § 933 Abs 2 ABGB. | |
Der Fristenlauf beginnt
bei: | Beginn des
Fristenlaufs |
•
Sachmängeln mit
Übergabe, | |
•
bei Rechtsmängeln erst ab Erkennbarkeit
des Mangels; | |
•
bei geheimen
Sachmängeln und zugesicherten Eigenschaften ab
Erkennbarkeit des Mangels; | |
•
bei Liegenschaften immer
mit der Übergabe, die auch eine außerbücherliche sein kann; das bedeutet,
dass die Frist hier (durch Unkenntnis) nicht verlängert wird. Zu
rechtfertigen ist das nur durch Verkehrsschutz- und Rechtssicherheitsüberlegungen. | |
| |
| |
| |
Ein Verzicht
auf das Geltendmachen von Gewährleistungsansprüchen ist
nach den Grundsätzen des § 863 ABGB zu beurteilen; SZ 48/103 → Entscheidungsbeispiele
– Leistungsstörungen –
Ein Gewährleistungsanspruch kann aber nicht mehr geltend gemacht
werden, wenn der Erwerber gegen die Klage des Veräußerers auf Leistung
des vertraglichen Entgelts für die Lieferung der mangelhaften Sache
das Bestehen des Mangels trotz Kenntnis nicht eingewendet hat; SZ
24/120 (1951). | |
14. Kaufmännische
Rügepflicht | |
Abweichend
vom bürgerlichen Recht ist die handelsrechtliche Gewährleistung,
die sogenannte Mängelrüge für Kaufleute, geregelt.
Es gelten dafür nicht die Regeln und Fristen des bürgerlichen Rechts
und auch die Rechtsfolgen sind andere, strengere, weshalb sie Verbrauchern
als Nichtkaufleuten nicht zugemutet werden können. – Die Mängelrüge
ist im Wirtschaftsleben von größter Bedeutung, gilt allerdings nur
„unter” Kaufleuten, also beim zweiseitigen Handelskauf! | |
|
§ 377 HGB | |
(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft,
so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch
den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich
ist, zu untersuchen, und wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer
unverzüglich Anzeige zu machen. | |
(2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt
die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel
handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. | |
(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so
muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden;
andernfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt. | |
(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt
die rechtzeitige Absendung der Anzeige. | |
(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen,
so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.” | |
|
„Unverzüglich“
bedeutet im Privatrecht „ohne schuldhaftes Zögern”, was nicht mit
„sofort” oder „sogleich” verwechselt werden darf. „Unverzüglich”
nimmt Rücksicht auf konkrete Umstände (=subjektive Bedeutung), während
„sofort” dies nicht tut (objektiver Gehalt). „Sofort” gewährt keinerlei
Aufschub, sondern meint juristisch wirklich „sofort”! – Der Sinn
der unverzüglichen Rügepflicht liegt darin, dass der Verkäufer möglichst
rasch wissen soll, woran er ist; ob er mit Gewährleistungsansprüchen
zu rechnen hat, um die Wahrung seiner Interessen und nötige Maßnahmen
möglichst rasch ergreifen zu können; SZ 63/197 uam. | „Unverzüglich“ |
Zur
Wahrung der Gewährleistungsansprüche genügt nach § 377 Abs 4 HGB
die rechtzeitige Absendung der Mängelrüge. Es bedarf also für die
Wirksamkeit der Mängelrüge nicht ihres Zugangs. Die Absendung muss
jedoch bewiesen werden. | |
Sie besteht
aus zwei Teilen, nämlich: | Aufbau der Mängelrüge |
•
der
unverzüglichen Untersuchungspflicht
| |
| |
•
und der
unverzüglichen Anzeigepflicht des Käufers. | |
Dabei sind Art und Umfang des Mangels möglichst
klar und detailliert auszuführen. | |
Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der
Mängelrüge trifft, wird sie vom Verkäufer bestritten, den Käufer.
Die Rechtzeitigkeit wird aber nicht von Amts wegen geprüft und muss
daher eingewendet werden. – Die Rspr befürwortet aber eine Protestpflicht
des Verkäufers bei verspätet erhobener Mängelrüge (durch
den Käufer). | Beweislast |
|
EvBl 1981/125:
Umfang der Untersuchungspflicht des Käufers – Schlüssiger Verzicht
des Verkäufers auf seine Einwendungen bei verspätet erhobener Mängelrüge durch
Unterlassung der Zurückweisung der Mängelrüge? | |
|
Streitig ist,
ob die Rügepflicht auch für Rechtsmängel gilt; bejahend Gschnitzer,
SchRAT 140 (19912). | Rügepflicht für Rechtsmängel? |
Die Mängelrüge
des HGB enthält Dispositivrecht, ist also abdingbar
und durch die Vertragsparteien modifizierbar. Das geschieht immer
wieder in Einzelverträgen, AGB oder Rahmenverträgen. | Dispositivrecht |
| |
Die Rügepflicht des HGB gilt für
den Platz- und den
Distanzkauf; anders
noch Art 347 AHGB. – § 379 HGB statuiert für den Distanzkauf eine
Aufbewahrungspflicht und bei Verderb und Gefahr für die Ware die
Pflicht sie freihändig verkaufen zu lassen; vgl damit nunmehr §
864 Abs 2 ABGB. | Platz-
und den Distanzkauf |
| |
Sie sind hart und wären Verbrauchern
nicht zumutbar. Werden nämlich die gesetzlichen Voraussetzungen
nicht erfüllt, wird die Mängelanzeige versäumt oder nicht korrekt
durchgeführt, „so gilt die Ware als genehmigt”. Das ist eine gesetzliche
Fiktion, die – anders als eine bloße Rechtsvermutung – nicht widerlegbar
ist! Dh: Der Käufer verliert alle seine Ersatzansprüche, also Gewährleistungs-,
Irrtumsanfechtungs- und allfällige Schadenersatzansprüche; ecolex
1991, 316. – Auf Grund der harten Sanktion ist daher größte betriebliche
Sorgfalt geboten, sonst bleibt man auf der mangelhaften Ware sitzen! | Rechtsfolgen
des
§ 377 Abs 2 HGB? |
| |
|
RdW 1985, 337
(Kosmetiksalon): Die Versäumung der Rüge iSd §
377 HGB führt dazu, dass die Ware als genehmigt gilt, und zwar unabhängig
davon, ob behauptete Mängel auf Planungsfehlern oder unsachgemäßer
Arbeit beruhen. – Da die nicht fristgerechte Rüge iSd § 377 HGB
auch zum Verlust des Anspruches auf Ersatz der angeblich durch die
behaupteten, aber nicht fristgerecht gerügten Mängel verursachten
Schäden führt (HS 5353 ua), kann insoweit auch von einer Ersatzpflicht
keine Rede sein. | |
|
|
JBl 1999,
252: Frist für Mängelrüge im Obsthandel – Risiko
einer Telefaxstörung: Hat der Käufer ein Telefax mit der Mängelrüge
fristgerecht abgesandt und lag es im Bereich des Verkäufers, dass
dieses Fax nicht oder nicht fristgerecht bei ihm einlangte, dann
wäre die Mängelrüge als rechtzeitig anzusehen; vgl
§ 377 Abs 4 HGB. – Bei hochverderblicher oder sehr verderblicher
Ware muss die Rüge binnen 6 Stunden, bei anderer Ware (dieser Art)
binnen 12 Stunden erfolgen. Verdeckte / geheime Mängel sind auch
hier unverzüglich nach Feststellung zu rügen. | |
|
Keine Rügepflicht besteht beim arglistigen Verschweigen
von Mängeln. So die Regelung des § 377 Abs 5 HGB. – Es hieße unlautere
Praktiken fördern, käme das Versäumen der (kurzen) Rügefrist auch
dem Täuschenden zugute. Daher die Anordnung des § 377 Abs 5 HGB:
„Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen,
so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.” – Bloßes Wissen/Kenntnis
des Mangels seitens des Verkäufers bedeutet aber noch keine
Arglist; vgl SZ 41/174: Nicht farbechte Campingmöbel. | Rügepflicht bei arglistigem Verschweigen von
Mängeln |
|
HS 8320/3 (1972):
Angeblich neuer LKW wurde aus gestohlenen Fahrzeugen
zusammengebaut – verkürztes Fahrgestell; | |
|
|
EvBl 1967/239: Weinlieferung ist gepantscht –
„Kalterer Hügel”; | |
|
|
SZ 42/60 (1969):
Verkauf eines Ansichtskartenautomaten – Arglist; | |
|
|
SZ 55/31 (1982):
Zweiseitiger Handelskauf von „unterkalibrierten” (= kleingewachsenen
und untergewichtigen) und zum Teil verdorbenen
Weinbergschnecken.
