Handschriften in der Bibliothek des Priesterseminars in Brixen

Fürstbischof Christoph Andreas von Spaur gründete 1607 in unmittelbarer Nähe zum Brixner Dom ein Priesterseminar, das den zukünftigen Priestern eine solide philosophisch-theologische Ausbildung ermöglichen sollte. Bereits in den ältesten Statuten, unterzeichnet von eben jenem Bischof, der schließlich 1613 verstarb, wird auch auf eine Büchersammlung verwiesen: „Sie [Die Seminaristen] sollen die Bücher sauber halten, nichts hineinschreiben und darin nichts unterstreichen; sonst müssen sie sie der Seminarbibliothek aus eigener Tasche ersetzen.“ Der Urbestand der Bibliothek ist nicht näher bekannt, doch da das Seminar von Anfang an mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, ist anzunehmen, dass sie sich zunächst vorwiegend aus Handschriften und Druckwerken früherer Brixner Fürstbischöfe sowie aus Büchern der Brixner Hofbibliothek zusammensetzte. Sie erlebte in den nachfolgenden Jahrhunderten einen stetigen Bestandszuwachs, ehe sie Ende des 18. Jahrhunderts Eingang in den neu errichteten Barocksaal fand. Wie viele Bände im neuen Bibliothekssaal und im angrenzenden Raum zunächst aufgestellt wurden, ist nicht näher bekannt. Heute befinden sich darin ca. 25.000 Druckwerke, die Handschriften und Frühdrucke sind längst in einem eigenen Raum aufgestellt.

Der sogenannte „Ältere Bestand“ der Brixner Priesterseminarbibliothek umfasst etwa 120 mittelalterliche, überwiegend in das 15. Jahrhundert zu datierende Handschriften.

Der Intention der Bibliothek entsprechend überwiegen Werke theologischen Inhaltes, insbesondere Predigtwerke und Liturgica. Doch auch Kirchengeschichte und Kirchenrecht sind reich vertreten. Daneben finden sich philologische, kameralistische, naturwissenschaftliche und philosophische Texte, die auf ein breites Interesse der Bestandsbildner schließen lassen.

Hinsichtlich der sprachlichen Zusammensetzung sind lateinische Texte in der Überzahl, einige wenige sind in deutscher Sprache verfasst. Beachtenswert sind eine arabische sowie eine samaritanische Schrift.

Besondere Erwähnung verdienen die mit zahlreichen Miniaturen ausgestatteten Missalien, darunter das sogenannte „Culenborch Missale“, das zeitweilig dem Patriarchen von Aquileja, Herzog Ludwig von Teck (gest. 1439), gehörte. Auf dem Erbschaftswege gelangte dieses Werk in den Besitz von Ulrich von Rechberg, der zugleich Domdekan von Augsburg und Brixen war. Nach seinem Tod hat es Eingang in die Bibliothek des Priesterseminars gefunden.

Zu den ältesten Handschriften gehören das sogenannte „Lavanter Missale“ aus dem 11. Jahrhundert mit zahlreichen kulturhistorisch interessanten Nekrologeinträgen, sowie das „Karnoler Missale“ aus dem 12. Jahrhundert.

Die Erschließung der Sammlung ermöglicht u. a. genauere Rückschlüsse auf die Geisteswelt einzelner Brixner Fürstbischöfe. Erwähnt sei beispielsweise die Büchersammlung des sogenannten „ersten Humanisten auf dem Brixner Bischofsstuhl“, Melchior von Meckau, die hinsichtlich ihrer thematischen, sprachlichen, chronologischen und provenienzmäßigen Zusammensetzung eine nähere Untersuchung lohnt, um besondere Interessen und Sammlungsschwerpunkte Melchiors feststellen zu können. Melchior von Meckau (ca. 1440–1509) war Dompropst in Meißen, ab 1488 zudem Fürstbischof von Brixen und erlangte 1499 die Kardinalswürde, erwirkt aus Dank von Kaiser Maximilian I., den er immer wieder finanziell tatkräftig unterstützte. Dank Besitzeinträgen, Supralibros und Exlibris ist eine beachtliche Anzahl an Handschriften als sein Besitz auszumachen.

Unter den zahlreichen Handschriften, die er mit einem Besitzeintrag versehen ließ, finden sich auch Bücher seiner Amtsvorgänger wieder. Besondere Beachtung verdienen hierbei die Cusana, also Werke aus dem Besitz des berühmtesten Brixner Bischofs, Nikolaus Cusanus, sowie dessen Autographen und Glossen.

Die geographische Nähe und die Wurzeln bzw. Entwicklungen des Stiftes Neustift und des Brixner Priesterseminars bedingen vielfache wechselseitige Beziehungen, die sich nicht zuletzt in ihren Büchersammlungen niederschlagen. Die mittelalterlichen Handschriften beider Institutionen wurden daher in einem Kooperationsprojekt zwischen der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen und der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol in Innsbruck parallel erschlossen, siehe Handschriften in und aus dem Augustiner Chorherrenstift Neustift. Die Katalogisate zu den Handschriften der Priesterseminarbibliothek in Brixen werden für eine Drucklegung einer eingehenden Überarbeitung unterzogen.

  • Die Erschließung der mittelalterlichen Handschriften in der Stiftsbibliothek Neustift und der Priesterseminarbibliothek in Brixen (Projektleitung: Ursula Stampfer, Claudia Schretter-Picker [Kooperationspartner ULB Tirol], Träger: Philosophisch-Theologische Hochschule Brixen in Kooperation mit der ULB Tirol, Laufzeit: 2011–2014, gefördert durch: Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abteilung Bildungsförderung, Universität und Forschung, 1. Wettbewerbsausschreibung für Projekte im Bereich der wissenschaftlichen Forschung der Autonomen Provinz Bozen–Südtirol, Projektbeteiligte: Petra Ausserlechner, Giulia Gabrielli, Patrik Kennel, Gabriela Kompatscher Gufler, Sissy Mederle, Walter Neuhauser, Rita Neyer, Anna Pinter, Susanne Rischpler, Maria Stieglecker, Lav Šubarić).
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