Ausstellung
Othmar Barth meets Leopold Gerstel ... in Innsbruck.
Architektur als Lehre
Eröffnung:
am Donnerstag, den 5. März 2026
im Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Ebene 6 im Adambräu
Lois Welzenbacher Platz 1, Innsbruck
Othmar Barth (1927–2010) und Leopold Gerstel (1925–2010) – zwei Professoren an der Architekturfakultät der Universität Innsbruck prägten eine ganze Architektengeneration. Barth, seit 1975 am Institut für Architektur, Raumgestaltung und Entwerfen, hörte Gastvorträge seines Kollegen Gerstel im März 1976. Gerstel war einer Einladung des Dekans Robert Weinlich nach Innsbruck gefolgt. Barth integrierte Gerstels Ausführungen sofort in seine Vorlesung und zitierte den Kollegen ausführlich zum Thema Siedlungsbau als städtebaulichen Aktivator mit dem Fokus auf einzelne Motive funktionierenden Stadtstrukturen.
Leopold Gerstel lebte zu dieser Zeit in Haifa, wo er seit 1955 ein Architekturbüro betrieb, und am Technion unterrichtete. Gerstel schien nicht nur bei den Studierenden in Innsbruck bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, denn für das Wintersemester 1977/1978 erhält er eine Gastprofessur in Innsbruck. Zur ordentlichen Professur in Tirol kommt es allerdings noch nicht, der Kontakt unter den Kollegen Barth und Gerstel bleibt aber bestehen. So finden sich im Nachlass von Othmar Barth Textmanuskripte von Leopold Gerstel wie „Das Gehen in der Stadt – ein surreales Erlebnis. Entwicklungsstufen eines städtebaulichen Projekts", die eine Vorstufe für den bekannten Surrealismusvortrag im Herbst 1979 darstellen. Barth wiederum antwortet auf Gerstels Analyse des Durchwanderns der vielgestaltigen Stadt im Sinne Walter Benjamins in seiner Vorlesung: “Integrated planning. Surrealismus in der Stadt. Historizismus“ und greift dessen Ansatz auf: „Eine klare Stadt ist diejenige, die man immer von Neuem entdeckt. […] die, an welche man sich nach Jahren sehnsüchtig erinnert! Architektur soll eine langsame, ehrliche, unspektakuläre Evolution […] sein!“
Erst im September 1982 wird Leopold Gerstel schließlich nach Innsbruck gerufen und ist bis 1993 Professor und Vorstand am Institut für Gebäudelehre und Wohnbau der Universität Innsbruck. Wir er selbst Innsbruck wahrnahm, beschreibt er in seiner Rede im Rahmen der Architekturtage 2002: „Dass man von fast überall gewaltige Naturerscheinungen – Berge im Hintergrund – sieht, könnte meines Erachtens ein unterbewusstes Anerkennen der Kleinheit des Menschengemachten zur Folge haben, was im Allgemeinen zu einer Art intellektueller Bescheidenheit gegenüber der Natur führen könnte. Die Präsenz des größten Gebäudes ist fast nichts, verglichen mit dem kleinsten Berg.“ Obwohl er durchaus Wettbewerbe gewann, wie zum Beispiel 1983 wie auch 1985 den ersten Preis für seinen Rathaus-Beitrag, wurde wenig von ihm gebaut. Die Architektenschaft stellte sich im Rahmen einer Neuausschreibung des Rathaus-Wettbewerbs Anfang 1990 geschlossen hinter Leopold Gerstel und forderte die Realisierung seines Entwurfs gegen den Willen der Stadtpolitik. Ohne Erfolg. Sein nicht prämierter Beitrag zum Wettbewerb der Neugestaltung des Innsbrucker Bahnhofs erreichte keinen Preis, aber Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Gerstel setzte mit einem roten Hochbau auf einen städtebaulichen Akzent als Endpunkt der Salurner Straße, die die Hauptachse zum Bahnhof bilden sollte. Die HBLA (heute HLWest), der einzig realisierte Bau nach Gerstels Entwürfen in Tirol, zeigt das Raum- und Wegverständnis des Architekten. Auch dieses Schicksal teilen der Südtiroler Barth und der in Israel beheimatete Gerstel: Die Skischule in Stams war Othmar Barths einziger Auftrag in Tirol.
„Darüber, was mit Formen ausgedrückt werden kann, soll nicht geredet werden.“ – so Gerstel. Hingegen zeigt er – wie auch Kollege Barth – eine große Fähigkeit zur Sprache über Architektur. Die Ausstellung im 6. Stock des Archiv für Bau.Kunst.Geschichte und eine begleitende Publikation konzentrieren sich auf die Vorlesungen, Vorträge und Aufzeichnungen der Architektenkollegen Othmar Barth und Leopold Gerstel. Mehr als ein Jahrzehnt sprechen beide über Architektur und Städtebau, werfen Fragen zur Raumgestaltung auf und erzählen von eigenen Raum- und Architekturerlebnissen. Scharfe Analysen, Referenzen auf die Architekturtheorie und -geschichte reihen sich neben emphatische Schilderungen von Begegnungen mit Architektur und Stadt. In hoher Textqualität, teils in knappen Aphorismen oder illustriertem Vortragsstil, vermitteln ausgewählte Passagen von Barth und Gerstel ein ganz spezifisches und doch auch zeitloses Verständnis von Architektur.
Das Ausstellungsprojekt bezieht sich auf Ergebnisse eines FWF Projekts von Mathieu Wellner zu Leopold Gerstel sowie auf Seminare „Kuratorische Praxis“ mit Studierenden an der Universität Innsbruck von Mathieu Wellner und Hilde Strobl.

