Adlerfarn
Farnblätter und ein Fossil aus der Sammlung des Instituts für Geologie der Universität Innsbruck (Pecopteris plumosa, Oberkarbon, Gossweiler bei Saarbrücken).

Mole­kula­res Fossil

Innsbrucker Chemiker haben in Farnen Verbindungen entdeckt, die indirekt Aufschluss über den Chlorophyll-Abbau in höheren Pflanzen vor über 350 Millionen Jahren geben. Die entschlüsselten Moleküle eröffnen neue Perspektiven für die Untersuchung des Abbaus von Blattgrün in weiteren Pflanzendivisionen.

Die Forschungsgruppen um Bernhard Kräutler und Thomas Müller am Institut für Organische Chemie und dem Centrum für Molekulare Biowissenschaften der Universität Innsbruck sind für grundlegende Arbeiten zum Chlorophyll-Abbau bekannt. Der Abbau des Blattgrüns ist verantwortlich für das im Herbst alljährlich wiederkehrende Farbenspiel der Blätter. Die bisherigen Studien beschäftigten sich fast ausschließlich mit Blütenpflanzen. Im Rahmen eines von Thomas Müller geleiteten Sparkling-Science-Projekts begaben sich Schülerinnen und Schüler 2013 auf die Suche nach sich verfärbenden Pflanzen in der Tiroler Bergwelt. Dabei wurde auch der Adlerfarn gesammelt, ein weltweit verbreiteter, auffälliger Farn. Die Strukturanalysen von möglichen Chlorophyllkataboliten gestalteten sich allerdings sehr schwierig und es erforderte ausgeklügelte chemische Tricks um gesicherte Ergebnisse zu erhalten. Diese haben es nun aber in sich, konnten die Forscherinnen und Forscher in den Pflanzen doch erstmals neuartige Abbauprodukte isolieren und charakterisieren, die aus den Blütenpflanzen nicht bekannt sind. 

Bereits vor 350 Millionen Jahren

Im Adlerfarn fanden die Wissenschaftler neue, farblose Produkte des Chlorophyll-Abbaus mit einem komplexen, chemisch umgelagerten Kohlenstoff-Skelett, das bei bekannten Kataboliten aus Blütenpflanzen so nicht vorkommt. „Der Abbau von Chlorophyll läuft aber im Farn am Anfang sehr ähnlich ab wie in Blütenpflanzen“, erklärt Bernhard Kräutler. „Im Laufe der Evolution hat er aber offenbar weitere Schritte eingebaut.“ Das war auch der Grund, warum die Forscher zu Beginn große Schwierigkeiten hatten, die Abbauprodukte im Farn strukturell zu charakterisieren. Entwicklungsgeschichtlich ist der Fund hoch interessant, weil es nun erstmals einen molekularen Beleg für einen erdgeschichtlich sehr frühen Chlorophyll-Abbau gibt. Farne haben sich in ihrer Entwicklung vor rund 350 Millionen Jahren von den anderen gefäßbildenden Pflanzen abgespalten.

Neue Perspektiven

Ob die Dinosaurier schon Freude am herbstlichen Farbenspiel hatten, muss freilich noch Spekulation bleiben. Denn die Funktion des Chlorophyll-Abbaus könnte sich im Laufe der Evolution auch verändert haben, spielten doch zum Beispiel die Jahreszeiten in einigen erdgeschichtlichen Epochen kaum eine Rolle. „Die Pflanzen bauen das grüne Pigment vor allem deshalb ab, um Ressourcen zu sparen“, erläutert Thomas Müller. Welchen Zweck dieser Abbau vor hunderten von Millionen Jahren außerdem haben konnte, ist derzeit Gegenstand der Forschung am Institut. Der Fund der Innsbrucker Chemiker liefert aber auch Anhaltspunkte für die Untersuchung des Chlorophyll-Abbaus in weiteren Pflanzen, was wiederum für die Pflanzenbiologie ganz neue Perspektiven eröffnet. 

Die Arbeit wurde vom österreichischen Wissenschaftsministerium, dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und der Universität Innsbruck finanziell unterstützt.

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