– Diese E behandelt zwei Problemkreise: 1) Die kaufmännische
Mängelrüge und dabei vor allem die Fragen: – Wurde ordnungsgemäß
gerügt? – Und: „Liegt ein Fall des § 377 Abs 5 HGB, also arglistiges
Verschweigen von Mängeln durch den Verkäufer, vor? Und 2) Das sog Streckengeschäft
→ Das Streckengeschäft
als Sonderfall des § 1423 ABGB
| |
Roh-Sachverhalt:
Der Kläger handelte mit rohen Lebensmitteln (ua mit Schnecken),
der Beklagte war im Ein- und Verkauf von Waldprodukten tätig. Der
Prozess betraf den Kauf von ca 18.000 kg Weinbergschnecken; Kaufpreis
414.874 S. Das Geschäft wurde – vereinbarungsgemäß – so abgewickelt,
dass der Kläger die Schnecken bei einer jugoslawischen Lieferfirma
kaufte, der Beklagte aber selbst die Ware übernehmen und bei Übernahme
sowohl deren Quantität, als auch deren Qualität prüfen sollte. Alle
späteren Reklamationen sollten ausgeschlossen sein. Der Beklagte
hatte auch für die von ihm übernommene Ware den Abtransport übernommen;
dabei war seitens des Beklagten nicht mit wünschenswerter Sorgfalt
vorgegangen worden (verspätete Abholung; nicht im Kühlwagen etc).
Bei Übernahme der Ware untersuchte der Beklagte die Ware nur oberflächlich,
weshalb ihm entging, dass in den einzelnen Steigen (vertragswidrig)
ein Großteil unterkalibrierter Schnecken enthalten war. Bei der
Untersuchung durch die Firma E, welcher der Beklagte die Schnecken
verkaufen wollte, wurde festgestellt, dass”unter der Oberschicht
der Kisten kleinere und zum Teil tote Schnecken” lagen. Eine weitere
und nähere Untersuchung ergab, dass 75 Prozent der Schnecken bereits
tot und insgesamt 60 Prozent der Gesamtmenge unterkalibriert waren. Die
Firma E lehnte daher die Übernahme der Ware ab. Hätte der Beklagte
bei Übernahme der Schnecken diese ordentlich untersucht, wäre deren
Unterkalibrierung unschwer festzustellen gewesen. – Der Beklagte zeigte
idF dem Kläger die Mängel an. Dieser war jedoch nicht bereit, die
Ware zurückzunehmen. | Ver/Kauf von
Weinbergschnecken |
Zur Mängelrügeproblematik : Zu Recht wurde
es abgelehnt, hier einen Fall des § 377 Abs 5 HGB (arglistiges Verschweigen
von Mängeln) anzunehmen. Hatte doch der Beklagte selbst, die ihm
obliegende Rügepflicht nicht sorgfältig genug wahrgenommen. Dazu
kommt, wie eben ausgeführt, dass nach hA die bloße Kenntnis des
Mangels seitens des Verkäufers keine Arglist bedeutet. | |
|
|
Im „Hineinschmuggeln”
unterkalibrierter Schnecken liegt zweifellos eine Irreführung des
Beklagten (zum Irrtum → KAPITEL 5: Willensmängel
¿ Irrtum),
den sich der Kläger an und für sich zurechnen lassen müsste. – Hier
zeigt sich jedoch anschaulich die „Schärfe” der Sanktion des § 377
HGB! Wurde nämlich nicht ordnungsgemäß gerügt, „gilt die Ware als
genehmigt”, was nichts anderes heißt, und das ist hier von Bedeutung:
Alle sonst bestehenden Ansprüche – sei es Schadenersatz oder eine
Irrtumsanfechtung – sind ausgeschlossen. Da auch der „letzte Rettungsanker”
für den Beklagten (§ 377 Abs 5 HGB) versagt, bleibt er auf dem Schaden sitzen,
zumal er diesen der eigenen Sorglosigkeit verdankt. | |
|
|
Zum Streckengeschäft:
Dieser Sachverhalt zeigt, dass bei Streckengeschäften bspw die Kaufverträge
in unterschiedlicher Reihenfolge geschlossen werden können. Während
beim Streckengeschäft im Eingangsbeispiel zuerst der Kaufvertrag
zwischen Großhändler und Einzelhändler (das entspricht hier der
Beziehung Kläger und Beklagter) abgeschlossen wurde, wurde er hier
zuerst zwischen Kläger und Lieferant geschlossen und erst danach
zwischen Kläger und Beklagten. – Das ändert aber nichts am Vorliegen
eines Streckengeschäfts, mag auch diese Sachverhalts- „Verschiebung”
in anderer Hinsicht von Bedeutung sein; zB kann im vorliegenden
Sachverhalt angenommen werden, dass der Kläger bereits Eigentümer
geworden ist und sich des Lieferanten als Erfüllungsgehilfen bediente.
Dies unter gleichzeitigem Heranziehen des Beklagten als seines (Stell)Vertreters
beim Wahrnehmen der an und für sich ihm obliegenden Rügepflicht. (Darin
kann Vertrauen des Klägers gegenüber dem Beklagten erblickt werden!) | |
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Von aliud-Lieferung wird gesprochen, wenn der Unterschied
zwischen bestellter und gelieferter Ware so groß ist, dass ein vernünftiger
Kaufmann damit keinen Erfüllungsversuch unternehmen würde und vom
Käufer ein Behalten der Ware als Vertragserfüllung nicht erwartet
werden kann; HS 4288 (1964) oder RZ 1973/151. Anders SZ 70/15 (1997),
wo ein Gewährleistungsanspruch aber angenommen wird. | |
Auf die aliud-Lieferung sind auch künftig
die Regeln über die Nichterfüllung anzuwenden; Welser/Jud, Die neue Gewährleistung
30. | |
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§ 378 HGB | |
Die Vorschriften des § 377 finden auch dann
Anwendung, wenn eine andere als die bedungene Ware oder eine andere
als die bedungene Menge von Waren geliefert ist, sofern die gelieferte
Ware nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht,
daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen
betrachten mußte. | |
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| Abbildung 7.74: Kaufmännische Mängelrüge (1) |
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16. Entscheidungsbeispiele
– Leistungsstörungen | |
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SZ 28/69
(1955): Durch die Fälschung der Inventur und Bilanz bei
Veräußerung eines Unternehmens wird dem Unternehmen eine nicht vorhandene
Eigenschaft beigelegt. Es liegt ein Qualitätsmangel vor. – Hat einer
der die Gesellschaft vertretenden, persönlich haftenden Gesellschafter
bei Veräußerung des Unternehmens der OHG [§§ 105 ff HGB] eine Betrugshandlung
begangen, so wird diese der Gesellschaft zugerechnet. | |
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JBl 1989,
381: Minderung des Bestandzinses (§ 1096 ABGB) wegen Umsatzrückgangs
einer Parkgarage durch Eröffnung eines Konkurrenunternehmens durch
den Bestandgeber wird verneint. (?) – Zur Abgrenzung der Zusicherung
der Ertragsfähigkeit eines verpachteten Unternehmens vom bloßen
Inaussichtstellen einer bestimmten Umsatzentwicklung. | |
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Zur Frage, ob die [früher] kurze (6-monatige)
oder lange (3-jährige) Gewährleistungsfrist zur
Anwendung gelangt: SZ 47/118 (1974) und SZ 39/7 (1969): Hauseigentümer
kauft selbst und verlegt selbständig eine
Dichtungsfolie
für das Dach. Die Folie erweist sich idF als mangelhaft.
– OGH: Die 6-monatige Frist zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen
gilt für die Lieferung beweglicher Sachen auch
dann, wenn diese dazu bestimmt sind, durch nicht mehr dem Lieferanten
/ Verkäufer obliegende Tätigkeiten Bestandteile einer unbeweglichen Sache
zu werden. – Anders läge der Fall, wenn zB ein Baumeister eine Garage
mit Flachdach errichtet und dieses mit einer undichten Folie abdichtet.
