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Inhaltsverzeichnis
SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 8
zurück A. Grundgedanken des Sachenrechts
vor C. Gutglaubenserwerb und Doppelverkauf
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B. Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung
Literaturquelle
I. Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel
1. Gründe seiner Beliebtheit
Der Eigentumsvorbehalt ist ein beliebtes Mittel, um bei Kreditkäufen über bewegliche Sachen den Verkäufer dinglich zu sichern. Praktisch spielt der Eigentumsvorbehalt im Zusammenhang mit dem Abzahlungsgeschäft (§§ 16 ff KSchG → KAPITEL 2: Das Abzahlungsgeschäft) eine wichtige Rolle. Seine weite Verbreitung rührt daher, dass er die verschieden gelagerten Erwartungen von Verkäufer und Käufer rechtlich in geradezu idealer Weise verbindet: Der Käufer kann die Sache nutzen und wird – was oft nicht gesehen wird – auch hinreichend gegen den Verkäufer (und dessen Gläubiger) geschützt. Der Verkäufer bleibt trotz Übergabe des Kaufgegenstands (bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises) Eigentümer der Sache / Ware und sichert so seine Kaufpreisforderung gegen den Käufer (insbesondere dessen Zahlungsverzug oder Zahlungsunfähigkeit) und seine Gläubiger optimal ab. Der Eigentumsvorbehalt fördert den Absatz des Verkäufers, ohne damit ein nennenswertes Risiko zu verbinden. Der Eigentumsvorbehalt ist bei uns das effizienteste Warensicherungsmittel der Wirtschaft. Er kann nur an beweglichen Sachen begründet werden.
Kreditkäufe
Rechtshistorisch hat sich der Eigentumsvorbehalt erst spät, nämlich am Ende des 19. Jhs. entwickelt; Vorformen existierten aber schon bei den alten Griechen, wo das Eigentum erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung überging, was von den Römern übernommen wurde. – Der Eigentumsvorbehalt setzt wirtschaftlich einen intensivierten Warenabsatz und ein damit verbundenes Sicherungsbedürfnis voraus. Dieses Sicherungsbedürfnis bestand aber auch schon in den frühen Rechtsordnungen Griechenlands und Roms. Das antike Recht schob daher ebenfalls den endgültigen Rechtserwerb am Kaufgegenstand bis zur Kaufpreiszahlung hinaus.
Rechtsgeschichte
Zu ähnlichen Sicherungsmitteln beim Liegenschaftskauf (Anmerkung der Rangordnung, Restkaufpreishypothek etc) → KAPITEL 2: Besonderheiten des Liegenschaftskaufs. – Eine Art Spezialvorschrift für die Wirksamkeit eines Eigentumsvorbehalts an Maschinen – gegenüber Liegenschaftsgläubigern, die mit einer Liegenschaft „in Verbindung gebracht” werden, enthält § 297a ABGB → § 297a ABGB – Der „Maschinenparagraph”
Der Eigentumsvorbehalt gehörte längst – auf dem Niveau der deutschen und österreichischen Rechtsordnung – EU-weit einheitlich geregelt → Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel
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2. Keine gesetzliche Regelung
Der Eigentumsvorbehalt ist in Österreich (anders als in Deutschland) gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Er beruht vielmehr auf Judikaturgewohnheitsrecht, das sich formell auf § 1063 ABGB stützt: Kreditkauf / Kauf auf Borg. Manche Gesetze setzen das Rechtsinstitut Eigentumsvorbehalt aber voraus (vgl § 24 Abs 1 Z 9 KSchG), was als Indiz für die Anerkennung von bestehendem Gewohnheitsrecht durch den Gesetzgeber angesehen werden kann.
Judikaturgewohnheitsrecht
Eine ausdrückliche Regelung des Eigentumsvorbehalts trifft § 449 dtBGB, und diese Vorschrift diente der österreichischen Rspr und Lehre als (Analogie)Vorbild.
§ 449 dtBGB
Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Übertragung des Eigentums unter Zahlung des Kaufpreises erfolgt und dass der Verkäufer zum Rücktritte von dem Vertrag berechtigt ist, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt.
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3. Der Eigentumsvorbehalt braucht eine Vereinbarung
Grundsätzlich braucht es heute für die Begründung eines Eigentumsvorbehalts eine (vertragliche) Vereinbarung beider Kaufvertragsparteien, zumal § 1063 ABGB für den Kreditkauf die gegenteilige Regel normiert: Wird nämlich der Kaufgegenstand dem Käufer ohne das Kaufgeld zu erhalten vom Verkäufer übergeben, geht das Eigentum an demselben „gleich auf den Käufer über” und die Sache ist „auf Borg” (dh auf Kredit) verkauft.
