Pilz Metarhizium brunneum
Petrischalenkultur mit dem Pilz Metarhizium brunneum.

Kampf gegen Multi­resist­enzen

Der globale Wettlauf gegen multiresistente Erreger hat begonnen und Expertinnen und Experten sind auf der Suche nach Alternativen, wenn Antibiotika plötzlich nicht mehr wirken. Pamela Vrabl vom Institut für Mikrobiologie sucht nach neuen bioaktiven Substanzen und sensibilisiert gemeinsam mit Konstantin Sagmeister, vom Institut für Fachdidaktik, Jugendliche für die brisante Problematik.

Infektionen mit multiresistenten Mikroorganismen sind ein ernstzunehmendes Problem. Ohne globale Strategien werden laut Schätzungen im Jahr 2050 mehr Menschen an multiresistenten Keimen sterben als beispielsweise an Krebserkrankungen. Pamela Vrabl, Christoph Schinagl und ihr Team am Institut für Mikrobiologie arbeiten gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Pharmazie sowie der Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck an Alternativen. „Antibiotika werden derzeit weltweit oft falsch und zu unvorsichtig angewendet und somit vergeudet“, betont Vrabl, Hertha Firnberg-Stipendiatin des Wissenschaftsfonds FWF

Potenzial erforschen

Pilze sind die Gruppe von Organismen, die bereits zur Herstellung von Antibiotika wie Penicillin industriell genutzt werden. Jedoch wurde das enorme Potential dieser Organismen unter bisherigen Kultivierungsbedingungen bei weitem noch nicht ausgeschöpft, da viele Stoffwechselwege unter Laborbedingungen nicht entdeckt und daher nicht aktiviert werden konnten. „Um diese bisher ungenützten Möglichkeiten zur Produktion neuer wirksamer Substanzen für die Medizin und landwirtschaftliche Produktion zu eröffnen, bedarf es eines besseren Verständnisses der genauen Abläufe im Stoffwechsel von Pilzen“, erklärt die Wissenschaftlerin. In einem FWF-Projekt wollen die Projektpartner neue bioaktive Pilzmetaboliten untersuchen, um Möglichkeiten zur Bekämpfung multiresistenter Keime zu finden. „Zum einen untersuchen wir einen Pilz, der bereits zur kommerziellen Produktion von Wirkstoffen gegen Schadinsekten in der Landwirtschaft genutzt wird und der auch für die Krebstherapie interessante Substanzen ausscheidet“, so Vrabl, die sich weiters auf die Untersuchung eines Schimmelpilzes spezialisiert hat, der eine vielversprechende Substanz produziert und so zu einem möglichen Anwärter für ein neues Antibiotikum wird. Aufbauend auf ihren Erkenntnissen in der Forschung liegt der Mikrobiologin auch die Bewusstseinsbildung am Herzen, insbesondere bei jungen Menschen. „Unser primäres Ziel ist es, das Thema ‚Antibiotika und Antibiotikaresistenzen‘ in Schulen zu bringen. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass jede und jeder dazu beitragen kann, den falschen Gebrauch von Antibiotika und die damit einhergehende erhöhte Resistenzbildung in Schach zu halten“, betont Vrabl.

