Podiumsdiskussion beim Medientag 2016
Podiumsdiskussion mit (von links) Martin Blumenau (FM4), Knut Hickethier (Uni Hamburg), Moderator Georg Laich (ORF Tirol), Alexander Haas (LMU München), Clemens Pig (APA), Hermann Petz (Moser Holding).

Medien und Glaubwürdigkeit

Am 22. November fand der 12. Medientag des interfakultären Forums Innsbruck Media Studies (IMS) statt. Die Veranstaltung mit dem Motto „Medien und Glaubwürdigkeit: Zwischen ‚Lügenpresse‘, Kampagnenjournalismus und Aufklärung“ bot verschiedene Vorträge und Impulse von JournalistInnen, KommunikationswissenschaftlerInnen, MedienforscherInnen und Vertretern aus der Medienwirtschaft.

Der Medientag am 22. November 2016 stieß auf großes Interesse bei den Besuchern. Er wurde wieder in Kooperation mit der Moser Holding und der Austria Presse Agentur (APA) veranstaltet. Erstmalig wirkte auch der ORF Tirol als Medienpartner mit.

Bereits in der Eröffnung durch Rektor Tilmann Märk, IMS-Sprecher Theo Hug sowie Hermann Petz, Geschäftsführer der Moser Holding und Clemens Pig, Vorsitzender der Geschäftsführung der APA wurde die Wichtigkeit und Aktualität des Themas hervorgehoben.

Der Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli widmete sich im Eröffnungsvortrag der Glaubwürdigkeitskrise in Medien und Politik. Sarcinelli zitierte unter anderem Niklas Luhmann: „Was wir von der Gesellschaft und ihrer Welt wissen, wissen wir fast ausschließlich durch die Massenmedien“. Wir erleben derzeit eine Erosion von Sicherheit und Werten, dies erzeuge Orientierungslosigkeit. Sarcinelli stellte eine fortschreitende „Berlusconisierung“ von Medien und Politik fest. Damit verlören klassische Medien ihre Monopolstellung für Informations- und Meinungsvermittlung. Ersichtlich sei dies an den US-Präsidentenwahlen von Donald Trump, der durch Provokation Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erzeugen wisse. Der Experte sprach vom postfaktischen Zeitalter, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass Menschen eher Gefühlen als Fakten folgen. Der Begriff Lügenpresse erfährt derzeit eine Konjunktur. Die Parole, so Sarcinelli, sei nicht neu, sondern gehe zurück in die Zeit des Nationalsozialismus. Die Glaubwürdigkeitskrise sei besonders durch die einseitige mediale Darstellung der Flüchtlingskrise verstärkt worden. Die anfängliche Berichterstattung habe Fakten beschönigt. Abschließend forderte Sarcinelli professionellen kritischen Qualitätsjournalismus, der der Öffentlichkeit Raum gibt.

Die Parallelveranstaltungen boten interessante Einblicke in verschiedene Schwerpunkte. So befasste sich Martin Blumenau (FM4) mit dem Thema „Medien lügen. Immer.“. Blumenau erklärte die Bezeichnung soziale Medien für unpassend und schlug stattdessen die treffendere Übersetzung „gesellige Medien“ vor. Die Medienkrise führte er auf die Digitalisierung zurück. Die Glaubwürdigkeitskrise sei eine Vertrauenskrise der Jugend. Die Jugend habe Vertrauen aufgrund der Präsenz der Peergroup am ehesten in den Social Media. Vertrauen müsse über das Individuum hergestellt werden.

Ingrid Brodnig, die nicht persönlich anwesend sein konnte, stellte ihr Buch Hass im Netz. Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können über eine Videozuschaltung vor. Die Autorin zeigte auf, dass Hass und Aggression im Netz unterschiedliche Spielformen haben. Aggression ist online leichter. Dafür erwähnte sie zwei Gründe: erstens, Empathie baut auf Körperlichkeit auf und im Netz sind emotionale Konsequenzen nicht sichtbar. Zweitens, Wut kann in Echokammern besonders gut ausgelebt werden. Indem Seiten geteilt und gelikt werden, besteht Gefahr, dass andere Standpunkte nicht wahrgenommen werden und Emotionen drohen, hochzukochen. Abschließend gab sie praktische Tipps zum Thema, wie beispielsweise provokativen Posts mit Humor zu begegnen.