Eigentumsvorbehalte werden häufig mit AGB vereinbart. Werden AGB (pauschal) akzeptiert, wird dadurch auch ein darin enthaltener Eigentumsvorbehalt toleriert! Das widerspricht nicht der Forderung, dass der Eigentumsvorbehalt vereinbart werden muss. – Ungültig wäre es dagegen, wenn ein Vertrag ohne Eigentumsvorbehaltsregelung abgeschlossen wurde und erst nachträglich (einseitig) auf den Lieferschein oder die Rechnung gesetzt wird, wie dies in der Praxis vorkommt.
Häufig in AGB vereinbart
Zum sog einseitigen Eigentumsvorbehalt im Rahmen eines Zug-um-Zug-Leistungsaustauschs: Gschnitzer, SchRBesT 44 (19882) sowie SchRAT (19912) und vor allem Sachenrecht 103 (19852). Gültig erscheint eine Erklärung, sich am Kaufgegenstand das Eigentum einseitig vorzubehalten dann, wenn ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch vereinbart war und der Warenschuldner (= Verkäufer) seine Lieferung unter den Vorbehalt stellt, dass er sich das Eigentum für den Fall vorbehält, dass der Warengläubiger (= Käufer) nicht ebenfalls Zug um Zug leistet. Das kann gültig auch noch am Lieferschein vermerkt werden; ein nachträglicher Hinweis (also nach erfolgtem Leistungsaustausch) auf einer Rechnung käme aber auch hier zu spät.
Einseitiger Eigentumsvorbehalt?
Zu dieser Lösung haben (neben der angeführten Gschnitzer-Neubearbeitung) mit ganz unterschiedlicher Zielsetzung Spielbüchler, Frotz und F. Bydlinski beigetragen; vgl etwa F. Bydlinski, Die rechtsgeschäftliche Voraussetzung der Eigentumsübertragung nach österreichischem Recht, in: FS Larenz 1027 (1973). Bisher wurde diese Lösung auf das funktionelle Synallagma (→ KAPITEL 2: Gegenseitige Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma) gestützt. ME sollte aber schon beim genetischen Synallagma angesetzt werden, zumal dann, wenn zwischen den Kaufvertragsparteien nichts anderes vereinbart wurde, ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch als vereinbart gilt und diese Vereinbarung des Titelgeschäfts durch einen nachträglichen einseitigen Eigentumsvorbehalt (nur) gesichert werden soll. Ein Kreditkauf iSd § 1063 ABGB ist dann eben nicht gewollt und der Eigentumsvorbehalt betont bloß die rechtliche Relevanz des Zug-um-Zug-Prinzips. – Die Rspr hat zu dieser „Frage” bislang aber noch nicht Stellung bezogen.
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4. Eigentumsübergang: „bedingt” aufgeschoben
Der Eigentumsvorbehalt stellt die Übertragung des Eigentums unter die aufschiebende Bedingung (→ KAPITEL 13: Aufschiebende und auflösende Bedingung) vollständiger Kaufpreiszahlung. Gerät der Käufer in (Schuldner)Verzug, kann der Verkäufer (als Gläubiger) vom Vertrag zurücktreten, wobei die Praxis für den Rücktritt das schlichte Zurückfordern des Kaufgegenstandes genügen lässt. – Der Verkäufer kann aber (trotz Käuferverzugs) auch an der Vertragserfüllung festhalten, was meist im eigenen Interesse des Verkäufers liegt und daher häufig geschieht.
Zur Notwendigkeit eines vertraglichen Rücktrittsrechts beim Eigentumsvorbehalt → Der Eigentumsvorbehalt braucht eine Vereinbarung
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5. Schutz der Verkäuferinteressen
Der Eigentumsvorbehalt sichert primär die Interessen des Verkäufers gegen den Käufer (und dessen Gläubiger):
Rechtsstellung des Verkäufers
• sei es für den Fall des Käuferverzugs (Rücktritt → KAPITEL 7: Der Schuldnerverzug);
• sei es um sich gegen Exekutionen von Gläubigern des Käufers zu schützen (§ 37 EO: Widerspruchs- oder Exszindierungsklage);
• sei es, um im Falle des Konkurses oder Ausgleichs des Käufers (§ 44 KO und §§ 11, 21 AO) ein Aussonderungsrecht geltend zu machen.
§ 37 EO
(1) Gegen die Execution kann auch von einer dritten Person Widerspruch erhoben werden, wenn dieselbe an einem durch die Execution betroffenen Gegenstande, an einem Teile eines solchen oder an einzelnen Gegenständen des Zubehöres einer in Execution gezogenen Liegenschaft ein Recht behauptet, welches die Vornahme der Execution unzulässig machen würde.
(2) Ein solcher Widerspruch ist mittels Klage geltend zu machen; die Klage kann zugleich gegen den betreibenden Gläubiger und gegen den Verpflichteten gerichtet werden, welche in diesem Falle als Streitgenossen zu behandeln sind.
