Ehrensenator Alfred C. Toepfer (1894-1993)

Der Hamburger Kaufmann Alfred C. Toepfer wurde am 18. Mai 1968 zum Ehrensenator der Universität Innsbruck ernannt. Diese Ehrung war eine Anerkennung der finanziellen Förderungen, die Toepfer seit den 1930er Jahren der Wissenschaft allgemein und speziell auch der Universität Innsbruck im Rahmen von Stipendien und Preisen zukommen ließ.

Toepfer, der eine kaufmännische Lehre absolviert und in Kursen die Mittlere Reife nachgeholt hatte, war als Freiwilliger zu Beginn des Ersten Weltkrieges in den Heeresdienst getreten. Als Leutnant 1919 ausgeschieden, hatte er sich im selben Jahr einem Freikorps angeschlossen und war im Zuge dessen mit der Agrarwirtschaft in Berührung gekommen, was ebenfalls noch 1919 gemeinsam mit vier ehemaligen Kameraden aus Weltkrieg und Freikorps zur Gründung des Agrarhandelsunternehmens Alfred C. Toepfer geführt hatte. Damit war der Grundstein für den Aus- und Aufbau eines deutschen Unternehmens gelegt, das nicht nur international tätig wurde, sondern durch die ab den 1930er Jahren betriebene Wissenschaftsförderung über Toepfers Hamburger Stiftung FVS (FVS stand für Freiherr vom Stein, den preußischen Reformer, den Toepfer als „großdeutschen Nationalisten“ bewunderte) sowie die zeitgleich von ihm gegründete Johann Wolfgang Goethe-Stiftung (Vaduz/Liechtenstein, ab 1968 Basel/Schweiz) auch auf wissenschaftspolitischem Sektor an Einfluss gewann.

Neuere Forschungen haben ergeben, dass bei der Stiftungsgründung und deren Tätigkeiten der ersten Jahre zunächst die Sicherung der Vermögenswerte Alfred Toepfers und seines Bruders Ernst, der eine Auslandsniederlassung der Firma in den USA betrieb, von zentraler Bedeutung waren. Verbunden war damit aber auch von Anfang an die Förderung völkischer Ziele. Toepfer war seit seiner Jugend Anhänger des deutschnationalen Flügels der Wandervogel-Bewegung und engagierte sich Ende der 1920er Jahre durch Geldspenden für die Organisation von „Grenzlandfahrten“ für Jugendliche und die Errichtung von Jugendherbergen in Deutschland, Österreich und Dänemark. Auch darüber hinaus unterstützte er Vereinigungen und Organisationen zur Förderung des „Auslandsdeutschtums“ finanziell, wie den Hamburger Nationalklub, Bund Oberland (in beiden war Toepfer seit Beginn der 1920er Jahre Mitglied), den Verein für das Deutschtum im Ausland (Mitgliedschaft seit 1926) und das Deutsche Auslands-Institut, aber auch Einzelpersonen profitierten von diesen Zuwendungen. Der Stiftungsrat der Stiftung FVS, der vornehmlich aus Mitgliedern des Vereins für das Deutschtum im Ausland und des Deutschen Schutzbundes bestehen sollte, hatte nur Vorschlagsrecht: die Entscheidung lag letztlich bei Toepfer selbst. Ab 1935 wurden der NS-Reichsschrifttumskammer jährlich Geldspenden zugeführt, die daraufhin mit mehreren deutschen Universitäten die Ausgelobung von Preisen der Stiftung FVS vereinbarte. Diese „völkische“ Ausrichtung Toepfers manifestierte sich nicht in radikaler NS-Anhängerschaft, doch existierten weitgehende inhaltliche Übereinstimmungen seiner Vorstellungen von geo- und bevölkerungspolitischen Fragen mit jenen des NS-Regimes, die faschistische, antidemokratische und gewaltvolle Sichtweisen beinhalteten.

