Kapitel 10 | |
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Inhaltsverzeichnis |
B. Behandlungsvertrag
– Medizinhaftung |
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A. Schadenersatz
– Besonderer Teil |
| Abbildung 10.1: Schadenersatz – BesT: Überblick |
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Im Rechts- und Wirtschaftsleben
handeln Personen, insbesondere Unternehmer vielfach nicht selber,
sondern bedienen sich ihrer Gehilfen; zB Angestellte, Arbeiter,
aber auch anderer Unternehmer. Unternehmen ab einer gewissen Größe
können gar nicht mehr vom Unternehmer allein betrieben werden. Sie
stellen daher Personen ein, die für sie handeln. – Der Gehilfenhaftung
als Haftung des Geschäftsherrn / Unternehmers für fremdes Verschulden
kommt große praktische Bedeutung zu. Sie ist wichtig für das Verständnis
bürgerlichrechtlicher Zusammenhänge, zumal dadurch der Grundsatz
durchbrochen wir, dass nur für eigenes, nicht aber für fremdes Verschulden gehaftet
wird; § 1313 ABGB. | |
Vereinzelt gilt aber für Berufe eine persönliche
Ausübungspflicht; vgl § 49 Abs 2 ÄrzteG 1998. Das läuft
darauf hinaus, dass für bestimmte Tätigkeiten keine Erfüllungsgehilfen
bestellt werden können. – Zur Substitution beim Auftrag → KAPITEL 12: Pflichten
des Beauftragten: § 1009 ABGB. | |
Wir wenden uns in der Folge den beiden – gesetzlich unterschiedlich
ausgestalteten – Gruppen dieser Haftung für fremdes Verschulden
zu: | |
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der (vertraglichen) Erfüllungsgehilfenhaftung des
§ 1313a und der | |
• deliktischen Besorgungsgehilfenhaftung des
§ 1315 ABGB. | |
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1. §
1313a ABGB: Erfüllungsgehilfenhaftung | |
Sie spielt
insbesondere – wenn auch nicht ausschliesslich – bei vertraglicher
und vertragsähnlicher (zB cic!) Beziehung zwischen Geschäftsherrn
/ Unternehmer und Geschädigtem (im folgenden Beispiel: dem Käufer
eines Fernsehapparats), eine Rolle. | |
Gesetzestext
des § 1313a ABGB: „Wer einem andern [insbesondere vertraglich] zu
einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden
... der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein
eigenes.” – Die entsprechende Bestimmung des dtBGB ist § 278: „Der
Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und
der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, in gleichem Umfange
zu vertreten wie eigenes Verschulden. …“ | |
Der Grundgedankedieser gesetzlichen Regelung
ist folgender: Ein Vertragspartner soll nicht dadurch haftungsmäßig
schlechter gestellt werden, wenn der andere Vertragsteil sich zum
eigenen Vorteil eines Gehilfen bedient. Der Geschäftsherr zieht
für sich Nutzen aus dem Gehilfenverhalten, daher soll er auch allfällige
Nachteile, die aus fehlerhaftem Gehilfenverhalten entstehen, tragen; vgl
das Rechtssprichwort: Guter Tropfen, böser Tropfen. – Anders gewendet:
Nach dem Normzweck des § 1313a ABGB soll der, der den Vorteil der
„Arbeitsteilung” genießt, auch das Risiko dafür tragen, dass statt
ihm sein Gehilfe schuldhaft geschützte Interessen anderer – insbesondere des
Vertragspartners / des Gläubigers – verletzt; SZ 67/101 (1994). | |
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SZ 63/50 (1990): Mitwirkung eines
Gehilfen (hier eines Immobilienmaklers) bei einem Umgehungsgeschäft
nach dem MRG. | |
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Vgl auch die idF
wiedergegebene E des OGH: ZVR 1998/25:
Nur händisches Anziehen der Radschraubenmuttern eines
Kfz. | |
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Es kommt dabei nach der Rspr darauf an, ob der Gehilfe die Schädigung
im Rahmen der Interessenverfolgung des Unternehmers zugefügt
hat. Der zur Erfüllung verpflichtete Schuldner haftet nämlich nicht
für den von seinen Gehilfen nur gelegentlich der Erfüllung verschuldeten Schaden;
vgl SZ 9/168 (1927): Transport eines Wanderzirkus oder SZ 48/107
(1975): Entfernung eines fremden Kfz. – Das gilt insbesondere auch
für Delikte, die ein Erfüllungsgehilfe begeht, zumal
ein Geschäftsherr nicht für alle Delikte seines Gehilfen zur Verantwortung
gezogen werden kann. | Schädigung im
Rahmen der Interessenverfolgung des Unternehmers |
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ZVR 1988/71: Delikt eines Erfüllungsgehilfen
– Angestellter stiehlt Wertgegenstände, die von
seinem Arbeitgeber in Verwahrung genommen waren. Hier war die Haftung
des Arbeitgebers zu bejahen. | |
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OGH 30. 1. 2001, 1 Ob 64/00v, EvBl 2001/118:
Eine Bankangestellte klärt eine Kundin
über die Entwicklung ihres Wertpapierdepots bewusst
falsch auf (in Wirklichkeit großer Wertverlust) und setzt
diese Tätigkeit nach Wechsel zu einer anderen Bank unter „Mitnahme”
der Kundin (die immer noch nichts wusste) fort. – OGH rechnet das
Wissen der Angestellten (Vertreterin) der Bank nicht zu, lehnt aber
den Verjährungseinwand der Bank uH auf § 1489 ABGB ab. (Der Leitsatz
ist katastrophal, § 1313a ABGB wird neben anderen Fragen garnicht
angesprochen!?) | |
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Allgemein lässt sich sagen, dass ein Geschäftsherr dann
für ein Delikt seines Erfüllungsgehilfen haftet,
wenn dieses innerhalb des vom Geschäftsherrn vertraglich übernommenen
Pflichtenkreises übernommen wird. Das zeigt der folgende Fall. | |
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SZ 57/196 (1985): Alkoholschmuggel
eines LKW-Lenkers in ein isalmisches Land. Der Verstoß
gegen die ausdrückliche Weisung des Geschäfttsherrn schließt die
Haftung desselben nicht aus. | |
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• Nach der Rspr gilt
§ 1313a ABGB nicht für die Erfüllung gesetzlicher Leistungs-
oder Sorgfaltspflichten, die nur der Allgemeinheit
gegenüber bestehen und nicht gegenüber bestimmten Personen; vgl
EvBl 1974/109: Herabfallende Deckenleuchte in Geschäftslokal. | |
• Die Erfüllungsgehilfenhaftung gelangt danach
aber auch auf schon entstandene gesetzliche (zB schadenersatzrechtliche)
Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem zur Anwendung. – Anzuwenden
ist unsere Bestimmung also auf jede Form einer konkreten
rechtlichen Leistungspflicht, auch eine (nur) gesetzliche
wie im Falle einer deliktischen (Schadenersatz)Beziehung; arg: „Wer
einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, ...”; § 1313a ABGB. | |
• Der Geschäftsherr/Schuldner haftet auch für
das Verschulden des mit seinem Einverständnis von seinem Erfüllungsgehilfen
verwendeten weiteren Erfüllungsgehilfen; SZ 28/61
(1955): Erfüllungsgehilfe des Erfüllungsgehilfen oder SZ 50/100
(1977): Fotomodell wird bei Werbeaufnahmen schwer verletzt. | |
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§ 1313a ABGB ist nach der Rspr aber nicht nur
dann anzuwenden, wenn ein Erfüllungsgehilfe zur Erfüllung einer Hauptleistungspflicht herangezogen
wurde, sondern auch wenn es um die Erfüllung von Nebenleistungspflichten geht. | |
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MietSlg 39.184 (1997),
SZ 63/50 (1991) oder ZVR 1998/25:
In dieser letzten E klärte der Mitarbeiter einer Tankstelle einen
Kunden nicht darüber auf, dass bei einem bloß händischen Anziehen
der Radschraubenmuttern eines Kfz nur eine vorläufige Sicherheit
herzustellen ist und daher nach kurzer Fahrstrecke eine Überprüfung
der Befestigungsstärke vorzunehmen ist. Der OGH erblickte darin
die Verletzung einer nebenvertraglichen Verpflichtung und ließ den
Tankstellenbetreiber für den Schaden haften, der aus dem sich durch
das Lösen der Räder ergebenden Verkehrsunfall ergeben hatte. Jedoch
Mitverschulden des Lenkers (§ 1304 ABGB). | |
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Schutz- und
Sorgfaltspflichten nach § 1313a ABGB bestehen nach der
Rspr nicht nur zwischen den unmittelbaren Vertragspartnern, sondern
auch gegenüber bestimmten dritten Personen, die zwar
aus dem Vertrag nicht unmittelbar berechtigt sind, aber der vertraglichen
Leistung nahe stehen. Diesem Personenkreis wird die Geltendmachung
eines eigenen Schadenersatzanspruchs aus fremdem Vertrag zugebilligt;
sog Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte → KAPITEL 9: Verträge
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. | |
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SZ 43/236 (1970): Zur Frage der
Haftung eines Wirtschaftstreuhänders gegenüber
einem Dritten (zB Bank) für die Richtigkeit einer von ihm erstellten
vorläufigen Bilanz, aufgrund derer der Dritte dem Besteller der
Bilanz Kredit gewährte. | |
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EvBl
1993/97: Auch den Subunternehmer treffen
gegenüber dem Besteller Schutz- und Sorgfaltspflichten und nicht
nur den Hauptunternehmer. | |
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SZ 59/189 (1986): Mieter schließt
mit Professionisten einen Vertrag über Installationsarbeiten,
durch den auch die übrigen Mieter des Hauses gegen Wasserschaden
geschützt werden. | |
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EvBl 1985/63: Gastaufnahmevertrag –
Gast erleidet im Zimmer eines andern Gastes Schaden. | |
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Der Erfüllungsgehilfe
selbst haftet (im Rahmen seiner Tätigkeit als Erfüllungsgehilfe
nach
§ 1313a ABGB) dem Geschädigten gegenüber nur deliktisch,
wobei der Geschädigte nach § 1296 ABGB das (Gehilfen)Verschulden
zu beweisen hat. | |
Diese Konstellation spielt bspw im Rahmen
von Behandlungsverträgen mit Krankenanstalten eine praktisch bedeutsame
Rolle; die Krankenanstalt bedient sich ihres Personals als Erfüllungsgehilfen → §
1313a ABGB: Erfüllungsgehilfenhaftung
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Lieferanten / Zulieferer / Erzeuger (als
Dritte der vertraglichen Beziehung) gelten nach hA nicht als Erfüllungsgehilfen
des Verkäufers / Händlers in dessen (Vertrags)Verhältnis zB zum Käufer;
SZ 54/116 (1981): Lkw-Kauf mit Anhängerkupplung. Der OGH lehnt in
diesem Urteil (S. 567) ausdrücklich Reischauers (Der Entlastungsbeweis
des Schuldners 249) gegenteilige Meinung ab. Hierin liegt eine klare
Weichenstellung zugunsten der deliktisch konzipierten Produkthaftung → KAPITEL 7: Produkthaftung
¿ PHG 1988.
– Rspr und Schrifttum lassen aber immer wieder eine überzeugende
§ 1313a-Linie vermissen; zB in der folgenden E JBl 1996, 183 mwH. | |
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JBl 1996, 183: Schädlingsbekämpfung
in Kükenbrüterei: Hier besteht zwischen Kükenlieferant
(Verkäufer) und Drittem eine werkvertragliche Beziehung (und kein
Kauf), was keinen Unterschied machen sollte. Der Werkvertrag des
Kükenlieferanten mit einem Drittunternehmer beinhaltet die Sterilisierung
der Bebrütungsanlage, die von Schaben befallen war. Die Behandlung
dieses Drittunternehmers als Erfüllungsgehilfe (durch den OGH) erscheint
zu weit hergeholt und macht den Anwendungsbereich des
§ 1313a ABGB unklar und unsicher. Inhaltlich besteht nämlich in
einer solchen Konstellation kein beachtlicher Unterschied zu einem
anderen Lieferanten; ja ein Lieferant steht der Leistungserbringung
idR näher, als der hier auftretende Werkunternehmer, dessen Aufgabe
nur darin bestand, die Betriebsanlage des Kükenverkäufers in Stand
zu setzen, damit dieser seine „Produkte” mangelfrei herstellen konnte.
– Durch ein solches Verständnis franst der Anwendungsbereich des
§ 1313a ABGB zu sehr aus und verliert immer mehr eine klare Kontur.
Für die Lösung derartiger Fälle käme allenfalls ein Vertrag mit
Schutzwirkung für Dritte in Betracht; vgl SZ 53/168 (Flughafen Graz-Thalerhof)
und JBl 1982, 95 (Inanspruchnahme eines Pannenhilfsdienstes) → KAPITEL 9: Verträge
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
– Vorzuziehen wäre hier die Anwendung der Werkvertragsregeln (verfehlter
Erfolg!) gewesen. | |
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§ 1313a ABGB
lässt den Geschäftsherrn auch für seinen „gesetzlichen Vertreter”
einstehen. Der gesetzliche Vertreter wird also einem Erfüllungsgehilfen
gleichgestellt. Gesetzlicher Vertreter ist sowohl der unmittelbar
gesetzlich bestellte Vertreter (zB Eltern), wie der mittelbar durch
den Richter aufgrund des Gesetzes bestellte Vertreter; zB Sachwalter,
Kurator, Vormund, Masseverwalter im Konkurs. | |
Das bedeutet, dass zB ein Kind für seine
Eltern / einen Elternteil haftet, wenn diese/r im Rahmen eines Schuldverhältnisses
für das Kind Erfüllungshandlungen setzt/en. Ebenso haftet ein Mündel
für seinen Vormund oder eine unter Sachwalterschaft stehende Person
für ihren Sachwalter. In diesen Fällen muss der Gedanke der Interessensverfolgung
aber besonders streng geprüft werden. – Eine deliktische Haftung
des Vertretenen (Geschäftsherrn) ist hier aber sinnvollerweise auszuschließen,
weil dem Vertretenen kein Auswahlverschulden zur Last gelegt werden
kann und das Deliktsrecht keine Stellvertretung kennt. | |
Der Geschäftsherr
haftet für das Gehilfenverschulden ”wie für sein
eigenes”. – Eine weitere Konsequenz der Anwendung des § 1313a ABGB
liegt darin, dass die Anwendung dieser Norm idR die Umkehr
der Beweislast (§ 1298 ABGB) nach sich zieht. | |
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EvBl
1986/156: Beschädigt der Monteur
eines Kücheneinrichtungsunternehmens beim Kunden durch das
Abstellen seiner Arbeitstasche eine Wasserleitung, so haftet der
Geschäftsherr (des Gehilfen) für den dem Werkbesteller daraus entstehenden
Schaden gemäß § 1313a ABGB. Weitere Beispiele → Entscheidungsbeispiele
zu den Kapiteln 9 und 10:
„Fälle” – Reitunfall (JBl 1983, 255) und – Delikt eines Erfüllungsgehilfen:
SZ 32/153 (1959). | |
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| Abbildung 10.2: Vertrags- und Deliktshaftung für Gehilfen |
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2. §
1315 ABGB: Besorgungsgehilfenhaftung | |
Es handelt
sich hier stets um eine Deliktshaftung, also eineHaftung
ohne vertragliche oder vertragsähnliche Beziehung / Leistungsverpflichtung
zwischen dem Geschäftsherrn des Gehilfen und dem Geschädigtem. Dies
ist der Grund, warum der Geschäftsherr hier nicht im gleichen Ausmaß
zur Haftung herangezogen wird, wie nach § 1313a ABGB. Vielmehr ist
hier der Besorgungsgehilfe selbst primärer Haftungsadressat, denn
er hat allgemeine deliktische Schutz- und Sorgfaltspflichten vernachlässigt;
zB die StVO oder das StGB. | |
Die Haftung des Geschäftsherrn greift hier nur subsidiär
in den vom Gesetz genannten Fällen, nämlich bei: | Geschäftsherrnhaftung „subsidiär“ |
•
Untüchtigkeit oder | |
•
wissentlicher Gefährlichkeit des
Gehilfen. | |
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§ 1315 ABGB | |
„Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich
einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten
bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft [also zB nicht
als Privatperson!] einem Dritten zufügt.” | |
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Die
Untüchtigkeit oder Gefährlichkeit eines Besorgungsgehilfen hat der
Geschädigte nach § 1296 ABGB zu beweisen, zumal es sich um eine
deliktische Beziehung handelt, bei der die Beweislastumkehr des
§ 1298 nicht greift; EvBl 1965/256 oder SZ 48/110 (1975). | |
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Der Geschäftsherr haftet für
seinen Besorgungsgehilfen grundsätzlich nicht, sondern – stark eingeschränkt
im Vergleich zu § 1313a ABGB – deliktisch nur dann für einen durch
diesen verschuldeten Schaden, wenn der Gehilfe „untüchtig”
oder „wissentlich gefährlich” ist. In dieser eingeschränkteren
(Delikts)Haftung des Geschäftsherrn steckt der Vorwurf eines Auswahlverschuldens;
culpa in eligendo. | |
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SZ 23/273 (1950): Einmalige
Unachtsamkeit ist noch keine Untüchtigkeit. Eine Person,
die zur gehörigen Besorgung der ihr übertragenen Angelegenheit nur
unter Leitung und Überwachung fähig ist, ist ohne diese Überwachung
als untüchtig anzusehen. – Am 1. Februar 1947 beauftragte die Hausverwaltung des
Hauses Wien, XIX, D-Straße 61, den Beklagten, den Wassermesser,
bzw die zu diesem führenden Wasserzuleitungsrohre, in welchen das
Wasser eingefroren war, aufzutauen. Der Beklagte beauftragte mit der
Durchführung dieser Arbeit den Lehrling Josef W. Die Klägerin, die
im genannten Hause Geschäftslokalitäten gemietet hat, behauptet,
dass Josef W. mit der Lötlampe so unvorsichtig
verfahren sei, dass dadurch im Lokal der Klägerin entlang der Wand
aufgestellte Bücher in Brand gesetzt wurden. Sie behauptet, dadurch
einen Schaden in der Höhe von 14.265 S erlitten zu haben, den sie
im Klagewege begehrt. – OGH bejahte die Haftung des Beklagten wegen
dessen Versäumnis, seinen Lehrling entsprechend anzuleiten und zu
überwachen. | |
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SZ 41/47 (1968): Habituelle
Untüchtigkeit eines Sprengmeisters. Kläger = Sozialversicherungsträger; Erstbeklagter =
Ludwig L./ Angestellter des Zweitbeklagten; Zweitbeklagter=
Sprengunternehmen. Am 21. August 1962 kam es auf dem H. Berg bei
I. in T. zu einem Unfall, bei dem der Bäckermeister Josef E getötet
und mehrere Personen verletzt wurden. E fuhr mit seinem Pkw auf
den H. Berg, auf dem durch die zweitbeklagte Partei Sprengungen
vorgenommen wurden. Zu diesen Sprengungen war der Erstbeklagte Ludwig
L von der zweitbeklagten Partei angestellt worden, um den von ihr
sonst beschäftigten Sprengmeister zu vertreten, der wegen Krankheit
ausgefallen war. Bei der Sprengung wurde ein 6 ½ kg schwerer Stein
auf die von E befahrene Straße geschleudert. Er durchschlug das
Dach des Pkw. Dadurch wurde E getötet und der Kraftwagen stürzte
30 m tief ab. Der Erstbeklagte wurde vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Sozialversicherungsträger
den Ersatz seiner Leistungen an die Hinterbliebenen des Josef E
im bisherigen Umfang von 19.570 S und die Feststellung, dass die
beiden Beklagten auch zum Ersatz seiner zukünftigen Leistungen verpflichtet
seien. Die klagende Partei behauptete, dass der Erstbeklagte den
Unfall grob fahrlässig verschuldet habe, weil er den Streubereich
nicht ausreichend festgestellt und sich vor der Sprengung nicht
überzeugt habe, dass dieser Bereich frei sei. Er habe auch dem Feuerposten
keine genauen Anweisungen gegeben, wo er sich aufzustellen habe,
und er habe schließlich auch die Sprenggrube nicht vorschriftsmäßig
abgedeckt. Infolge seines Alters und seiner Gebrechlichkeit sei
er für diese Tätigkeit überhaupt nicht geeignet gewesen und hätte diese
ablehnen müssen. Beim Betrieb der zweitbeklagten Partei handle es
sich im Zusammenhang mit den Sprengungen um einen gefährlichen Betrieb.
