Memes Corona
Collage aus einzelnen Memes, die die Herausforderungen und Lebenssituationen während der Corona-Pandemie mit einem Augenzwinkern verarbeitet haben.

La­chend durch die Pan­demie

Lachen und Humor können in Krisenzeiten eine Bewältigungsstrategie sein. Verena Sperk und Paul Scheibelhofer vom Institut für Erziehungswissenschaft haben die Bedeutung vor allem von Memes in Zeiten der Corona-Pandemie untersucht.

Sie kursieren im Internet, werden über die Sozialen Medien geteilt und in unzähligen privaten Nachrichten verbreitet – Memes haben die Herausforderungen und Lebenssituationen während der Corona-Pandemie mit einem Augenzwinkern verarbeitet und konnten so während Quarantäne und sozialer Distanz eine gewisse Nähe herstellen. Verena Sperk und Paul Scheibelhofer haben Memes vor allem aus der Perspektive der Geschlechterforschung analysiert. „Während der Zeit des Lockdowns waren wir alle auf digitale Kommunikation zurückgeworfen und der zwischenmenschliche Kontakt war nur über Handy oder Computer möglich. Die aus der Situation des Lockdowns resultierenden gesellschaftlichen und sozialen ‚Zumutungen‘ wurden zahlreich in den Sozialen Medien über Memes verarbeitet. Über das gemeinsame Lachen konnten die Menschen auf einer emotionalen Ebene miteinander in Verbindung treten“, so die Forscherin und der Forscher. Menschen waren entweder viel alleine, mit extremen Mehrfachbelastungen wie gleichzeitigem Homeschooling und Homeoffice konfrontiert oder mussten trotz Pandemie den Weg zur Arbeit auf sich nehmen. „Social Distancing, ökonomische und gesundheitliche Unsicherheit, Anforderungen an Erwerbsarbeit und Carearbeit stellten für viele eine massive Belastung dar. Die Besonderheit war, dass viele Menschen zugleich mit ähnlichen Absurditäten im Alltag konfrontiert waren. Durch Memes konnten wir uns über diese geteilten Erfahrungen und Frustrationen auf humorvolle Weise austauschen, gemeinsam lachen oder die Situation auch politisch kommentieren“, verdeutlicht Sperk. Lachen ist eine Bewältigungsstrategie, die Menschen helfen kann, durch schwierige Zeiten zu kommen und diese zu verarbeiten.  Im Rahmen der Tagung „Corona verstehen. Die Pandemie aus der Sicht der Geistes- und Kulturwissenschaften“ haben sie ihre Forschung auch in einem Vortrag vorgestellt.

Mehr als 1000 Worte

Szenen aus Filmen, überschrieben mit einer konträren oder lustigen Aussage, Bilder von Tieren oder Anspielungen auf bekannte Gemälde oder Werbungen – Memes können sehr leicht selbst gemacht werden. „Memes haben einen hohen partizipativen Charakter, da sie unkompliziert herstellbar und leicht verständlich sind. Sie regen auch dazu an, sie zu adaptieren oder zu teilen, über sie zu schreiben und zu sprechen. Das hier entstehende ansteckende Lachen hilft über diese Zeit hinweg“, verdeutlicht Scheibelhofer, der gemeinsam mit seiner Kollegin Verena Sperk den Boom des Internethumors während der ersten Phase der Pandemie beobachtet hat. „Unsicherheit, Leid, Wut, Angst oder Trauer haben die Gefühlswelten während der Corona-Pandemie geprägt. Mit Hilfe der Memes wurden aber Distanzen überwunden, man konnte gemeinsam lachen und war somit trotz der Aufforderung sich zu distanzieren, gemeinsam getrennt“, so die Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler. Durch die Möglichkeit, die lustigen Bilder schnell zu teilen und weiterzuverbreiten, sind die Menschen etwas näher zusammengerückt. „Humor funktioniert über das ansteckende Lachen und über die Herstellung von Gemeinsamkeit“, verdeutlicht Scheibelhofer. Damit Memes aber verstanden werden und die Bilder mit kurzen Texten auch Lust und Witz erzeugen, muss immer auch ein Austausch über den gesellschaftlichen Rahmen und die Kontexte, auf die sie anspielen, stattfinden. „Memes sind eine eigene Form von Sprache, in deren Code die Lesenden auch eingeweiht sein müssen, um die Inhalte, besonders aber den Witz, zu verstehen“, erläutern Sperk und Scheibelhofer. „Indem ich sie teile, spreche ich mit der Person auch über die Situation, in der wir uns befinden, ohne lange Texte schreiben zu müssen. Ein Bild macht die Gefühlslage auf den ersten Blick deutlich“, erläutert Sperk, die auf die verkürzte Kommunikation hinweist.