(3) Für diese Klage ist, je nachdem sie vor oder nach Beginn des Executionsvollzuges angebracht wird, das Gericht, bei dem die Bewilligung der Execution in erster Instanz beantragt wurde, oder das Executionsgericht zuständig.
(4) Wenn der Klage rechtskräftig stattgegeben wird, ist die Execution einzustellen.
§ 44 KO
(1) Befinden sich in der Konkursmasse Sachen, die dem Gemeinschuldner ganz oder zum Teile nicht gehören, so ist das dingliche oder persönliche Recht auf Aussonderung nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen.
(2) Ist eine solche Sache nach der Konkurseröffnung veräußert worden, so kann der Berechtigte, unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche, die Aussonderung des bereits geleisteten Entgeltes aus der Masse, wenn aber das Entgelt noch nicht geleistet worden ist, die Abtretung des Rechtes auf das ausstehende Entgelt verlangen.
(3) Sind dem Gemeinschuldner oder dem Masseverwalter Auslagen zu vergüten, die für die zurückzustellende Sache oder zur Erzielung des Entgeltes aufgewendet worden sind, so sind sie vom Aussonderungsberechtigten Zug um Zug zu ersetzen.
„Aussondern“ heißt, die Sache selbst, also zB den unter Eigentumsvorbehalt verkauften Pkw-Kombi, zurücknehmen zu dürfen.
„Aussondern“
Natürlich ist ein Kfz, das vom Händler an den Kunden übergeben wurde, sofort weniger wert; aber es bleiben zB immer noch von den 15.000 ı (Kaufpreis), 12.500 ı über! Das ist wirtschaftlich immer noch sehr viel!
Nicht zu verwechseln mit dem Aus-sonderungsrecht, ist das „Ab-sonderungsrecht“, das bspw ein Pfandrecht (dem Pfandgläubiger) gewährt. Gemeint ist damit das Recht bevorzugter Befriedigung aus der (Pfand)Sache bei Exekution oder Insolvenz. Aber man erhält dabei nicht die Sache selbst zurück! Vielmehr wird die Sache versteigert und der Pfandgläubiger aus dem Erlös bevorzugt, dh vor allen anderen Gläubigern befriedigt! Dazu auch → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche.
Absonderungsrecht
Wird das Vorbehaltsgut versehentlich zum Vorteil eines Dritten verwendet – etwa im Rahmen einer Exekutionsführung oder eines Insolvenzverfahrens – steht dem Verkäufer zur Wahrung seiner Interessen ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB (→ KAPITEL 5: Verwendungsansprüche) gegen den betreibenden Gläubiger, die „Masse” oder allfällige befriedigte Gläubiger zu; SZ 57/192 (1984). Allein ein solcher Anspruch ist kein dinglicher, sondern bloß ein obligatorischer.
Verwendungsanspruch
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6. ... aber auch der Käuferinteressen
Der Eigentumsvorbehalt sichert aber auch – gleichsam spiegelbildlich – die berechtigten Interessen der Käuferseite gegenüber dem Verkäufer (und dessen Gläubigern). – Die Rspr gewährt dem Vorbehaltskäufer eine analoge Rechtsstellung zu jener des Verkäufers; also Exszindierung bei Exekutionen auf das Vorbehaltsgut, Aussonderung in Konkurs und Ausgleich. Darüber hinaus genießt der Vorbehaltskäufer als Rechtsbesitzer Besitzschutz, zumal er ein Recht auf Nutzung des Vorbehaltsguts erworben hat, obwohl er noch nicht Eigentümer geworden ist.
Spiegelbildlicher Rechtsschutz
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7. Rechtsstellung des Vorbehaltskäufers
Während der Zeit der Kreditierung des Kaufpreises hat der Käufer ein dingliches Anwartschaftsrecht (→ KAPITEL 6: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge), das, wie andere unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagte Rechte, bereits vererblich ist. – Gleichzeitig ist der Käufer – wie erwähnt – Rechtsbesitzer.
Dingliches Anwartschaftsrecht
Die Gefahr (des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des Vorbehaltsgutes) trägt ab Übergabe der (Vorbehalts)Käufer. Nur er kann (ab Übergabe) die Sache vor Schaden bewahren. – Der Käufer hat das Vorbehaltsgut daher ab Übergabe sorgfältig zu behandeln, zumal es noch nicht sein Eigentum ist.
Gefahrtragung
Allfällige Schadenersatzansprüche (zB gekauftes Auto wird von Drittem beschädigt) stehen aber Verkäufer und Käufer gemeinsam zu; beide Vertragsparteien haben nämlich ein rechtliches Interesse an der Reparatur des Vorbehaltsgutes; SZ 52/63 (1979) im Gegensatz zur früheren Rspr.
Beispiel
Literaturquelle