Der Erstbeklagte sei als eine untüchtige Person anzusehen, für die
die zweitbeklagte Partei hafte. Sie hätte den Erstbeklagten wegen
seiner Gebrechen überhaupt nicht anstellen dürfen, da nach § 2 (1)
Sprengarbeiten V, BGBl Nr 77/1955, für Sprengarbeiten nur hiezu geeignete
Personen herangezogen werden dürfen. Der Erstbeklagte habe keinen
Sprengschein besessen und sei der Behörde auch nicht gemeldet worden.
...” | |
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| Abbildung 10.3: Gehilfenhaftung (1) |
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| Abbildung 10.4: Gehilfenhaftung (2) |
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| Abbildung 10.5: Erfüllungsgehilfenhaftung |
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| Abbildung 10.6: Besorgungsgehilfenhaftung |
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3. Gesetzlich geregelte
„Gehilfenhaftungen” | |
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II. Die
Sachverständigenhaftung | |
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1. Wer
ist Sachverständiger? | |
Für wen gilt diese Haftung?
– Die Sachverständigenhaftung des § 1299 ABGB gilt zB für: Ärzte, Krankenschwestern,
Rechtsanwälte, Notare, Kreditinstitute (zB Anlageberaterhaftung),
Steuerberater, Kaufleute, Gewerbetreibende, Baumeister, aber auch
Tischler, überhaupt Handwerker, Spediteure, Masseure, Bergführer
und WissenschaftlerInnen; kurz – nach dem Wortlaut des Gesetzes –
für alle Personen, die „sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem
Gewerbe oder Handwerke öffentlich” bekennen und deren „Ausführung
eigene Kunstkenntnisse oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß” erfordern. | |
Von der zivilrechtlichen ist
eine allenfalls dazu tretende strafrechtliche Haftung zu
unterscheiden; vgl etwa: Widmaier, Haftung von Bankorganen. Die
strafrechtliche Verantwortlichkeit der im Bankbereich tätigen Organe (2001).
– Zur grundsätzlichen Trennung von Zivil- und Strafrecht → KAPITEL 9: Abgrenzung
vom Strafrecht. | |
§
1299 ABGB setzt grundsätzlich Entgeltlichkeit oder
doch Eigennützigkeit der Sachverständigentätigkeit
voraus, obwohl der Gesetzestext keine Bezugnahme auf eine Belohnung
oder Entgeltlichkeit enthält. Diesen Mangel holt § 1300 Satz 1 ABGB
nach – arg: „gegen Belohnung”, mag auch dessen Formulierung nicht
optimal sein; arg: „ist auch dann [?] verantwortlich, wenn er ...”. –
Die Gegenüberstellung in § 1300 Satz 1 und Satz 2 ABGB („Außer diesem
Falle ...”) macht jedoch deutlich, was gemeint ist. In diesem Sinne
ist die Abgrenzung zwischen § 1299 ABGB (grundsätzliche Entgeltlichkeit)
und § 1300 Satz 2 ABGB (Unentgeltlichkeit oder iSd OGH „Selbstlosigkeit”)
zu treffen. | |
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SZ 15/121 (1933): Haftung eines
Rechtsanwaltes für aussichtslose Prozessführung nach
§ 1299 ABGB – Einlieferung der Klägerin durch ihre Verwandten in
die Heilanstalt Steinhof. | |
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SZ 50/98 (1977): Ein gerichtlich
bestellter Sachverständiger, der in einem Zivilprozess
schuldhaft ein unrichtiges Gutachten abgibt, haftet den Prozessparteien
für die Folgen dieses Versehens nach § 1299 ABGB. | |
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JBl 1985, 677: Ein Notar,
der auftragswidrig die hypothekarische Belastung der Kaufliegenschaft unrichtig
feststellt, hat keinen Honoraranspruch und haftet überdies für den
dem Käufer daraus entstandenen Schaden nach § 1299 ABGB. | |
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JBl 1986, 313: Den Betreiber
eines Campingplatzes trifft auch bei Erfüllung vertraglicher
Nebenpflichten, wie seiner Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber
den Campingplatzmietern, die erhöhte Diligenzpflicht nach § 1299
ABGB. – Sachverhalt: Die beklagte Gemeinde betreibt in P, den in
ihrem Eigentum stehenden Campingplatz. Auf dem Areal des Campingplatzes
befinden sich Pappeln. Der Kläger hat auf diesem Campingplatz auf
Grund einer Vereinbarung mit der Beklagten als Dauermieter seinen
Wohnwagen abgestellt. Am 4.7.1982 wurden der Wohnwagen und das Vorzelt
des Klägers durch einen im Verlauf eines Regensturms von einem Pappelbaum
herabstürzenden Ast beschädigt. Der Kläger begehrt Schadenersatz.
Er brachte im wesentlichen vor, es sei für die Beklagte vorhersehbar
gewesen, dass der Baum, von dem später die Äste abgebrochen seien,
einem starken Wind bzw Sturm, wie er am N.-See öfter vorkomme, nicht
standhalten werde. Die Beklagte habe es insbesondere unterlassen,
spätestens nach einem zwei Jahre zurückliegenden Vorfall, bei dem
gleichfalls durch herabstürzende Äste Schäden verursacht worden
seien, einen Fachmann mit der Durchforstung der Pappeln zu beauftragen.
– Dem Klagebegehren wurde stattgegeben. | |
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WBl
1989, 280: Haftung des Wirtschaftstreuhänders
für falsche gesellschaftsrechtliche Beratung. § 1299 ABGB; §§ 39,
50 GmbHG: Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder sind
Sachverständige iSd § 1299 ABGB. Nach dieser Bestimmung gilt für
die von einem Sachverständigen geforderten Fähigkeiten und Kenntnisse
ein objektiver Maßstab. Einem Sachverständigen ist daher auch dann
ein Schuldvorwurf zu machen, wenn es ihm an den erforderlichen Fähigkeiten
und Kenntnissen mangelte. | |
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Vgl auch den unter → Entscheidungsbeispiele
zu den Kapiteln 9 und 10:
„Fälle” abgedruckten „ Tierarztfall” sowie JBl 1982,
95: Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter – Automobilklub
→ KAPITEL 9: Verträge
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. | |
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SZ 69/ II 189 (1996): Von einem
Fachgeschäft falsch eingestellte Schibindung; | |
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SZ 51/55 (1978): Ein Bewirtungsvertrag endet
nicht schon mit der Konsumation und Bezahlung des Gastes, sondern
erst mit der Beendigung des Naheverhältnisses. Gastwirte werden
von der Rspr auch als Sachverständige zur Behandlung von Betrunkenen
betrachtet (§ 1299 ABGB) und haften dabei auch für ihr Personal
nach § 1313a ABGB. | |
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OGH 28. 3. 2002, 8 Ob 246/01m, JBl 2002, 583: Bank gewährt
einer GmbH einen Kredit. Die Sicherungsübereignung eines
Firmen-Lkw kommt mangels wirklicher Übergabe (lediglich
die Kfz-Papiere wurden bei der Bank deponiert) nicht gültig zustande.
Über die GmbH wird idF der Konkurs eröffnet. Eine GmbH&Co KG
will den Lkw kaufen und wendet sich an die Bank als vermeintliche
Eigentümerin. Diese bestätigt die Sicherungsübereignung und erklärt
sich mit dem Verkauf einverstanden – Gegen Bezahlung von 100.000
DM werden dem Geschäftsführer die Fahrzeugpapiere und der Lkw ausgehändigt.
Der Masseverwalter wusste von all dem nichts und klagt idF die GmbH
& Co KG auf Herausgabe des Fahrzeugs. Diese verliert den Prozess
und klagt die Bank auf Schadenersatz. – OGH: Eine Rat oder Auskunft
nicht selbstlos erteilende Bank haftet (§§ 1299, 1300 ABGB) auch
bei Fahrlässigkeit. Bei dieser Haftung ist es gerade nicht Voraussetzung,
dass eine Vertragsbeziehung besteht; unabhängig davon wird auch
für reine Vermögensschäden gehaftet. | |
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OGH 11. 2. 2002, 7 Ob 316/01y, JBl 2002, 585:
Ein Nachbar wird wegen eines Wasserschadens auf Schadenersatz geklagt;
sein Rechtsanwalt nimmt auf das Mitverschulden
zweier weiterer Personen nicht Bezug. – OGH: Ein Rechtsanwalt, der
seinen auf Schadenersatz in Anspruch genommenen Klienten nicht darüber
belehrt, dass ein Mitverschuldenseinwand ratsam und zweckmäßig sei,
wird schadenersatzpflichtig; § 1299 ABGB. Die vertraglichen Schutz-
und Sorgfaltspflichten des Anwalts gegenüber seinem Mandanten erstrecken
sich auch auf dessen Haftpflichtversicherer. Die Einbeziehung des
Versicherers in den vertraglichen Schutzbereich folgt auch aus der
Schadensminderungspflicht nach § 62 Abs 1 VersVG. | |
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OGH 19. 12. 2001, 3 Ob 211/01b, JBl 2002, 378:
Der Verkäufer einer Liegenschaft behält sich eine Dienstbarkeit
vor. Der Rechtsanwalt des Käufers unterlässt
als Vertragsverfasser die unverzügliche Eintragung
einer Servitut im ersten Rang. Der Käufer nimmt idF einen
Kredit auf und diese Belastung wird im ersten Rang eingetragen.
– OGH: Ein Notar oder Rechtsanwalt, der bei der Errichtung und Abwicklung eines
Kaufvertrags für beide Vertragspartner tätig war, hat die Interessen
beider Teile wahrzunehmen, selbst wenn er nur der Bevollmächtigte
eines Teils ist. (Manches bleibt hier offen:, Vertrag mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter etc.) | |
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OGH 13. 5. 2000, 1 Ob 79/00z, SZ 73/96:
Der Kläger (Rechtsanwalt) erwirbt in einem Zwangsversteigerungsverfahren
eine Eigentumswohnung. Der Beklagte hatte im Exekutionsverfahren
als gerichtlich bestellter Sachverständiger die
Bewertung des Objekts zu erstatten. Er besichtigte die Wohnung nur ungenügend
und übersah eine Änderungsparifizierung, sodass er seinem Gutachten
eine Wohnfläche von 100 m2 statt 70
m2 zugrunde legte. – OGH: Der gerichtlich
bestellte Sachverständige haftet dem Ersteher in der Liegenschaftszwangsversteigerung
für die unrichtige Bewertung des Exekutionsobjekts nach
§ 1299 ABGB. Ablehnung der früheren Rspr (zuletzt SZ 60/2), nach
der solche Fälle über das AHG gelöst wurden. Allerdings nimmt der
OGH auf Grund des erhöhten Sorgfaltsmaßstabs eines Rechtsanwalts
Mitverschulden an; § 1304 ABGB. | |
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§ 1299 ABGB
statuiert eine Verschuldenshaftung, aber eine besonderer
Art. Das Gesetz verlangt von Sachverständigen nämlich „einen nicht
gewöhnlichen Fleiß” und „die erforderlichen, nicht gewöhnlichen,
Kenntnisse”. Angelegt wird dabei ein objektiver Maßstab;
dh als normative Messlatte dienen Wissen, Fertigkeiten, Kenntnisse
oder Sorgfalt, die ein Sachverständiger, sei er Tischler, Rechtsanwalt,
Arzt, Steuerberater, Rauchfangkehrer oder Schilehrer zu haben hat!
– Es geht hier um objektives Verschulden iSv Sorgfalts-
und Wissensstandards. Die Haftung des
§ 1299 ABGB als objektivierte Verschuldenshaftung „greift” aber
ebenso bereits ab leichter Fahrlässigkeit; sog omnis culpa-Haftung.
