Lauca Nationalpark
Der Lauca National Park ist der nördlichste Nationalpark Chiles und Biosphärenreservat der UNESCO.

Seen auf höchstem Niveau

Hochgebirgsseen sind nicht nur in den Alpen, sondern weltweit wichtige und bisher noch wenig erforschte Ökosysteme. Ruben Sommaruga, Professor am Institut für Ökologie, hat Seen in den Alpen, in Chile und in Äthiopien untersucht und miteinander verglichen.

Die Bale Mountains in Äthiopien und der Lauca National Park in Chile sind neben dem Gossenköllesee in den heimischen Stubaier Alpen wissenschaftlicher Schauplatz für die Untersuchungen von Ruben Sommaruga und seinem Team. Auf über 4.500 Meter Seehöhe befinden sich besondere Seen, die zwar sehr kalt, jedoch außergewöhnlich produktiv sind. „In den untersuchten Hochgebirgsseen in Chile finden wir eine extrem hohe Diversität, unzählige aquatische Pflanzen – Bedingungen, die in den alpinen Seen in unseren Breitengraden nicht vorkommen. Erstaunlicherweise fühlen sich auch Flamingos in diesen hoch gelegenen Seen wohl“, erklärt der Wissenschaftler. Mit der Frage, wie ähnlich oder unterschiedlich die Biodiversität in diesen Seen ist, begibt sich Sommaruga auf Forschungsreisen nach Äthiopien und Chile. „Auf den ersten Blick kann man die Seen nicht von jenen in den Alpen unterscheiden. Untersuchungen der chemischen Eigenschaften und der Prozesse in den Ökosystemen zeigen jedoch, dass kein See dem anderen gleicht“, führt Sommaruga aus. Mikrobielle Eukaryonten übernehmen eine Schlüsselfunktion in aquatischen Ökosystemen, wobei deren Diversität vor allem in Hochgebirgsseen, verglichen mit der marinen Umwelt, noch weitgehend unbekannt ist. Die niedrigen Wassertemperaturen sowie die hohe UV-Einstrahlung machen diese Seen zu herausfordernden Lebensräumen und erfordern spezielle molekulare und physiologische Anpassungen. „Gegensätzlich unserer Annahmen fanden wir in den untersuchten Hochgebirgsseen keine Hinweise darauf, dass sich mikrobielle Eukaryonten global verteilen können. Viel mehr fanden wir heraus, dass planktonische, also freischwebende Organismen, charakteristisch für die jeweilige geographische Region sind und einen individuellen Fingerabdruck hinterlassen“, erklärt der Wissenschaftler. Erstaunt ist Sommaruga über die Tatsache, dass diese Populationen in jeder Region der Welt unterschiedlich sind: „Es gibt nur äußerst wenige Arten, die man in allen Seen finden kann. Biogeographische Muster von Mikroorganismen konnten wir daher nicht bestätigen.“

Ruben Sommaruga untersuchte die Seen auch vor Ort. Wissenschaftliche Kooperationen sind für den Forscher wichtig.

Ruben Sommaruga untersuchte die Seen auch vor Ort. Wissenschaftliche Kooperationen sind für den Forscher wichtig. (Bild: Ruben Sommaruga)

Außergewöhnlich

Von null auf 4.500 Meter Seehöhe in nur fünf Stunden, stundenlange Ritte bei schlechtem Wetter auf kleinen Pferden zu den unzugänglichen Seen im Hochgebirge – Ruben Sommaruga zeigt mit seinem Einsatz in Chile und Äthiopien sein Forschungsengagement. Auf höchstem, nicht nur geographischen, Niveau führt der Wissenschaftler seine Untersuchungen durch. „Bei unseren Forschungen in den heimischen Alpen müssen wir in den nährstoffarmen Seen meist mühsam und mit dem Mikroskop nach den Gruppen von Organismen suchen. Im chilenischen Altiplano sind die Seen, zum Beispiel der Chungará – einer der höchstgelegenen Seen der Welt – ,viel produktiver als hier. Es ist unvorstellbar, wie viele Organismen dort leben und wie unterschiedlich groß sie sein können. Beispielsweise auch die bei uns heimischen Nostoc, eine normalerweise mikroskopische Gattung von Cyanobakterien, die Kolonien bilden, erreichen dort unglaublichen Dimensionen von bis zu zehn Zentimetern“, ist Sommaruga begeistert. Ein weiterer Unterschied zu alpinen Seen im Hochgebirge ist der Rhythmus der Durchmischung. Werden die Wasserschichten hochalpiner Seen nur zweimal jährlich durchmischt, findet dieser Prozess im untersuchten See in Chile, auch bedingt durch extremen Wind, täglich statt. „Die Witterungsbedingungen, der Seeboden mit vulkanischem Ursprung und die hohe Nährstoffkonzentration ermöglichen auch größeren Tieren einen angenehmen Lebensraum. Fische kommen in den hochgelegenen Seen in Chile in natürlichen Populationen vor und sind nicht, wie beispielsweise im Gossenköllesee, von Menschen eingesetzt“, so der Ökologe.