Eigentumsvorbehalt (1)
Abbildung 8.19:
Eigentumsvorbehalt (1)


Eigentumsvorbehalt (2)
Abbildung 8.20:
Eigentumsvorbehalt (2)


Eigentumsvorbehalt (3)
Abbildung 8.21:
Eigentumsvorbehalt (3)


Eigentumsvorbehalt (4)
Abbildung 8.22:
Eigentumsvorbehalt (4)


Eigentumsvorbehalt (5)
Abbildung 8.23:
Eigentumsvorbehalt (5)


Eigentumsvorbehalt (6)
Abbildung 8.24:
Eigentumsvorbehalt (6)
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8. Strafrechtliche Konsequenzen
Beschädigt der Käufer vorsätzlich das Vorbehaltsgut, begeht er Sachbeschädigung (§ 125 StGB), veräußert er es unerlaubt (dh ohne Verkäuferzustimmung), ist das Veruntreuung iSd § 133 StGB. – Als bloßer Rechtsbesitzer und dinglicher Anwartschaftsberechtigter steht ihm nämlich noch kein Verfügungsrecht (iSd § 354 ABGB) über das Vorbehaltsgut zu.
Literaturquelle


Formen des Eigentumsvorbehalts/ETV
Abbildung 8.25:
Formen des Eigentumsvorbehalts/ETV
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9. Arten des Eigentumsvorbehalts
Verlängerungsformen für Verarbeitung und Weiterveräußerung
Vorauszuschicken ist der Hinweis, dass mangels gesetzlicher Regelung des Eigentumsvorbehalts nicht einmal die Begriffe / Termini bezüglich der verschiedenen Arten des Eigentumsvorbehalts einheitlich verwendet werden, worauf demnach zu achten ist.