Ein Arzt oder Rechtsanwalt können sich nicht dadurch entschuldigen
/ exkulpieren, dass ihnen gewisse Kenntnisse ohne persönliches Verschulden
gefehlt haben. Sie haben zu vertreten, was „ein” Arzt (iSv „jeder”
Arzt) oder Rechtsanwalt zu wissen haben. | |
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OGH 10. 7. 2001, 4 Ob 56/01s, EvBl 2002/4:
Hausbesitzer lässt im März Kaminkehrung durchführen. Als es 2 Wochen
später zu einem Kaminbrand wegen Verpechung kommt,
weist der Kaminkehrer jede Schuld von sich. – OGH: Für Kaminbrände
infolge einer Verpechung hat der Rauchfangkehrer, der beauftragt
ist, regelmäßig den Rauchfang zu kehren und zu überwachen, grundsätzlich
zu haften. (Hiermit wird ein Standard gesetzt!) Nur ganz außergewöhnliche
Umstände könnten ausnahmsweise die Schuldlosigkeit des Rauchfangkehrers
(oder seines Erfüllungsgehilfen) iSd § 1298 ABGB begründen. – Außer
Acht bleibt in der E der Lösungsansatz über den zugrunde liegenden
Werkvertrag, bei dem ein „Erfolg” zu erbringen war. | |
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Fehlt es an „diesen” – dh den nötigen – Kenntnissen etc
„muss daher [der Sachverständige] den Mangel
derselben vertreten”; mit anderen Worten: der Sachverständige
haftet für den eingetretenen Schaden. | |
§ 1299 ABGB letzter Satz statuiert einen Fall
von Mitverschulden des Geschädigten; vgl Zeillers
Kommentierung: Motto vor diesem Kapitel. | |
Obwohl
zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten idR eine vertragliche
Beziehung besteht, und daher die Beweislastregel des § 1298 ABGB
anzuwenden wäre, verlangt die hRspr in manchen Fällen vom Geschädigten,
dass er die Verletzung der jeweiligen lex artis – also des jeweiligen
Wissens- oder Sorgfaltsstandards – zu beweisen habe. Das bedeutet,
dass trotzt bestehender vertraglicher Beziehung § 1296 ABGB zur
Anwendung gelangt; Beispiel einer interpretatio contra legem → KAPITEL 11: §
6 ABGB: Instrumente der Gesetzesauslegung.
Die dafür eingebrachten Argumente überzeugen aber nicht, weshalb
diese Rspr-Position (, die von einem Teil des Schrifttums – etwa
Reischauer – gutgeheißen wird) abzulehnen ist. Diese Rspr-Position
spielt in der Praxis im Bereich der Medizinhaftung eine wichtige,
wenngleich unerfreuliche Rolle → Medizinhaftung
– Beweislast
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Eine typische Formulierung
des zur Zeit vom OGH für § 1299 ABGB favorisierten Beweislastverständnisses
contra legem findet sich in JBl 1996, 181
(182), wo es heißt: „Den Beweis des Vorliegens
eines Behandlungsfehlers und seiner Kausalität in bezug auf den
eingetretenen Schaden hat im Sinne der allgemeinen Schadenersatzregeln
[?] grundsätzlich der Patient zu führen (Reischauer in Rummel, ABGB 2 Rz 26
zu § 1298)”. Der OGH hält allerdings zur Erbringung des Kausalitätsbeweises
bei Behandlungsfehlern, wegen der Schwierigkeit der Erbringung exakter
Beweise, den Anscheins- oder Prima-facie-Beweis ( → KAPITEL 9: Der
Anscheins- oder Prima Facie-Beweis:)
für ausreichend, was eine gewisse Abhilfe schafft; vgl SZ 63/90
(1990): Schwere Diagnose-, Operations- und Nachbehandlungsfehler an
einem 5jährigen Buben sowie JBl 1993, 316 mwH; JBl 1994, 540 und
JBl 1996, 181 und JBl 1999, 246: Nierenversagen. | |
Anders
dagegen: OGH 9. 4. 2002, EvBl 2002/144:
Patient erleidet Hirnstamminfarkt und behauptet, dieser
sei durch eine chiropraktische Behandlung des
Arztes an seiner Halswirbelsäule (im Zuge der Untersuchung von Rückenschmerzen
nach einem Schiunfall) entstanden. Im Schadenersatzprozess leugnet
der Arzt, eine solche Behandlung überhaupt vorgenommen zu haben,
worauf der Kläger seinem Anwalt die Weisung erteilt, vom Arzt die
Vorlage der Behandlungsdokumente zu verlangen, was der Anwalt aber
nicht tut. – OGH: Rechtsanwalt hat keinen Honoraranspurch, wenn
dessen Mandant beweist, dass und aus welchen Gründen die Leistung
wertlos ist. Dies gilt auch für den Fall, dass der Anwalt eine für
den Prozessausgang wesentliche Weisung nicht befolgt hat, sofern
der Rechtsanwalt nicht beweisen kann, dass sein weisungswidriges
Handeln für den Prozesserfolg unschädlich war; Beweislastumkehr
(§ 1298 ABGB). – Weitere angesprochene Problembereiche: Inhalt der
Auftragsbeziehung nach § 1009 ABGB („emsig und redlich”), Sachverständigenhaftung
des Rechtsanwalts (§ 1299 ABGB) | |
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Auch auf Alpinunfälle, denen eine vertragliche
und entgeltliche Beziehung zugrunde liegt, wie sie zwischen Berg-
und Schiführern oder Schilehrern und ihren Vertragspartnern besteht,
ist § 1299 ABGB voll anzuwenden. – Die Personen haften danach aus
Vertrag für omnis culpa, also ab leichter Fahrlässigkeit für die
Verletzung von Sorgfalts- und Wissensstandards sowie von Schutzpflichten
ihrer Berufsgruppe. | |
Eine Freizeichnung ( → KAPITEL 9: Verschulden
(culpa))
wird angesichts des bestehenden Vertrauensverhältnisses und der übernommenen
Verantwortung nur in seltenen Fällen zulässig sein. | |
Der OGH hat jedoch
im Piz Buin-Urteil
(30.10.1998, 1 Ob 293/98i – JBl 2000, 305) § 1299 ABGB auch auf
den Tourenführer aus Gefälligkeit und den sog faktischen
Führer angewandt, mögen diese auch unentgeltlich tätig
geworden sein. | Piz Buin-Urteil |
Die Frage einer rechtsgeschäftlichen Beziehung
wurde vom OGH offen gelassen, von Stabentheiner dagegen bejaht, was
abzulehnen ist. | |
Die Meinung des OGH beruht mE auf einer noch unausgereiften
und in concreto nicht erkannten – aber nötigen – Abgrenzung zwischen
der Sachverständigenhaftung des § 1299 ABGB und der bislang zivilrechtlich
völlig unentwickelten Haftung aus einer Garantenstellung → Zur
Haftung aus einer Garantenstellung
| |
Leitsatz zu JBl 2000, 305: Zur Haftung des alpinistisch
Überlegenen für einen Bergunfall seines Berggefährten auf Grund
einer Führerrolle (§§ 1295, 1299, 1311 ABGB): An den Tourenführer
aus Gefälligkeit und an den faktischen Führer darf zwar nicht der
gleiche Sorgfaltsmaßstab wie an einen professionellen erwerbsmäßig
tätigen Bergführer angelegt werden; doch muss von ihm jene Sorgfalt
verlangt werden, wie sie einem ihm vergleichbaren Alpinisten bei
der Führung und Begleitung von Tourengruppen objektiv zuzumuten
ist. | |
| |
2. §
1300 ABGB: Unentgeltliche Raterteilung | |
Oben wurde
bereits auf die legistisch nicht voll gelungene Abgrenzung der §§
1299 und 1300 ABGB eingegangen. Die folgenden Ausführungen beschränken
sich auf § 1300 ABGB. | |
Er stellt
in Bezug auf § 1299 ABGB noch einmal klar, dass Sachverständige
für nachteiligen Rat bei jedem Verschulden, also ab leichter Fahrlässigkeit
haften, wenn sie „gegen Belohnung in Angelegenheiten
[ihrer] Kunst oder Wissenschaft” tätig werden. | |
§ 1300 ABGB formuliert einen eigenen – von Satz 1 unabhängigen – Haftungstatbestand: | |
„Außer diesem Fall [gemeint ist eine entgeltliche
Tätigkeit nach § 1299 ABGB] haftet ein Ratgeber nur für den Schaden,
welchen er wissentlich durch Erteilung des Rates
dem andern gegeben hat.” | |
Es kommt also
nach Satz 2 zu einer gravierenden Haftungsminderung,
wenn Rat oder Auskunft: | Haftungsreduktion |
•
außerhalb der
beruflichen Tätigkeit und | |
•
unentgeltlich erteilt werden. | |
Eine professionelle Beratung oder Schiedstätigkeit löst
demnach eine Haftung nach § 1299 ABGB auch dann aus, wenn nur eine
mittelbare Entgeltsbeziehung besteht, wie dies bei der Mitgliedschaft
in Autofahrerclubs, Vereinen zur Rechtsberatung oder den Schiedsstellen
der Ärztekammer der Fall ist. Der OGH wendet § 1299 ABGB nur bei
„selbstloser” Raterteilung oder Auskunft nicht an (JBl 1995, 588;
gleich unten), womit im wesentlichen Unentgeltlichkeit gemeint ist.
Die Abgrenzungsfragen scheinen noch nicht völlig ausgereift. – Rechtsberatung
ist eine wichtige Aufgabe der Zukunft, die bislang eher unterschätzt
wird. Sie verdiente es judikativ unterstützt und nicht haftungsmäßig
unterlaufen zu werden! | Beratung oder
Schiedstätigkeit |
| |
|
Einen
interessanten Sachverhalt zur Abgrenzung der §§ 1299 und 1300 ABGB
beinhaltet JBl 1995, 588: Eine Schiedsstelle der Ärztekammer,
an die sich eine Patientin wegen eines Behandlungsfehlers wandte, unterließ
es, die Patientin auf die drohende Verjährung aufmerksam
zu machen. – Leitsatz: Schiedsstelle der Ärztekammer – Haftung für
unterlassene Belehrung: §§ 1299 und 1300 ABGB; § 1 AHG: Die Schiedsstellen
der Ärztekammern sind nicht in einem Tätigkeitsbereich aktiv, der
mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet ist, und sind auch nicht
gesetzlich ermächtigt, aus öffentlichem Interesse ein bestimmtes
Verhalten ihrer Mitglieder oder der betroffenen Patienten im Rahmen
des Schiedsverfahrens erzwingen zu können. Aus dem Handeln oder
Unterlassen der Schiedsstellen sind daher keine Ansprüche iSd §
1 AHG abzuleiten. (Zum AHG → KAPITEL 12: Die
Amtshaftung ¿ AHG 1948.)
– Nur wer „selbstlos” einen Rat oder eine Auskunft erteilt, kann
nach § 1300 Satz 2 ABGB von der Haftung befreit sein. Das trifft
auf die Schiedsstellen der Ärztekammern nicht zu. Die Schiedsstelle
hat daher einen Patienten, der sich wegen eines Behandlungsfehlers
an sie wendet, auf die drohende Verjährung seiner Ansprüche hinzuweisen. | |
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3. Zur
Haftung aus einer Garantenstellung | |
| |
Rechtsnormen
sind entweder Verbots- oder Gebotsnormen.
Verstöße gegen Verbotsnormen erfolgen dadurch, dass getan wird,
was zu tun untersagt war. Bei Gebotsnormen liegt der Normverstoß
im Unterlassen gebotenen Tuns. – Das spielt eine wichtige Rolle
bei den Unterlassungsdelikten, insbesondere denen des Strafrechts,
die voraussetzen, dass gegen eine Gebotsnorm verstoßen wird. | Unterlassungsdelikte |
Vgl § 2 StGB
(Begehung durch Unterlassung): „Bedroht das Gesetz die Herbeiführung
eines Erfolges mit Strafe, so ist auch strafbar, wer es unterlässt,
ihn abzuwenden, obwohl er zufolge einer ihn im besonderen treffenden Verpflichtung
durch die Rechtsordnung dazu verhalten ist und die Unterlassung
der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes
durch ein Tun gleichzuhalten ist.” | § 2 StGB |
Die
Rechtsfigur der Haftung aus einer Garantenstellung für das Unterlassen
gebotener Sorgfaltspflichten iwS wurde im Strafrecht entwickelt.
– Sorgfalts- und Wissensstandards spielen aber auch in zivilrechtlichen
Tatbeständen insbesondere auch im Rahmen der §§ 1299, 1300 ABGB
eine wichtige Rolle. Aber es bestehen auch Unterschiede zum Strafrecht. | Sorgfalts- und Wissensstandards |
Zur
Strafbarkeit nach § 2 StGB ist es erforderlich, dass eine bestehende
Pflicht zur Erfolgsabwendung – die sog Garantenpflicht –
verletzt wurde. Rechtswidrig nach dieser Gesetzesstelle handelt
aber nur der, den eine von der Rechtsordnung statuierte besondere
Pflicht trifft und diese unterlassen wird. Eine solche Erfolgsabwendungspflicht
oder Garantenstellung kann aus Vertrag, Gesetz oder Ingerenz (iSv
vorangegangenem eigenem Verhalten, das idF zum Handeln verpflichtet → KAPITEL 6: Das
Ingerenzprinzip)
abgeleitet werden. | Strafrecht und
Garantenstellung |
Mehr zu den strafrechtlichen Unterlassungsdelikten
sowie zur Garantenstellung und Garantenpflicht bei H. Fuchs, Österreichisches
Strafrecht. AllgT I 57, 314 ff (20004). | |
Auch das Zivilrecht kennt derartige aus Vertrag, Gesetz
oder Ingerenz abgeleitete Erfolgsabwendungs- oder Garantenpflichten,
ohne meist terminologisch von einer Garantenstellung zu sprechen;
vgl nur die teils schon alten Erfolgsabwendungspflichten im Kleid
von Obsorge- und Sicherungspflichten udgl der §§ 866, 1309, 1318,
1319, 1319a, 1320 ABGB. Vgl insbesondere auch das gesetzliche Schuldverhältniss
cic, für das es charakteristisch ist, dass sich der – auch nur mögliche
– Vertrags- oder Verhandlungspartner ( → KAPITEL 6: Cic
als gesetzliches Schuldverhältnis)
in einer Lage besonderer Schutz- und Vertrauensbedürftigkeit befindet.
Die cic umfasst – mittlerweile – auch den Bereich der Verkehrssicherungspflichten
im Vorfeld möglicher rechtsgeschäftlicher Beziehungen. Verkehrssicherungspflichten
können auch als Erfolgsabwendungs- oder Garantenpflichten verstanden
werden. – § 1299 ABGB geht aber im Vergleich dazu über eine bloße
Erfolgsabwendungs- oder Garantenstellung hinaus und umfasst – primär
– vertragliche Sorgfaltspflichten in einem – wenn auch da und dort
gelockerten – entgeltlichen Kontext. | |
Besondere
gesetzliche oder vertragliche Erfolgsabwendungs- iSv Obhuts-, Obsorge-
oder Sicherungspflichten, die im Zivil- wie im Strafrecht zu einer
Garantenstellung führen, sind typischerweise anzunehmen bei besonderen Gefahrengemeinschaften,
wie bei Berg- oder Schitouren, aber auch zwischen Eltern und Kindern
(und vice versa), Ehegatten oder sonstigen Betreuungsverhältnissen.
– Im Zivilrecht sind diese Bereiche vornehmlich gesetzlich geregelt,
weshalb hier das dogmatische Bedürfnis, die „Garantenstellung” zu
bemühen, geringer war und auch naheliegende Fragen bisher nur unzureichend
reflektiert wurden. – Die Berg- und Alpinunfälle lehren uns jedoch, dass
wir es dabei nicht bewenden lassen können. | Gefahrengemeinschaften + Betreuungsverhältnissen |
Das eben erwähnte Piz Buin-Urteil und seine in der Begründung
zu Tage tretende unbefriedigende und unvollständige dogmatische
Bearbeitung durch den OGH und Stabentheiner, hat aber deutlich gemacht,
dass eine unreflektierte, undifferenzierte und/oder nicht als solche
kenntlich gemachte Übernahme vornehmlich strafrechtlicher Rechtsfiguren
– eben der Garantenstellung – ins Zivilrecht, Probleme schafft. | |
Das führt bei Stabentheiner ua dazu, dass
er zwar das hier völlig unergiebige und vom OGH gar nicht angesprochene bewegliche
System Wilburgs beschwört, eine gründliche Auseinandersetzung mit
den einschlägigen Zivilrechtsnormen und –fragen aber ebenso unterbleibt,
wie die Reflexion ihrer Herkunft aus dem Strafrecht. Die konkret nötige
Abgrenzung der §§ 1299 und 1300 ABGB bleibt ebenfalls unerwähnt.
Dazu kommt, dass die uneingeschränkte Subsumtion der Haftung aus
einer Garantenstellung unter die Sachverständigenhaftung des § 1299
ABGB problematisch ist, zumal diese zivilrechtliche Haftungsnorm
durch ihren objektivierten / standardisierten Verschuldensmaßstab
Besonderheiten aufweist, die dem Strafrecht fremd sind und auch
auf Fälle wie den vorliegenden nicht so recht passen. – Vor einer
„schlampigen” Herübernahme (Analogie?) der Haftung aus Garantenstellung
vom Strafrecht ins Zivilrecht muss daher gewarnt werden. | |
Gegenüber den Ausführungen des OGH und Stabentheiners zum
Piz Buin-Fall muss daher betont werden, dass es sich bei der Haftung
aus einer Garantenstellung – dieser Begriff sollte künftig auch im
Zivilrecht verwendet werden (!), um eine Verschuldenshaftung handelt,
wobei festzuhalten ist: | |
• Die Situation, aus
der (heraus) eine Garantenstellung entsteht, kann vom Garanten selbst verschuldet oder unverschuldet eingetreten
oder durch Ingerenz herbeigeführt worden sein; | |
• und das zurechenbare Verschulden, das eine
Haftung auslöst, rührt daher, dass der Garant in einer von ihm –
wie auch immer – (mit)geschaffenen und ihm daher (bis zu einem gewissen
Grad) zurechenbaren Situation seinen
Erfolgsabwendungspflichten (iSv
Schutz-, Sorgfalts-, Aufklärungs- oder Aufsichtspflichten) nicht
nachgekommen ist, wofür grundsätzlich leichte Fahrlässigkeit genügt. | |
Hier
wurden Klarstellungen versäumt; wozu kommt, dass
Garantenstellung (samt daraus folgender Haftung) und gesetzliche
Sachverständigenhaftung nicht völlig identifiziert werden sollten,
weil sie aus unterschiedlichen Zurechnungsquellen stammen. Hier
erscheint die Herkunft dieser Lehre für das Verständnis hilfreich;
beinhalten doch Garantenpflichten typische Sorgfaltspflichten, auf
die der Anwendungsbereich des § 1299 ABGB aber nicht reduziert werden
kann, mag auch er sie kennen. Das wurde nicht klar genug gesehen.