In Äthiopien waren die Seen nur auf Pferden erreichbar.
In Äthiopien waren die Seen nur auf Pferden erreichbar. (Bild: Ruben Sommaruga)

Rot, grün, transparent

Neben den Hochgebirgsseen untersucht Sommaruga auch kleine Tümpel, die sich im Gestrüpp der unwegsamen „Bofedales“ gebildet haben. „Hier finden wir extreme Ökosysteme für lebende Mikroorganismen. Die hohe UV-Belastung, extreme Temperaturschwankungen und Nährstoff- wie Kohlenstoffkonzentrationen sowie Sauerstoffbedingungen machen das Leben für Organismen zu einer großen Herausforderung“, führt der Ökologe aus. In manchen der Tümpel finden der Wissenschaftler und sein Team fast ein halbes Gramm pro Milliliter an organischem Kohlenstoff, eine Menge, in der sich nur noch ganz speziell angepasste Mikroorganismen vermehren können. „Rot, grün oder transparent – es ist wie das Zusammenstellen von einem Puzzle, wenn man herausfinden will, warum diese Tümpel innerhalb von kürzesten Entfernungen so heterogen sind“, erklärt Sommaruga. Die auch von dem Salzwasser aus der Laguna de Huasco gespeisten Tümpel sind, wie auch die anderen Hochgebirgsseen, gefährdet, da die Regierungen in Chile und Bolivien aus dem Wasser Lithium zur Produktion von Batterien extrahieren. Intensive Konflikte zwischen den Interessensgruppen werden dabei immer wieder ausgefochten. „Das hydrologische Gleichgewicht ist sehr fragil und wir hoffen, mit unserer Forschung dazu beizutragen, dass die Seen nicht weiter ausgebeutet werden“, so der Ökologe, dem auch viel daran liegt, direkt mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Ort zu kooperieren: „Ich halte nichts von Forschungs-Tourismus, bei dem Menschen in ein Land kommen, Proben nehmen und ohne Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen wieder verschwinden. Mir ist es wichtig, auch im Sinne der Internationalität, daran zu denken, dass manche Kolleginnen und Kollegen ohne Kooperationen nicht die geringste Chance zu einer solchen Forschungsarbeit haben. Wir möchten hier auch helfen, indem wir gemeinsam an der Wissenserweiterung arbeiten. Zudem könnte man so komplexe Arbeiten gar nicht ohne die Hilfe der Menschen vor Ort durchführen.“

Ruben Sommaruga untersucht die Biodiversität im See und interessiert sich auch für die Ökosysteme in den Tümpeln, die in den sogenannten „Bofedales“ eingeschlossen sind.

Ruben Sommaruga untersucht die Biodiversität im See und interessiert sich auch für die Ökosysteme in den Tümpeln, die in den sogenannten „Bofedales“ eingeschlossen sind. (Bild: Ruben Sommaruga)

Zur Person

Ruben Sommaruga schloss sein Studium der Biologischen Ozeanographie in Montevideo, Uruguay, im Jahr 1989 ab, bevor er an der Uni Innsbruck promovierte. Sein Interesse ann aquatischen Wissenschaften brachte ihn als Post Doc an mehrere Universitäten in Europa, den USA und Südamerika. Seine Habilitation im Fach Limnologie schloss er 1998 ab. Sommaruga, heute Professor und Vorstand des Instituts für Ökologie an der Uni Innsbruck, wurde bereits mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet.

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der „Zukunft Forschung“, dem Forschungsmagazin der Universität Innsbruck, erschienen. Eine digitale Version des Magazins ist hier zu finden.

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