Dann wird die Folie unselbständiger Bestandteil des von ihm errichteten
Bauwerks (= unbewegliche Sache) und für das ganze Bauwerk gilt dann
die lange Gewährleistungsfrist. – Vgl nunmehr die Haftung nach dem
PHG → Produkthaftung
– PHG 1988: Entscheidungen. | |
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SZ 48/103 (1975): Kauf eines Opel
Admiral, Baujahr 1970: Die Beurteilung, ob durch Benützung
der mangelhaften Sache auf Wandlung verzichtet wurde,
hat nach den Grundsätzen des § 863 ABGB zu erfolgen. – Im konkreten
Fall wurde dies verneint. | |
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SZ 49/56 (1976): Lieferung
eines reparierten Unfallwagens als neuwertigen Pkw: Die
Regeln über Gewährleistung einerseits und über Irrtum andererseits
bestehen nebeneinander; sog Anspruchskumulierung. – Dh man kann
in einer Klage auch beide Ansprüche (parallel)
geltend machen. – Konsequenz: Ist zB die kurze Gewährleistungsfrist
schon verstrichen (6 Monate), besteht immer noch das Recht auf Geltendmachung
des Irrtums, das erst nach 3 Jahren verjährt. – Zur nunmehr bestehenden
Möglichkeit Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche nebeneinander
geltend zu machen sowie die Möglichkeit Schäden nach dem PHG 1988
ersetzt zu bekommen. | |
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SZ 39/8 (1966): Kauf eines Mercedes-Zylinderdruckautomaten –
Leitsatz: Anspruch auf Wandlung, wenn der Veräußerer zunächst vergeblich
versucht hat, die Sache zu verbessern, und sich idF weigert, Maßnahmen
zu treffen, die zur Herstellung eines einwandfreien Zustandes erforderlich
sind. | |
|
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SZ 39/34 (1966):
Kauf von Heißgetränkeautomaten – Leitsatz: Der
Käufer kann behebbare, aber trotz Aufforderung vom Verkäufer nicht
behobene Mängel als unbehebbar behandeln. (Dh: Käufer kann idF „wandeln”!) | |
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| Abbildung 7.75: Gewährleistung (1) |
|
| Abbildung 7.76: Gewährleistung (2) |
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| Abbildung 7.77: Gewährleistung (3) |
|
| Abbildung 7.78: Sachmängelhaftung: §§ 922 ff ABGB |
|
| Abbildung 7.79: Rechtsmängelhaftung: § 923 ABGB ua |
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| Abbildung 7.80: Gewährleistung – Verjährung: § 933 ABGB |
|
V. Gewährleistung
und Schadenersatz | |
| |
1. Konkurrenz:
Gewährleistung <-> Schadenersatz | |
Wir wissen, dass die Gewährleistung
– wie der Verzug – objektiv gefasst ist; dh: kein Verschulden (des
Vertragspartners) voraussetzt. Wie beim Verzug kann jedoch auch
bei der Gewährleistung dann, wenn zu den objektiven Voraussetzungen
ein Verschulden (am Vorliegen des Mangels) hinzutritt – auch – Schadenersatz
verlangt werden. | |
Mangelschaden - MangelfolgeschadenNach
der Rspr konnten Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche lange
nicht ohne weiteres neben- oder nacheinander geltend gemacht werden.
Neben Gewährleistungsansprüchen wurden bis 1990 nur sog Mangelfolgeschäden ersetzt.
Erst dann wurde die Anspruchskonkurrenz akzeptiert. | |
Ein Mangelschaden betrifft
den Mangel der veräußerten Sache selbst; zB kann dann eine Wertminderung
oder Reparaturkosten verlangt werden. – Ein Mangelfolgeschaden betrifft
dagegen Nachteile am sonstigen Vermögen des Erwerbers, die durch
die Mangelhaftigkeit der Sache entstehen. Der Mangelfolgeschaden
überschneidet sich uU mit dem PHG. | |
|
Im Anlassfall (JBl
1990, 648) ging es um eine
falsch
installierte Wasserleitung (Werkvertrag) in der Außenwand
eines Ferienhauses, in welchem Sanitär- und Heizungsinstallationen
im November 1981 technisch falsch verlegt worden waren; und zwar
nicht korrekt an den Innnen-, sondern an den Außenwänden. Die Folge
der falschen Verlegung der Rohre war die, dass die Wasserleitung
mehrfach, erstmals im Winter 1981/82 und erneut im Winter 1984/85
einfror. Die Klägerin klagte darauf den Installateur auf Deckung der
Behebungskosten. Ein begutachtender Architekt meinte 1982 unzutreffender
Weise, dass mangelhafte Isolierungsarbeiten für das Abfrieren verantwortlich
seien. Es ging hier um die (Anspruchs)Konkurrenz zwischen § 932
Abs 1 Satz 1 ABGB aF (Gewährleistung) und § 932 Abs 1 Satz 2 ABGB
aF (Schadenersatz). Gewährleistungsansprüche an Liegenschaften bestehen
3 Jahre lang, was auch für verborgene Mängel gilt. Diese Frist war
inzwischen abgelaufen. Schadenersatzansprüche verjähren aber nach
§ 1489 ABGB; dh innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Schadens
(Winter 1982) und des Schädigers (Gutachten Frühjar 1985). Diese
Frist war bei Klagserhebung am 21.3.1986 noch nicht abgelaufen (keine
Verjährung). Mit dieser E akzeptierte die Rspr erstmals parallel
zur Gewährleistung auch konkurrierende Schadenersatzansprüche, die
allerdings im Gegensatz zur Gewährleistung Verschulden voraussetzen. | |
|
| |
Seither besteht uneingeschränkte
Konkurrenz zwischen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen,
also die Möglichkeit voller paralleler oder nacheinander geschalteter
Anspruchsgeltendmachung. Dies ist von praktischer Bedeutung, weil
– wie erwähnt – für die beiden Anspruchstypen (Gewährleistung und
Schadenersatz) ua verschiedene Anspruchs(durchsetzungs)voraussetzungen, insbesondere
andere Verjährungsregelungen gelten. Das zeigt der Anlassfall, der
zur Judikaturänderung des OGH führte; JBl 1990, 648. | |
Die zuerst im Werkvertragsrecht ansetzende
Judikaturänderung wurde idF auf Kaufverträge erstreckt.
