vorgestellt_edenhofer.jpg
Frank Edenhofer ist seit Herbst 2015 Professor in Innsbruck.

Vorgestellt: Der Zell­program­mierer

Wie entsteht ein Organismus aus einer befruchteten Eizelle? Wie können Stammzellen in der Medizin eingesetzt werden? Diese und ähnliche Fragen beschäftigen Frank Edenhofer, seit Herbst 2015 Professor für Genomik in Innsbruck. Mit seiner Forschung an Stammzellen hilft er mit, Teilbereiche der Medizin zu revolutionieren.

Stammzellen: Sie können praktisch jede andere Zelle des Körpers bilden – und sind damit Hoffnungsträger für eine ganze Reihe von Therapien für bislang nicht heilbare Krankheiten. „Aus Stammzellen gezüchtete Zellen können mitunter fehlerhafte oder kranke Zellen ersetzen und so zur Heilung von Krankheiten beitragen“, sagt Prof. Frank Edenhofer. Er ist seit Herbst 2015 Professor für Genomik am Institut für Molekularbiologie, forscht unter anderem an Stammzellen – und hat eine Methode weiterentwickelt und patentiert, mit der aus normalen Zellen, konkret Hautzellen, Gehirnstammzellen gezüchtet werden können.

Schwierige Forschung

Forschung an Stammzellen, die im Fall von embryonalen Stammzellen aus Embryonen entnommen werden, ist stark reglementiert und immer wieder Gegenstand ethischer Diskussionen. Mit der künstlichen Herstellung von Stammzellen, in diesem Fall von Gehirnstammzellen, umgehen die Innsbrucker Forscherinnen und Forscher diese Probleme. „Wir entnehmen dem jeweiligen Patienten einige Millimeter Haut und züchten aus diesen Hautzellen neurale Stammzellen“, erklärt Frank Edenhofer. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dadurch, dass das Gewebematerial direkt vom Patienten selbst stammt, sind Abstoßungserscheinungen ausgeschlossen, zudem können die reprogrammierten Stammzellen sogar eingefroren und später erneut verwendet werden – was etwa die Möglichkeit schafft, sich in jungem Alter Stammzellen züchten zu lassen, die man Jahrzehnte später, wenn eine neurodegenerative Erkrankung auftritt, zur Heilung verwenden kann. „Neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer oder auch chronisch-entzündliche Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose sind heute mit gängigen Mitteln nicht heilbar, die Medizin kann sie höchstens lindern. Mit einer Behandlung mit fetalen Stammzellen direkt am Gehirn kann ein Fortschreiten von Parkinson bei betroffenen Patienten bereits heute aufgehalten werden. Diese Methode ist allerdings aufgrund der dafür benötigten fetalen Zellen in ethischer Hinsicht nicht akzeptabel.“ Bevor die von Frank Edenhofer und seinem Team entwickelte Methode zur Züchtung von neuralen Stammzellen bei der Behandlung von Patienten eingesetzt werden kann, sind noch weitere Versuche notwendig. „Zusätzlich zu noch nötigen funktionellen Tests muss die Methode auch zu erschwinglichen Bedingungen biotechnologisch umgesetzt werden – wir arbeiten dafür bereits mit Firmen zusammen“, sagt der Zellbiologe und Biomediziner. „In zehn, längstens fünfzehn Jahren werden wir diese Zellen in Kliniken im Einsatz haben.“