Trennt man diese Haftungsbereiche (nämlich Sachverständigen- und
Garantenhaftung), bedarf es für die Garantenhaftung auch nicht der Abgrenzung
der §§ 1299 und 1300 ABGB voneinander. – Ein anderer Unterschied
der Haftung nach § 1299 ABGB und einer (strafrechtlichen wie zivilrechtlichen)
Haftung aus einer Garantenstellung ist – wie erwähnt – der nicht idente
Verschuldensmaßstab. Denn für die zivilrechtliche Garantenhaftung
ist – wie im Strafrecht – nicht unbedingt ein objektivierter Verschuldensmaßstab,
sondern nur ein subjektives Verschulden des Schädigers anzunehmen.
(Das schließt mE nicht generell aus, dennoch gewisse Gemeinsamkeiten
anzunehmen, zumal Überschneidungen zwischen Sachverständigen- und
Garantenhaftung zumindestens bestehen können.) – Eine sinnvolle
Differenzierung kann dies herausarbeiten. | Klarstellungen nötig |
Zu überlegen wäre ferner, wie weit
die Parallelität der Haftung aus Garantenstellung mit der Haftung
aus cic gehen sollte: Haftung wie bei der cic schon ab leichter
Fahrlässigkeit? Und Haftung bloß für den Vertrauensschaden? Annahme
eines gesetzlichen Schuldverhältnisses? Usw. – Angesichts des Piz-Buin-Falls,
der uns zeigt, dass wir es hier weder mit einer rechtsgeschäftlichen,
noch künftige Rechtsgeschäfte vorbereitenden und grundsätzlich auch keiner
entgeltlichen Situation zu tun haben, plädiere ich dafür bei einer
künftigen Entwicklung dieser neuen Rechtsfigur, keine vollständige
Parallelität zur cic-Haftung anzustreben, sondern – dem Entlastungsgedanken
der ersten Unklarheitenregel des § 915 ABGB folgend – „eher die
geringere als die schwerere Last” aufzuerlegen. Das würde die dogmatische
Behandlung solcher Fälle auch besser in Einklang mit dem Rechtsgefühl
des Volkes bringen, was mit dem Piz Buin-Urteil nicht gelungen ist.
Überzogene Haftungen wirken auch nicht präventiv. | Parallelität mit der
Haftung aus cic? |
Zu denken wäre daher an eine Haftungsreduktion –
normmäßig angesiedelt in der „Mitte” zwischen § 1299 und
§ 1300 ABGB – auf grobe Fahrlässigkeit, zumal dies Konstellationen
wie dem Piz-Buin-Fall, gerechter wird. (ME wäre im Piz-Buin-Fall
grobe Fahrlässigkeit des faktischen Tourenführers und daher ein
Haftung anzunehmen gewesen.) | |
Der
Lösungsweg könnte daher über eine die Besonderheiten solcher Fälle
angemessen berücksichtigende Rechtsanalogie führen,
in welche wertungsmäßig neben den §§ 1299, 1300 ABGB auch die allgemeinen
Grundsätze der Verschuldenshaftung (§§ 1295, 1306 ABGB) und teilweise
auch jene Normen einzubringen wären, die das Konzept der cic tragen → KAPITEL 6: Cic:
Geschöpf der Rechtsanalogie.
– Ob bei einer Haftung aus einer Garantenstellung nur für den Vertrauensschaden
oder ganz allgemein für Schadenersatz einzustehen ist, sollte noch
geprüft werden. Angemessener erschiene mir eine Annäherung an die
cic. Als eine der Deliktshaftung nahe stehende Haftung wäre die
Haftung aus einer Garantenstellung auch beweislastmäßig behutsam
und nicht überzogen auszugestalten und auch hier keine Gleichstellung
mit der cic anzustreben; daher sollte eher § 1296 als § 1298 ABGB
zur Anwendung kommen. Inwieweit wegen des Bestehens allgemeiner
oder spezifischer gesetzlicher (Unterlassungs)Pflichten § 1313a
ABGB zur Anwendung zu gelangen hätte, wäre im Einzelfall zu prüfen.
Eine generelle Anwendung erschiene mir ebenfalls als zu weit gehend. | Rechtsanalogie |
Insgesamt lässt sich sagen,
dass die Rechtsfigur einer zivilrechtlichen Haftung aus einer Garantenstellung,
eigene Konturen gewinnen könnte und wohl auch sollte. Ein wertungsmäßiges
Heranrücken an die wichtigen Vorarbeiten des Strafrechts erscheint
dabei, wo immer möglich, sinnvoll. Der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung
sollte nicht nur in juristischen Lehrbüchern eine Rolle spielen.
– Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass die neu zu gestaltende
Rechtsfigur auch dem Rechtsempfinden der Menschen ebenso gerecht
werden sollte, wie den Aufgaben des zivilen Haftungsrechts. Das
spricht für eine moderate(re) Haftung, was bislang nicht hinreichend
bedacht wurde. | Resümee |
III. Aufsichtspflichtverletzung | |
Zum besseren Verständnis des § 1309 ABGB sollte
sein Umfeld, die §§ 1307–1310 ABGB, in einem Zug gelesen werden,
zumal die §§ 1309 und 1310 ABGB auf den Vorbestimmungen aufbauen. | |
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„Außer diesem Falle [sc des § 1308 ABGB] gebührt
ihm [sc dem Geschädigten] der Ersatz von denjenigen Personen, denen
der Schade wegen Vernachlässigung der ihnen über solche Personen
anvertrauten Obsorge beigemessen werden kann.” (§ 1309 ABGB) | |
Praktische
Fälle betreffen das schuldhafte Verletzen der Aufsichtspflicht über
(Klein)Kinder, Schüler oder andere (anvertraute) insbesondere minderjährige
Personen; zB in Kindergärten, Horten, Ferienlagern, Schulen. – Das
Gesetz spricht von „Vernachlässigung der ihnen
über solche Personen anvertrauten Obsorge”, knüpft
die Haftungsfolgen also an das Unterlassen einer bestehenden Pflicht. | |
Zur Verwendung des Obsorge-Begriffs beim Verwahrungsvertrag
(§ 957 ABGB) → KAPITEL 3: Verwahrerpflichten. Das dtBGB enthält in § 832 eine „analoge”
Bestimmung. Das ALR (I 14 § 9) kennt den Begriff der Obsorge noch
nicht, sondern spricht aber ähnlich von „aufbehalten” und „Aufbewahrung”. | |
|
JBl 1999, 325: Entweichenlassen
eines gefährlichen Geisteskranken aus einem psychiatrischen
Krankenhaus. | |
|
Der Gesetzestext umfasst sowohl kraft Gesetzes bestehende
Aufsichts- oder Obsorgepflichten – wie solche der Eltern oder der
Schule, als auch vertraglich übernommene, wie in
Kindergärten, Privatschulen oder Internaten. | Obsorgepflichten
aus Vertrag und kraft Gesetzes |
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EvBl 1968/379: Die „Aufsichtspflicht
kann auf einem Rechtsgeschäft beruhen, sie kann sich aber auch unmittelbar
aus dem Gesetz ergeben” → Fälle
aus dem Alltag und Rspr-Beispiele
| |
|
Eltern, überhaupt Aufsichtspflichtige, haften danach prinzipiell
nicht, sondern nur dann für das schadensstiftende Handeln ihrer
Kinder, wenn sie | |
•
schuldhaft
| |
• ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben. | |
Es kommt auf diese Akzentsetzung an! Der gesetzliche Grundsatz
wird nämlich immer wieder missverstanden und falsch dargestellt.
– Die Rspr handhabt diese Norm lebensnah und lehnt überspitzte Haftungen
ab. Eine praktische Rolle spielt in diesem Zusammenhang immer wieder gefährliches
Spielzeug! | |
Nicht
überall ist die Rechtslage wie bei uns: | Rechtsvergleich |
In Italien bspw statuiert Art 2048 Codice
Civile: „Vater und Mutter oder
der Vormund haften für den Schaden, der durch eine
unerlaubte Handlung des Minderjährigen, nicht aus der elterlichen
Gewalt entlassenen Kindes oder der unter Vormundschaft stehenden
Personen entstanden ist, sofern diese bei ihnen wohnen. Die gleiche Bestimmung
gilt für Pflegeeltern. | |
Die Erzieher und diejenigen, die zu einem
Gewerbe oder Handwerk ausbilden, haften für den Schaden, der durch eine
unerlaubte Handlung ihrer Zöglinge und Lehrlinge in
der Zeit entstanden ist, in der sie unter ihrer Aufsicht standen. | |
Die in den vorhergehenden Absätzen bezeichneten Personen
sind von der Haftung nur dann befreit, wenn sie nachweisen, dass
sie die Handlung nicht verhindern konnten.“ | |
Noch weiter geht das us-amerikanische (Privat)Recht einzelner
Bundesstaaten: Dort wird nicht nur eine zivilrechtliche Haftung
der Eltern für Schäden durch ihre Kinder statuiert. Die einzelnen
Bundesstaaten haben aber unterschiedliche Gesetze erlassen, durch
die Eltern uU auch strafrechtlich für Vergehen ihrer Kinder verfolgt
werden können. Die Strafen für die Eltern liegen dabei zwischen
Geldstrafen bis zu 25.000 $ und Gefängnis – auch schon für häufiges
Nichterscheinen der Kinder in der Schule. In manchen Bundesstaaten
müssen Eltern auch die Gerichtskosten sowie die Kosten für einen
Gefängnisaufenthalt ihrer Kinder bezahlen. | |
2. Fälle
aus dem Alltag und Rspr-Beispiele | |
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EvBl 1968/379: § 1309 ABGB – Schuldhafte
Verletzung der Aufsichtspflicht durch Überlassen von gefährlichem
Spielzeug (mit einer Schleuder zu betätigendes
pfeilförmiges Plastikspielzeug) an ein 4-jähriges Kind. – OGH: „Nach
§ 1309 ABGB gebührt demjenigen, der durch einen Unmündigen geschädigt worden
ist, Ersatz von jenen Personen, denen der Schaden wegen Vernachlässigung
der ihnen obliegenden Aufsichtspflicht beigemessen werden kann.
Diese Aufsichtspflicht kann auf einem Rechtsgeschäft beruhen,
sie kann sich aber auch unmittelbar aus dem Gesetz ergeben.”
– Und: „Die Gefährlichkeit eines Spielzeugs ist nicht nur nach seiner
objektiven Beschaffenheit zu beurteilen, sondern hängt auch von der
körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes ab, dem das Spielzeug
zum Gebrauch überlassen wird.” | |
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Aufsichtspflicht
nach § 1309: Rspr-Beispiele | |
Die Aufsichtspflicht verletzt: Wer einen
11-Jährigen unbeaufsichtigt mit einem Luftdruckgewehr spielen läßt
(SZ 20/241)
Wer einem
noch nicht 12-jährigen Kind (entgegen § 65 StVO) erlaubt, alleine
radzufahren ( ZVR 1989/153)
Wer ein Kind mit einer Armbrust spielen läßt, deren Pfeile Nägel
als Spitze haben (EFSlg 20.228;
OLG Wien) Wer einer gehbehinderten Großmutter ein 3 jähriges Kind
außerhalb der Wohnung anvertraut (EFSlg 4695)
Wer einen 4 ½ Jährigen einen pfeilförmigen Kaugummiflieger anschaffen
und unbeaufsichtigt benützen läßt (EvBl 1968/379
= EFSlg
10.142). | |
|
|
Die Aufsichtspflicht
wird nicht verletzt: Wenn ein Lehrer 7- oder 8-jährige
Schulkinder in der Schulgarderobe nicht ständig beaufsichtigt; EFSlg 31.513 Unbeaufsichtigtes
4 ½-jähriges Kind auf Spielplatz in der Nähe einer wenig befahrenen
Straße; ZVR 1984/116 Fast
5 jähriger folgsamer Bub verletzt auf Gehsteig mit Tretroller einen
Gehbehinderten, während Aufsichtspflichtiger sich kurz seiner Kundschaft
widmet; SZ 34/137 Schneeballspielen
von 8- und 10 Jährigen ohne Überwachung; EFSlg
27.185 Wenn eine Mutter 5- und 8 jährige
Buben 150 m von der Alm entfernt, auf der sie als Kellnerin arbeitet,
in einer Hütte spielen läßt, wo sie unvorhersehbar Zündhölzer finden; EvBl 1978/52. | |
|
| Abbildung 10.7: Aufsichtspflicht (1) – Beispiele |
|
| Abbildung 10.8: Aufsichtspflicht (2) – Beispiele |
|
IV. Der
sogenannte Billigkeitsersatz des § 1310 ABGB | |
Kann ein Geschädigter
nach den §§ 1307-1309 ABGB keinen Ersatz erlangen, „so soll der
Richter” nach § 1310 ABGB erwägen – sog Billigkeitsschaden, soziale
Schadenstragung, die dem Schadenersatzrecht sonst fremd ist, ob
nicht der schädigende Minderjährige selbst (unter den Voraussetzungen
des § 1310 ABGB) zur Haftung heranzuziehen ist. – Der Gesetzgeber
wollte mit dieser Bestimmung eine Nichtverschuldenshaftung statuieren,
was von der Rspr nicht immer zutreffend gesehen wird. | |
Für
K. A. v. Martini, auf den unsere Bestimmung zurückgeht, lag nämlich
der tiefere Grund der Verpflichtung des Schädigers zum
Ersatz nicht – wie später bei Ihering – in seinem Verschulden, sondern
im (naturrechtlich fundierten) „Vertheidigungsrecht”
des Geschädigten. | Martinis Überlegungen |
| |
Mit dem Rspr-Satz, das der Deliktsunfähige
nur haftet, wenn ein Volldeliktsfähiger im gleichen Fall haften
würde, wird dem Zweck des § 1310 ABGB Rechnung zu tragen versucht.
Dieser Ansatz ist aber aus dem oben genannten Grund problematisch.
– Die Norm will nämlich primär Härten für den Geschädigten (!) mildern,
die sich daraus ergeben, dass das Verschuldenssystem eine Risikozuweisung
bei Kindern, Jugendlichen unter 14 Jahren (Deliktsfähigkeitsgrenze)
und Geisteskranken im Allgemeinen nicht erlaubt. | §
1310 ABGB |
§ 1310 soll nach hA die normale (?) Haftung nicht erweitern,
sondern sie zugunsten nicht voll Zurechnungsfähiger einschränken;
so JBl 1999, 604: Hackstockfall → Rechtsfolge Das
trifft aber nicht zu, denn § 1310 ABGB statuiert – abweichend vom
„Normalfall” des ABGB – grundsätzlich (auch) eine Nichtverschuldenshaftung,
wenngleich unsere Bestimmung insbesondere im 1. Fall Anklänge an
ein Verschulden enthält. | |
Das ist ein lebensnaher Rechtsanwendungshinweis des Gesetzgebers,
der sich an den Rechtsanwender richtet. | |
Es
wäre aber ein Missverständnis, § 1310 ABGB – er stammt aus Martinis
Entwurf – als übermäßige Härte gegen Unmündige (miss)zuverstehen.
Die Norm will vielmehr – aus den erwähnten Gründen – allgemein klarstellen,
dass das Schadensrecht vornehmlich aus der Optik des/r Geschädigten
zu verstehen ist. – Unsere Norm gestattet heute eine moderne Anwendung
der Schadenszurechnung unterhalb der zivilrechtlichen Deliktsfähigkeitsgrenze.
Das ist in einer Zeit, in der noch nicht Vierzehnjährige zahlreiche
und nicht nur geringfügige Delikte begehen, als ein wertvolles normatives
Instrument zu betrachten. In diesem Kontext ist an den bedauerlicher
Weise aufgehobenen
§ 866 ABGB zu erinnern. Anders als das Strafrecht, das – aus berechtigten
Gründen – ein Unterschreiten der Deliktsfähigkeitsgrenze nicht gestattet,
wird dies durch unsere Norm ermöglicht. | Härte gegen Unmündige? |
Diskussionswürdig
erschiene es, die zivilrechtliche Deliktsfähigkeitsgrenze für Minderjährige
nach deutschem Vorbild – wenn auch vielleicht nicht im selben Ausmass
– zu senken. § 828 dtBGB bestimmt: | Beispiel: § 828 dtBGB |
„(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist
für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.“ | |
Ein neu durch die Schuldrechtsreform eingefügter Abs 2 dieser
deutschen Bestimmung schliesst nunmehr die Haftung von 7 bis 10-Jährigen
bei Unfällen mit einem Kfz, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn,
Vorsatz ausgenommen, aus. | |
1. Tatbestandsvoraussetzungen | |
§ 1310 ABGB unterscheidet drei Anwendungsfälle.
Wir sprechen vom 1., 2., oder 3. Fall dieser Norm. In allen drei
Fällen steckt der Billigkeitsgedanke, im 2. und
3. Fall aber noch stärker als im ersten. | 3
Fälle |
Zu überlegen hat der Rechtsanwender nach § 1310 ABGB dabei: | |
• „ ... ob dem Beschädiger,
ungeachtet er gewöhnlich seines Verstandes nicht mächtig ist, in
dem bestimmten Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last
liege...” (1. Fall); | |
• „oder, ob der Beschädigte aus Schonung
des Beschädigers die Verteidigung unterlassen habe...”
(2. Fall); | |
• „oder [er soll] endlich, mit Rücksicht
auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten...”