Die Konsequenzen dieses Rspr-Wandels sind insgesamt tiefgreifend:
Konnten Mängel bisher nur innerhalb der kurzen Gewährleistungsfristen
geltend gemacht werden, ist dies nunmehr uU nach Schadenersatzrecht
(§ 1489 ABGB) auch noch nach langer Zeit möglich; die absolute Verjährungszeit
des § 1489 beträgt nämlich 30 Jahre. Wird – wie im Anlassfall –
die wahre Schadensursache erst später festgestellt, beginnt der
Lauf der Schadenersatzverjährung erst mit diesem Zeitpunkt und verlängert
sich dadurch im Vergleich zur Gewährleistung uU beträchtlich. | |
Dazu kommt, dass der durch einen
Mangel Geschädigte nunmehr nicht mehr bloß auf den Mangelfolgeschaden
verwiesen wird, sondern auch den Ersatz des Erfüllungsschadens beanspruchen kann,
also so gestellt wird, wie er bei mangelfreier Erfüllung stünde. | Ersatz
des Erfüllungsschadens |
§
933 Abs 3 ABGB neu bestimmt nunmehr, dass nach 10
Jahren ab Übergabe der Sache, der Beweis des Verschuldens des
Übergebers dem Übernehmer obliegt; dies gilt sowohl für Mangelschäden
wie für Mangelfolgeschäden. | Umkehr der Beweislast |
§ 933
a Abs 2 ABGB neu schreibt nunmehr die – freilich ebenfalls
stark eingeschränkte – Anspruchskonkurrenz zwischen Gewährleistungs-
und Schadenersatzansprüchen fest: | Anspruchskonkurrenz |
„Wegen des Mangels selbst kann der Übernehmer
auch als Schadenersatz zunächst nur die Verbesserung oder
den Austausch verlangen. Er kann jedoch Geldersatz
verlangen, wenn sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich
ist oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand
verbunden wäre. Dasselbe gilt, wenn der Übergeber die Verbesserung
oder den Austausch verweigert oder nicht
in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für
den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre
oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden
Gründen unzumutbar sind.” | |
Die Sorge um das Unternehmerwohl ist nicht zu übersehen. | |
Neu ist auch
die Bestimmung des § 933 b ABGB, der den
Unternehmerrückgriff nunmehr
ausdrücklich regelt. Gedacht ist an Fälle, dass ein Unternehmer
einem Verbraucher Gewähr geleistet hat und nunmehr selbst von seinem
„Vormann” Gewährleistung fordern will. Er kann
dies nunmehr gemäß Abs 1 „auch nach Ablauf der Fristen des § 933”
ABGB tun. Derartige Ansprüche sind aber „innerhalb von [2] Monaten
ab Erfüllung der eigenen Gewährleistungspflicht gerichtlich geltend
zu machen. Die Haftung eines Rückgriffspflichtigen verjährt jedenfalls
in [5] Jahren nach Erbringung seiner Leistung. Die Frist wird durch
eine Streitverkündigung für die Dauer des Rechtsstreits gehemmt.” | Unternehmerrückgriff |
Satz
2 des Abs 1 unserer Bestimmung ordnet dies auch „für frühere
Übergeber im Verhältnis zu ihren Vormännern” an. – Diese
Ansprüche sind aber „mit der Höhe des eigenen Aufwandes beschränkt”. | |
VI. Produkthaftung
– PHG 1988 | |
| |
| |
| |
2. Definition
und Anwendungsbereich | |
Produkthaftung ist die
schadenersatzrechtliche, also deliktische Verantwortung
des Herstellers für sein Produkt. – Zur Abgrenzung von
der Gewährleistung → Abgrenzung
zur Gewährleistung
| |
Dem PHG kommt über seinen unmittelbaren
Anwendungsbereich hinaus auch insoferne Bedeutung zu, weil es auch
für andere (bereits gesetzlich geregelte) Bereiche gilt. So überlagert
das PHG das ArzneimittelG (AMG 1983, BGBl 185),
weil auch Arzneimittel Produkte iSd PHG sind, und ändert dadurch
die Verschuldenshaftung des AMG in eine Nichtverschuldenshaftung,
wie sie das PHG statuiert → Verschuldensunabhängige
Haftung Dasselbe
gilt nunmehr für die Produkthaftung nach dem MedizinprodukteG (MPG)
1996, BGBl 657 → Produktbegriff
– Medizinproduktegesetz
| Bedeutung
für
AMG und MPG |
3. Abgrenzung
zur Gewährleistung | |
Zum Unterschied von der Gewährleistung, die
eine Mängelhaftung für Schlechterfüllung ist (es geht bei der Gewährleistung
um die Mangelhaftigkeit der Sache selbst!), regelt die Produkthaftung Fälle,
wenn: | |
• „durch den Fehler
eines Produktes ein Mensch getötet, am Körper verletzt oder
an der Gesundheit geschädigt oder | |
•
eine von dem Produkt
verschiedene körperliche Sache beschädigt” wird;
§ 1 PHG. | |
| |
| |
In
solchen Fällen haftet für den Ersatz des Schadens nach §
1 Abs 1 PHG: | |
•
nach Z 1:
„der Unternehmer, der es hergestellt und in den Verkehr gebracht
hat” (= zB ausländischer Hersteller / Produzent ); | Hersteller |
•
nach
Z 2: „der Unternehmer, der es zum Vertrieb in den Europäischen Wirtschaftsraum
eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hat (Importeur)”; | Importeur |
•
nach Z 3: „Kann
der Hersteller oder – bei eingeführten Produkten – der Importeur
... nicht festgestellt werden, so haftet jeder Unternehmer [= Händler
/ Lieferant / Verkäufer ], der das Produkt in den Verkehr
gebracht hat,.., wenn er nicht dem Geschädigten in angemessener
Frist den Hersteller bzw – bei eingeführten Produkten – den Importeur
oder denjenigen nennt, der ihm das Produkt geliefert hat”; § 1 Abs
2 PHG. | Händler |
Die Tatsache, dass neben dem
Hersteller / Produzenten (, der häufig sein Unternehmen im Ausland
betreibt, was zur Anwendung ausländischen Rechts führte,) auch der
inländische Importeur oder Händler zur Haftung herangezogen werden
können, hat für Konsumenten auch den angenehmen Nebeneffekt, dass
dadurch österreichisches Recht zur Anwendung gelangt; zum IPR: → KAPITEL 1: Internationales
Privatrecht.
Zudem besteht ein Gerichtsstand in Österreich. | |
§
3 PHG ergänzt den Herstellerbegriff um den des Scheinherstellers.
Das ist derjenige, „der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein
Teilprodukt erzeugt hat, sowie jeder, der als Hersteller auftritt,
indem er seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen
auf dem Produkt anbringt.” | Scheinhersteller |
|
OGH 30. 3. 2001,
7 Ob 49/01h, EvBl 2001/145:
Hobbytaucher kauft einen Unterziehanzug
und ein Auslassventil, die aber nicht harmonieren, weshalb es zu
einem Tauchunfall kommt. Er klagt das Unternehmen, dessen Firmenname
auf dem Anzug aufgedruckt war wegen Verletzung der Warnpflicht;
§ 5 PHG. – OGH bejaht die Haftung des Scheinherstellers (§ 3 PHG),
da auch für „generell-abstrakt” fehlerfreie Produkte gehaftet werden
muss, wenn ihre „individuell-konkrete” Verwendung, mit der gerechnet werden
musste, zu einer Schädigung führt, und dennoch auf drohende Gefahren
nicht hingewiesen wurde. | |
|
5. Verschuldensunabhängige
Haftung | |
Das
PHG statuiert eine verschuldensunabhängige (§ 8 PHG: Haftungsausschlüsse → Haftungsausschluss), deliktische und
gegenüber Letztverbrauchern im Voraus unabdingbare und nicht beschränkbare Haftung;
§ 9 PHG. – Das PHG enthält weithin zwingendes Recht. | |
| |
Nach § 2 PHG besteht
„bei Beschädigung einer Sache” ein Selbstbehalt des Geschädigten
von 500 ı (7.900 S); überdies können Sachschäden
nach § 2 Z 1 PHG nur von Verbrauchern – also nicht von Unternehmern
– geltend gemacht werden. | |
| |
Nach § 1 PHG werden Personen-
und Sach schäden ersetzt, nicht dagegen reine Vermögensschäden. | |
| |
Nach § 13 PHG erlöschen
(!) Ersatzansprüche grundsätzlich 10 Jahre nach
Inverkehrbringen (§ 6 PHG) des schädigenden Produkts. | |
9. Geschützter
Personenkreis | |
Geschützt ist nicht nur der Vertragspartner,
also etwa der Käufer, sondern zB auch Familienangehörige oder Dritte,
die durch das fehlerhafte Produkt verletzt oder deren körperliche
Sachen beschädigt werden; § 1 Abs 1 PHG. | |
| |
10. Produktbegriff
– Medizinproduktegesetz | |
§ 4 PHG
definiert den Begriff des Produkts als „ bewegliche körperliche
Sache, auch wenn sie ein Teil einer anderen beweglichen
Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden ist, einschließlich
Energie.” Vgl auch → KAPITEL 8: Körperliche
und unkörperliche Sachen. | |
§ 4 PHG weicht vom weiten Sachbegriff
des § 285 ABGB ab. Darin liegt eine Einengung iSd Sachbegriffs des
dtBGB; vgl § 90 dtBGB: Sachen sind danach nur körperliche Sachen.
– Nicht unter den Sachbegriff des § 4 PHG fallen daher (bisher)
zB Dienstleistungen (vgl dagegen § 303 ABGB) oder Rechte (§ 292
ABGB). | Nur
körperliche Sachen |
Manche
Zweifel, ob eine körperliche Sache vorliegt oder nicht haben ihre
Gründe darin, dass das ABGB (§ 292) offenbar nicht mehr beachtet
wird; dort heißt es ausdrücklich, dass körperliche Sachen „in die
Sinne fallen”. Das gilt sowohl für Elektrizität, Gas, Wasserdampf
und Fernwärme. – Streitig ist aber bspw, ob der Produktbegriff auch
Computer-Software erfasst oder nicht; | Computer-Software |
| |
Richtig ist Computer-Software als körperliche Sache anzusehen,
sie fällt daher unter den Produktbegriff. | |
Dem Produktbegriff unterliegen auch Tiere (trotz
§ 285a ABGB) sowie menschliche Organe und Blut nach
ihrer Trennung vom Spender bis zu ihrer Verwertung (zB Implantation).