1937 hatte Toepfer die Stiftung FVS offiziell mit seiner Firma verknüpft, im selben Jahr wurde er aufgrund der mit seinem nicht deklarierten Auslandsvermögen zusammenhängenden Geschäfte der vorangegangenen Jahre verhaftet. Nach einem Jahr Untersuchungshaft entlassen, erfüllte er alle verbundenen Auflagen zur gesetzeskonformen Umgestaltung seiner unternehmerischen Tätigkeiten, darunter die Trennung von Stiftung und Firma, und schied aus dem Vorstand der Stiftung aus. Das Verfahren wurde 1939, nicht zuletzt durch Intervention namhafter NS-Politiker, schließlich eingestellt. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges expandierte Toepfer mit seinem Unternehmen nach Polen und war auch im besetzten Tschechien und der Slowakei geschäftlich tätig – unter anderem im Auftrag des Deutschen Reiches. Ab 1940 für die Wehrmacht-Abwehr tätig, wurde er schließlich für „verdeckte Schwarzmarktgeschäfte und Devisenoperationen“ in die Pariser Abwehrstelle übernommen.

Nach Kriegsende zwei Jahre interniert, kehrte er 1947 in sein Unternehmen zurück, das ab den 1950er Jahren zu einem global bedeutenden Agrarhandelskonzern aufstieg – unter Beteiligung ehemaliger ranghoher Nationalsozialisten, wie etwa Toepfers Stellvertreter Hans-Joachim Riecke, der im „Dritten Reich“ verschiedene Funktionen im Bereich der Agrar- und Ernährungspolitik innegehabt hatte und am „Hungerplan“ für die besetzten Ostgebiete beteiligt war, der den Hungertod von Millionen Menschen vorsah. Das Unternehmen wuchs beständig weiter, war jedoch im Lauf der Nachkriegsjahrzehnte auch Krisen ausgesetzt und wurde schließlich 2014 von dem US-amerikanischen Agrarkonzern Archer Daniels Midland übernommen. Die vom Unternehmen unabhängige Stiftung blieb auch nach Toepfers Tod 1993 bestehen, nunmehr nach ihrem Gründer in Toepfer-Stiftung umbenannt.

Die Anzahl der Stipendien- und Preisstiftungen durch die Toepfer-Stiftung war seit der Gründung zu Beginn der 1930er Jahre immens angewachsen und hatte schließlich zur Ausgelobung zahlreicher jährlicher Preise an mehreren Universitäten und Institutionen geführt. Eine dieser Auszeichnungen war der von Toepfer ins Leben gerufene „Mozart-Preis“, der an der Universität Innsbruck wie auch an den Universitäten Graz und München vergeben wurde. Ursprünglich war er 1935 für das „bairische Stammestum des Alpenraumes“ gestiftet worden, zwischen 1938 und 1943 war Raimund Klebelsberg unter den Vorsitzenden. Klebelsberg war Geologe und Rektor der Universität Innsbruck von 1942 bis 1945, zudem bis 1965 Vorsitzender des Stiftungsrates der JWG-Stiftung. Der Mozart-Preis wurde in der Nachkriegszeit erneut verliehen, war jedoch in der jüngeren Vergangenheit wie der an der Universität Wien von Toepfer gestiftete – und bald wieder eingestellte – Grillparzer-Preis und der ebenfalls an der Wiener Universität ab 1964 jährlich verliehene Gottfried von Herder-Preis Kritik ausgesetzt: ausschlaggebend war Toepfers Nähe zum Nationalsozialismus, die im Auftrag der Stiftung ab 1997 kommissionell erforscht wurde.