Verlängerter ETV: Verarbeitungsklausel
Abbildung 8.26:
Verlängerter ETV: Verarbeitungsklausel
Er spielt eine Rolle, wenn der Käufer Waren kauft, die er idF weiterverarbeitet; zB ein Kühlschrankerzeuger kauft Bleche oder eine Großschneiderei indische Seidenstoffe, um daraus Blusen zu fertigen. – „Verlängerter Eigentumsvorbehalt” heißt diese Form deshalb, weil die Eigentümerposition des Lieferanten / Verkäufers gleichsam dadurch verlängert wird, indem sie auch den Verarbeitungsvorgang überdauert. Der Lieferant der Seidenstoffe erhält nämlich an den hergestellten Blusen zwar nicht Allein-, wohl aber Mit eigentum (im Anteil des Wertes der von ihm gelieferten Stoffe am Endprodukt). Dieses am Endprodukt entstehende Miteigentum des Lieferanten stellt für ihn eine wichtige dingliche Sicherung dar. Das zeigt sich etwa beim Konkurs des Käufers (wie zB der Großschneiderei) in SZ 49/138 (1976): Der Verkäufer kann als Miteigentümer aussondern, erhält also entsprechend dem Wert seiner Lieferung eine bestimmte Anzahl fertiger Produkte, etwa Seidenblusen ausgehändigt. Als schlichter Konkursgläubiger (→ KAPITEL 19: Konkursforderungen ¿ Konkursquote) erhielte er idR wesentlich weniger.
Verlängerter Eigentumsvorbehalt
Wir können aus solchen Rechtsfiguren anschaulich das Zusammenwirken von Recht und Wirtschaft erkennen. Das Recht – Rspr und Schrifttum – versucht, hier sogar ohne gesetzliche Grundlage (!), der Wirtschaft sachgerechte Lösungen zu bieten. – Die neue Lösung des OGH stammt aus dem Jahre 1976. Früher vertrat unser Höchstgericht – anders als in Deutschland – die Meinung, dass das Eigentum des Lieferanten mit Verarbeitung trotz eines allenfalls vereinbarten Eigentumsvorbehalts erlischt. Der OGH schloss sich in der genannten E der deutschen Praxis an.
Zusammenwirken von Recht und Wirtschaft
Dieser verlängerte Eigentumsvorbehalt hatte einen Vorläufer aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, wo auf Grund des Wirtschaftlichen ErmächtigungsG 1917, RGBl 307 eine Vollzugsanweisung (~ VO; 1920, StGBl 320, zeitlich begrenzt bis Ende 1925) erlassen worden war, die eine Sonderregelung für die Begründung von Eigentumsvorbehalten an ausländischen Rohstoffen vorsah. Der wirtschaftliche Hintergrund lag im Rohstoff- und Kapitalmangel am Ende und nach dem 1. Weltkrieg. Diese damals neue Form des Eigentumsvorbehalts ermöglichte die Kreditierung des Kaufpreises (Liegenschaftskredit → KAPITEL 3: Der Kredit(eröffnungs)vertrag) und zeitigte nach seiner Registrierung (!) Wirkungen nicht nur für die Zeit der Verarbeitung, sondern auch am Fertigprodukt; am Endprodukt entstand Miteigentum (im Normalfall zwischen Lieferant und Produzent) sowie ein Exekutions- und Konkursschutz. Mehr bei H. Klang, GZ 1920, Nr 45-48, S. 241.
Wirtschaftliches ErmächtigungsG 1917
Die folgenden Folien stellen den offen weitergeleiteten Eigentumsvorbehalt sowie die Vorausabtretungs- und die Erlösklausel dar:


Offen weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt
Abbildung 8.27:
Offen weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt


ETV: Vorausabtretungsklausel
Abbildung 8.28:
ETV: Vorausabtretungsklausel


ETV: Erlösklausel
Abbildung 8.29:
ETV: Erlösklausel
Praktische Anwendung der Erlös- und Vorausabtretungsklausel: Die öRspr hat sich bislang mit den vielfältigen Formen des Eigentumsvorbehalts noch kaum detailliert auseinandergesetzt, in Deutschland sind sie gelebte Praxis. – Ein zusätzliches Problem stellt die allenthalben feststellbare unterschiedliche Begriffsbildung dar; auch sie wäre EU-einheitlich zu gestalten.
Erlös- und Vorausabtretungsklausel
Rechtssprechungsbeispiel
BGHZ 26/178: Der zugunsten eines Lieferanten von Baustoffen vereinbarte [verlängerte! Man beachte die andere Terminologie] Eigentumsvorbehalt ... erstreckt sich auch auf den Vergütungsanspruch (= Erlös) des Bauunternehmers, der unter Verwendung der ihm unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Baustoffe ein Gebäude errichtet.
Beachte
Überlege: Wie könnte sich der Lieferant der Baustoffe absichern, wenn er den Liefervertrag direkt mit dem Bauherrn (= Liegenschaftseigentümer) schließt?
Hier sind zu nennen:
Andere Erweiterungsformen des ETV
• der Kontokorrent- oder Saldovorbehalt und der
Konzernvorbehalt, der den ETV auf Konzernforderungen ausdehnt.


ETV-Erweiterungsformen: Überblick
Abbildung 8.30:
ETV-Erweiterungsformen: Überblick


ETV-Erweiterungsformen (1)
Abbildung 8.31:
ETV-Erweiterungsformen (1)


ETV-Erweiterungsformen (2)
Abbildung 8.32:
ETV-Erweiterungsformen (2)
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10. Der Eigentumsvorbehalt im internationalen Handel


ETV braucht EU-Lösung
Abbildung 8.33:
ETV braucht EU-Lösung


ETV im internationalen Handel (1)
Abbildung 8.34:
ETV im internationalen Handel (1)


ETV im internationalen Handel (2)
Abbildung 8.35:
ETV im internationalen Handel (2)