Sie werden heute als (transitorische) körperliche Sachen betrachtet
und unterliegen daher dem PHG. | Tiere
etc |
Durch die Formulierung
des § 4 PHG wird der zunächst enge Begriff, „bewegliche körperliche Sache”,
wesentlich erweitert! Denn an und für sich verliert eine bewegliche
körperliche Sache, wenn sie zB mit einer unbeweglichen Sache (in
bestimmter Weise) verbunden wird, ihre sachenrechtliche Selbständigkeit
und wird zum Bestandteil oder Zubehör der Liegenschaft, was oft
zur Folge hätte, dass das PHG keine Anwendung fände. – Zu Sachverbindungen → KAPITEL 8: Zugehör
¿ Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen; sog Sachverbindungen. | |
Vom Gesetz ausgenommen
sind aber land- und forstwirtschaftliche Naturprodukte und Wild, solange
diese „noch keiner ersten Verarbeitung unterzogen worden sind.” | Land-
und forstwirtschaftliche Naturprodukte |
| |
Eine
neue und spezielle Produktregelung trifft das MPG 1996 für Medizinprodukte,
die im Gesetz umschrieben werden. Die nationale Umsetzung des MPG
erfolgte – wie schon beim PHG – aufgrund einer EU-RL. Zur Haftung
auch → Definition
und Anwendungsbereich
| Medizinprodukte |
| |
| |
ProduktpiraterieG 2001,
BGBl I 65 (PPG). – Es sollte nicht mit dem PHG oder MPG verwechselt werden.
Mit dem PPG werden (auf Grund von EU-Vorschriften) Schutzlücken
im Verkehr mit Waren geschlossen werden, die ein Recht am geistigen
Eigentum (der Hersteller) verletzen. | ProduktpiraterieG |
| |
11. Fehlerhaftigkeit
eines Produkts | |
Ein Produkt
ist fehlerhaft, wenn es nicht jene Sicherheit bietet,
die unter Berücksichtigung aller Umstände (zB Darbietung, bestimmungsmäßiger
Gebrauch, Zeitpunkt des Inverkehrbringens) erwartet werden darf;
§ 5 PHG. – Die Art des Mangels (Konstruktions-, Herstellungs- oder
Instruktionsfehler) ist dabei unerheblich. | |
|
JBl 1996, 188:
Auf einem Lastwagen aufgebaute hydraulische Hubarbeitsbühne,
die aus Finnland importiert worden war, stürzt beim Beschneiden
größerer Bäume um, weil eine der beiden hinteren Schrägstützen wegen
eines Mangels nachgegeben hatte. – Der OGH stellt klar, dass auch
Produktionsfehler, Produktfehler iSd Gesetzes sind. | |
|
|
ZVR 1998/19: Eine Mineralwasserflasche,
bei der die Verschlusskappe beim Öffnen wie ein Sektkorken wegschießt,
weist einen Produktionsfehler auf. – Der Hersteller der Flasche
muss damit rechnen, dass der Verbraucher beim Öffnen der Flasche
sorglos und ohne besondere Vorsicht vorgeht. – Den Verbraucher trifft
kein Mitverschulden (§ 1304 ABGB), wenn er die Flasche an einem
heißen Tag mehr als 20 Stunden ungekühlt im Auto lässt und dann
ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen öffnet. – Der Überdruck in der Mineralwasserflasche
kann nicht als typisches Entwicklungsrisiko (§ 8 PHG) angesehen
werden, das die Produkthaftung des Herstellers ausschließt. | |
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OGH 11. 5. 2000,
8 Ob 192/99i, SZ 73/78: Kläger kauft sich einen Häcksler,
der auch feuchtes Material verarbeiten kann. Dabei sammeln sich
in der Auswurföffnung Reste, die regelmäßig entfernt werden müssen.
Zwar sind am Gerät Warnhinweise angebracht, aber es ist keine Vorrichtung
vorhanden, um beim Griff in die Öffnung nicht an die Schlägel zu
geraten. Dem Kläger werden 3 Finger abgetrennt. Er klagt auf Schadenersatz
nach § 5 PHG: Fehlerhaftigkeit des Produktes. – OGH: Der Hersteller
kann sich der Pflicht zu einer möglichst ungefährlichen Konstruktionsweise
nicht dadurch entziehen, dass er eine technisch mögliche und zumutbare
Maßnahme durch Warnungen ersetzt. | |
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OGH 9. 7. 2002,
2 Ob 253/01x, JBl 2003, 249: Gatte einer Unternehmerin, die
(Körper)Abwehrspray Marke
„ Bodyguard” vertreibt, erleidet dadurch einen Schaden,
dass ein ihm geschenkter Spray in seinem Auto explodiert und dessen
Innenausstattung stark verschmutzt. Der Geschädigte klagt nach §
5 PHG den Produkthersteller. – OGH: Ein dem PHG zu unterstellender
Fehler einer Spraydose läge dann vor, wenn dem Kläger der Nachweis
gelänge, dass die gegenständliche Dose bei einer Temperatur von
unter 50 Grad Celsius geborsten sei, weil nach dem Sicherheitshinweis
auf der Dose vor einer Lagerung über dieser Temperatur gewarnt wird.
Nach Meinung des OGH reicht es für die Erbringung des Beweises aber
nicht aus, dass eine Tatsache nur wahrscheinlich ist; aus § 272
ZPO sei vielmehr abzuleiten, dass das Regelbeweismaß der ZPO die hohe
Wahrscheinlichkeit ist. (? – Dazu → KAPITEL 9: Kausalität
/ Verursachung,
Folie: Kausalitätsspektrum) – Vorzuziehen wäre es, scharf zwischen
Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit zu unterscheiden, es aber bei
bloßer Wahrscheinlichkeit bewenden zu lassen, zumal die Abgrenzungen innerhalb
des Wahrscheinlichkeitsbereiches weithin unsicher bleiben. | |
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OHG 30. 9. 2002,
1 Ob 169/02p, JBl 2003, 247: Gemeinde vermietet Festsaal für Konzerte
an Kultur- und Turismusverein. Im Saal befinden sich von einem Gemeindebediensteten
hergestellte
Raumteiler. Der Veranstalter will im
Zuge letzter Vorbereitungen einen dieser Raumteiler verschieben,
wobei dieser umkippt und ihn schwer am Bein verletzt. Er klagt auf
Schadenersatz wegen Verletzung der Instruktionspflicht nach
§ 5 PHG. – OGH prüft vorbildlich: Inverkehrbringen, Produktfehler,
Instruktionspflicht, Mitverschulden und bejaht den Schadenersatzanpruch
gegen die Gemeinde, da nur vor gefahrbringenden Eigenschaften eines
Produkts, die dem Erfahrungswissen auch der am wenigsten informierten
Gruppe von Benutzern entsprechen, nicht gewarnt werden müsse. OGH
bejaht jedoch Mitverschulden; § 11 PHG iVm § 1304 ABGB. – Beachte:
Das PHG gelangt nicht nur auf Veräußerungsverträge, sondern – wie
der Fall zeigt – auch auf Gebrauchsüberlassungsverträge wie Miete,
Pacht etc zur Anwendung. | |
|
|
OGH 6. 10. 2000,
1 Ob 62/00z („
Betonterrassen-Fall” ), SZ 73/151 =
JBl 2001, 177 = EvBl 2001/50: Aus § 5 PHG ergibt sich auch eine
Instruktionspflicht des Herstellers; hier: Warnung vor ätzender
Wirkung von Beton. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn sich erst
bei Lieferung herausstellt, dass der Käufer mit der Gefährlichkeit
der Ware nicht vertraut ist. (Arbeit im frisch gelieferten
Beton ohne Schuhwerk.) – OGH: § 1313a ABGB gelangt auch dann zur
Anwendung, wenn der PHG-Gehilfe Schutz-, Sorgfalts- oder Aufklärungspflichten
vernachlässigt. | |
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| |
§ 6 PHG definiert
den Begriff des Inverkehrbringens und versteht darunter die Übergabe
zum Gebrauch oder das Einräumen von Verfügungsmacht;
Versendung (§ 429 ABGB) genügt. | |
| |
§ 7 PHG statuiert
eine Beweislastumkehrzulasten von Hersteller oder
Importeur, die behaupten, die Sache nicht in Verkehr gebracht oder
gehandelt zu haben. – Beachte die beweisrelevante Unterscheidung
von: „ ... so obliegt ihm der Beweis” (Abs 1) und „ ... wahrscheinlich
darzutun” (Abs 2). | |
| |
Ein Haftungsausschluss
(§ 8 PHG) kann nicht durch fehlendes Verschulden, sondern nur durch
den Nachweis erreicht werden, dass: | |
• der Fehler zB „auf
eine Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung zurückzuführen
ist” (§ 8 Z 1 PHG) oder | |
• wenn die schädlichen „Eigenschaften des Produkts
nach dem Stand der Wissenschaft und Technik ... nicht als Fehler
erkannt werden konnten” (§ 8 Z 2 PHG) usw. | |
|
JBl 1996, 188 → Fehlerhaftigkeit
eines Produkts:
OGH wendet auf den aufgetretenen Produktionsfehler der hydraulischen Hubarbeitsbühne §
8 Z 2 PHG an. | |
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| |
„Trifft die Hauptpflicht
mehrere, so haften sie zur ungeteilten Hand ....”; § 10 PHG. | |
| |
Für ein Mitverschuldendes
Geschädigten gilt § 1304 ABGB „sinngemäß”; § 11 PHG. | |
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Das PHG statuiert ein
Rückgriffsrecht dessen, der für den Schaden aufgekommen ist, und
zwar beim Hersteller; zB Letztverkäufer. Gesetz lesen! | |
18. Weitere Entscheidungen
zur Produkthaftung | |
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NJW 1985,
194 – BGH (Deliktische Haftung des Warenherstellers wegen eines
Produktfehlers bei einer Dachabdeckfolie): Dem
Eigentümer eines Hauses können gegen den Hersteller einer Dachabdeckfolie deliktische
Schadenersatzansprüche aus Eigentumsverletzung zustehen, wenn diese
Folie nach ihrer Anbringung infolge eines Produktfehlers ihre wasserabweisende
Wirkung verliert und durch eindringende Feuchtigkeit Schäden an
den unteren Schichten des Dachaufbaus entstehen. | |
|
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JBl 1993,
524 (Fischerhüttenfall – gekürzt): Fehlerhaftigkeit
eines Produkts wegen unzureichender Instruktion – Konkretisierung
des unbestimmten Rechtsbegriffs”berechtigte Sicherheitserwartung
des durchschnittlichen Produktbenützers „in § 5 PHG. Kläger = Ehegatte
der der Gattin gehörenden Fischerhütte Beklagter = Erzeuger des
gekauften Produkts / ungelöschten Kalks Schaden = Zerstörung der Fischerhütte
samt Einrichtungsgegenständen, weil ein 50 kg-Sack ungelöschten
Kalkes feucht geworden war und einen Brand ausgelöst hatte. Der
Fehler eines Produkts kann [auch] in seiner Darbietung gelegen sein,
worunter die Art und Weise der Produktpräsentation in der Öffentlichkeit
verstanden wird. Zu den Instruktionspflichten des Herstellers gehört
es, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen
und uU vor widmungswidrigem Gebrauch zu warnen.