(3. Fall: sog Tragfähigkeit des Schadens) entscheiden. | |
| |
Der Richter „soll” in diesen Fällen entweder: | |
• „auf den ganzen
Ersatz
| |
• oder doch einen billigen Teil desselben erkennen.” | |
Praktisch
bedeutsam sind der erste und dritte Fall des § 1310 ABGB. Es kann
auch zu einer Kumulierung mehrerer Fälle des §
1310 ABGB kommen; also zB von erstem und drittem Fall: So bei von
Minderjährigen verschuldeten Verkehrsunfällen; zB wenn ein 10-jähriger
Bub ohne nach links und rechts zu schauen die Straße überquert und
ein Autofahrer ihn nur deshalb nicht zusammenfährt, weil er sein
Fahrzeug verreißt, das dabei beschädigt wird. | |
|
Zum „3.
Fall” des § 1310 ABGB: | |
|
|
EvBl 1974/234: 10-jähriges Mädchen
„verfolgt” Buben und stellt ihm von hinten das Bein, sodass
dieser stürzt und sich Zähne ausschlägt. Es besteht eine Haushaltsversicherung!
OGH berücksichtigt die Versicherungssumme als Vermögen der Minderjährigen!
Ebenso die folgende E. | |
|
|
RZ
1977/87: § 1310 ABGB – Der minderjährige
Beklagte hatte der 11-jährigen Klägerin durch einen Messerwurf eine
schwere Augenverletzung zugefügt. „Der Vater und gesetzliche Vertreter
des minderjährigen Beklagten hatte einen sog Bündelversicherungsvertrag
abgeschlossen, in welchem auch eine Versicherung für Haftpflichtschadensverursachung
durch den Versicherungsnehmer und die mitversicherten Angehörigen,
zu welchen auch der haushaltszugehörige minderjährige Beklagte gehört,
enthalten ist ....” | |
|
|
SZ 69/156 (1996): Augenverletzung
durch Kunststoffpfeil – Deckt die (private) Unfallversicherung
des Geschädigten Nachteile ab, die mit den Ersatzansprüchen gegen
den Schädiger nichts zu tun haben, wäre es nach Ansicht des OGH
unbillig, den Ersatzanspruch des Geschädigten nach § 1310 Fall 3
ABGB deswegen zu kürzen, weil er mit der Versicherungsleistung über
ein „Vermögen” iS dieser Gesetzesstelle verfüge. | |
|
|
JBl 1999, 604 (= EvBl 1999/155): Hackstockfall –
Achteinhalbjähriger schlägt seinem vierjährigen Vettern ungewollt
einen Finger ab. | |
|
Eben wurde festgestellt,
dass dem Schadenersatzrecht soziale Überlegungen (nahezu) fremd sind.
– Um keinen falschen Eindruck zu erzeugen sei erwähnt, dass das
Privatrecht aber auch in anderen Bereichen soziale Überlegungen
anstellt; etwa im starken und effektiven rechtsgeschäftlichen Schutz
junger Menschen vor Erreichung der Volljährigkeitsgrenze (§ 21 ABGB:
„… stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze”), aber auch im
Schutz nicht geschäftsfähiger Erwachsener. In beiden Fällen sind
die abgeschlossenen Rechtsgeschäfte ungültig: dazu kommen Sachwalterschaft
und UbG. Vgl auch → KAPITEL 4: Die
Handlungsfähigkeit :
Beispiel einer manisch-depressiven Frau, die teure Kaufverträge
abschließt ohne unter Sachwalterschaft zu stehen. Hinzuweisen ist
hier auch auf die sozialen Überlegungen in § 2 D(N)HG ( → KAPITEL 12: Die
Dienstnehmerhaftung),
die auch in anderen Haftpflichtgesetzen Bedeutung erlangt haben;
etwa AHG, OrgHG, ASVG. | |
| Abbildung 10.9: Soziale Schadenstragung: § 1310 ABGB |
|
| Abbildung 10.10: Ersatz nach „Billigkeit” |
|
| Abbildung 10.11: Haftungssysteme |
|
V. Haftung
des Wohnungsinhabers: § 1318 ABGB | |
1. Herabfallen,
Herauswerfen oder Herausgießen | |
Wohnungsinhaber haften nach § 1318 ABGB für
Personen- oder Sachschäden, die „jemand durch das Herabfallen einer
gefährlich aufgehängten oder gestellten Sache; oder, durch Herauswerfen oder
Herausgießen aus einer Wohnung” erleidet. – Dies ist die alte actio
de dejectis et effusis + actio de posito vel suspenso des
römischen Rechts. | |
Rspr
und Lehre haben den alten Grundgedanken ausgedehnt und halten bspw
auch die gefährliche Aufbewahrung von Wasser oder Öl in einer Wohnung
der gefährlich aufgestellten Sache gleich; vgl SZ 39/170 (Waschmaschine),
JBl 1987, 40 oder SZ 60/38 (Öltank). – Nach § 1318 ABGB haftet ein
Wohnungsinhaber nur dann nicht für den durch die aus seiner Wohnung
austretende Flüssigkeit verursachten Schaden, wenn er beweist (Beweislastumkehr),
dass er alle objektiv gebotenen Vorkehrungen getroffen hat, um die
nach allgemeiner Lebenserfahrung bestehenden Risiken in zumutbarer
Weise auszuschalten oder doch auf ein unvermeidbares Maß zu verringern;
SZ 49/47 (1976). | Ausdehnung alter Grundgedanken |
Der
Wohnungsinhaber haftet aber auch dann, wenn er die erforderlichen
Maßnahmen schuldlos (!) unterlassen hat. Damit wird eine verschuldensunabhängige
Haftung statuiert. | Verschuldensunabhängige Haftung |
Die von der Rspr geschaffene Beweislastumkehr
orientiert sich an den Nachbarbestimmungen der §§ 1319 und 1320 ABGB,
besitzt aber keine gesetzliche Grundlage. § 1318 ABGB statuiert
vielmehr eine (verschuldensunabhängige) Erfolgshaftung. – Erfolgshaftung
+ Beweislastumkehr erscheint als des Guten zuviel. Sinnvoll ist
eine Beweislastumkehr vor allem bei einer Verschuldenshaftung. Zu
unterscheiden ist: | |
•
(Schlichte)
Verschuldenshaftung mit einer Beweislast nach § 1296 oder § 1298
ABGB; | |
• Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr wie
in den §§ 1319 und 1320 ABGB; | |
• Und schließlich Erfolgshaftung, wobei sich
im Normalfall die Beweislast wiederum nach den §§ 1296 und 1298 ABGB
bestimmt. | |
Wohnungsinhaber haften nach
dieser Bestimmung, wie das einer Erfolgshaftung entspricht, auch für fremdes
Verschulden – zB wenn betrunkene Gäste Flaschen aus dem
Fenster oder vom Balkon werfen; SZ 51/116 (1978), nicht aber für
höhere Gewalt; zB Erdbeben lässt Blumentröge vom Balkon stürzen.
– Zufall ist in dieser Haftung aber eingeschlossen! | Haftung
für fremdes Verschulden |
| |
|
OGH 25. 7. 2000, 1 Ob 306/99b („Schwarzpulver-Fall”), SZ 73/118 = JBl 2000, 790: Die
Haftung aus § 1318 ABGB betrifft nur Schäden, die dadurch entstehen,
dass etwas aus einer Wohnung/einem Geschäftslokal herabfällt; ein
in der Wohnung selbst zugefügter Schaden ist nicht erfasst. – OGH
verneint – didaktisch interessant – einige denkbare weitere Anspruchsgrundlagen
wie Analogie/Analogiepraxis zu gefährlichen Betrieben, Verletzung
der Fürsorgepflicht etc. | |
|
2. Analoge Ausdehnung
des § 1318 ABGB | |
Die
Grundsätze des § 1318 ABGB werden von der Rspr (analog) auch auf
folgende Fälle angewendet: | |
|
Geschäfts-
oder Amtsräume (nicht dagegen auf Hotels und Gasthäuser
udgl) und | |
|
|
das Überlaufen
von Badewannen: SZ 20/203
(1938), | |
|
|
das Ausfließen
von Wasser aus einer Geschirrspül- oder Waschmaschine: SZ 37/140 (1964), SZ 39/170 (1966), | |
|
|
einem Boiler: EvBl 1966/159, | |
|
|
einer Kaffeemaschine (Wasserrohrbruch
in einer Kantine); JBl 1989, 40 oder | |
|
|
das Ausfließen
von Öl aus einer Haushaltsöltankanlage;
SZ 60/38 (1987). | |
|
Das Wort „Wohnung”
im Gesetzestext verlangt nach der Rspr ein gewisses Element der
„Dauer”, das nach der Rspr zwar auf Geschäfts-
und Amtsräume, nicht aber zB auf normale (!) Hotelzimmer und Hotelgäste
zutrifft. | „Wohnung“? |
| Abbildung 10.12: Haftung des Wohnungsinhabers (1) |
|
| Abbildung 10.13: Haftung des Wohnungsinhabers (2) |
|
VI. Haftung
für Bauwerke: § 1319 ABGB | |
1. Weite Auslegung
der Begriffe: „Bauwerk” und „aufgeführtes Werk” | |
§
1319 ABGB lässt für den Zustand eines Bauwerks unter den dort genannten
Voraussetzungen haften: | |
„Wird
durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder
eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand
verletzt oder sonst ein Schaden verursacht ...” | |
Der Tatbestand unserer Bestimmung umfasst sowohl den „Einsturz“
sowie „Ablösungen“ von Teilen eines Gebäudes, und zwar im
Inneren wie nach außen hin. Das zeigt
das folgende Beispiel. | |
|
OGH 15. 2. 2000, 5 Ob 29/00a, JBl 2000, 592:
Haftung des Hauseigentümers für einen Deckeneinsturz. | |
|
Nach
der Judikatur gelten als „Bauwerke” und „aufgeführte
Werke” auch: (Bau)Gerüste, Baugruben, (Zuschauer)Tribünen,
Landungsstege, Brücken, Trampoline, Grabsteine, aber etwa auch eine
in die Strasse eingelassene Brückenwaage oder Gartentore etc. | „Bauwerke” und „aufgeführte Werke” |
|
SZ 61/132 (1988): Der Eigentümer
einer Liegenschaft und derjenige, der über ihren Gebrauch verfügen kann,
haftet nach § 1319 ABGB für die Unterlassung der Absicherung
eines offenen Schachtes im Hof, wenn er deren Fehlen nach
dem Abschluss von Bauarbeiten hätte feststellen können. | |
|
|
Vgl auch den Brückenwaagefall: OGH 29. 11. 2001, 2 Ob 281/01i, JBl 2002/463:
Radfahrer stürzt aufgrund eines Spalts im Asphalt bei einer Brückenwaage
und klagt die Gemeinde als Betreiberin auf Schadenersatz. – OGH:
Eine Brückenwaage im Verlauf einer Straße ist ein Werk iSd § 1319
ABGB. Ein technisch bedingter Spalt an deren Rand (5 cm) begründet
für Radfahrer eine erhebliche Gefahr, welche die von § 1319 ABGB
angeordnete Verschärfung der Haftung rechtfertigt. – Fehlt es bezüglich
einer im Zuge eines Weges bestehenden Anlage an der von § 1319a
ABGB vorausgesetzten Interessenneutralität des Halters, was hier
angenommen wird, so ist neben § 1319a auch § 1319 ABGB für die Haftung
des Halters heranzuziehen.. | |
|
|
OGH 22. 12. 1999, 3 Ob 190/99h, JBl 2000, 588:
6 ½-jähriges Kind klettert auf Grabstein, während
Mutter mit Grabpflege beschäftigt ist. Dieser fällt um und verletzt
Kind schwer. – OGH: Auch von Grabdenkmälern muss verlangt werden,
dass sie so konstruiert werden, dass sie auch mehrere Jahrzehnte
lang standfest sind. | |
|
Die Rspr wendet
§ 1319 ABGB analog (§ 7 ABGB) auf Schäden durch umstürzende
Bäume oder abbrechende Äste an; die gedankliche
Vorarbeit dazu leistete Franz Gschnitzer. | Analoge
Anwendung auf umstürzende Bäume etc |
„§ 1319 ABGB ist auf einen Schaden, der
durch das Umstürzen eines Baums verursacht wurde, analog anzuwenden. –
Im Zweifel soll der Besitzer des Werks dessen Gefahren tragen. –
Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen den Schadenseintritt
wird nach den Umständen des konkreten Einzelfalles bestimmt. – Einer
Stadtgemeinde wird gegenüber der Allgemeinheit eine besondere Verantwortung
aufgebürdet”: EvBl 1987/192. – Zur Analogie → KAPITEL 11: §
7 ABGB: Die Lückenschließung. | |
2. Verschuldenshaftung
mit Beweislastumkehr | |
§ 1319 ABGB statuiert
– anders als § 1318 ABGB – noch klar eine Verschuldenshaftung; aber
die Beweislast wird umgedreht; Beweislastumkehr. | |
Das
Besondere dieser Beweislastumkehr liegt darin, dass sie für den
Bereich deliktischer Haftung gilt. § 1298 ABGB kommt also hier nicht
zur Anwendung, zumal dort eine konkrete vertragliche oder doch gesetzliche
Beziehung im Schädigungszeitpunkt Voraussetzung ist. – Kehrt der
Gesetzgeber die normale Beweislastregel des § 1296 ABGB um, bedeutet
das nach Gschnitzer einen legistischen Schritt in Richtung Nichtverschuldenshaftung!
Dies bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung der Verschuldenshaftung.
Vgl auch § 1320 ABGB. | Beweislastumkehr |
Danach können unterschieden werden: – (Einfache) Verschuldenshaftung;
– durch Beweislastumkehr verschärfte Verschuldenshaftung
und Nichtverschuldenshaftung; dazu | |
| Abbildung 10.14: Beweislastumkehr: § 1319 + § 1320 ABGB (in: Tierhalterhaftung) |
|
3. Dachlawinen
und Eiszapfen | |
Schäden durch Dachlawinen,
Schnee oder Eiszapfen werden von der Judikatur dann unter § 1319 ABGB
subsumiert, wenn mit der Dachlawine zB auch Dachziegel oder eine
Dachrinne – also Gebäudeteile – mitgerissen werden. Ist das nicht
der Fall, bleibt es bei der schlichten (Delikts)Haftung nach § 93
StVO. Worin liegt der Unterschied? – Die StVO kennt keine Beweislastumkehr! | |
Diese Abgrenzung ist nach der
Rspr nicht immer einfach! – Sich ablösende Gesimsteile oder Verputz,
Dachziegel und Schnee fallen jedenfalls unter § 1319 ABGB; § 1318
ABGB dagegen wird angewandt, wenn zB ein Fensterflügel oder ein
Geschäftsschild gefährlich aufgehängt oder aufgestellt war und dadurch
Schaden entsteht; zB weil ein Föhnsturm ein Gasthausschild herunterreißt. | Abgrenzung
des
§ 1319 von § 1318 ABGB |
Dieser Bestimmung der
StVO kommt hier der Charakter eines Schutzgesetzes
iSd § 1311 ABGB zu. Schutzgesetze sind Normen, deren Zweck darin
liegt, Beschädigungen verschiedenster Art zu verhindern, indem von
ihnen ein bestimmtes Verhalten – Handeln oder Unterlassen – gefordert wird.
Sie dienen der allgemeinen Sicherheit. Die Haftung ist eine deliktische. | § 93 StVO als
Schutzgesetz |
| |
| Beweislast bei
Schutzgesetzverletzung |
§ 1298 ABGB (genau lesen): „Wer vorgibt, dass
er an der Erfüllung seiner … gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein
Verschulden verhindert worden sei, …” | |
|
§ 93 StVO | |
(1) Die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten,
ausgenommen die Eigentümer von unverbauten land- und forstwirtschaftlichen
Liegenschaften, haben dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in
einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen
Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem
Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft
in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen sowie
bei Schnee und Glatteis bestreut sind.
Ist ein Gehsteig (Gehweg) nicht vorhanden, so ist der Straßenrand
in der Breite von 1 m zu säubern und zu bestreuen .... (2) Die in
Abs 1 genannten Personen haben ferner dafür zu sorgen, dass Schneewächten oder Eisbildungen von
den Dächern ihrer an der Straße gelegenen Gebäude bzw Verkaufshütten
entfernt werden. (3) Durch die in den Abs 1 und 2 genannten Verrichtungen
dürfen Straßenbenützer nicht gefährdet oder behindert werden; wenn
nötig, sind die gefährdeten Straßenstellen abzuschranken oder
sonst in geeigneter Weise zu kennzeichnen ....” | |
|
| Verkehrssicherungs- und Ingerenzpflichten |
| Abbildung 10.15: Haftung für (Bau)Werke: § 1319 ABGB (1) |
|
| Abbildung 10.16: Haftung für (Bau)Werke: § 1319 ABGB (2) |
|
| Abbildung 10.17: Haftung für (Bau)Werke: § 1319 ABGB (3) |
|
VII. Die
Wegehalterhaftung des § 1319a ABGB | |
| |
Die Haftung für den Zustand eines Weges ist erst spät, nämlich
1975 (mit BGBl 416) ins ABGB aufgenommen worden; dazu → Hintergründe
der neuen Haftungsbestimmung.