Gesellschaftliche Zumutungen

Verena Sperk und Paul Scheibelhofer haben über 300 Memes analysiert und festgestellt, dass viele der angesprochenen Themen einen Geschlechterbezug haben. Kontrollverlust, Cararbeit in der Krise und die Zwangsnähe bzw. Zwangsdistanz waren drei von der Wissenschaftlerin und dem Wissenschaftler bezeichneten „Zumutungen“ der Corona-Pandemie, die in Form von Memes verarbeitet wurden. „Auch eine Krise folgt ‚normalerweise’ einer gewissen Logik. Ausgehend von einem Krisenherd gibt es Institutionen, die sich darum kümmern. Das am Anfang des Jahres noch weitgehend unbekannte Virus und die noch unsicheren Rollen von Expertinnen und Experten haben diese Logik ausgehebelt“, so Scheibelhofer. Der von vielen empfundene Kontrollverlust wurde auch in Memes widergespiegelt. „In vielen Memes wurden Männer, die normalerweise für Autorität und Sicherheit stehen, in Situationen dargestellt, die uns zum Lachen gebracht haben. Indem wir über diese Bilder lachen, lachen wir auch über Geschlechterordnung und das Bloßstellen von Männlichkeit löst die autoritäre Erzählung auf und führt zu einem entlastenden Lachen“, erläutert Scheibelhofer. Genau wie die Verarbeitung dieses Kontrollverlustes wurde auch die Carearbeit, vor allem während des ersten Lockdowns, thematisiert. „Die Erwartung an Eltern und insbesondere Mütter war und ist in der Zeit des Lockdowns, dass sie die Erwerbsarbeit in gewohntem Umfang, wenn möglich, von Zuhause aus verrichten und nebenher die Kinder im Distance Learning betreuen.“, verdeutlicht Sperk. Memes geben die Möglichkeit, die erlebte Frustration und Überforderung aufgrund der hohen Erwartungshaltung an Eltern und vor allem an Mütter satirisch darzustellen und zu teilen. „Mütter haben in Form von Memes die Möglichkeit bekommen, Gefühle wie Wut und Ärger zum Ausdruck zu bringen. Diese werden normalerweise meist unter Verschluss gehalten, weil sie im Zusammenhang mit Carearbeit, die aus Liebe geschehen sollte, gesellschaftlich tabuisiert sind“, so Sperk weiter. Die Forscherin und der Forscher haben in ihrer Analyse der Memes auch das wiederkehrende Thema der Zwangsnähe und der Zwangsdistanz festgestellt. „Wir merken jetzt, dass moderne Gesellschaften auf die Unterstützung von Institutionen angewiesen sind, die uns helfen, im Alltag nicht so abhängig voneinander zu sein. Jetzt wo Büros, Schulen oder Betreuungseinrichtungen geschlossen sind, kann das Zuhause und die Familie auch zu einer Belastung werden“, so Scheibelhofer. Während viele Menschen gezwungen sind in Quarantäne oder Selbstisolation allein zu sein, erleben andere zu viel ungewohnte Nähe mit der Familie. Generell bieten Memes die Möglichkeit, Geschlechterstereotype und Rollen zu hinterfragen und zu destabilisieren, aber häufig werden sie auch bestätigt und verfestigt. „Memes ermöglichen ein gemeinsames Erleben der ‚neuen‘ alltäglichen Normalität und Absurdität, indem Aspekte daraus auf humorvolle Weise geteilt werden. Dadurch wird ein in Verbindung treten auf emotionaler Ebene ermöglicht. Die Bezugnahme auf einen gemeinsamen Rahmen kann ein gewisses überindividuelles Erleben von Gemeinschaftlichkeit erzeugen. Das bedingt aber auch Ausschlüsse, wenn man nicht Teil dieses normativen Bezugsrahmens ist.“, so das Fazit von Sperk und Scheibelhofer.

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