Mit anderen Augen

Multiresistente Erreger halten sich an keine Landesgrenzen. Durch die zunehmende Globalisierung und Mobilität der Menschen können sich Erreger verhältnismäßig schnell über die Kontinente ausbreiten. „Die teils unvorsichtige Handhabung von Antibiotika in Landwirtschaft oder Medizin in manchen Regionen hat daher direkte Konsequenzen für den Rest der Welt“, erläutert Vrabl. Fragen nach den Ursachen der zunehmenden Antibiotikaresistenzen, wer betroffen ist, wer welche Interessen verfolgt, wer profitiert und welche Kosten dies verursacht, werden derzeit auf vielen Ebenen diskutiert. Seit vergangenem Juni beschäftigen sich die Forscherinnen und Forscher gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schulen in Tirol und Vorarlberg mit dieser Thematik. Mittels des didaktischen Tools der rollenbasierten Podiumsdiskussionen wollen Pamela Vrabl und Konstantin Sagmeister die zugrunde liegenden sozioökonomischen und geopolitischen Dynamiken aufzeigen. „Die Schülerinnen und Schüler schlüpfen in unterschiedliche Rollen und erarbeiten deren Positionen, beispielsweise die der Landwirtschaft, der Pharmaindustrie und der Medizin sowie die Sichtweisen von Umwelt-NGOs, dem öffentlichen nationalen bzw. internationalen Gesundheitswesen oder der Politik. So setzen sie sich intensiv mit deren Problemen, Einstellungen und Interessen auseinander, entwickeln Argumentationen und stellen sich am Ende des Arbeitsprozesses in einer Podiumsdiskussion den anderen“, erläutert Sagmeister. In der Vorbereitung auf die einzelnen Rollen werden die Gruppen von Mentorinnen und Mentoren begleitet. Um die Schülerinnen und Schüler, die sich als Abschluss auf der Bühne mit den anderen „Meinungen“ auseinandersetzen, auch mental auf ihre Rolle vorzubereiten, schlüpfen sie auch in Requisiten. So wird noch deutlicher, dass sie hier nicht ihre private Meinung, sondern die Standpunkte ihrer Rolle repräsentieren. Treffen die konträren Positionen in der Diskussion aufeinander, entstehen nicht selten hitzige Debatten. Vorher ausgewählte Moderatorinnen und Moderatoren leiten die Diskussion und sorgen mit vorbereiteten Fragen für neuen Zündstoff, fassen Argumentationen zusammen oder beruhigen die Gemüter. „Aus didaktischer Sicht wird eben dieser Art des Wissenserwerbes großes Potenzial zugeschrieben, für die Teilnehmenden sehr nachhaltig zu sein. In eigenen Recherchen, durch Selbstreflexion und in der Interaktion mit anderen wird der Hintergrund jeder Rolle erörtert. Die Beteiligten lernen dabei schnell, dass es nicht nur eine Wirklichkeit gibt bzw. geben muss. Jeder und jede vertritt die Ansichten und Bedürfnisse ihrer Rolle auf dem Podium. So ermöglicht diese Methode ein tiefes Verständnis für die einzelnen vertretenen Positionen und deren Dynamiken und führt zu einer starken Verankerung des Gelernten“, erklärt der Dissertant des Bereiches „Didaktik der Naturwissenschaften, Geographie, Informatik und Mathematik“ am Institut für Fachdidaktik. Unterstützt werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei auch von Elisabeth Lukasser-Vogl, Geschäftsführende Obfrau im Verein „klasse!forschung“.

 

Rollenbasierte Podiumsdiskussion
Schülerinnen einer Tiroler Schule vertreten am Podium die erarbeiteten Standpunkte ihrer zugewiesenen Rollen. (Bild: Leiminger)

Bewusstseinsbildung

„Wir wollen einen Beitrag leisten, um möglichst früh zu informieren und auch zu ermutigen, erworbenes Wissen weiter zu verbreiten. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern helfen, zu kritischen Bürgerinnen und Bürger zu werden“, so Vrabl. Nicht nur die Aufklärung über die korrekte Handhabung von Antibiotika, sondern auch Informationen über Möglichkeiten zum Selbstschutz vor Infektionen sind für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Bedeutung. Schon alltägliche Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen können nämlich schon schützen. Neben der engagierten Wissensvermittlung arbeitet Vrabl mit ihrem Team weiter an der Erforschung möglicher neuer Mechanismen von bioaktiven Metaboliten. „Wir sind bemüht, das höchst brisante Thema nicht nur auf Forschungsebene, sondern auch im Austausch mit interessierten Schülerinnen und Schülern zu ergründen“, schließen Vrabl und Sagmeister.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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