Durch die Arbeit von Forscherinnen und Forschern weltweit, nicht zuletzt von Frank Edenhofer und seinem Team, ist es inzwischen möglich, im Labor aus jeder beliebigen Zelle jedes Menschen praktisch jeden anderen Zelltyp herzustellen; so können Forscher auch Medikament-Versuchsreihen wesentlich zuverlässiger planen und ausführen. „In der medizinischen Forschung sind Tierversuche weit verbreitet und unerlässlich. Diese Versuche lassen aber immer eine bestimmte Lücke, was ihre Aussagekraft betrifft – ein tierischer Organismus verhält sich anders als ein menschlicher, bestimmte zelluläre Vorgänge könnten wir nur an Menschen zuverlässig testen“, erklärt Frank Edenhofer. Diese Lücke kann mit Stammzellen geschlossen werden: Mit ihnen ist es möglich, krankes menschliches Gewebe im Labor nachzubilden und daran zu testen, wie sich bestimmte Behandlungsschritte und Medikamente auswirken. „Ein Beispiel wäre etwa die Krebstherapie: Viele Chemotherapeutika wirken sich zum Beispiel negativ auf das Herzmuskelgewebe aus, was dazu führen kann, dass während der Behandlung das Medikament geändert werden muss, was wiederum sehr unangenehm für den Patienten sein kann. Der Arzt hat allerdings keine Möglichkeit, davor zu wissen, ob sein Patient diese Nebenwirkungen zeigt oder nicht“, sagt der Zellbiologe. Im Labor kann nun Herzmuskelgewebe von Patienten nachgebildet werden, die von diesen Nebenwirkungen betroffen sind – und so finden die Forscher idealerweise Gemeinsamkeiten, die in weiterer Folge erlauben, zukünftig mit einem einfachen Test schon im Vorfeld einer Krebstherapie feststellen zu können, ob eine Patientin oder ein Patient Herzmuskelprobleme bekommen wird oder nicht und so gleich bestimmte Chemotherapeutika auszuschließen.

Grundlagenforschung

Aber nicht nur in der angewandten Forschung ist Edenhofer aktiv: „Die Entwicklungsbiologie ist ein unglaublich spannendes Feld – wir sind gerade erst dabei, Lücken zu schließen. Warum entwickeln sich einzelne Zellen überhaupt zu komplexen Gewebeverbänden und daraus Organismen? Viele Teilprozesse verstehen wir noch zu wenig.“ Erst kürzlich konnte Frank Edenhofer mit seinem Team ein speziesübergreifendes Phänomen bei der Embryonalentwicklung erklären: „Viele Tiere – allerdings nicht der Mensch – kennen eine Art ‚Schlafzustand’ in der Entwicklung eines Embryos, die sogenannte Diapause. Wenn die Umweltbedingungen für die Mutter nicht mehr stimmen, sie etwa zu wenig Nahrung erhält, kann das Wachstum des Embryos einfach gestoppt werden und wird später fortgesetzt, als wäre nichts geschehen. Ähnlich ungünstige Umweltbedingungen führen beim Menschen zum Tod des Embryos. Das Protein, das dieses Verhalten regelt, konnten wir eindeutig identifizieren und es ist nicht ganz ohne Zufall ein Protein, das auch bei der Reprogrammierung von Zellen eine bedeutende Rolle spielt.“

Zur Person

Frank Edenhofer (*1968 in München) studierte Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und ging nach seiner Promotion in Biochemie als Post-Doc an die Universität zu Köln. „Chemie ist eine exakte Wissenschaft, die Regeln, nach denen man arbeitet, sind klar; allerdings spielt auch das Spontane, Unerwartete eine wichtige Rolle – das entspricht meinem Temperament“, sagt er. „Ursprünglich war ich von der Astronomie sehr fasziniert – jedenfalls immer schon von den Naturwissenschaften. Astronomie hatte ich auch im Abitur – und auch wenn das nicht unmittelbar auf der Hand liegt, es gibt erstaunliche Analogien zwischen dem Blick in das All durch ein Teleskop und auf Zellen durch ein Mikroskop.“ Im Jahr 2002 erhielt Edenhofer den Nachwuchsforscherpreis des Landes Nordrhein-Westfahlen, der ihm die Leitung einer eigenständigen Arbeitsgruppe am Institut für Rekonstruktive Neurobiologie des Stammzellforschers Oliver Brüstle in Bonn ermöglichte. Von dort wechselte er 2012 an die Universität Würzburg, wo er als Professor eine Stammzellgruppe etablierte, seit Herbst 2015 ist er nun Professor am Institut für Molekularbiologie in Innsbruck und baut hier die neue Forschungsgruppe „Genomik, Stammzellenbiologie und Regenerative Medizin“ auf, die er auch in der Lehre repräsentiert.

Links

  • Nach oben scrollen