Zum Erinnern. Zum Mahnen.

Tiefensondierungen zur Lokalisierung des Mosaiks in der Aula.
Tiefensondierungen zur Lokalisierung des Mosaiks in der Aula. (Foto: P. Tartarotti/Bauforschung Tirol)

Löcher des Sondierens lenken die Aufmerksamkeit auf die Westwand der Aula. Diese scheint sich als Projektionsfläche für Ideen, Vorstellungen sowie Begehren von Universitätsangehörigen schon immer geeignet zu haben. Anlässlich des 350-Jahr-Jubliäums der Leopold-Franzens-Universität gestalten wir die Spuren aus verschiedenen Vergangenheiten, wie sie sich uns im Herbst 2018 als Gehörtes, Beredetes und Dokumentiertes, vor allem aber als Bild erschließen, zum Mahnmal.

Im Sommer 1938, kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, gab der damalige Rektor Harold Steinacker das Mosaik einer Hitler-Darstellung bei der Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt für die Aula in Auftrag. Die Privatkanzlei des „Führers“ hatte hierzu ihre Zustimmung erteilt. Der Innsbrucker Künstler Hubert Lanzinger lieferte die Vorlage unter Rückgriff auf sein – als Postkarte bereits weithin bekanntes – Gemälde „Der Bannerträger“ (1934), das Adolf Hitler als Ritter in silberner Rüstung zu Pferde, mit der Hakenkreuzfahne in der Hand zeigt. Das Motiv knüpfte an verschiedene Traditionen an und wurde zum Symbol verdichtet; die Präsenz des Porträts dominierte den Saal, nicht zuletzt auch auf Grund der künstlerischen Qualität des Mosaiks.

Nach Kriegsende 1945 wurde das Mosaik offenbar weitgehend abgeschlagen und zunächst durch eine neutrale Putzoberfläche mit ockerfarbenem Anstrich übertüncht. 1947 wurde an der inkriminierten Stelle eine stuckumrahmte Tafel mit dem Schriftzug „in veritate libertas“ (in der Wahrheit liegt die Freiheit) – der Wahlspruch der katholischen Studentenverbindung Austria – angebracht.

Jenseits der Akten im Universitätsarchiv und weniger Indizien gab es lange Zeit scheinbar kein fotografisches Zeugnis des Mosaiks in situ. Auch sein Verschwinden war bislang nicht nachvollziehbar dokumentiert. 2017 brachte schließlich eine Tiefensondierung im Auftrag der Universitätsleitung Reste des Mosaiks selbst und die Spuren seiner Beseitigung zutage.

Angesichts der Vielschichtigkeit und Ambivalenz der damit sichtbaren Vorgänge – des vorauseilenden Gehorsams der universitären Amtsträger 1938 sowie der eilfertigen Distanzierung 1945, vor allem aber der Verdrängung der eigenen Mitverantwortung und Schuld – hat sich die Universität Innsbruck entschlossen, die Sondierungsbohrungen in die Vergangenheit offen zu lassen.

Die Fragen sind jedoch nicht mit der Befundung beantwortet. So schwer es fällt, im Nachhinein ideologische Verblendung und Bereitschaft zum Komplizentum oder nur professorale Ängstlichkeit zu verstehen, so notwendig ist heute die Beunruhigung durch das Mahnmal. Die Banalität des Sichtbaren – eine weiße Wand, eine Kartusche mit einem Schriftzug, Bohrlöcher – darf nicht als Referenz für einen Entlastungsdiskurs benützt werden. 

Sybille Moser-Ernst/Dirk Rupnow
im Auftrag des Rektorats Tilmann Märk


 

 


Nach oben scrollen