ETV im internationalen Handel (3)
Abbildung 8.36:
ETV im internationalen Handel (3)
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II. Die Sicherungsübereignung
Typischer Fall: Der Kaufmann A braucht Geld und wendet sich an die Bank B. Diese ist zu einem Kredit / Darlehen bereit, wenn entsprechende Sicherheit geleistet wird. A bietet sein wertvolles Warenlager an und ist bereit, daran der Bank (Sicherungs)Eigentum zu übertragen; vgl § 428 ABGB: Übergabe durch Erklärung – Besitzkonstitut → KAPITEL 2: Übergabe durch Erklärung. Natürlich ist A geschäftlich weiterhin auf sein Warenlager angewiesen, das demnach Abgänge wie Zugänge verzeichnen wird. – Kann nun A, als Kreditnehmer, der Bank B sein Eigentum am Warenlager bloß zu Sicherungszwecken rechtsgültig übertragen und dennoch – gleichzeitig – Innehabung und Nutzung samt Verfügungsberechtigung daran behalten?
1. Sicherungsübereignung: Form der Treuhand
Wie schon der Begriff ausdrückt, überträgt bei der Sicherungsübereignung der Schuldner (= Sicherungsgeber) an den Gläubiger (= Sicherungsnehmer!) Eigentum bloß zu Sicherungszwecken, worin eine Form der Treuhand (→ KAPITEL 15: Die Treuhand) liegt. – Damit soll erreicht werden, dass das Rechtsinstitut der Eigentumsübertragung jene Dienste leistet, die sonst dem Pfandrecht vorbehalten sind. Gesichert werden soll durch die mit der Sicherungsübereignung bewirkte (formelle) Eigentumsübertragung eine Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner. – Unternommen wurde dieser Versuch freilich deshalb, um durch den gewählten Weg der Eigentumsübertragung, den strengeren Pfandbegründungsregeln auszuweichen, sie zu umgehen → KAPITEL 15: Allgemeines zum Pfandrecht.
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2. Unzulässigkeit der Sicherungsübereignung
In der bisher geschilderten Form wird daher in Österreich die Sicherungsübereignung von der Rspr – zu recht – nicht geduldet, weil eine solche Vorgangsweise das Faustpfandprinzip umgeht → KAPITEL 2: Die rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio. – Zulässig ist die Sicherungsübereignung aber dann, wenn sie den pfandrechtlichen Publizitätserfordernissen entspricht; dh: alle anderen Formen der Übergabe durch Erklärung des § 428 ABGB können gewählt werden, nur nicht das Besitzkonstitut! Damit ist aber die Sicherungsübereignung für die Rechts- und Wirtschaftspraxis uninteressant, weil dann gleich ein Pfandrecht bestellt werden kann.
Umgehung des Faustpfandprinzips
Rechtssprechungsbeispiel
RZ 1962, 38: Besitzkonstitut genügt nicht zur Begründung von Sicherungseigentum an einem Lkw. Gefordert wird eine Gewahrsamsänderung; Corpus-Element! Die Klage auf Geltendmachung eines Absonderungsrechts am Lkw wurde daher abgewiesen.
RdW 1985, 337: Die Sicherungsübereignung eines Warenlagers wird nur wirksam, wenn das gesamte Warenlager dem Zugriff der Übereignenden entzogen wird, wie dies etwa durch Übergabe aller Schlüssel oder Bestellung eines Pfandhalters erreicht werden kann.
Vgl auch den Sachverhalt von JBl 2002, 583: Ungültige Sicherungsübereignung eines Firmen-Lkw an eine Bank → KAPITEL 10: Die Sachverständigenhaftung: §§ 1299, 1300 ABGB.
Dem Kreditgeber als Sicherungsnehmer kommt bei (gültiger) Sicherungsübereignung die Stellung eines Pfandgläubigers zu; dh im Konkurs oder Ausgleich des Kreditnehmers (= Sicherungsgeber) steht ihm ein Absonderungsrecht zu → Schutz der Verkäuferinteressen – Bei (Einzel)Exekutionen Dritter auf das Sicherungsgut (hier zB das Warenlager), gewährt die Rspr dem Kreditgeber sogar eine Exszindierungsmöglichkeit; § 37 EO.
Absonderung und Exszindierung
In Deutschland wird die Sicherungsübereignung (unter Berufung auf § 930 dtBGB: Besitzkonstitut) zugelassen, obwohl die hA Treuhandeigentum für nicht vereinbar mit der das Eigentum auszeichnenden Verknüpfung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ansieht. – Es ist fraglich, ob die bisher gefestigte und begründete österreichische Praxis den EU-Beitritt sehr lange überleben wird. Ein allfälliger Kompromiss für ein künftiges europäisches Privatrecht könnte darin bestehen, für die Sicherungsübereignung eine effiziente Registrierung und allfällige Kontrollrechte des Gläubigers zu verlangen.
Rechtsvergleich
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III. Was bedeutet dingliche Sicherheit?
Neben der hier angesprochen dinglichen Sicherheit hat das Rechts- und Wirtschaftsleben auch zahlreiche obligatorisch / schuldrechtlich wirkende Sicherheiten (zB Akkreditiv, Bankgarantie, Kontokorrentvorbehalte (§ 355 HGB), Bürgschaft oder die Ausstellung eines Wechsels usw) entwickelt; zu diesen Rechtsinstituten → KAPITEL 15: Sicherungsmittel iwS.
Will sich ein Gläubiger aber nicht mit der persönlichen Haftung seines Schuldners begnügen, dringt er idR auf zusätzliche dingliche Sicherheit; dh, dass der Schuldner seinem Gläubiger an Sachen, die in seinem Eigentum stehen, dingliche Rechte einräumt, welche die Forderung des Gläubigers zusätzlich– also neben (!) der persönlichen Haftung und über diese hinaus – sichern. Das kann ein Eigentumsvorbehalt sein oder ein Pfandrecht, und hier wiederum Faustpfand oder Hypothek; alle → KAPITEL 15: Das Pfandrecht.
Persönliche Haftung und dingliche Sicherheit
1. Charakteristika und Vorteile dinglicher Sicherheit
Warum wird dinglich gesichert? – Worin liegen die rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteile einer dinglichen Sicherung für den Gläubiger?
• Zunächst: Ein Schuldner kann die Sache (die seinem Gläubiger als dingliche Sicherheit dient) nicht mehr ohne Zustimmung des Gläubigers veräußern; bei bloßer persönlicher Haftung ist dies aber weiterhin möglich.
Erhöhter Gläubigerschutz
Zur wichtigen Unterscheidung zwischen persönlicher Haftung und Sachhaftung vgl auch → KAPITEL 15: Persönliche, dingliche und beschränkte Haftung. – Zur Freizeichnung bei Hypothekardarlehen → KAPITEL 9: Verschulden (culpa).
• Die dingliche Rechtsposition verleiht dem Gläubiger einen rechtlichen Vorrang (Priorität) vor anderen – nicht dinglich gesicherten – Gläubigern; zwischen mehreren dinglich gesicherten gilt wiederum das Prioritätsprinzip. – Man weiß daher, woran man ist; dh man erlangt höhere Rechtssicherheit und bessere Kalkulierbarkeit des Risikos.
• Dingliche Sicherheit gewährt vor allem bei Exekution, Konkurs, und Ausgleich erhöhte Sicherheit; nämlich Exszindierungs- (EO), Aus-sonderungs- (Eigentumsvorbehalt) oder doch Ab-sonderungsrechte (bei Pfandrecht und Retentionsrecht) → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche.
• Beim Pfandrecht kommt noch dazu, dass aufgrund des streng praktizierten Faustpfandprinzips der Pfandgläubiger idR in den Besitz der beweglichen Pfandsache gelangt, und diese dadurch auch vor Schaden etc bewahren kann. Aber auch beim Liegenschaftspfand steht dem Pfandgläubiger gegen Übergriffe des Pfandschuldners (insbesondere Verschlechterungen des Pfandobjekts) die sog Devastationsklage zu → KAPITEL 15: Devastationsanspruch.