Den Workshop „Voice of Peace“ leitete Geli Kugler vom Radio FREIRAD. Im Seminar wurde das Projekt des Freien Radios Innsbruck vorgestellt: Verfolgten JournalistInnen mit unterschiedlichster Herkunft wird ein freier Raum zur Verfügung gestellt, um weiterhin über internationale, nationale und lokale Politik, Kultur und persönlichen Erfahrungen berichten zu können. Das Radioprogramm wird in Englisch, Deutsch und Arabisch gesendet.

Zurück im Plenum gaben Impulsvorträge Anregungen für die spätere Podiumsdiskussion. Der deutsche Medienwissenschaftler Knut Hickethier sprach über das Vertrauen in die Medien und sein Verschwinden. Er betonte, „die Glaubwürdigkeitskrise sei ein Medienthema“, Misstrauen in die Medien gebe es immer, die Glaubwürdigkeit habe sich seit den 1950ern nicht verändert. Die Bewertung der Medien war immer schon Teil im Kampf der Macht. Dieser Kampf wird nun in den Social Media öffentlich ausgetragen. Die kognitive Dissonanz zwischen der eigenen Erfahrung und den Medienberichten sei Grundlage für die Unglaubwürdigkeit. Medien werden immer wieder zur gezielten Manipulation missbraucht. Werden mediale Missbräuche aufgedeckt, so bleiben sie lange im Gedächtnis.

Fünf Thesen zum Thema Medien und Diversität von der Journalistin Clara Akinyosoye wurden stellvertretend vorgelesen. Auch Akinyosoye ist der Meinung, dass die Vertrauenskrise nicht neu ist. Minderheiten sind in den Medien nicht präsent. Sie regte die Bereicherung der Medienlandschaft durch Ethnomedien an, ging aber auch auf die Problematik von Ethnomedien ein und formulierte anschließend Wege aus der Vertrauenskrise.

Der Kommunikationswissenschaftler Alexander Haas referierte über die Glaubwürdigkeit in der Online-Kommunikation aus der Nutzerperspektive. Sein Fazit war, dass die Digitalisierung die Kommunikation und die Art zur Verfügung stehender Informationen verändere. Die Aufgabe, Glaubwürdigkeit von Informationen zu beurteilen, obliegt im Online-Bereich den Nutzern. Medienbewusstsein und Medienkompetenz sind in der Gesellschaft sehr unterschiedlich verbreitet. Da man vorzugsweise die Medienkompetenz von Studierenden untersucht, seien Studien nicht unbedingt repräsentativ.

Der ORF-Tirol-Moderator Georg Laich lud zur abschließenden Podiumsdiskussion ein und eröffnete diese mit der grundsätzlichen Frage, ob es eine Glaubwürdigkeitskrise gäbe. Hickethier erinnerte, die Glaubwürdigkeitskrise sei immer schon ein „Medienthema“ gewesen. Petz stellte fest, dass sich die Glaubwürdigkeit international, national und regional unterscheide. Haas merkte an, es sei eher die Frage wie Medien mit der Glaubwürdigkeitskrise umgehen und auf den Kundenverlust reagierten. Alle Experten waren sich einig, Medienkompetenz müsse gestärkt werden. Man einigte sich auf das abschließende Plädoyer, die Glaubwürdigkeitskrise als Chance für Qualitätsmedien und Medienkompetenzvermittlung zu begreifen und die Diskussionen des Medientages an die Menschen hinauszutragen.

Die Audio-Aufzeichnungen des Einführungs- und der Impulsvorträge können auf http://medien.uibk.ac.at nachgehört werden.

(Andrea Graber)

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