Es handelt sich um einen Sonderfall der Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten. | |
Wege iSd Gesetzesbestimmung
sind zB: Autobahnen, Bundesstraßen, Rad- oder Gehwege, Rodelbahnen,
Schipisten, Langlaufloipen ( → KAPITEL 11: Der
¿erste¿ Fall:
Langlaufunfall), Klettersteige (SZ 60/189 [1987]: Alpine Vereine
haften für den mangelhaften Zustand von Seilsicherungen), Wanderwege
etc.
| Wege
iSd
Gesetzesbestimmung |
§
1319a Abs 2 ABGB bringt eine bewusst weite Legaldefinition des „Weges
im Sinne des Abs 1”. | Legaldefinition |
Der Begriff des Wegehalters stimmt inhaltlich
mit dem des Tier- (§ 1320 → Die
Tierhalterhaftung)
und Kfz-Halters (§ 5 EKHG → KAPITEL 9: Das
EKHG als Beispiel)
überein. Halter eines Weges ist danach, wer die Kosten für seine
Errichtung und Erhaltung trägt sowie die tatsächliche Verfügungsmacht
besitzt, solche Maßnahmen zu setzen, wobei Errichtung und Erhaltung
genügen. Auch hier kommt dem Eigentum am Weg keine ausschließliche
und selbständige Bedeutung zu. | |
Unsere
Gesetzesstelle statuiert eine Deliktshaftung und gilt daher nicht
für vertraglich übernommene Wegehalterpflichten;
vgl SZ 59/112 (1986) oder SZ 67/40 (1994). Für vertragliche Wegehalterpflichten
gilt daher nicht die Haftungsbeschränkung des § 1319a Abs 1 ABGB
auf grobe Fahrlässigkeit. Hier wird vielmehr schon ab leichter Fahrlässigkeit
gehaftet. Das gilt bspw für Mautstraßen (SZ 62/145 [1989]), bestimmte
Schiabfahrten oder Rodelbahnen iVm einem sog Lift- oder Schipass
/ Liftbeförderungsvertrag (ZVR 1998/88) und seit der Vignettenregelung
auf Autobahnen für diese; in diesen Fällen gilt auch die
Beweislastumkehr des § 1298 ABGB: OGH 22. 2. 2001, 2 Ob 33/01v,
JBl 2001, 453 = EvBl 2001/124. | |
Auch die cic-Haftung für vorvertragliche Schutzpflichten
greift ab leichter Fahrlässigkeit (omnis culpa-Haftung) → KAPITEL 6: Cic
ist eine Verschuldenshaftung:
Vgl SZ 52/135 (1979). Das gilt etwa für Gasthäuser, Tankstellen,
Lifte, ganz allgemein Unternehmen ohne Rücksicht auf das Zustandekommen
eines Vertrags; SZ 52/135 (1979). Die Verkehrssicherungspflichten
(nach cic) überlagern demnach die Wegehalterhaftung des § 1319a
ABGB; vgl im Anschluss die Rspr-Beispiele: SZ 53/169 (1980) – Flughafen
Graz-Thalerhof. | |
Nach 1319a ABGB gilt die Beweislastregel
des § 1296 und nicht die des § 1298 ABGB. Es besteht demnach
ein Unterschied zu § 1319 ABGB mit seiner gesetzlichen Beweislastumkehr! | Beweislastregel des
§ 1296 ABGB |
Schon der Codex Theresianus kannte
eine Wegehalterhaftung. Sie gelangte vielleicht von dort ins ALR
(?): vgl II 15 §§ 11 und 12 ALR. | |
Abs 3 unserer Bestimmung
stellt klar, dass das in Abs 1 angeordnete Herabsetzen der Verschuldensvoraussetzungen
auf wenigstens grobe Fahrlässigkeit auch für Gehilfen
– die ”Leute des Haftpflichtigen” – gilt. | Haftung ab grober
Fahrlässigkeit |
Diese
sog Leutehaftung beinhaltet eine eigene – deutlich
über § 1315 ABGB hinausgehende – deliktische Haftung für fremdes
Verschulden. – Der „Leutebegriff” reicht nach der Rspr auch über Dienstnehmer
hinaus. Gefordert wird jedoch ein gewisses Naheverhältnis, das es
ermöglicht, nötige Anordnungen durchzusetzen. – Nicht erfasst vom
„Leutebegriff” sind aber selbständige Unternehmer (mit eigenem Organisations-
und Verantwortungsbereich); EvBl 1981/231. Werden die Aufgaben des
Wegehalters durch einen selbständigen Unternehmer besorgt, haftet
der Wegehalter nur bei Vorliegen eigenen Verschuldens; so bei unsorgfältiger
Auswahl des Unternehmers (culpa in eligendo) oder Verletzung einer
besonderen Überwachungspflicht; ZVR 1988/128. | Leutehaftung |
Die Tatbestandsvoraussetzungen werden in Abs 1 wie folgt
umschrieben – Tatbestand: | Tatbestandsvoraussetzungen
und Rechtsfolge |
• Durch den „mangelhaften
Zustand eines Weges”, | |
• wird „ein Mensch getötet,
an seinem Körper oder an seiner Gesundheit
verletzt
| |
• oder eine Sache beschädigt”
(Tatbestand). | |
Rechtsfolge:
Unter solchen Voraussetzungen | |
• ”haftet derjenige
für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen
Zustand des Weges
als Halter verantwortlich ist“. | |
• Dies allerdings unter der Einschränkung, dass
„er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet
hat.” | |
Bei unerlaubter,
insbesondere widmungswidriger
Benutzung des
Weges (zB Abschrankung, Fahrverbotszeichen) besteht keine Haftung;
§ 1319 Abs 1 Satz 2 ABGB. | Unerlaubte,
insbesondere widmungswidrige Benutzung |
|
SZ 62/145 (1989): Die Brenner
Autobahn AG haftet gleich einem damit beauftragten selbständigen Unternehmen
für die nicht ausreichende Bestreuung der Fahrbahn dieser Autobahn
bei Glatteis. | |
|
|
SZ 63/58 (1990):
Der Pistenhalter ist nicht verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen
gegen jene besonderen Gefahren zu ergreifen, die aus dem Einfahren
vom freien Gelände in eine Schipiste entstehen.
(? Zu allgemein!) | |
|
|
EvBl 1992/124 (Zusammenstoß eines
Pkw mit einem die Inntalautobahn querenden Hirsch):
Die Haftung für den Zustand des Weges iSd § 1319a ABGB ist als Haftung
für die Verkehrssicherheit im weitesten Sinn zu verstehen. Dazu
gehören auch die zur Vermeidung von Wildunfällen erforderlichen
Maßnahmen. – Es sind (im Rahmen des Zumutbaren) zB Wildzäune udgl
zu errichten; allenfalls Beschilderung. | |
|
|
Abgelehnt wird
vom OGH eine Haftung nach § 1319a ABGB in SZ
53/169 (1980)
→ KAPITEL 9: Verträge
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
– Fluggast stürzt am Flughafen Graz–Thalerhof auf
dem Weg zum Flugzeug wegen Eisglätte (?). – Lernen lässt sich aus
dieser E, dass ein „Weg” iSd § 1319a ABGB auch eine (Weg)Fläche sein
kann. Die E zeigt uns, dass vertragliche Verkehrssicherungspflichten
§ 1319a ABGB überlagern können. Die cic-Haftung greift aber schon
ab leichter Fahrlässigkeit. | |
|
|
ZVR 1998/24: Analoge Anwendung
des § 1319a ABGB auf einen Baumeister für den ordnungsgemäßen Zustand
einer Baustelle. | |
|
|
OGH 3. 4. 2001, 4 Ob 72/01v, EvBl 2001/183:
Zwölfjähriger Bub stolpert auf einem 1,5 bis 2
m breiten asphaltierten Weg über eine Erhöhung
von 10 cm, die durch eine in den Weg hineingewachsene Wurzel bedingt
war und verletzt sich schwer; Augenverletzung. – OGH: Da dieser
gefährliche Zustand schon lange bestand, nimmt der OGH grobe Fahrlässigkeit
an und bejaht die Haftung des Wegehalters iSd § 1319a ABGB. | |
|
Wie
würden Sie folgenden Sachverhalt lösen? – Kind durch Felssturz auf
Auto getötet. Ein Felssturz auf die Bundesstraße
311 bei Bischofshofen forderte Freitag Vormittag ein Todesopfer
und drei Schwerverletzte. Auf der Umfahrungsstraße wurde der Wagen
einer deutschen Urlauberfamilie von plötzlich herabstürzenden Gesteinsmassen
völlig zerstört. Ein 12-jähriges Mädchen wurde im Fahrzeug getötet,
Vater, Mutter und Bruder des Todesopfers wurden schwer verletzt.
Der mächtige Gesteinsbrocken demolierte noch ein zweites Auto, dessen
Insassen blieben jedoch unverletzt. Zu dem Felssturz dürfte es durch
Forstarbeiten und Gewitterregen oberhalb der Unglücksstelle gekommen
sein. (Der Standard, 13./14./15.8.1994) – Vgl etwa EvBl 1979/6 und
ZVR 1996/12. | |
| |
2. Hintergründe
der neuen Haftungsbestimmung | |
§ 1319a ABGB wurde erst 1975 (BGBl 416) geschaffen.
Er enthält eine Ausnahme vom allgemeinen Schadenersatzrecht, weil
er das Verschulden „höher” ansetzt und Wegehalter erst ab grober
Fahrlässigkeit haften lässt. – Das erwies sich als rechtspolitisch
notwendig, weil viele Wegehalter die Haftung ab leichter Fahrlässigkeit
als zu hart empfanden und deshalb drohten, ihre Güter-, Forst- und
Bringungswege für die allgemeine Benützung zu sperren. Das konnte
sich aber ein Fremdenverkehrsland wie Österreich nicht leisten.
– Das ausnahmsweise Abgehen vom allgemeinen Haftungsmaßstab des
leichten Verschuldens dient demnach als Anreiz für Wegehalter, ihre
Wege auch dann offen zu halten, wenn ihre Instandhaltung schwierig
ist. Das ist in einem Wald- und Gebirgsland wie Österreich häufig
der Fall. Hier wurde ein sinnvoller rechtspolitischer Kompromiss
erzielt. | |
VIII. Die
Tierhalterhaftung | |
Die
Haftung für Tiere beschäftigte seit alters her die Gesetzgeber.
Die Gesetzgebung Solons kannte ebenso schon eine Regelung wie das
römische XII-Tafelgesetz. – § 1320 ABGB regelt das Maß der erforderlichen
Aufsicht und Verwahrung von Tieren. Dabei ist immer von den Umständen
des Einzelfalls auszugehen; EvBl 1982/43: Gefährlichkeit des Tieres,
spezifisches Tierverhalten, Abwägung der Interessen. – Nach dem
Gesetz haftet der Halter des Tieres → Wer
ist Tierhalter?
| |
| |
Zeitungsmeldungen wie die folgende lesen
wir immer wieder: „Rottweiler fiel Kleinkind an. Hund war nicht angeleint,
das Kind schwebt in Lebensgefahr. Ein eineinhalbjähriger Bub aus
Oberwaltersdorf (Bezirk Baden) wurde am Mittwoch Abend vor seinem
Elternhaus von einem Rottweiler beinahe zu Tode gebissen. Der Besitzer
des Hundes, …, war mit dem Rottweiler und einer Tiroler Bracke in
der Nähe des Oberwaltersdorfer Schlosses spazieren gegangen. Seine
beiden Tiere hatte er nicht an der Leine. – Der kleine Dominic K.
lief zu den Tieren hin, stolperte dabei aber und fing zu weinen
an. Daraufhin stürzte sich der Hund auf das Kind und verbiss sich
vor den Augen des Vaters von Dominic in dessen Hinterkopf. Dabei
brach die Schädeldecke des Buben, außerdem wurde sein Kleinhirn verletzt.
Mit dem Notarzthubschrauber wurde das Kind in das Wiener AKH geflogen
und sofort operiert. Trotzdem schwebt Dominic nach Auskunft der
Ärzte noch immer in Lebensgefahr. – Der tragische Fall ist nach
Ansicht des Österreichischen Rottweiler Klub (ÖRK) alleine auf die
Schuld des Halters zurückzuführen. ‘An sich haben Rottweiler eine
hohe Reizschwelle. Ich glaube, dass der Hund das Kind nur beschützen
wollte, und es deshalb zu dem Unfall kam’, so Gabriele W. vom ÖRK.
‘Bissunfälle können nur verhindert werden, wenn die Tiere ordnungsgemäß
angeleint sind.’ …” Aus: Der Standard, 26.7.1996, S. 6. | Rottweiler fiel
Kleinkind an… |
Weitere gravierende Fälle in und außerhalb Österreichs haben
zu einer Novellierung des StGB geführt: Mit BGBl I Nr 130/2001 wurde
dem § 81 Abs 1 eine neue Z 3 angefügt: | |
„Wer fahrlässig den Tod eines Menschen herbeiführt,
dadurch, dass er, wenn auch nur fahrlässig, ein gefährliches Tier
entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag
[Bescheid der BH, wenn schon ein Vorfall, Beschilderung der Gemeinde
– Hunde an die Leine] hält, verwahrt oder führt, ist mit Freiheitsstrafe
bis 3 Jahren zu bestrafen.” | |
Überlege:
– Enthält auch § 1320 ABGB – wie § 1319 ABGB – eine Umkehr der Beweislast?
Statuiert dieser Paragraph eine Verschuldens- oder eine Nichtverschuldenshaftung? | |
| |
Tierhalter ist: Wer die tatsächliche Herrschaft über
das Verhalten des Tieres ausübt und im eigenen Namen darüber entscheidet,
wie ein Tier zu verwahren und zu beaufsichtigen ist; ZVR 1964/201
oder SZ 26/121 (1953). Es kommt dabei nicht auf die rechtliche Beziehung
zum Tier an: | |
• die Eigentumsverhältnisse (allein)
sind daher nicht entscheidend; EvBl 1986/111. | |
• Mehrere Miteigentümer einer Liegenschaft sind
zB Mithalter eines Hundes zur Bewachung der Liegenschaft;
SZ 55/62 (1982). | |
• Auch der Entlehner
eines
Reitpferds wird
Halter und haftet nach § 1320; ZVR 1973/157. | |
Als
Auslegungsmaxime hat – wie von der Rspr zu Recht auch bei § 1309
ABGB herausgestellt – zu gelten: Die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht
des Tierhalters muss zwar ernst genommen, darf aber nicht überspannt
werden; vgl SZ 65/106 (1992) und SZ 69/264 (1996). | |
|
EvBl 1982/43: 4-jähriger Bub wird
im Gastgarten eines Berggasthauses vom Hund des beklagten Gastwirts,
einer deutsche Dogge, ins Gesicht gebissen → Entscheidungsbeispiele
zu den Kapiteln 9 und 10:
„Fälle”. | |
|
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ZVR 1977/80 [1976]: Kühe
weiden neben der Straße. – Die Verwahrung eines Tieres
in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße muss besonders
sorgfältig erfolgen. Ein selbst nach altem Herkommen üblicher unbeaufsichtigter
Weidegang von Tieren auf einer uneingefriedeten Fläche, an die eine dem
öffentlichen Verkehr dienende Straße unmittelbar angrenzt, muss
als Verstoß gegen die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht angesehen
werden. Die Aufstellung eines Gefahrenzeichens „Achtung Tiere“
reicht nicht aus, um eine geeignete Aufsicht des Weideviehs auf
nicht abgezäunten Grundstücken zu ersetzen. (Ein solches Gefahrenzeichen
kann aber zur Annahme von Mitverschulden führen.) | |
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|
ZVR
1977/59: Warntafel „Bissiger Hund”
allein genügt nicht. Das Übersehen eines solchen Hinweises stellt
aber ein Mitverschulden dar. | |
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SZ
69/264 (1996): Wird eine Rassehündin von
einem (Mischlings)Rüden ohne Wissen und Willen
der Halter gedeckt, liegt in der dadurch bewirkten Einschränkung
der Nutzbarkeit der Hündin zu Zuchtzwecken eine nach § 1320 ABGB
zu beurteilende Sachbeschädigung vor, welche auch für Folgeschäden, wie
entgangenen Gewinn und Tierarztkosten haftbar macht. )Jedoch Mitverschulden:
§ 1304 ABGB!) | |
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EvBl 1987/106: Hat ein scharfer Hund
die Neigung, Radfahrern nachzulaufen, verletzt sein Halter
die Verwahrungspflicht, wenn er das Tier in Fahrbahnrichtung einen
Ball apportieren lässt. | |
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EvBl 1967/451: Für nicht bösartige
Tiere besteht in Haus und Hof grundsätzlich volle
Bewegungsfreiheit. | |
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SZ
41/161 (1968): Liegt ein Haus nahe an einer
vielbefahrenen Straße, ist der Hühnerhalter verpflichtet, die
Hühner von der Straße fernzuhalten. | |
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EvBl 1982/43: Ein Tierhalter
haftet auch für seine Gehilfen nach §
1313a ABGB; Analogie zu § 19 Abs 2 EKHG. Er haftet dann nicht nur
nach § 1315 ABGB. | |
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ZVR
1986, 115: Der Betreiber eines
Wildparks haftet aber nicht nach § 1320 ABGB, wenn ein
Damhirsch nur deshalb aus der sicheren Umzäunung ausbrechen kann
und in der Folge auf der nahen Bundesstraße mit einem Pkw zusammenstößt,
weil ein Unbekannter das Gehege mit einer Drahtschere aufgeschnitten
hat. | |
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3. Welche Haftung
statuiert § 1320 ABGB? | |
Die Meinungen zur
Haftung des § 1320 ABGB gehen weit auseinander. OGH (vgl etwa EvBl
1982/43 → Entscheidungsbeispiele
zu den Kapiteln 9 und 10 oder SZ 69/162 [1996]) und Schrifttum liegen
überwiegend falsch. Es handelt sich nämlich nachweislich seit 1812
um eine Verschuldenshaftung. Die III. TN, die nur
geringfügige Änderungen brachte, änderte daran nichts. – Am besten
ist es, eine objektivierte Verschuldenshaftung (iSd § 1299 ABGB)
mit statuierter Beweislastumkehr anzunehmen. | |
| |
Die ABGB-Textierung bedeutet
wiederum gegenüber den Vorstufen der Kodifikationsgeschichte keinen
legistischen Gewinn: § 1320 ABGB ~ Martinis Entwurf III 13 § 47
= (W)GGB III 13 § 457. Zeiller übernimmt fast wörtlich den Text
des (W)GGB. Martinis Entwurf und der (W)GGB-Text sind aber noch
klarer hinsichtlich anderer Schäden als jener, die von (Körper)Verletzungen
durch Tiere herrühren, zumal der Passus „ ... oder Schaden zugefügt” gestrichen
wurde; vgl Kasten. –
Vgl auch schon Hortens Entwurf III 23 §§ 12 ff, 30, der bereits
die Grundgedanken der späteren Regelung enthält. – Die österreichischen
Vorentwürfe, einschließlich (W)GGB, kennen aber den Begriff des
Tierhalters noch nicht; vgl damit aber ALR I 6
§ 72, wo von dem gesprochen wird, der „Thiere hält”. Das ALR statuiert
übrigens für bestimmte Tiere eine Erfolgs- oder Verursachungshaftung;
vgl I 6 § 70 oder § 72. Generell hatte nur Art 1385 Code Civil diesen
Weg eingeschlagen. | Vorstufen des ABGB, ABGB-Textierung
und Rechtsvergleich |
Textvarianten des späteren § 1320 ABGB III 13 Entwurf Martini | III 13 WGGB | ABGB von 1811 | ABGB III TN |
§ 47
„Wird Jemanden durch
ein Thier Verletzung oder Schaden zugefügt, so ist Derjenige, der
es dazu angetrieben, gereizt, gehetzt oder zu verwahren vernachlässiget
hat, dafür verantwortlich; kann Niemand eines Verschuldens überwiesen werden,
so ist die Verletzung oder Beschädigung für einen blosen Zufall anzusehen.”