Was im Bereich allgemeiner Erfahrung der in
Betracht kommenden Abnehmer und Benutzer liegt, braucht nicht zum
Inhalt einer Warnung gemacht werden. Entscheidend sind die berechtigten Sicherheitserwartungen
eines durchschnittlichen Produktbenützers. Da deren Inhalt
nur durch Zuhilfenahme außerrechtlicher Begriffsinhalte und Wertmaßstäbe
ausgefüllt werden kann, liegt ein unbestimmter Rechtsbegriff vor.
Bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe ist ein normativer
Maßstab anzulegen, der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung
vom Revisionsgericht überprüft werden kann. Neben gesetzlichen Wertungen
und allgemein anerkannten Maximen und Standards sind vor allem die Rechtsüberzeugung und
die Verkehrssitte der beteiligten Kreise heranzuziehen.
– Der Richter darf zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs
„berechtigte Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Benützers”
zwar seine allgemeine Lebenserfahrung einsetzen, ist aber insofern
nicht Repräsentant dieser Verkehrskreise. Auf die Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur Feststellung jener Tatsachen, die
zur Konkretisierung der „berechtigten Sicherheitserwartungen des
durchschnittlichen Benützers” erforderlich sind, kann nicht verzichtet
werden. | |
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EvBl
1999/126: Zur Produkthaftung des „
Anscheinsherstellers”. | |
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| Abbildung 7.81: PHG (1) |
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| Abbildung 7.82: PHG (2) |
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| Abbildung 7.83: PHG (3) |
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| Abbildung 7.84: PHG (4) |
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| Abbildung 7.85: PHG (5) |
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VII. Verkürzung
über die Hälfte | |
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Die
Verkürzung über die Hälfte bekämpft schwere (objektive)
Äquivalenzstörungen,
dh Situationen bei entgeltlichen Verträgen, bei denen Leistung und
Gegenleistung in grobem Missverhältnis zueinander stehen. Die gesetzliche
Regelung entspringt einer Situation, die der Gesetzgeber nicht zu
tolerieren bereit ist, obwohl er weiß, dass Leistung und Gegenleistung
längst nicht immer objektiv gleichen Wert haben. Zuviel ist es jedoch,
wenn die Äquivalenzstörung mehr als die Hälfte des gemeinen (= objektiven)
Wertes ausmacht; § 305 ABGB. | Äquivalenzstörungen |
Historisch
spielte die laesio enormis (= enorme Verletzung)
als Wucherbekämpfungsmitteleine Rolle. Die rechtshistorische
Entwicklung verlief vom nachklassisch-römischen (Diokletian: zunächst nur
für die Verkäuferseite, weil die Käuferseite damals durch Preisregulierung
ohnehin geschützt war!) zum kanonischen Recht und
fand von hier Eingang ins Gemeine Recht von wo
es das ABGB übernahm. Zur Geschichte H. Kalb, ArchKirchR
1985, H. 4. | Rechtsgeschichte |
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Die Bedeutung unseres Rechtsinstituts hält
sich in Grenzen. Ein europäisches ZGB wird es wohl nicht mehr aufnehmen. | |
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OGH 12.
9. 2001, 4 Ob 159/01p, JBl 2002, 243 = EvBl 2002/42: Eine Option
zum Kauf einer Liegenschaft wird nach über 20 Jahren ausgeübt;
das ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Grundstück war inzwischen
ein Vielfaches Wert (Umwidmung in Bauland). – OGH: Für die Bewertung
der beiden Leistungen iSd § 934 ABGB (laesio enormis )
ist auf den objektiven Wert im Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts
abzustellen (und nicht auf den Abschluss des Optionsvertrags ?).
Hinzuzufügen ist: Wenn nichts anderes vereinbart wurde. | |
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OGH 7. 8.
2001, 1 Ob 161/01k, EvBl 2002/1: Ein Fruchtnießer an einem Mietshaus
schließt mehrere Mietverträge. Nach seinem Tod will der Erbe einen
dieser Mietverträge wegen laesio enormis (§ 934
ABGB) anfechten. – OGH: Für den Ausschluss der Anfechtung wegen
laesio enormis genügt es nicht, dass dem Vermieter bewusst ist,
einen wesentlich geringeren als den tatsächlich erzielbaren Mietzins
zu verlangen, vielmehr könnte nur die positive Kenntnis des Verkürzten
vom wahren Wert die Anfechtung wegen laesio enormis ausschließen.
(§ 1487 ABGB ist zu beachten.) | |
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Unser
Rechtsmittel kommt zum Tragen, wenn bei entgeltlichen Geschäften
der gemeine Wert
(§ 305 ABGB) der Leistung nicht einmal die Hälfte des gemeinen Werts
der Gegenleistung erreicht. | Voraussetzungen |
In diesem Fall kann
der (objektiv) verkürzte Vertragspartner: | Rechtsfolgen |
•
Aufhebung
des Vertrags und Rückstellung der Leistung gerichtlich
verlangen (nicht aber Preisminderung!); | |
• der verkürzende Teil kann aber durch Aufzahlung
auf den gemeinen Wert das Geschäft aufrechterhalten. Das
stellt eine sog facultas alternativa dar. Die Aufzahlung muss den
vollen Marktpreis erreichen und nicht nur die Hälfte! | |
2. Zeitpunkt der
Berechnung – Ius cogens | |
Nach § 934 Satz 3 ABGB wird
das „Missverhältnis des Wertes ... nach dem Zeitpunkte des geschlossenen
Geschäftes bestimmt”. | |
Nach § 935, erster HalbS ABGB handelt es sich bei § 934
ABGB um zwingendes Recht. § 935 Satz 2 ABGB statuiert
jedoch Ausnahmen; zB wenn jemand die Sache „aus besonderer Vorliebe um
einen außerordentlichen Wert” zu übernehmen erklärt oder die Sache
in einer gerichtlichen Versteigerung erwirbt. Vgl die weiteren Beispiele
im Gesetz. | |
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| Abbildung 7.86: Verkürzung über die Hälfte (1) |
|
| Abbildung 7.87: Verkürzung über die Hälfte (2) |
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VIII. Nachträgliche
Unmöglichkeit | |
1. Anfängliche
und nachträgliche Unmöglichkeit | |
Ist die
vereinbarte Leistung schon bei Vertragsschluss unmöglich, liegt
anfängliche Unmöglichkeit vor; war die Leistung bei Vertragsschluss
aber möglich und wird sie erst später, genauer: zwischen Vertragsschluss
und Erfüllung unmöglich, liegt nachträgliche Unmöglichkeit vor.
