Nicht brennbare Stoffe
Die Wissenschaftler*innen arbeiten an der Entwicklung von nicht brennbaren Stoffen, die beispielsweise zu Bettwäsche weiterverarbeitet werden.

Tex­tile Nach­haltig­keit

Nicht brennbare Stoffe, T-Shirts zum Messen von Körperfunktionen wie Temperatur, Herzfrequenz oder die Gewinnung von neuen Rohstoffen aus recycelten Textilien – am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik untersuchen die Wissenschaftler*innen unter der Leitung von Tung Pham gesellschafts- und umweltrelevanten Fragestellungen im Textilbereich.

Textil ist mehr als nur Stoff. Am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik in Dornbirn ergründen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle Facetten von Stoffen und untersuchen neue Möglichkeiten, Textilien zu recyceln und Fasern neu nutzbar zu machen. Ein Kleidungsstück besteht selten aus reinsortigem Material. Selbst bei einem Kauf von einem Produkt aus Baumwolle sind Knöpfe oder Nähte aus anderen Materialien und damit nicht einheitlich recycelbar. Im Textile Competence Center Vorarlberg (tccv) steht die Untersuchung von textilen Hochleistungsmaterialien im Fokus der Wissenschaft. „Eine der Fragen, mit der wir uns am tccv beschäftigen, ist, wie man die unterschiedlichen Komponenten trennen und wiederverwenden kann. Um Müll zu vermeiden könnte man bereits beim Design darauf achten, dass später die einzelnen Komponenten trennbar sind“, so Tung Pham, der Leiter des Instituts für Textilchemie und Textilphysik, der mit seinem Team daran arbeitet, aus Textilmüll den Rohstoff für neue Fasern wiederzugewinnen.

Faser im Kreislauf

Eine bei Wanderern beliebte Funktionsjacke ist ein komplexes Produkt aus Multi-Komponenten mit einer Hochleistungsbeschichtung, Membranen und anderen Materialien. Dazu kommen noch Klettverschlüsse oder ein Zip sowie Knöpfe. Auch eine klassische Wollmütze besteht meist aus einer Mischung aus Wolle und Polyamid-Fasern, um die Stärke und Festigkeit der Fasern zu gewährleisten. Eine Kappe wird stark beansprucht und muss neben Tragekomfort und die Regulation von Wärme und Feuchtigkeit auch weiteren Kriterien wie Festigkeit oder die Waschbarkeit des Produktes entsprechen. Wird die Kappe nicht mehr verwendet, können die Fasern nicht ohne Schäden wieder voneinander getrennt werden. Pham und sein Team haben nun ein neues Konzept entwickelt, um Wolle von Polyamid voneinander zu trennen und anschließend aus beiden Komponenten wieder neue Fasern zu spinnen. „Mit einem von uns entwickelten umweltfreundlichen Lösungsmittel ist es möglich, das Polyamid von Wolle zu trennen, um dann in einem weiteren Schritt daraus wieder eine Faser zu spinnen. Ähnliche Schritte wurden bisher mit zum Teil toxischen Chemikalien unternommen. In unserer Forschung setzen wir beispielsweise auf wasserbasierende Chemikalien“, so Pham, der erläutert, dass ein zentraler Schwerpunkt am Forschungsinstitut auf der Untersuchung der Chemie an den Grenzflächen zwischen unterschiedlichen Materialien liegt. In dem von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelten Lösungsmittel werden die verbindenden Wasserstoffbrücken zwischen den Polymerketten mit Ionen zerstört, ohne jedoch die Polymerstruktur zu schädigen. Nach der Trennung von Polyamid und Wolle können die Polymerketten wieder miteinander über Wasserstoffbrücken verbunden werden. „Das Ergebnis ist, dass wir wieder reine Wolle und reines Polyamid haben, um daraus wieder neue Stoffe herzustellen“, erläutert der Experte für Textilchemie und Textilphysik, der verdeutlicht, dass die Forschung in diesem Bereich noch weiter verstärkt werden soll. Das Ziel ist eine textile Zirkularität. „Es gibt bereits gute Konzepte um beispielsweise aus recyclierte PET-Flaschen Fasern zu produzieren. Aber aus polyamid-haltiger Textilien erneut Polyamid-Fasern herzustellen und so den Kreislauf zu schließen, das ist noch neu“, so Pham. Noch untersuchen die Expertinnen und Experten das Konzept im Labor, allerdings soll der Prozess in der Zukunft in der Industrie einsetzbar werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten auch daran, biobasierende Materialien so zu modifizieren, dass sie die Eigenschaften von Kunstfasern, wie etwa Hydrophobie oder eine ausgewogene Wärmeregulierung übernehmen. So wären die Stoffe auch natürlich und ohne aufwändige Trennung der Fasern abbaubar.

Lebensretter und Umweltschutz

Die Anwendungsfelder von intelligenten und technischen Textilien sind vielfältig: Sie liegen zum Beispiel in Medizin und Pflege. „Derzeit arbeiten wir an einem Konzept, um Schlaganfallpatienten in der Rehabilitation zu Hause mithilfe eines Sensors in einem T-Shirt, überwachen zu können. Gemessen werden EKG, Temperatur und Herzfrequenz. Die Herausforderung ist, dass die entsprechenden Leitungen zu den unterschiedlichen Sensoren nicht starr sein dürfen und dass der Tragekomfort des Kleidungsstücks noch gegeben ist“, erläutert Pham, der gerade mit seinem Team einen Prototyp der neuen Textil-Funktions-Bekleidung herstellt. In einem weiteren Bereich beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik in Dornbirn mit der Optimierung von Geotextilien. „Um Erdrutsch gerade nach Bauarbeiten zu verhindern, werden derzeit Maschendrahtnetze in Kombination mit einem Kunststoffaufbau eingesetzt, um die gesäten Pflanzen, die zur Stabilisierung des Hangs gepflanzt werden, zu schützen“, so Pham. In Forschungen am Institut werden Netze konstruiert, die sich nach zwei bis drei Jahren, nachdem die Bäume Wurzeln geschlagen haben, selbst abbauen.

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