| § 457 „Wird Jemand durch ein Thier verletzt,
oder beschädigt; so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu
angetrieben, gereitzt, oder zu verwahren vernachläßigt hat. Kann Niemand
eines Verschuldens dieser Art überwiesen werden; so wird die Verletzung
oder Beschädigung für einen Zufall gehalten.”
|
§ 1320
„Wird jemand durch
ein Thier beschädiget; so ist derjenige dafür verantwortlich, der
es dazu angetrieben, gereitzt, oder zu verwahren vernachlässiget hat.
Kann Niemand eines Verschuldens dieser Art überwiesen werden; so wird
die Beschädigung für einen Zufall gehalten.”
|
§1320
„Wird jemand durch
eine Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der
es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat.
Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht
beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung
gesorgt hatte.”
|
| |
Dieser Begriff wurde ins ABGB erst – über
den Umweg von § 833 dtBGB – durch die III. Teilnovelle
eingeführt, obwohl der CodTher III 22 Num 31 bereits anschaulich
vom „Herr[n] des Viehs” spricht. | |
Die Situierung unserer Bestimmung schon in Martinis Entwurf
im Schadenersatzrecht des 13. Hauptstücks macht deutlich, daß an
eine Verschuldenshaftung gedacht war. Alles andere
ist unhistorisch und auch rechtspolitisch nicht sinnvoll. Aber wir
haben schon bei den §§ 1318, 1319 ABGB aF gehört, wie gefahrbehaftet
bestimmte – wenngleich anerkannte – Auslegungsmethoden sind; hier
vornehmlich die systematische und historische Methode. Martinis
Entwurf (III 13 § 47) konzipiert noch klar beide Sätze unserer Bestimmung
– und nicht etwa nur den ersten – als Verschuldenshaftung. Ebenso
das WGGB und das ABGB in seiner Urfassung. Martinis Entwurf kennt allerdings
die Beweislastumkehr noch nicht; ebensowenig WGGB
und ABGB aF. Sie wurde erst durch die III. Teilnovelle in den Gesetzestext
des ABGB aufgenommen. | |
Die historische Genesis dieser Bestimmung und ihre Situierung
sprechen demnach klar für eine ausschließliche Verschuldenshaftung,
wenngleich eine solche mit – im Vergleich zum Normalfall – umgekehrter
Beweislast. Nichts anderes wollte auch die III. TN (S. 396): | |
„Vielmehr geht der Antrag dahin, die Haftung
für Beschädigung durch ein Tier überall (wie bisher § 1320 a.b.G.B.) nur
auf Verschulden zu basieren, ...” | |
Nicht sinnvoll ist es daher, von einer in die Form der Beweislastumkehr
gekleideten Gefährdungshaftung zu sprechen; so aber Gschnitzer (SchRBesT1 181)
und ihm folgend Reischauer (in: Rummel2 §
1320 Rz 21), die zusätzlich aus der „Idee der Gefährdehaftung der
Materialien der III. TN (S. 396), eine Gefährdungshaftung
machen, was nicht dasselbe ist. (Die Formulierung Gschnitzers beruht
uU auf einem Schreibfehler und sollte wohl richtig heißen: Verschuldenshaftung
mit umgekehrter Beweislast; vgl nur die Erklärung Gschnitzers, aaO
146.) | |
| Abbildung 10.18: Beweislastumkehr: § 1319 + § 1320 ABGB |
|
4. Weiterentwicklung
des Halterbegriffs | |
Ausgehend von der Tierhalterhaftung
des § 1320 ABGB wurde der heute so wichtige „Halter”-Begriff auf
die Eisenbahn-, Kraftfahrzeug- und Luftfahrzeughaftpflicht etc und
in der Folge auf Wegehalter (§ 1319a ABGB) übertragen; vgl aber
auch schon § 1318 ABGB: „Wohnungsinhaber” und § 1319 ABGB: „Besitzer
des Gebäudes oder Werkes”. | |
Der Halterbegriff
spielt heute vor allem in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung
(EKHG) eine bedeutende Rolle: Der rechtliche Kfz-Halterbegriff stellt
– wie der des § 1320 ABGB – nicht etwa darauf ab, wem ein Kraftfahrzeug
gehört (iSv Eigentum); vielmehr wird – ähnlich wie beim Besitz (was
schon die Tierhalterhaftung tut) – auf eine bestimmte tatsächliche
Beziehung (zum Kraftfahrzeug) abgestellt. | Halterbegriff
und
Kfz-Haftpflicht |
Halter ist nach der Rspr, wer zB ein Kraftfahrzeug: | |
•
wirtschaftlich auf eigene
Rechnung gebraucht und | |
• darüber tatsächlich verfügen und | |
• über Aufsicht und Verwahrung (im
eigenen Namen) bestimmen kann. | |
Näheres zum weiterentwickelten Halterbegriff in den folgenden
Judikaturbeispielen. | |
|
JBl
1985, 551: Hat der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs,
der auch Zulassungsbesitzer und Haftpflichtversicherungsnehmer ist,
das Kraftfahrzeug einem anderen, der den Aufwand für Kraftstoffe
und Reparaturen trägt, überlassen und sich nur eine ganz ausnahmsweise
Benützung vorbehalten, so ist Halter nicht der Eigentümer, sondern
dieser andere .... Für die Beurteilung der Haltereigenschaft ist
nicht in erster Linie entscheidend, für wen das Fahrzeug
zugelassen wurde, wer Eigentümer des Fahrzeuges oder
wer Versicherungsnehmer der für das Fahrzeug abgeschlossenen Haftpflichtversicherung
war. Diese Umstände können als zusätzliche, die Bejahung der Haltereigenschaft
unterstützende Momente Bedeutung haben, wenn diese Frage im Einzelfall
zweifelhaft ist ( ...). Nach stRspr sind aber für die Beurteilung
der Haltereigenschaft die wirtschaftlichen und tatsächlichen,
nicht die rechtlichen Verhältnisse entscheidend. Danach
ist die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug und
der Gebrauch des Fahrzeugs auf eigene Rechnung maßgebend.
Halter eines Fahrzeugs ist somit, wer darüber bestimmt, wann und
wo das Fahrzeug gefahren wird, wer die Kosten der Unterbringung,
Instandhaltung und Bedienung des Fahrzeugs sowie der Betriebsmittel
trägt. Auch mehrere Personen können gleichzeitig Halter sein, wenn
bei Würdigung der wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehung zum
Betrieb des Fahrzeugs die Merkmale, die für die Haltereigenschaft
wesentlich sind, bei mehreren Personen in so großer Zahl und so
sehr gegeben sind, dass die Belastung mit der Haftung für Betriebsunfälle
dem Wesen der gesetzlichen Haftung des Halters entspricht. Eine
Mehrheit von Haltern ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich
mehrere Personen die Verfügung über das Fahrzeug so teilen, dass
darin ein ständiger Wechsel gegeben ist. Es soll ein ‘geradezu schaukelhafter
Wechsel’ der Haltereigenschaft, der diesem Begriff widerspräche,
vermieden werden. – Beispiele: Lebensgefährten, Ehegatten, Freunde
/ Freundinnen. | |
|
|
ZVR
1990/88: Wer ständig die tatsächliche Verfügungsgewalt
über ein Kraftfahrzeug innehat und dieses im eigenen Interesse verwendet,
steht dazu in einem derartigen tatsächlichen und wirtschaftlichen
Naheverhältnis, dass er zumindest als Mithalter anzusehen
ist, mag auch das Kraftfahrzeug von der Ehegattin angeschafft und
erhalten worden sein und diese Zulassungsbesitzerin und Versicherungsnehmerin
sein. | |
|
|
SZ 39/99 (1966): Mithaltereigenschaft
der Ehefrau, die Miteigentümerin des Kraftfahrzeugs ist,
das auf ihren Namen polizeilich zugelassen und haftpflichtversichert
ist, obgleich ausschließlich der Mann fährt, der auch sämtliche
Kosten trägt. ( ...) Beim Zusammenstoß mit einem vom Zweitbeklagten
gelenkten Pkw, Marke Peugeot 404, wurde das Taxi der Erstklägerin
beschädigt. Unter Inanspruchnahme der Solidarhaftung der Erstbeklagten
wegen ihrer Haltereigenschaft und des Zweitbeklagten – des Ehegatten
des Erstbeklagten – als am Zusammenstoß schuldtragenden Lenkers
begehrte die Erstklägerin den Ersatz ihres Verdienstentganges (wegen
der durch die Reparatur bedingten Stehzeit), während der Zweitkläger
die ihm von der Erstklägerin zedierte Forderung auf Ersatz der Reparaturkosten
geltend macht .... Mit Lehre und Rspr ist von der bereits von den
Vorinstanzen vertretenen Ansicht auszugehen, dass Halter gemäß §
5 EKHG ist, wer das Fahrzeug zur Zeit des Schadensfalles für eigene
Rechnung in Gebrauch hat und diejenige Verfügungsgewalt darüber
besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Dass auch mehrere
Personen gleichzeitig nebeneinander Halter sein können, wenn auf
jeden von ihnen beide Voraussetzungen zutreffen, ist in Lehre und
Rspr unbestritten ( ...). Ein Miteigentümer kann die Verfügungsgewalt –
dieser Begriff wird in der Rspr weit ausgelegt ( ...) – über das
Fahrzeug auch dadurch ausüben, dass er den ihm auf Grund seines
Eigentumsrechts zustehenden Gebrauch einem anderen überlässt (RG
127, 176). Die Haltereigenschaft wird auch dadurch nicht ausgeschlossen,
dass ein anderer einen wesentlichen Teil der Betriebsausgaben bestreitet
( ...). Es entspricht einer lebensnahen Betrachtung, anzunehmen,
dass ein Gattenteil, für den ein in seinem Miteigentum stehendes
Kraftfahrzeug zugelassen ist und der – wie hier – als Vertragspartner
des Haftpflichtversicherers in Erscheinung tritt, dieses Fahrzeug,
und sei es auch nur etwa fallweise, zu Vergnügungs- oder Bequemlichkeitsfahrten
benützt. Sollte aber im speziellen Fall aus nicht festgestellten
Gründen die Erstbeklagte davon absehen, ihre Rechte an dem Fahrzeug
wirklich praktisch auszuüben, so ist sie gleichwohl als Mithalterin
anzusehen, weil auf Grund der vorliegenden Tatsachenfeststellungen
davon auszugehen ist, dass sie sowohl die (auf das Miteigentum gegründete)
rechtliche als auch die (durch die Überlassung an den Zweitbeklagten
ausgeübte) tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug hat (
...). | |
|
5. Die historische
Tierhalterhaftung als Entwicklungsmodell der modernen Gefährdungshaftung? | |
Das Verhalten von Tieren ist oft unberechenbar. Das weiß
man seit langem. Schon die Griechen und Römer regeln diese Fragen
rechtlich. – Nicht voll beherrschbare Techniken und Organisationsformen
am Beispiel des rechtlichen Einstehensmüssens (= Haftung) für Tiere
zu entwickeln, war daher durchaus konsequent aber – dennoch – originell
gedacht. Die Idee stammt aber nicht von Juristen, sondern aus der
Philosophie. – Wenn der Schein nicht trügt, war es G. W. F. Hegel,
der das gedanklich-konstruktive missing link vom einen zum anderen
Bereich lieferte. – Ich habe mich dazu vor gut 20 Jahren in meiner
Habilitationsschrift „Kausalität im Sozialrecht” (234 f, 1983) geäußert. | |
| Abbildung .19: Entwicklung der Gefährdungshaftung (1) – (10) |
|
| |
„Von Bedeutung erscheint Hegel aber – auch
das interessiert hier – nicht nur für den Bereich des Kausalitätsdenkens [ieS].
In § 116 seiner Rechtsphilosophie entsteht so etwas wie das Ur-Konzept
einer juristischen Gefährdungshaftung; und zwar in seiner Formulierung
fast schon losgelöst von den auch noch auf Hegel einwirkenden gemein-
bzw römischrechtlichen Wurzeln; darauf weist auch Benöhr, FS Kaser
699 f, hin: | |
§ 116: „Meine eigene Tat ist es zwar nicht, wenn Dinge,
deren Eigentümer ich bin und die als äußerliche in mannigfaltigem
Zusammenhange stehen und wirken (wie es auch mit mir selbst als
mechanischem Körper oder als Lebendigem der Fall sein kann), andern
dadurch Schaden verursachen. Dieser fällt mir aber mehr oder weniger
zur Last, weil jene Dinge überhaupt die meinigen, jedoch auch nach
ihrer eigentümlichen Natur nur mehr oder weniger meiner Herrschaft,
Aufmerksamkeit usf. unterworfen sind.” | |
Diese
Gedanken auf eine Eisenbahnanlage oder ein Industrieunternehmen zu
beziehen, fällt nicht schwer. – In den Notizen verweist Hegel noch
auf Heineccius’ „Elementa Iuris Civilis”: §§ 1235, 1229: actio de
pauperie. Im Zusammenhang mit dem bei Hegel in noch recht allgemeiner
Form auftauchenden Gedanken (gefährdungs)haftungsrechtlicher Zurechnung
ist auch auf die seiner Lehre vom Unrecht (§§ 82 ff) zugrunde liegende Unterscheidung
von „unbefangenem” und „schuldhaftem” Unrecht hinzuweisen. [Es ist
wohl kein Zufall, wenn 1870 der Hegelianer Moriz Heyssler (Prof.
der Wiener Universität), ganz gegen die damals hL (Ihering, Merkel),
in seinem Werk: „Das Civilunrecht und seine Formen”, unter Hinweis
auf diese Unterscheidung Hegels (aaO 13) streng zwischen verschuldetem
und nicht verschuldetem „Civilunrecht” unterscheidet; zB aaO 15
und 16: „Nach der hier (in Uebereinstimmung mit der Vulgartheorie)
vertretenen Auffassung … gehört das Schuldmoment nicht zum Begriff
des Civilunrechts; es hat im Civilunrecht keine constitutive, sondern
nur eine qualificierende Bedeutung.” (Hinweis auf Heyssler bei Gerhard
Oberkofler, FS Hellbling 625). Civil- und Strafunrecht sondern sich
nur allmählich stärker voneinander ab. (Nichtjuristen ist der Unterschied
noch heute fremd!) Insofern überrascht es nicht, dass sich kausaltheoretisch
verhältnismäßig lange gemeinsame (Kausal)Zurechnungsüberlegungen
halten konnten.] 1821 erscheint Hegels Rechtsphilosophie. 1833 gibt
Gans Hegels Werk erneut heraus. 1838 findet der Gedanke der Gefährdungshaftung
erstmals im PreußEisbG – das unter Umständen sogar von Savigny (?)
