Manfred Kleidorfer
Mit Stauden bepflanzte Tiefbeete und Mulden bilden sogenannte "Regengärten", in denen Wasser versickern kann.

Voraus­schau­ende Infra­struk­tur

Bedingt durch den Klimawandel wird sich auch das Wetter ändern und häufigere und intensivere Starkregenereignisse werden wahrscheinlicher. Auch die bestehende Infrastruktur muss an die sich ändernden Bedingungen angepasst werden.

Kurze aber intensive Gewitterschauer bringen die städtischen Kanalnetzte immer wieder an ihre Grenzen und lokale Überschwemmungen sind die Folge. Noch passiert dies in einem vertretbaren Ausmaß, doch rechnen Expertinnen und Experten mit einer Erhöhung der Niederschlagsintensität und häufigeren extremen Wetterereignissen. Manfred Kleidorfer, Professor am Institut für Infrastruktur, beschäftigt sich mit urbanen Abwassersystemen und deren Anpassung an klimatische Erfordernisse. „Basierend auf der Analyse unterschiedlicher Klimaszenarien erwarten wir langfristig häufiger sogenannte urbane Sturzfluten. Bis zu einer gewissen Häufigkeit ist eine kurzfristige Überlastung der Systeme verkraftbar und einkalkuliert. Mit Blick auf die Zukunft müssen wir aber daran arbeiten, die urbane Infrastruktur vermehrt auf solche Ereignisse vorzubereiten“, erklärt Manfred Kleidorfer. In den Forschungen der Siedlungswasserwirtschaft wird jedoch nicht nur der Klimawandel berücksichtigt. Auch die Landnutzung sowie das Bevölkerungswachstum beeinflussen die Planungen der urbanen Infrastruktur, und haben insbesondere auch einen großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Kanalsysteme. „Städte wachsen, Wohnraum wird verdichtet und Flächen werden versiegelt. Damit kommt es zu größeren Abflussmengen, mit denen man umgehen muss“, so der Experte, der betont, dass bereits viel getan und umgesetzt wird, jedoch eine kontinuierliche Anpassung sowie die Erforschung weiterer innovativer Lösungen notwendig ist. „Frühzeitig wohl überlegte Adaptierungs- und Präventionsmaßnahmen können die Widerstandsfähigkeit der Systeme verbessern und den urbanen Lebensraum schützen. Obwohl es bereits Untersuchungen über solche in Frage kommenden Maßnahmen gibt, weiß man doch noch wenig über deren weitläufigere Auswirkungen. Beispielsweise wirkt sich eine erhöhte Implementierung grüner Infrastruktur positiv auf die Grundwasserbilanz und die Erholung der Bevölkerung aus. Gleichzeitig ist gerade im urbanen, dicht besiedelten Raum der Platz dafür knapp und kostenintensiv“, verdeutlicht Kleidorfer.

Grüne Infrastruktur

Gründächer, Raingardens oder Gräben zur Versickerung von Regenwasser werden das städtische Bild zunehmend prägen. Das Ziel der Expertinnen und Experten im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft ist die Ableitung von Abwasser und Niederschlagswasser. „Regen, der über urbanen Gebieten fällt, kommt beispielsweise mit Dächern oder Straßen in Kontakt und wird verschmutzt. Dieses Wasser muss entweder in einer Kläranlage behandelt werden oder wird in dezentralen Versickerungsanlagen gereinigt“, so Kleidorfer. Dachwässer oder die Abwässer von Parkplätzen dürfen in der Stadt nicht mehr in die Kanalisation eingeleitet werden, sondern müssen vor Ort versickern. „In Innsbruck wird dieser Weg bereits konsequent verfolgt und ein kontinuierlicher Rückgang der an das Kanalsystem angeschlossenen befestigten Flächen wurde schon erreicht“, betont der Wissenschaftler, der empfiehlt, auch eine Möglichkeit zur Versickerung des Wassers von Straßen einzuführen. Durch das im Winter ausgebrachte Salz könne das Abwasser von Straßen derzeit noch nicht in Grünstreifen versickern, sondern muss noch in das Kanalsystem eingeleitet werden. Neben dem Ausbau von dezentralen Versickerungsanlagen werden bereits weitere Maßnahmen zur Bewältigung von Starkregenereignissen getroffen. Eine multifunktionale Flächennutzung soll einen Beitrag zur Vorsorge für Starkregenereignisse leisten. „Ein neuer Sportplatz kann beispielsweise etwas tiefer angelegt werden, damit er bei starkem Regen mit Wasser geflutet werden kann. Die multifunktionale Nutzung dieser Fläche ist sehr sinnvoll. Auch für Tiefgaragen gibt es bereits Konzepte, diese gezielt zu evakuieren und als Puffer für Wolkenbrüche zu verwenden“, verdeutlicht Kleidorfer. Mit den Forschungen möchten der Wissenschaftler und sein Team dazu beitragen, Umsetzungsempfehlungen für den Einsatz von grüner Infrastruktur zu liefern. 

