Die Bautätigkeit der Oesterreichisch-Ungarischen Bank und der Oesterreichischen Nationalbank im europäischen Kontext (1878–1938)
GEFÖRDERT DURCH DEN JUBILÄUMSFONDS DER OESTERREICHISCHEN NATIONALBANK – PROJEKT-NR. 18975
Im Rahmen des Forschungsprojekts soll die Bautätigkeit der Oesterreichisch-Ungarischen Bank (1878–1922) sowie der Oesterreichischen Nationalbank (1923–1938) in engem Zusammenhang mit notenbank- und wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellungen untersucht und als europäisches Kulturerbe in ihr architektur- und kulturgeschichtliches Umfeld eingeordnet werden. Unter besonderer Berücksichtigung des österreichisch-ungarischen Dualismus und der unterschiedlichen politischen wie nationalen Interessen in Cisleithanien wird das 1895 initiierte Bauprogramm der Institution analysiert, das die sukzessive Errichtung eigener Filialgebäude an Stelle der bisher angemieteten Banklokalitäten vorsah. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs waren knapp hundert Bankgebäude fertiggestellt, die über das gesamte Territorium der ehemaligen Habsburgermonarchie verteilt sind. Nach der Gründung der Oesterreichischen Nationalbank 1923 entstanden auf dem Gebiet der jungen Republik Österreich drei weitere Filialen, bevor die Institution 1938 in die Deutsche Reichsbank überführt wurde. Diese bauliche Serie wurde bislang noch nicht einmal ansatzweise untersucht.
Disposition und Ausstattung der Filialen sind hervorragend dokumentiert und wichtige geschichtliche Zeugnisse dieser staatsnahen Institution. Sie lassen Geschäftsumfang und -ablauf der Notenbank im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert bis ins Detail nachvollziehen. Als integraler Bestandteil des Gründungsauftrags der Institution – der Emission von Banknoten, der Stabilisierung des Geldwerts sowie der Wirtschaftsförderung durch Kreditvergabe – sind die Filialen als bedeutendes bauliches Erbe zudem architektonisches Sinnbild für ein wirtschafts- und finanzpolitisches „Nation building“: Mit dem ausgeglichenen Fluss von Liquidität in alle Landesteile war auch der Versuch verbunden, einen einheitlichen Wirtschaftsraum entstehen zu lassen. Nur wenige Jahre nach der Vollendung der letzten Filialneubauten wurden diese Sinnbilder des „Nation building“ zum „Shared Heritage“ der Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie, übernommen durch deren neu gegründete Nationalbanken, längst als Teil des eigenen Kulturerbes verstanden und bis heute vielfachen Nutzungsänderungen unterzogen.
Dieses Architekturerbe gilt es mit multidisziplinärem Ansatz architektur-, wirtschafts- und bankhistorisch zu kontextualisieren, und zwar nicht nur vor dem geschichtlichen Hintergrund der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, sondern im europäischen Kontext.