überarbeitet wurde, somit in einem Zeitalter keimender Industrialisierung
höchst wichtigen Bereich, legistischen Niederschlag. Eine monokausale
Erklärung soll damit aber nicht gegeben werden; vgl die Ausführungen
zu § 1334 ABGB. [Ob ein Einfluss Hegels auf Savignys praktisches
Wirken vorlag oder nicht, muss hier dahingestellt bleiben. Diese Frage
bedarf – trotz scheinbar negativer Antworten durch Larenz und Wieacker
(PRG2 414 f; vgl jedoch die zahlreichen,
zumindest einen möglichen Einfluss Hegels nicht ausschließenden
Belege Wieackers 349 ff) – erneuter Behandlung. Diese ablehnenden
Ansichten scheinen mir zu sehr an der Hegelschen Begriffsbildung
orientiert, weniger am materiellen Substrat Hegelschen Denkens.
Wieacker weist aber bspw selbst darauf hin (PRG2 357
FN 38, S. 358), dass die älteste Fundstelle für Savignys wichtigen
Begriff des Volksgeistes, Hegels Schrift „Volksreligion und Christentum”
(1793) sei; vgl Nohl 21 und Landsberg 213 ff, FN 66 ff; anders Coing,
NJW 1979, 2021 bei FN 16.] | |
Neben römisch- und gemeinrechtlicher Doktrin trägt auch naturrechtliches
Denken zur Entwicklung der Grundlagen der Gefährdungshaftung
bei. Es war vor allem K. A. v. Martini, der das Recht Geschädigter
auf (Schaden)Ersatz primär nicht auf das Verschulden, sondern das
„Vertheidigungsrecht” des Geschädigten stützte. Dazu meine Ausführungen
in: Barta/Palme/ Ingenhaeff (Hg),
Naturrecht und Privatrechtskodifikation (1999) Vgl idF auch Zeiller,
Commentar III 729. | |
Die geistige Ahnenreihe des nunmehr im
öffentlichen Recht so starken Anklang findenden Kausalkonzepts der ArbeiterUV,
ja juristischen Kausalitätsdenkens überhaupt, erscheint lang. Genealogisch
verkürzende Zuweisungen an diesen oder jenen späteren Autor nehmen
sich vor diesem breiten historischen Hintergrund noch problematischer aus.
Dem arbeiter-uv-rechtlichen war das zivilrechtliche RHG-Konzept
vorgelagert, welches wiederum strafrechtliche Wurzeln besitzt. Das
Strafrecht offenbart in dieser Frühzeit juristischen Kausalitätsdenkens
große innovatorische Kraft. Allein auch das Strafrecht saugt nicht
nur aus eigenen Wurzeln, zehrt vielmehr in bisher noch zu wenig beachtetem
und untersuchtem Maße aus dem Mutterboden damaligen Denkens: der
Philosophie. Die Verbindung von Strafrecht und Philosophie erscheint
ja noch heute enger, als jene von Zivilrecht und Philosophie. Zivilisten waren
und sind idR keine Philosophen. Ihr Denken bewegt sich – meist ohne
sachlichen Zwang – in enger Bahn. Es erstaunt allerdings wie wenig
Juristen bereit sind, diese, ihre genetische Linie aufzudecken. | |
Erste Ansätze eines Loslösens der Haftung vom Verschulden
eines Schädigers finden sich aber schon bei Aristoteles,
Nikomachische Ethik V 10, 1135a. | |
6. Tatbestandsvoraussetzungen
des § 1320 ABGB | |
Wird jemand durch ein Tier verletzt, was auch bedeuten kann,
dass fremdes Vermögen beschädigt wird, so ist primär derjenige dafür
verantwortlich, | |
• „der es dazu
angetrieben” oder „gereizt” hat; | |
• und erst in zweiter Linie der, der das Tier
„zu verwahren vernachlässigt hat”. | |
Der zweite Satz unserer Bestimmung enthält die Umkehr der
Beweislast: | |
„Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich,
wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung
oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.” | |
|
OGH 30. 4. 2002, 1 Ob 57/02t, EvBl 2002/175:
2 Hundebesitzerinnen lassen ihre Hunde (Riesenschnautzerhündin und Dobermannweibchen)
im Park einer Wohnhausanlage umhertollen und unterhalten sich miteinander.
Als die spielenden Hunde an das rechte Bein einer Hundehalterin
geraten, verletzen sie diese schwer am Knie. Die Verletzte klagt
idF die zweite Hundehalterin auf Schadenersatz wegen Vernachlässigung
der Aufsichtspflicht nach § 1320 ABGB. – OGH: Lassen Hundehalter
ihre an sich gutmütigen Hunde im gegenseitigen Einverständnis frei
laufen, um ihnen einerseits den Auslauf und andrerseits das Umhertollen
miteinander zu ermöglichen, kann dem einen Halter keine schuldhafte
Vernachlässigung seiner Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht
vorgeworfen werden, wenn der andere bei einem Zusammenstoß mit den
spielenden Hunden verletzt wird. | |
|
| Abbildung .20: Tierhalterhaftung: § 1320 ABGB (1) + (2) |
|
| Abbildung 10.21: Begriff des Tierhalters (1) |
|
| Abbildung 10.22: Begriff des Tierhalters (2) |
|
IX. Zivilrechtlicher
Schutz der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes:
§ 1330 ABGB | |
Oben wurde
auf den Schadensbegriff und die Schadensarten eingegangen ( → KAPITEL 9: Schadensbegriff,
Schadensarten, Schadensfeststellung)
und dabei die Verletzung der Ehre als Personen-, Nichtvermögens-
oder immaterieller Schaden bezeichnet. – § 1330 ABGB enthält in
seinem Abs 1 einen Tatbestand zum Schutz der persönlichen Ehre (Personenschaden);
Abs 2 dagegen kann nicht mehr ausschließlich als Personenschadensnorm
verstanden werden, vielmehr bestehen hier bereits Übergänge zum Vermögensschaden.
Die Einfügung durch die III. TN hat die klare Unterscheidung des
ABGB (das den Vermögensschaden im anschließenden § 1331 ABGB geregelt
hatte) verwischt, sodass heute zu sagen ist: Die Grenze zwischen
Personen- und Vermögensschaden verläuft mitten durch § 1330 ABGB
hindurch. | |
1. Die zivilrechtliche
Ehrenbeleidigung | |
Abs 1: „Wenn jemand
durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes
verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu fordern.” | |
Auch für das Zivilrecht
ist die Ehre ein schützenswertes Rechtsgut, mag auch der strafrechtliche Schutz
bekannter und mitunter effizienter sein; vgl §§ 111 ff StGB: | §§ 111 ff StGB |
(1) Wer einen anderen in einer für einen
Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung
zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten
Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn
in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe
bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. | |
(2) Wer die Tat in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst
auf eine Weise begeht, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. | |
(3) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Behauptung
als wahr erwiesen wird. Im Fall des Abs. 1 ist der Täter auch dann
nicht zu bestrafen, wenn Umstände erwiesen werden, aus denen sich
für den Täter hinreichende Gründe ergeben haben, die Behauptung
für wahr zu halten. | |
Die Verletzung des absolut geschützten
Rechtsgutes „ Ehre” stellt für sich genommen einen Schaden
iSd Gesetzes dar; es handelt sich um eine Persönlichkeits(rechts)verletzung;
§ 16 ABGB → KAPITEL 4: Die
Persönlichkeitsrechte. Es braucht daher nicht auch noch (zusätzlich)
ein Vermögensschaden eingetreten sein, um sich auf diese Bestimmung
stützen zu können. | „Ehre”:
Schaden iSd Gesetzes |
|
| |
|
|
JBl
2000, 179: Kein Unterlassungsanspruch nach
§ 1330 Abs 2 ABGB gegen eine staatlich (fragwürdige) Sektenwarnung (?),
zumal diese eine hoheitliche Verwaltungstätigkeit darstellt und
dem AHG unterliegt, das aber einen derartigen Anspruch nicht kennt;
Sri Chinmoy-Bewegung (Anm Kalb). Vgl auch → KAPITEL 11: §
7 ABGB: Die Lückenschließung. | |
|
| |
2. § 1330 Abs 2
ABGB: Wirtschaftlicher Ruf – Kreditwürdigkeit – Kreditschädigung | |
| |
Praktisch für Wirtschaft
und Wettbewerb ist Abs 2 unserer Bestimmung, der – von der III.
TN eingefügt – die Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs (Kredit,
Erwerb, Fortkommen) schützt. – Auch der Ruf juristischer Personen
(inklusive von OHG, KG und Erwerbsgesellschaften/GesbR) wird geschützt! | |
|
EvBl 1986/150: Kreditschädigende
Äußerungen gegen eine Kapitalgesellschaft in einem Leserbrief
→ Weitere
Beispiele
| |
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|
OGH 15. 3. 2001, 6 Ob 14/01d, EvBl 2001/163:
In einem Wochenmagazin wird im Zuge der Berichterstattung über einen Pyramidenspiel- Skandal der
Kläger als „größenwahnsinniger Brutalo-Faschist” bezeichnet. Nach
dem Strafverfahren (§ 115 StGB) das über ein Jahr dauerte, bringt
der Kläger auch noch eine Zivilklage nach § 1330 ABGB ein. – OGH
verweist darauf, dass das Geltendmachen zivilrechtlicher Ansprüche
auch im Strafverfahren möglich gewesen wäre (Adhäsionsverfahren)
und daher die Erhebung einer Privatanklage nach § 115 StGB allein
noch keine Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche darstellt, also
die Verjährung nicht unterbricht. | |
|
Ähnlich wie §
1330 Abs 2 ABGB ist § 7 UWG konzipiert. Er sanktioniert die Herabsetzung
eines Unternehmens. Die Sanktions- und Anspruchsgestaltung ist bereits
moderner; Schadenersatz, Widerruf samt Veröffentlichung und Begehren
auf Unterlassung der Behauptung oder Verbreitung der Tatsachen. | |
|
§ 7 UWG | |
„(1) Wer zu Zwecken des Wettbewerbes über das
Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters
des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen behauptet
oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens
oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, ist, sofern die Tatsachen
nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Schadenersatz verpflichtet.
Der Verletzte kann auch den Anspruch geltend machen, daß die Behauptung
oder Verbreitung der Tatsachen unterbleibe. Er kann ferner
den Widerruf und dessen Veröffentlichung verlangen. | |
(2) Handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen
und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr
ein berechtigtes Interesse, so ist der Anspruch auf Unterlassung
nur zulässig, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet
oder verbreitet sind. Der Anspruch auf Schadenersatz kann nur geltend
gemacht werden, wenn der Mitteilende die Unrichtigkeit der Tatsachen
kannte oder kennen musste.” | |
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Vgl auch § 152 StGB: Kreditschädigung: | |
„(1) Wer unrichtige Tatsachen behauptet und dadurch
den Kredit, den Erwerb oder das berufliche Fortkommen eines anderen
schädigt oder gefährdet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten
oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Die Freiheits-
und die Geldstrafe können auch nebeneinander verhängt werden. | |
(2) Der Täter ist nur auf Verlangen des Verletzten
zu verfolgen.” – Sog Privatanklagedelikt. | |
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| „Verbreitung“ |
Für den Beweis der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung und
des dem Werturteil zugrundegelegten Sachverhalts genügt der Nachweis
der Richtigkeit des Tatsachenkerns. Eine Äußerung
ist grundsätzlich als noch richtig anzusehen, wenn sie nur in unwesentlichen
Details nicht der Wahrheit entspricht; SZ 71/96 → Weitere
Beispiele
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EvBl 1986/150: Die Aufzählung von
Schutzobjekten in § 1330 Abs 2 ABGB ist nicht erschöpfend. Sie erfasst
auch den ‘wirtschaftlichen Ruf ’ einer
juristischen Person. | |
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SZ 63/1 (1990): Das Verbreiten
unwahrer Tatsachenbehauptungen über eine Person, die Geschäftsführer einer
juristischen Person ist oder doch maßgebenden Einfluss
auf eine solche hat, kann auch die juristische Person zur Klage
nach § 1330 Abs 2 ABGB berechtigen. | |
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”Der Standard”
klagt „TV-Media”: Das Fernsehmagazin TV-Media behauptet
in seiner jüngsten Ausgabe, „Der Standard” brauche neuerlich einen
50-Mio-Kredit. Diese jeder Grundlage entbehrende Behauptung stellt
eine schwere Image-Schädigung dar. Durch massive rechtliche Schritte
sollen daher solche Praktiken unterbunden werden. Der Standard,
1.2.1996, S. 1. – Worin könnten diese Schritte bestehen? | |
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OGH 22.2.2001, 6 Ob 307/00s: Kreditschädigung
durch ein Interview, das in eine Homepage mit weiterführenden
Links aufgenommen wird – Vorwurf von Behandlungsfehlern gegen einen
stellvertretenden Klinikvorstand in Innsbruck. – Leitsätze des OGH:
Wer im Rahmen eines von ihm einem Journalisten gewährten Interview unwahre,
kreditschädigende Tatsachenbehauptungen über einen Dritten aufstellt,
hat diese auch in Ansehung der Veröffentlichung des Interviews in
der Zeitschrift iSd § 1330 Abs 2 ABGB „verbreitet”, liegt doch in
der Veröffentlichung des Interviews in aller Regel gerade ihr Zweck;
der Mitteilende ist daher in Ansehung der Verbreitung in der Zeitschrift
zumindest Mittäter. – Wer einem Dritten zu Zwecken der Verbreitung
„in jeder möglichen Form und in jedem möglichen Medium” Informationen zur
Verfügung stellt, die von dem Dritten in der Folge in eine Homepage
beziehungsweise in deren Unterverzeichnisse aufgenommen werden,
hat an deren Verbreitung im Internet mitgewirkt und muss diese gegen
sich gelten lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob er auf die inhaltliche
Gestaltung der Homepage und deren Unterverzeichnisse Einfluss nehmen
konnte. – Die Aufnahme von Tatsachen in eine Homepage oder deren
Unterverzeichnisse, die von dieser aus abgefragt werden können,
erfüllt den Tatbestand der Verbreitung iSd § 1330
Abs 2 ABGB. – Ansprüche aus § 1330 ABGBrichten sich nicht nur gegen
den unmittelbaren Täter – also gegen jene Person, von der die Beeinträchtigung
ausgeht –, sondern auch gegen den Mittäter, den Anstifter und
den Gehilfen des eigentlichen Störers, welche den
Täter bewusst fördern. | |
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SZ 71/96 (1998): Bei einer ehrverletzenden,
im Tatsachenkern aber richtigen Äußerung – hier: Vorwurf der Tierquälerei
gegen das Stift K. in Bezug auf eine Massenhaltung von Hühnern
in Legebatterien – kann die Gewichtigkeit des Themas für
die Allgemeinheit im Rahmen der gebotenen Interessensabwägung den
Ausschlag für die Bejahung eines Rechtfertigungsgrundes geben. –
Eingegangen wird auch auf das verfassungsrechtlich gewährleistete
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRG und Art 13 StGG)
und den dort statuierten Gesetzesvorbehalt, den konkret § 1330 ABGB
ausführt. | |
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OGH 14. 3. 2000, 4 Ob 55/00t, JBl 2000, 664:
Der Vorwurf eines Rechtsanwalts gegenüber einem Kollegen, er begehe
durch ein überhöhtes Kostenverzeichnis ein „Standesvergehen des höchsten
Ranges”, ist ein Werturteil, keine Tatsachenbehauptung.
Dennoch wird kein Wertungsexzess angenommen und damit die Schadenersatzpflicht
nach § 1330 Abs 2 ABGB verneint. | |
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OGH 13. 7. 2000, 6 Ob 114/00h („Omofuma-Fall
I”), SZ 73/117:
Im Rahmen einer Pressekonferenz zum Tod des Schubhäftlings Marcus
Omofuma bezeichnet der Anwalt der Verwandten die betroffenen Beamten
als „Verbrecherpolizisten”. Diese klagen auf Unterlassung
und Widerruf nach § 1330 ABGB. – OGH: Die Bezeichnung von Polizeibeamten
als „Verbrecherpolizisten” ist eine überprüfbare Tatsachenbehauptung.
Wenn sie von einem Rechtsanwalt außerhalb eines Prozesses in einer
Pressekonferenz aufgestellt wird und die Richtigkeit des Sachverhalts
nicht feststeht, kann die ehrverletzende Äußerung nicht mit dem Rechtfertigungsgrund
des Interesses an einer unbehinderten Prozessführung iSd § 9 RAO
gerechtfertigt werden. (Didaktisch vorbildlicher Entscheidungsaufbau.) | |
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Inhaltsverzeichnis |
B. Behandlungsvertrag
– Medizinhaftung |
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