ao. Univ.-Prof. Dr. Heinz Noflatscher

Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie  

 

ao. Univ.-Prof. Dr. Heinz NoflatscherHeinz Noflatscher wurde 1954 in Brixen geboren. Nach der Matura studierte er Geschichte und Europäische Ethnologie, teils auch Physik und Philosophie/Theologie an den Universitäten Innsbruck, Tübingen und Wien.
1981 promovierte er in Innsbruck (Thema „Erzherzog Maximilian. Hoch- und Deutschmeister 1585/90–1618. Das Haus Habsburg, der Deutsche Orden und das Reich im konfessionellen Zeitalter“) und wechselte danach an den Sonderforschungsbereich „Spätmittelalter und Reformation“ (Leitung V. Press, H. A. Oberman, W. Zeeden) der Universität Tübingen. Anschließend war er von 1984 bis 1991 im Südtiroler Landesarchiv in Bozen tätig, unterbrochen von einem einjährigen Aufenthalt am Institut für Europäische Geschichte in Mainz bzw. in München (1989/90).
Seit 1991 ist Heinz Noflatscher am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck tätig, wo er sich 1993 im Fach Österreichische Geschichte habilitierte. 1999 wurde er ao. Univ.-Prof. Im Studienjahr 1994/95 vertrat er eine Professur in Neuerer Geschichte an der LMU München. 2003 habilitierte er sich auch in diesem Fach und war in beiden Kernfächern am Institut für Geschichtswissenschaften tätig, ein Spagat, den er mit großem Einsatz und viel Freude bewältigte. Mit seiner Persönlichkeit und seinen wissenschaftlichen Interessen prägte er beide Fächer über viele Jahre.
Ganze Generationen an Studierenden gingen durch seine Ausbildung, die ein disziplinenübergreifendes Interesse, auch an methodisch-theoretischen Fragen, kennzeichnet. Stets war es ihm ein Anliegen, den Studierenden über die fachlichen Inhalte die bunte Quellenvielfalt der Vormoderne und deren analytische Lektüre zu vermitteln.
Die Österreichische Geschichte suchte er vor allem als Beziehungsgeschichte mit den Nachbarterritorien zu deuten, hier besonders zum Mittelmeerraum, zu Italien und zum Osmanischen Reich; auch jene zum deutschen Südwesten als unmittelbar angrenzende Region spielte eine Rolle.
Für die Lehre im Kernfach Neuzeit standen Fragen zur politischen Kommunikation, Legitimation und zu historischen Minderheiten und Randgruppen wie die Hexenverfolgung oder Täufer in einer Knappheitsgesellschaft im Mittelpunkt.
In den letzten zehn Jahren brachte er aufgrund regelmäßiger Studienaufenthalte am Warburg Institute und in der British Library verstärkt exogene Perspektiven in die Lehre und Forschung ein.
Der Einsatz Heinz Noflatschers in der Lehre lässt sich gut anhand der von ihm betreuten Abschlussarbeiten und seiner engagierten Prüfertätigkeit zeigen. So begleitete er in Erstverantwortung bislang 98 Diplom- bzw. Masterarbeiten sowie 10 Dissertationen und war Prüfer oder Vorsitzender bei rund 400 kommissionellen Abschlussprüfungen (Geschichte, Zeitgeschichte, Alte Geschichte). Er war Mitglied zahlreicher Berufungs- und Habilitationskommissionen, verfasste externe Gutachten und beantwortete externe Anfragen um Beratung, zuletzt vor allem mit Blick auf das Maximilianjahr.

In der Forschung liegt sein Schwerpunkt im 15. bis 17. Jahrhundert. Ausgehend von den Studien zunächst von Norbert Elias, interessierte ihn die Hof- und Adelsgesellschaft der Vormoderne, im Umfeld der Antikerezeption des Humanismus, der Renaissance und Spätrenaissance.
Heinz Noflatscher war Mitglied des „Arbeitskreises Höfe des Hauses Habsburg“ und beteiligte sich an den Forschungsaktivitäten der Göttinger Residenzen-Kommission. Daraus entstanden etliche Abschluss- und auch eigene Arbeiten zu politisch-sozialen Netzwerken und Umwelten, vor allem der Jahrzehnte um 1500 (wie zu Maximilian I. und Bianca Maria Sforza) und 1600. Als wichtig und zudem gegenwartsrelevant erschienen dabei Fragen nach Stereotypen und historischer Migration. Als sehr anregend erlebte er die Mitarbeit am langjährigen Internationalen Graduiertenkolleg „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“.
Im Verbund mit Forschungsinteressen an der phil.-hist. Fakultät beteiligte sich Heinz Noflatscher u. a. an Studien zur regionalen jüdischen Minderheit, zuletzt an mehr transitiven Fragen wie zu Konversionen und damit verbundenen Ausgrenzungen (z. B. Jüdisches Leben in Tirol im 16. und 17. Jahrhundert, in: Thomas Albrich (Hg.); Jüdisches Leben im historischen Tirol, Bd. 1: Vom Mittelalter bis 1805, Innsbruck 2013, 135–246).
An zwei jüngeren Großprojekten der Universität war er führend beteiligt: So (mit-)organisierte er im Rahmen des „Maximiliansjahres 2019“ die Internationale Tagung „Maximilian I. (1459–1519) Person, Brüche und Umbrüche einer Brückenzeit“, die in Innsbruck, Wels und Wien stattfand. Anlässlich des 350-Jahr-Jubiläums der Universität Innsbruck ist eine dreibändige Geschichte der Universität (herausgegeben von Margret Friedrich und Dirk Rupnow) veröffentlicht worden. Darin verfasste Heinz Noflatscher den Beitrag zur Vor- und Frühgeschichte unserer Universität.

Das umfangreiche (80 Buch- und Zeitschriftenartikel, 9 Bücher als Autor und Herausgeber) wissenschaftliche Œuvre Heinz Noflatschers lässt sich zusammenfassend als überaus vielschichtig, innovativ und originell charakterisieren mit einem sicheren Blick auf aktuelle Forschungsfragen und einem gegenwartsrelevanten Ansatz. Als Kollege wurde er im Lauf der Jahre zu einem wichtigen Teil des Instituts. Mit seiner stillen und freundlichen Art, seiner Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit war er vielen auch menschlich ein Vorbild. Wir lassen ihn ungern ziehen.

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