Die Bedeutung, die Toepfers Preisstiftung von der Universität Innsbruck zugemessen wurde, wird an der Ernennung zum Ehrensenator deutlich. Am Vergabetermin für den Mozart-Preis des Jahres 1968 wurde in einem gemeinsamen Festakt nicht nur der mittlerweile jährlich in Innsbruck verliehene Preis überreicht, sondern auch Toepfer, der seit 1959 ein Ehrendoktorat der Universität Kiel besaß, der Titel eines Ehrensenators verliehen. Er war außerdem Ehrensenator der Universität Hamburg und wurde im Jahr der Auszeichnung mit der Innsbrucker Ehrensenatorenschaft auch zum Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ernannt. 1964 war von Toepfer angedacht worden, ein jährliches Stipendium für Innsbrucker Studierende als „Lefftz-Preis“ zu stiften, benannt nach dem Träger des Mozart-Preises dieses Jahres, dem deutschen Volkskundler und Literaturwissenschaftler Joseph Lefftz.

Die vielfältige Fördertätigkeit Toepfers spiegelt sich in den Auszeichnungen, die ihm zuteilwurden: Im Juni 1974 wurde er, der mittlerweile auch ein Ehrendoktorat der Universität Basel besaß, an der Universität Wien ebenfalls zum Ehrensenator ernannt. Von der Wiener Universität waren Ende Jänner 1974 Erkundigungen in Basel eingeholt worden, wo Toepfer erst im November 1973 ein Ehrendoktorat verliehen worden war. Angesucht wurde um Übermittlung „näherer Informationen über Herrn Toepfer, seinen Lebensweg und seine Leistungen“. Der Hintergrund für die Auszeichnung durch die Schweizer Universität liegt in der in Basel ansässigen JWG-Stiftung, die von Toepfer gegründet worden war und jährlich fünf Preise „und etliche Stipendien“ vergab.

Die Arbeit der Historikerkommission, die von der Toepfer-Stiftung schließlich aufgrund immer vehementer artikulierter Kritik an der Person Alfred Toepfer eingesetzt wurde, um die Vergangenheit der Stiftung und insbesondere des Stifters kritisch zu untersuchen, wurde zwiespältig beurteilt. Die nach dreijähriger Forschungsarbeit 2000 veröffentlichten Ergebnisse, allen voran eine attestierte Abkehr von nationalsozialistischem Gedankengut, stießen vielfach auf Kritik – dies hing wesentlich mit der eng gefassten Definition von NS-Anhängerschaft und -Nähe zusammen. Eine Verortung Toepfers im „Völkischen“, die auch ohne explizite NS-Bezüge vorhanden sein konnte, wurde von den KritikerInnen auch weiterhin problematisiert.

Quellen:
  • Archiv der Universität Innsbruck, Ehrungskartei
  • Archiv der Universität Innsbruck, Senatssitzungsprotokolle 1962/63-1973/74, Senatssitzung 15.7.1964 und 28.2.1968.
  • Archiv der Universität Wien, Senat S 229.3.1, Alfred Toepfer, Verleihung des Titels Ehrensenator.
Literatur:
  • Georg Kreis/Gerd Krumeich/Henri Menudier/Hans Mommsen/Arnold Sywottek (Hg.), Alfred Toepfer. Stifter und Kaufmann. Bausteine einer Biographie – Kritische Bestandsaufnahme, Hamburg 2000.
  • Karl Heinz Roth, Alfred C. Toepfer, in: Michael Fahlbusch/Ingo Haar/Alexander Pinwinkler (Hg.), Handbuch der Völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme. Unter Mitarbeit von David Hamann, 2., grundlegend erweiterte und überarbeitete Auflage, Berlin/Boston 2017, 825-843.
  • Karl Heinz Roth/Ulf-Thomas Lesle, Völkische Netzwerke: Alfred Toepfer und das Stiftungsunternehmen ACT/F.V.S., in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 64 (2016) 3, 213-234.
  • Lionel Boissou, Stiftung FVS Hamburg und Johann Wolfgang Goethe-Stiftung Vaduz, in: Michael Fahlbusch/Ingo Haar/Alexander Pinwinkler (Hg.), Handbuch der Völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme. Unter Mitarbeit von David Hamann, 2., grundlegend erweiterte und überarbeitete Auflage, Berlin/Boston 2017, 2007-2022.
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