Kranebitter Au
Die Kranebitter Au war einer der drei Beprobungsstandorte.

Um­geben von Mikro­plastik

Mikroplastik ist mittlerweile überall und durchdringt viele Lebensbereiche der Menschen. Das Problem beschränkt sich nicht nur auf marine Bereiche, sondern wurde jetzt auch vor der Tiroler Haustür nachgewiesen. Myriam Zocchi, Studentin am Institut für Ökologie, hat gemeinsam mit Professor Ruben Sommaruga erstmals in Tirol den Anteil an Mikroplastik im Inn analysiert.

Menschen verwenden im Durchschnitt 84 Kilogramm Plastik pro Jahr, eine beachtliche Menge, von der Rückstände in der Umwelt bleiben. Im Rahmen ihrer Masterarbeit am Institut für Ökologie untersuchte Myriam Zocchi das Vorkommen von Mikroplastik im Inn. „Man darf nicht davon ausgehen, dass Mikroplastik nur in Meeren vorkommt. In einer aufwändigen Untersuchung konnten wir zeigen, dass auch im Sediment des Inn erhebliche Mengen an winzigen Plastikteilchen zu finden sind“, erläutert Zocchi, die in ihrer Arbeit von Ruben Sommaruga, Professor am Institut für Ökologie, betreut wurde. Der extreme Erfolg und die enorme Bandbreite an Einsatzbereichen von Kunststoffen beruht nicht nur auf ihrer schnellen und günstigen Herstellung, sondern vor allem auch auf der Wandlungsfähigkeit und Beständigkeit der Materialien. „Diese Beständigkeit ist aber ein großes Problem für die Umwelt, denn Plastik ist nicht abbaubar und verweilt über Jahrhunderte und Jahrtausende in unserer Umwelt“, betont Zocchi. Durch den mechanischen Abrieb von Wind und Wellen, die Sonneneinstrahlung und durch die Ansiedelung von Mikroorganismen auf der Oberfläche verwittern diese Plastikpartikel zunehmend und werden zu immer kleineren Fragmenten, welche ab einem Durchmesser von weniger als 5 Millimeter als Mikroplastik bezeichnet werden.

 

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Bunte Plastikfäden, Filamente, unter dem Mikroskop. (Bild: Zocchi)

Mikroplastik im Inn

Aufgrund der extrem langen Verweildauer dieser Partikel in der Umwelt können sie sich in den entlegensten Winkeln der Erde anreichern und zahlreiche negative Auswirkungen auf das Ökosystem sind die Folge. „Nachdem bereits in Tiefsee-Sedimenten wie dem Marianengraben, im Eis, Schnee und in Wasserproben aus der Antarktis sowie in weit abgelegenen Oberflächengewässern in Bergseen in der Mongolei oder auf unbewohnten Inseln im Pazifik Plastik gefunden wurde, habe ich mich für das Vorkommen vor allem von Mikroplastik im Inn interessiert“, betont die Studentin. Im Frühjahr 2017, noch vor Einsetzen der Schneeschmelze und dem damit verbundenen Steigen des Wasserpegels, hat Zocchi das Sediment am Innufer untersucht. Die aufwändige Forschung fokussierte sich auf drei Standorte im Großraum von Innsbruck. „Auf einer Fläche von 50 mal 50 Zentimeter haben wir das Sediment in Kranebitten, im Stadtgebiet von Innsbruck und vor Hall an fünf parallelen Flächen pro Standort untersucht“, erläutert Zocchi den Versuchsaufbau. Nach Abtragen der ersten fünf Zentimeter wurde die Sedimentschicht auf die Korngröße von 5 Millimeter, der definierten Größe von Mikroplastik, gesiebt. In einer anschließenden Dichtetrennung des Materials in einer Salzlösung konnten die schweren Sandkörner vom leichteren Material wie Plastik separiert werden. „Auffällig war die große Zahl an bunten Plastikfäden, den sogenannten Filamenten. Auch wenn die Identifikation dieser teilweise winzigen Fäden sehr schwierig war, gehen wir davon aus, dass es sich um Polyester-Fasern aus Kleidung handelt“, so Zocchi. 

Mikroplastik im Inn
Das Mikroplastik wurde aus den Proben des Sediments im Inn gesiebt. (Bild: Zocchi)

Unterstützt von Kolleginnen und Kollegen am Institut für Mineralogie und Petrografie konnte die Studentin eine Raman-Spektroskopie zur Identifikation der Mikroplastik-Partikel durchführen. „Bei der Raman-Spektroskopie wird Licht einer bestimmten Wellenlänge auf die zu identifizierenden Partikel geleitet. Das einfallende Licht führt dazu, dass sich die Schwingung der Moleküle verändert und sich die Frequenz von rückgestrahltem zu einfallendem Licht unterscheidet. Dieser Unterschied wird als Raman-Shift bezeichnet und liefert materialtypische Spektren, welche mit Spektren einer Datenbank verglichen werden können“, erläutert Zocchi die Analyse. Mit Hilfe dieses Verfahrens kann Plastik, sofern es nicht zu stark gefärbt ist, identifiziert werden. Die Menge an Mikroplastik, die Zocchi im Sediment des Inn gefunden hat, ist erheblich. Verglichen mit einer Studie aus dem Jahr 2013, die von Forscherinnen und Forscher von der Universität Bayreuth und der Technischen Universität München am Gardasee durchgeführt wurde, haben Zocchi und Sommaruga etwa vier Mal so viel Mikroplastik im Inn gefunden, ein Ergebnis, das den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu denken gibt. „Entscheidend für den großen Anteil an Mikroplastik im Inn war unter anderem auch die Wahl der Standorte“, so Zocchi. Das untersuchte Sediment in Kranebitten befindet sich flussabwärts der Kläranlage Zirl, sowie in Hall unterhalb der Kläranlage in der Roßau. „Noch ist es in Kläranlagen nicht möglich, Mikroplastik aus dem Abwasser zu filtern“, so Sommaruga der weiter betont, „Plastik an sich ist nicht schlecht. Nur die Wegwerfkultur, die sich hier etabliert hat, ist bedenklich und muss verändert werden.“ Neben dem gefundenen Mikroplastik hat Zocchi auch große Mengen an Makroplastik am Ufer des Inn gefunden. Zocchi und Sommaruga streichen den erheblichen Anteil an gefundenem Mikroplastik im Inn hervor und plädieren für einen bewussten Umgang mit dem Material. Zudem sind sich beide einig, dass die Wissenschaft erst am Anfang der Untersuchungen im komplexen System von Mikroplastik und seinen Auswirkungen steht. Inwieweit Mikroplastik auch als Träger von Umweltschadstoffen dienen kann, soll in einer weiteren geplanten Studie untersucht werden.

Beprobungsfläche am Inn
Auf einer Fläche von 50 cm x 50 cm hat Myriam Zocchi das Sediment in Kranebitten, im Stadtgebiet von Innsbruck und vor Hall untersucht. (Bild: Zocchi)

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