Die Bautätigkeit der Oesterreichisch-Ungarischen Bank und der Oesterreichischen Nationalbank im europäischen Kontext (1878–1938)
GEFÖRDERT DURCH DEN JUBILÄUMSFONDS DER OESTERREICHISCHEN NATIONALBANK – PROJEKT-NR. 18975

Tresore & Co.

Tresortüre für die Filiale Villach. Zeichnung der Firma F. Wertheim & Co., 1911. © OeNB/Bankhistorisches Archiv
Panzerfensterladen für die Filiale Villach. Zeichnung der Firma F. Wertheim & Co., 1911. © OeNB/Bankhistorisches Archiv

Unter Tresoren stellen wir uns massiv gesicherte Räume in den Untergeschossen einer Bank vor, die von schweren Panzertüren gesichert und von Wachleuten ständig observiert werden. Doch so, wie die Filialen der Oesterreichisch-ungarischen Bank keine Geldpaläste waren, entsprechen sie auch hinsichtlich ihrer Sicherheitsvorkehrungen nicht unseren gängigen Vorstellungen eines Geldhauses: Ihre Tresore lagen im Hauptgeschoss direkt neben den Geschäftsräumen und öffneten sich gar mit einem dazu noch meist unvergitterten Fenster zur Straße oder zum Hof!

Doch bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges sind nicht einmal Versuche überliefert, einen dieser Tresore zu knacken – was deutlich unter Beweis stellt, dass die getroffenen Maßnahmen durchaus den Ansprüchen ihrer Zeit genügten: In Österreich-Ungarn herrschten andere Verhältnisse als in den Vereinigten Staaten, wo bereits legendäre Bankeinbrüche stattgefunden hatten. Außerdem hatte das Noteninstitut der Donaumonarchie lange Zeit einen deutlich geringeren Geschäftsumfang als etwa die Banque de France oder die Deutsche Reichsbank. Erst durch den Giroverkehr mussten allmählich immer größere Barbestände bereitgehalten werden. Nummerierte Aktien und personalisierte Wechsel aber waren für Einbrecher wertlos, so dass Aufwand und Risiko eines Einbruchs lange Zeit nicht lohnten.

Sicherung von Wänden und Decke des Tresors der Filiale Lemberg mit Kreuzstahlschienen. Zeichnung der Firma Arnheim, 1911. © OeNB/Bankhistorisches Archiv, bearbeitet von Tobias Möllmer
Tresortür der Filiale Lemberg. Zeichnung der Firma Arnheim, 1911. © OeNB/Bankhistorisches Archiv, bearbeitet von Tobias Möllmer

Die Sicherung der Tresore der Oesterreichisch-ungarischen Bank war zu ihrer Entstehungszeit durchaus vorbildlich: Beim Bau der Häuser wurden alte Eisenbahnschienen oder Kreuzstahlschienen der Firma Arnheim (Budapest) verwendet, mit denen Decken und Wände gesichert wurden. Die renommierten Firmen F. Wertheim (Wien) und S. J. Arnheim lieferten die massiven Panzertüren. Sie konnten nur mittels zweier oder dreier Schlüssel geöffnet werden, welche der Vorstand, der Adjunkt sowie ein dritter Beamter zu verwahren hatten: Geschäftsbeginn und -schluss waren daher immer mit der Zeremonie des gemeinschaftlichen Auf- und Abschließens verbunden. Dies umfasste auch die im Tresor aufgestellte, ebenfalls durch mehrere Schlösser gesicherte Depotkasse, in der Goldmünzen, Banknoten, Aktien, Wechsel und sonstige Wertpapiere sowie die Tageskasse verwahrt wurden. Geöffnet wurde am Morgen auch der Panzerfensterladen, mit dem nachts das obligatorische Fenster gesichert war. Lag es zu nahe über dem Boden, war es zusätzlich mit einem Fenstergitter bewehrt.  

Damit waren die Schutzvorkehrungen aber noch nicht erschöpft: Integraler Bestandteil der Sicherheitsarchitektur war das stets neben dem Tresor angeordnete Schlafzimmer des Dieners oder Portiers, der bei auffälligen Geräuschen unmittelbar zu handeln hatte. Nach wenigen Jahren der Bautätigkeit wurden die menschlichen Sinne durch Hörrohre oder Alarmapparate mit Sensoren verstärkt, die an der Depotkasse angebracht und mit der Wohnung des Dieners verknüpft waren.

Die so ausreichend gesicherten Tresore wurden bis in die 1920-er Jahre unverändert beibehalten und erst allmählich von den Nachfolgeinstitutionen der Oesterreichisch-ungarischen Bank nachgerüstet.

Alarmapparat „Argus“ für die Depotkasse der Filiale Bodenbach, 1911. © OeNB/Bankhistorisches Archiv
Briefkopf der Firma F. Wertheim & Co., Hauslieferant der OeUB für Tresore. © Oesterreichische Nationalbank
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