Blick auf den Hintereisferner und die Weisskugel
Gletscher machen die Folgen des Klimawandels auch heute bereits deutlich sichtbar, wie dieses Beispiel zeigt: Im Bild eine Aufnahme des Hintereisferners und der Weißkugel in TirolEnde August 2015. Die beiden oberen Seitengletscher (im Bild von rechts) waren vor wenigen Jahren noch in Verbindung mit dem Hintereisferner. Die Schneerücklagen reichen nicht mehr aus, um den Gletscher im Gleichgewicht zu halten.

Klima­wandel: Gletscher­schmelze nicht mehr abwend­bar

Forscher der Universitäten Bremen und Innsbruck zeigen in einer aktuellen Studie, dass das weitere Abschmelzen der Gletscher im laufenden Jahrhundert nicht mehr verhindert werden kann – selbst wenn alle Emissionen gestoppt würden. Über das 21. Jahrhundert hinaus hat unser Verhalten aber massive Auswirkungen: 500 Meter Autofahrt kosten langfristig ein Kilo Gletschereis.

Im „Paris Agreement“ haben sich 195 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen auf die Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius, wenn möglich auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau geeinigt. Die Risiken des Klimawandels sollen dadurch deutlich reduziert werden. Was bedeutet dieses Vorhaben – sofern erfolgreich - für die Entwicklung der Gletscher? Die Klimaforscher Ben Marzeion und Nicolas Champollion vom Institut für Geographie der Universität Bremen sowie Georg Kaser und Fabien Maussion vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck sind dieser Frage nachgegangen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachmagazin „Nature Climate Change“ veröffentlicht.
Die Klimaforscher haben dazu berechnet, welche Effekte die Einhaltung dieser Klimaziele auf die fortschreitende Gletscherschmelze hat. „Schmelzende Gletscher haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Meeresspiegels. In unseren Berechnungen haben wir alle Gletscher weltweit – ohne die Eisschilde der Antarktis und Grönlands - berücksichtigt und in verschiedenen Klimaszenarien modelliert“, erklärt Georg Kaser. 

„Für die Gletscher ist es 5 nach 12.“

Für die Entwicklung der Gletscherschmelze in den nächsten 100 Jahren macht es keinen signifikanten Unterschied, ob die Durchschnittstemperatur um 2 oder nur 1,5 Grad steigt. „Das spielt eine überraschend und auch frustrierend geringe Rolle – zumindest für das laufende Jahrhundert. Etwa 36 Prozent des heute noch in Gletschern gespeicherten Eises würde langfristig auch ohne weiteren Ausstoß von Treibhausgasen schmelzen. Das heißt: Gut ein Drittel des heute noch vorhandenen Gletschereises ist auch mit den ambitioniertesten Maßnahmen bereits nicht mehr zu retten“, sagt Ben Marzeion.
Völlig anders gestaltet sich die Situation allerdings, wenn der zeitliche Horizont erweitert wird: Über das aktuelle Jahrhundert hinaus betrachtet, macht es durchaus einen Unterschied, ob nur das 2 Grad-Ziel oder das 1,5 Grad-Ziel erreicht wird. „Gletscher reagieren langsam auf klimatische Veränderungen. Wenn wir beispielsweise den aktuellen Umfang des Gletschereis-Bestandes erhalten wollen würden, müssten wir ein Temperaturniveau aus vorindustriellen Zeiten erreichen, was natürlich nicht möglich ist. Wir haben in der Vergangenheit durch Treibhausgasemissionen bereits Entwicklungen angestoßen, die sich nicht mehr aufhalten lassen. Für die Gletscher ist es 5 nach 12. Das bedeutet aber auch, dass unser heutiges Verhalten Auswirkungen auf die langfristige Entwicklung der Gletscher hat – das sollten wir uns bewusstmachen“, ergänzt Gletscherforscher Kaser. Um diese Auswirkungen greifbar zu machen, haben die Wissenschaftler errechnet, dass jedes Kilogramm CO2, das wir heute ausstoßen, langfristig 15 Kilogramm Gletscherschmelze verursachen wird. „Umgerechnet auf ein 2016 in Deutschland neu zugelassenes Durchschnittsauto bedeutet das: Alle fünfhundert Meter Autofahrt geht ein Kilo Gletschereis verloren“, verdeutlicht Ben Marzeion.

Die Arbeit wurde vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (Stipendium 01LS1602A) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Stipendium MA 6966/1-1) gefördert und vom ehemaligen österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (heute Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) im Rahmen des UniInfrastrukturprogramms der Forschungsplattform Scientific Computing der Universität Innsbruck gefördert.

 

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