Bohrplattform am Achensee
Das Geologen-Team entnahm unter anderem Sedimentkerne mittels der Bohrplattform aus dem Achensee: Eine „Geländestufe“ entpuppte sich als tektonische Bruchzone.

Erd­­beben-Bruch­­zone im Achen­­see ent­­deckt

Geologen der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie des Instituts für Geologie sind bei Profilmessungen im Achensee zufällig auf eine ungewöhnliche Geländestufe im Untergrund des Sees gestoßen. Die Analysen ergaben, dass es sich dabei um eine tektonisch aktive Bruchzone handelt, die vergangene Starkbeben ausgelöst hat.

Das Team entdeckte somit erstmals eine für prähistorische Starkbeben ursächliche tektonische Bruchzone innerhalb der Alpen und liefert ein Starkbeben-Archiv der letzten circa 17.000 Jahre für das Tiroler Unterland.
Der Achensee stand im Mittelpunkt einer Lehrveranstaltung zum Thema Angewandte Geophysik unter der Leitung von Michael Strasser und Jasper Moernaut im Jahr 2016. Die Studierenden sollten den Untergrund des Sees anhand von akustischen Profilmessungen (Reflexionsseismik) möglichst genau abbilden. „Dabei entdeckten wir überraschenderweise eine ungewöhnliche Geländestufe im Untergrund des Sees, für die wir zunächst keine Erklärung hatten. Diese Stufe weckte meine Neugier“, erzählt Patrick Oswald, Doktorand in der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie der Universität Innsbruck und Hauptautor der kürzlich veröffentlichten Studie. Zahlreiche sorgfältige Untersuchungen an den akustischen Profilen und die Analyse von bis zu 11 Meter langen Bohrkernen aus dem Sediment des Achensees folgten. Die Sediment-Bohrkerne durchörtern einen der drei Zeithorizonte, an denen ein sprunghafter Versatz entlang der Geländestufe auftritt und der somit auch mittels der Radiokarbon-Methode altersdatiert werden konnte. „Wir konnten zeigen, dass es sich bei der ‚Geländestufe‘ im Achensee um eine tektonische Bruchzone handelt, die durch Versätze während Erdbeben entstanden ist. Insgesamt drei Starkbeben mit einer Moment-Magnitude von circa 6 bis 6,5 konnten wir in den Sediment-Schichten des Sees an dieser Bruchstelle abschätzen. Die Erdbeben unterhalb des Achensees fanden innerhalb der letzten 17.000 Jahre statt, zuletzt aber vor circa 8.300 Jahren“, erklärt Patrick Oswald die Ergebnisse der Studie. „Im geologischen Sinne gilt diese Bruchzone daher als tektonisch aktiv, da innerhalb der letzten 10.000 Jahre Starkbeben stattgefunden haben.“
Neben diesen Starkbeben unterhalb des Achensees fanden die Geologen Belege in Form von Unterwasser-Rutschungen und kollabierenden Küstenteilen für weitere acht Erdbeben. Diese acht Erdbeben ereigneten sich sehr wahrscheinlich in der weiteren Umgebung des Achensees, jedoch waren sie entweder zu schwach, um an der Oberfläche Versätze auszubilden oder mögliche Spuren an Land wurden von Erosion bzw. menschlichen Veränderungen verwischt. Zeitlich fallen sie aber zum Beispiel mit dem berühmten Erdbeben in Hall von 1670 zusammen, das etwa durch Inschriften am Goldenen Dachl in Innsbruck oder durch dokumentierte Gebäudeschäden in der Innenstadt von Hall sehr gut überliefert ist.

Die Tiefenkarte des Achensees aus der Vogelperspektive mit der interpretierten aktiven Bruchzone und den Abrisskanten einiger subaquatischer Rutschungen. Grafik: Patrick Oswald

Erstes Erdbeben-Archiv für das Tiroler Unterland


Das Inntal ist bekannt für seine gehäufte Erdbeben-Aktivität und es gibt sehr gute historische Dokumentationen der letzten circa 1.000 Jahre, die jedoch nicht die verursachende Bruchzone entschlüsseln. Hinzu kommt, dass solche Starkereignisse nur alle 1000 bis 2000 Jahre auftreten, was zu großen Unsicherheiten führt über die maximale Magnitude, Häufigkeit und an welchen tektonischen Bruchzonen sie stattfinden können. „Die Entdeckung dieser aktive Bruchzone in den Seesedimenten des Achensees ist daher für ein besseres Verständnis der tektonischen Geschichte der Alpen von besonderer Bedeutung. Damit können wir ein erstes paläoseismologisches Archiv für das Tiroler Unterland vorlegen, wo bisher keine Informationen zu prähistorischen Erdbeben vorhanden waren. Die Erdbeben-Häufigkeit ist jener im Tiroler Oberland ähnlich“, verdeutlicht Jasper Moernaut vom Institut für Geologie.
Seen bilden für die Erbebenforschung ein einzigartiges Archiv, da sie nicht von der an Land stattfindenden Erosion und menschlichen Veränderung betroffen sind. „Die einzelnen Sediment-Schichten, die sich Jahr für Jahr am Seegrund seit dem Rückgang der Gletscher ablagern, geben wertvolle Hinweise über klimatische und ökologische Bedingungen, die weit über historische Aufzeichnungen hinaus reichen. In den Sedimentabfolgen des Achensees können wir Unterwasser-Rutschungen finden, die durch vergangene Starkerdbeben ausgelöst wurden. Diese können auch weite Küstenabschnitte unstabil machen und unerwartet große Wellen erzeugen. Historische Ereignisse am Wörthersee, Genfersee oder Vierwaldstättersee verdeutlichen, dass man sich bei einem Starkbeben von der Küstenlinie fernhalten sollte“, ergänzt Michael Strasser, Leiter der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie und der Austrian Core Facility für wissenschaftliche Bohrkernanalysen an der Universität Innsbruck. „Mit diesen neuen Informationen möchten wir dazu beitragen, künftige Erdbebengefahren in den dicht besiedelten Alpentälern besser abschätzen und prognostizieren zu können. Erdbeben dieser Stärke sind zwar selten, können aber verheerende Folgen haben.“
In einer im Frühjahr erschienenen Studie fand die Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie erstmals die Ursache für die Bergstürze Fernpass und Tschirgant ebenfalls in prähistorischen Starkbeben im Alpenraum.

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