Maßnahmen treffen

Wird es tendenziell trockener oder nasser? Zu wissen, wie sich das Klima lokal verändern wird und welche Tendenzen für die Region zu erwarten sind, ist für viele Entscheidungsträger zentral. „Mit unserer Forschung möchten wir Hilfsmittel zur Verfügung stellen, die den Verantwortlichen in Gemeinden Entscheidungen zur Optimierung von Infrastrukturen erleichtern sollen“, so der Experte für Siedlungswasserwirtschaft. Ein Leitfaden für kleinere und mittlere Gemeinden soll aufzeigen, welche Methoden es zur Behandlung von Niederschlagswasser gibt und welche für die jeweiligen Rahmenbedingungen empfehlenswert sind. Eine Besonderheit bei der Betrachtung siedlungswasserwirtschaftlicher Infrastruktur ist die lange Lebensdauer der Systeme von 100 Jahren und mehr. Eine vorausschauende Planung ist dabei von besonderer Bedeutung. Nicht nur aktuelle Schwachstellen sollen behoben, sondern auch mögliche zukünftige Probleme vermieden oder verhindert werden. Allein der Ausbau von Kanalnetzen sei nicht zielführend. „Das kann nicht nur eine Fehlinvestition, sondern kann auch schädlich sein. Bei zu geringen Fließgeschwindigkeiten des Abwassers in den Rohren der Kanalisation kann es zu Sedimentationsproblemen kommen, indem der Dreck nicht weitertransportiert werden kann und sich im Rohr absetzt“, erläutert Kleidorfer. Eine gezielte Beratung und Planung von Erneuerungen und Neubauten von Infrastruktur ist daher notwendig. Der Trend zum Einsatz von mehr Grünflächen hat für die Stadt viele zusätzliche positive Effekte. „Nicht nur Regenwasser kann hier behandelt werden. Auch Hitzeinseln in der Stadt werden bekämpft und das städtische Klima verbessert“, so der Wissenschaftler. In seinen Forschungen untersucht Kleidorfer auch die Konsequenzen von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. „Es kann durchaus sein, dass wir diese heute noch nicht abschätzen können und später erneut Anpassungen zu den umgesetzten Maßnahmen vornehmen müssen. Veränderungen in der Wartung der Systeme könnte eine mögliche Konsequenz sein, für die erst das notwendige Knowhow entwickelt und qualifiziertes Personal ausgebildet werden muss“, verdeutlicht Kleidorfer. Alle Konsequenzen und notwendigen Vorkehrungen zur Begegnung der Auswirkungen des Klimawandels können heute noch nicht vollständig abgeschätzt werden. Die Forschung leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Schaffung innovativer Lösungen und bietet Unterstützung für kommunale Planer und Entscheidungsträger.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der „Zukunft Forschung“, dem Forschungsmagazin der Universität Innsbruck, erschienen. Eine digitale Version des Magazins ist hier zu finden.

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