Das kann auf unterschiedliche Weise eintreten, nämlich durch tatsächliches
– zB verkauftes Auto wird bei Unfall zerstört – oder rechtliches
Unmöglichwerden; diesen Fall regelt § 880 ABGB: sog Außerverkehrsetzen
einer Sache. – Nur die nachfolgende Unmöglichkeit ist Leistungsstörung,
die anfängliche dagegen ein Mangel in der Wurzel des Rechtsgeschäfts. | |
Die nachfolgende Unmöglichkeit
konkurriert nicht selten mit den Rechtsinstituten der Gewährleistung
und/oder des Verzugs, also anderen Leistungsstörungen. | |
2. Verschuldete
und nicht verschuldete Unmöglichkeit | |
Diese Leistungsstörung
kann – vergröbert gesagt – ihren Grund in einem Verschulden des
Vertragspartners haben (§ 920 ABGB) oder ohne Verschulden des
Vertragspartners eingetreten sein (§ 1447 ABGB). Danach unterscheiden
sich auch die Rechtsfolgen; Gesetz lesen. | |
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OGH 25. 9. 2001,
1 Ob 164/01a, EvBl 2002/40: Eine slowenische Bank übernahm für einen
slowenischen Unternehmer eine Bankgarantie für
die Rückerstattung einer Anzahlung. Begünstigter begehrt Zahlung des
Garanten, was dieser verweigert, da auf Grund einer Einstweiligen
Verfügung eines slowenischen Gerichts Unmöglichkeit vorliege. –
OGH: Bei einer bloßen Provisorialmaßnahme liegt keine Unmöglichkeit
vor, da das Kriterium des „dauernden Hindernisses” nicht erfüllt
ist. | |
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Vgl dazu auch das
Beispiel → KAPITEL 8: Der
sog Doppelverkauf: Doppelverkauf. – Zur
Bedeutung dieser Unterscheidung bei beschränkten Gattungsschulden → KAPITEL 8: Gefahrtragungsregeln
für Stück- und
Gattungsschulden . | |
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3. Unzumutbarkeit
und Unerschwinglichkeit der Leistung | |
Das römische Recht kannte das dem Celsus (D.
50, 17, 185) zugeschriebene Rechtssprichtwort: ultra posse
nemo tenetur – Mehr zu tun, als man kann, ist niemand verpflichtet.
Dieser Rechtssatz stammt aber schon aus dem antiken Griechenland
und findet sich nachweislich schon bei Demosthenes. – Diese Formel
besitzt sowohl für das subjektive Unvermögen wie
die objektive Unmöglichkeit Bedeutung, tendiert
aber bereits in Richtung Unzumutbarkeit und Unerschwinglichkeit
der Leistung. | |
Der Unmöglichkeit der
Leistung gleichgestellt werden heute die (individuelle) Unzumutbarkeit und
die sog Unerschwinglichkeit der Leistung. – Unzumutbar
ist bspw ein Gefühls- oder Gewissenskonflikt des Schuldners; zB
Künstler soll am Todestag eines nahen Angehörigen auftreten. – Unerschwinglichkeit
(als Unterfall der Unzumutbarkeit) dagegen wäre anzunehmen, wenn
der für die Erbringung der Leistung nötige Aufwand in keiner vertretbaren
Relation zum Wert der Leistung steht; vgl MietSlg 37.179 oder SZ
26/194. | Beispiele |
Keine Unzumutbarkeit / Unerschwinglichkeit der Leistung
ist aber anzunehmen, wenn der Leistungspflichtige bewusst ein bestimmtes Risiko übernommen
hat. | |
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4. Anspruchskonkurrenz
und iura novit curia | |
Von Anspruchs- Konkurrenz spricht
man dann, wenn ein Rechtsanspruch nicht nur auf einem (einzigen)
Weg geltend gemacht werden kann, sondern der Anspruchsteller über
mehrere Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung verfügt. So kann es
sein, dass ein Anspruchswerber gleichzeitig in seiner Klage sowohl
Gewährleistung, Verzug, nachfolgende Unmöglichkeit, Irrtum und Schadenersatzansprüche
erhebt. Das ist grundsätzlich zulässig. | |
Es liegt dann
zugleich eine
Anspruchskumulierung vor. Der Anspruchswerber
kann sich aber auch nur auf eine Anspruchsgrundlage stützen. Die
Leistung kann aber selbstverständlich nur einmal (v)erlangt werden.
– Aber parallele / kumulierte Anspruchsgeltendmachung erhöht die Sicherheit
/ Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Anspruchsdurchsetzung! Irgendetwas
wird ja wohl „klappen”! Vgl aber gleich: Iura novit curia. | Anspruchskumulierung |
Anspruchskonkurrenz kann aber auch sukzessiv zur
Anwendung gelangen; so schließt bspw das Erlöschen des Gewährleistungsanspruchs
durch Zeitablauf die Irrtumsanfechtung nicht aus; Rspr 1932/309. | |
In diesem Zusammenhang kann ein zivilprozessualer
Merksatz kurz erläutert werden: Iura novit curia. Dieser gemeinrechtliche
Grundsatz meint, dass es nicht Aufgabe der Parteien, sondern des Gerichts
ist, ein dem Gericht unterbreitetes Parteivorbringen (einen Sachverhalt)
bezüglich seiner rechtlichen Konsequenzen (im Detail) zu beurteilen.
„Das Gericht hat die Kenntnis des anwendbaren Rechts zu besitzen
oder sich zu verschaffen”; Fasching, Zivilprozeßrecht, 19902.
(Das war nicht immer so in der Rechtsgeschichte.) – Die Parteien
trifft also nicht die Pflicht, ihr rechtliches Vorbringen (zB in
einem Schriftsatz oder einer Klage) unter bestimmte Rechtssätze
/ Tatbestände (verbindlich) zu subsumieren. Und auf der anderen
Seite ist das Gericht auf keinen Fall an allfällige Parteisubsumtionen
– die natürlich in der Praxis vorkommen – gebunden. Es genügt, wenn
der Anspruch / das Begehren so gestellt wird, dass das Gericht daraus
zB einen Gewährleistungs- oder Schadenersatzanspruch abzuleiten
vermag. – In diesem Sinne sind auch die eben gemachten Aussagen
zur Anspruchskonkurrenz zu verstehen und zu relativieren. | Iura
novit curia |
IX. Zur
sog positiven Vertragsverletzung | |
Im Zusammenhang
mit den vertraglichen Haupt- und Neben(leistungs)pflichten und den
Leistungsstörungen soll auch die sog positive Vertragsverletzung
( pVV) kurz behandelt werden, zumal sie im österreichischen
Schrifttum eine gewisse, wenngleich wenig glückliche, Rolle spielt.
– Vgl auch → KAPITEL 9: Vertrags-
und Deliktshaftung: Vertrags- und Deliktshaftung. Der Text
wird nunmehr in der Form eines Links angeboten. | |
1. Die pVV als
Auffangtatbestand – Was ist ihr Anwendungsbereich? | |
Die pVV – ein "Import" aus
Deutschland – ist (den Kondiktionen / dem Bereicherungsrecht vergleichbar)
als Lückenbüßer gedacht, ist Auffangtatbestand, dem in Deutschland
nach dem dtBGB die Aufgabe zukommt, das zu erledigen, was andere
Rechtsinstitute nicht oder doch nicht zufriedenstellend leisten
können. Zum Unterschied vom Bereicherungsrecht umfasst das Einzugsgebiet
der pVV aber nicht das gesamte Privatrecht, sondern nur den Bereich der Leistungsstörungen.
Zu betonen ist ferner, dass es sich bei der pVV um die Antwort einer
ganz bestimmten nationalen Privatrechtsordnung auf ihre spezifischen
(hausgemachten) Probleme handelte – nämlich des dtBGB –, und nicht
um eine generelle oder gar universelle privatrechtliche Fragestellung.
