Die Bautätigkeit der Oesterreichisch-Ungarischen Bank und der Oesterreichischen Nationalbank im europäischen Kontext (1878–1938)
GEFÖRDERT DURCH DEN JUBILÄUMSFONDS DER OESTERREICHISCHEN NATIONALBANK – PROJEKT-NR. 18975
Bauprogramm
1895 beschloss die Geschäftsleitung der Oesterreichisch-Ungarischen Bank, ihre damals 57 Filialen nicht länger in angemieteten Räumlichkeiten unterzubringen, sondern sukzessive durch eigene Gebäude zu ersetzen. Vorbild dafür waren andere europäische Notenbanken wie die Deutsche Reichsbank, die Banca d’Italia und die Banque de France. Die Filialneubauten sollten nicht nur großzügige und zweckdienliche Geschäftsräume, sondern auch Wohnungen für den Direktor und den Adjunkten – seinen beigeordneten Gehilfen und Stellvertreter – sowie Hausmeister oder Diener bereitstellen. Beabsichtigt war dadurch, dem Personal in abgelegenen Provinzstädten mit geringem Angebot an Mietraum eine angenehme Lebensführung zu garantieren und damit für eine größere Bindung des Personals an seinen Arbeitgeber zu sorgen.
Nachdem in Krakau und Prag repräsentative ältere Gebäude angekauft und umgebaut worden waren, diente der ab 1895 geplante erste Neubau einer Filiale in Czernowitz als Präzedenzfall und Modell für alle weiteren Bauprojekte.
Mit den Neuverhandlungen der Bankstatuten zwischen Österreich und Ungarn in den Jahren 1887, 1899 und 1911 war jeweils die Verpflichtung zur Eröffnung weiterer Filialen verbunden. Meistens wurde unmittelbar nach der Entscheidung für die Aktivierung einer Filiale mit der Planung für einen Neubau begonnen und das Eingehen neuer Mietverhältnisse nach Möglichkeit verhindert.
Der Erste Weltkrieg und die Aufteilung Österreich-Ungarns in zwölf unabhängige Staaten setzte eine Zäsur unter dieses ambitionierte Bauprogramm: Bis 1918 waren 97 Neubauten oder Umbauten fertiggestellt oder noch im Bau, lediglich sechs Filialen standen noch in einem Mietverhältnis, und der Ersatz von inzwischen zu klein gewordenen Neubauten hatte ebenfalls bereits begonnen. Mit dem Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye (1920) wurde der Verkauf der Filialgebäude der Oesterreichisch-ungarischen Bank an die Nachfolgestaaten der k.u.k. Monarchie bzw. deren neue Nationalbanken beschlossen; neben der Hauptanstalt Wien verblieben nur sechs eigene Bankhäuser auf dem Staatsgebiet von Österreich – in Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg und Villach.
Mit der Neugründung der Oesterreichischen Nationalbank 1923 wurde nicht nur in Wien eine neue Hauptanstalt errichtet, man schuf auch drei neue Filialgebäude an symbolträchtigen Standorten der jungen Republik – im amputierten Bundesland Tirol (Innsbruck), dem davon unabhängig gewordenen Vorarlberg (Bregenz) sowie dem aus den deutschsprachigen Gebieten Westungarns neu gebildeten Burgenland (Eisenstadt).