Was bedeutet dingliche Sicherheit (1)
Abbildung 8.37:
Was bedeutet dingliche Sicherheit (1)
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2. Was zählt zu den dinglichen Sicherungsmitteln?
Zu den herkömmlichen dinglichen Sicherungsmitteln zählen:
Eigentumsvorbehalt / Sicherungsübereignung
Pfandrecht: Faustpfand, Hypothek → KAPITEL 15: Das Pfandrecht.
• Mit Vorbehalt kann hier auch das Zurückbehaltungsrecht / Retentionsrecht (§ 471 ABGB) genannt werden → KAPITEL 15: Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB.
• Zur Verpfändung von Forderung(srecht)en → KAPITEL 15: Verpfändung und Pfändung von Forderungen oder Rechten. – Die Sicherungsabtretung von Forderungen gewährt kein dingliches Recht. Sie ist nur das schuldrechtliche Pendant zur Sicherungsübereignung → KAPITEL 14: Sicherungszession. – Zum leicht irritierenden Begriff des „Eigentums” an Forderungen → Eigentum an (Forderungs)Rechten?
Neue Möglichkeiten für dingliche Sicherheiten böte der EDV-Einsatz; so könnten bspw neue Registerpfandrechte geschaffen werden, etwa für Kraftfahrzeuge. – Auch Eigentumsvorbehalte könnten, ja sollten EU-weit geregelt und registriert werden udglm. Rechtspolitische Überlegungen sind hier überfällig.
Registerpfandrechte
zurück A. Grundgedanken des Sachenrechts
vor C. Gutglaubenserwerb und Doppelverkauf