Wir sind daher gut beraten, uns in Österreich von vornherein mit
Vorsicht diesem Thema zu nähern, zumal das ABGB, wenn auch deutlich
älter als das dtBGB, das Auslöser- oder Kernproblem für die Entstehung
der pVV gar nicht kennt und daher das Rechtsinstitut nicht benötigt
wird. Im dtBGB fehlte nämlich (bis zur Schuldrechtsreform
2002) eine dem ABGB vergleichbare allgemeine Regelung für
die Schlechterfüllung und dieser Mangel wurde erst nach
Inkrafttreten des dtBGB deutlich; vgl etwa Enneccerus (Recht der
Schuldverhältnisse 225, 195414): "Die
Verfasser des deutschen BGB haben, wie es scheint, geglaubt, durch
die Vorschriften über das Unmöglichwerden der Leistung und den Verzug, alle
schuldhaften Verletzungen von Forderungsrechten geregelt zu haben.
Diese Annahme ist aber nicht zutreffend. Es gibt vielmehr zahlreiche
Forderungsverletzungen, die weder Unmöglichkeit der Leistung noch
eine Verzögerung bewirken, und ferner andere, die zwar eine solche
Folge haben, aber dem Gläubiger daneben einen über das Erfüllungsinteresse
[-schaden] weit hinausreichenden Schaden zufügen." | |
Als Beispiele nennt Enneccerus: | |
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Die Rechtsfolgen für die
pVV wurden in Deutschland in (Rechts)Analogie zu den Unmöglichkeits-
und Verzugsregeln gewonnen, wobei zu betonen ist, dass es sich dabei
ausschließlich um auf Verschulden (!) beruhende Schadenersatzansprüche handelt
(und nicht etwa um objektive Verzugs- oder Gewährleistungsansprüche
wie nach dem ABGB). Genauer geht es um über den Erfüllungsschaden
hinausgehende schädigende Folgen von Schlechterfüllung. Gerade dafür
hatte das ABGB in § 932 Abs 1 letzter Satz ABGB aF aber vorgesorgt: | |
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Es ist daher nicht verwunderlich
und soll erneut in Erinnerung gerufen werden, dass in Österreich
schon früh Kritik gegen eine Übernahme dieser BGB-Rechtsfortbildung
geäußert wurde. Schon die Redaktoren der III. TN zum ABGB lehnten
dieses Rechtsinstitut ab; Materialien 285. Vgl ferner Ehrenzweig
II/12, S. 209 und 292 (1928) und insbesondere
Gschnitzer in Klang2 IV/1, 471 ff (1955;
dort lesen wir: "Somit ist der Begriff der p.V. systematisch wertlos.")
und SCHRAT1 71 (1965). In der 2. Auflage
des Gschnitzerlehrbuchs taucht der Begriff der pVV allerdings auf,
wenngleich beschränkt auf Nebenpflichten. Vgl auch Reischauers Ablehnung
in: Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis, insbesondere 148 (1975)
und derselbe, in Rummel, ABGB I2 Vor
§§ 918-933 ABGB Rz 4. Reischauer spricht zutreffend vom "missglückten
Leistungsstörungsrecht" des dtBGB. – Kritisch auch Mayrhofer, SchRAT (Ehrenzweig,
Neubearbeitung) 352. – Koziol / Welser dagegen verwenden den Begriff
unkritisch ohne Vorbehalt und ohne historische Hintergrundinformation;
Bd I10 267 und auch noch II12. Das
gleiche gilt für P. Bydlinski, Grundzüge des Privatrechts 152 (1994 2). | |
Dazu kommt, was
häufig übersehen wird, dass das dtBGB seine Schadenersatzlehre,
anders als das ABGB, ausschließlich deliktisch konzipiert hat und
Schäden aus Vertrag (Schuld- oder Forderungsverletzungen) in antiquierter
Weise grundsätzlich nicht seinem Schadenersatzrecht unterstellt;
vgl für Deutschland etwa M. Fuchs, Deliktsrecht (20034)
und für Österreich Ehrenzweig2 II/1,
S. 49. Der Passus des § 823 Abs 1 dtBGB " ... oder ein sonstiges
Recht ..." wird sehr eng verstanden und schützt nach hA nur absolute,
nicht dagegen Forderungsrechte. "Die Verletzung eines Forderungsrechts
macht daher [nach dtBGB] nicht schadenersatzpflichtig." (Fuchs aaO). Ganz
anders zB das ABGB (§ 1295 Abs 1): " ... der Schade mag durch Übertretung
einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht
worden sein." (Die österr Kodifikationsarbeiten schließen – wie
die preußischen – angefangen vom Codex Theresianus, über die Entwürfe
Hortens und Martinis bis zum WGGB die Kluft zwischen Schadenersatz
aus Vertrag und Delikt konsequent.) – Es brauchte daher in Deutschland
für Schäden aus Vertragsverletzungen, die gesetzlich nicht geregelt
waren, einen dogmatischen Aufhänger. (Das betrifft typischerweise
Nebenpflichten eines Vertragspartners; etwa wenn ein Elektriker
unachtsam eine teure Vase des Werkbestellers beschädigt.) Und dieser
Aufhänger wurde in mehreren Teilschritten mit der dogmatischen Figur
der pVV extra legem geschaffen und soll jenen Schutzpflichtenkanon
(für bestehende Verträge) schadenersatzrechtlich sanktionieren,
den die Rechtsfigur der cic für den vorvertraglichen Bereich erfasst;
also insbesondere die Verletzung von Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten
(als Nebenpflichten neben der bestehenden vertraglichen Hauptleistungspflicht). | |
Positiv ist
anzumerken, dass die Auseinandersetzungen um die pVV zu einem schärferen
dogmatischen Erfassen vertraglicher Neben(leistungs)pflichten geführt
hat und wohl auch mitursächlich dafür war, dass die österreichische
Rspr vor wenigen Jahren den Schritt zur (alternativen) Anspruchskonkurrenz
von Schadenersatz und Gewährleistung getan hat, mag er im ABGB auch
seit der 3. TN (§ 932 Abs 1 letzter Satz) angelegt gewesen sein.
– Gegen eine unkritische Rezeption des Rechtsinstituts des pVV (als
Auffangtatbestand für Schlechterfüllung) spricht aber ferner der
bekannte Umstand, dass die österreichische Rspr die Beweislastumkehr
des § 1298 ABGB nur für den Bereich der Nichterfüllung, nicht aber
auf die Schlechterfüllung oder Schädigungen anlässlich der Erfüllung anwenden
will. Der Anwendungsbereich der dtpVV musste für Österreich daher
"geteilt" werden, in einen solchen auf den § 1298 ABGB Anwendung
findet – denn die Rspr rechnet die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten
zur Nichterfüllung –, und einen anderen Bereich, dem die Rechtswohltat
der Beweislastumkehr nicht zugute kommt. (Ganz abgesehen davon,
dass auch in Deutschland die Frage der Beweislast für das Verschulden
seit jeher umstritten war; vgl nur Enneccerus!) | |
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All das zusammengenommen lässt
es ratsam erscheinen, in Österreich auf die in Deutschland entwickelte
dogmatische (Rezeptions)Figur der pVV zu verzichten. Der jüngste
dt Reformschritt legt dies zusätzlich nahe. Denn: Die §§ 918, 921
ABGB erfassen explizit den Verspätungs- und Nichterfüllungsschaden
bei Verzug (§ 918 Abs 2 ABGB: Teilverzug), § 920
ABGB regelt die Erfüllungsvereitelung (Unmöglichkeit)
und § 932 Abs 1 ABGB trifft eine Regelung für die Schlechterfüllung.
Und § 1298 ABGB sanktioniert jedenfalls für den Bereich der Nichterfüllung die
Verletzung der "vertragsmäßigen oder gesetzlichen [= deliktisch!]
Verbindlichkeit[en]". – Dazu kommt, dass wir in Österreich weder
für das Unzumutbarwerden von Dauerschuldverhältnissen,
noch den offenen Vertragsbruch des Schuldners einen
eigenen Auffangtatbestand benötigen; vgl dagegen oben Pkt 1 die
Aufzählung von Enneccerus. Darüber hinaus erfasst die pVV weder
vorvertragliche (cic), noch nachvertragliche Schutz-, Sorgfalts- oder
Aufklärungspflichten (g Kapitel 6.B., S. 369); und die bei bestimmten
Verträgen nicht geregelte Gewährleistung ist besser durch Analogie
oder Kreation (g Kapitel 5.C.III.3., S. 314) zu schließen als durch
ein eigenes Rechtsinstitut. Auch Schutz- und Sorgfaltspflichten
außerhalb von Verträgen werden von pVV nicht erfasst; zur Haftung
aus einer Garantenstellung g Kapitel 10.A.II.3., S. 660. | |
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