Neue Verbindungen aus Algen könnten auch in medizinischen Hautschutzprodukten zum Einsatz kommen.
Neue Verbindungen aus Algen könnten auch in medizinischen Hautschutzprodukten zum Einsatz kommen.

Grüner Sonnenschutz

Algen sind Überlebenskünstler, die auch an extremen Standorten mit hoher UV-Belastung ohne Probleme existieren können. Die Pharmazeuten Markus Ganzera und Anja Hartmann konnten mehrere neue Verbindungen aus Algen isolieren, die auch in medizinischen Hautschutzprodukten zum Einsatz kommen könnten.

Algen – sowohl alpine Arten als auch Meeresalgen – haben sich perfekt an ihre extremen Standorte angepasst. Obwohl UV-Strahlung für Zellen normalerweise toxisch ist, scheint eine hohe UVA- und UVB-Belastung für sie kein Problem darzustellen. Assoz. Prof. Dr. Markus Ganzera und seine Mitarbeiterin Dr. Anja Hartmann interessiert diese Eigenschaft aus pharmazeutischer Sicht. „Normalerweise isolieren und analysieren wir Naturstoffe aus Heilpflanzen. Die Algen stellten uns vor völlig neue Herausforderungen“, beschreibt Markus Ganzera. „Durch ihre UV-Beständigkeit sahen wir allerdings großes Wirkstoff-Potenzial.“ Diese Vermutung hat sich bestätigt. Im Rahmen eines mit Jahresende 2015 abgeschlossenen Projektes ist es den Wissenschaftlern gelungen, zwei völlig neue Verbindungen aus Algen zu isolieren, die zum Schutz vor ultravioletter Strahlung gebildet werden. Beide, wie etwa das Prasiolin aus der Grünalge Prasiola calophylla gehören zur Substanzklasse der Mykosporine-like Amino Acids (MAAs). Sie besitzen wichtige Eigenschaften, die zum Zwecke des UV-Schutzes ausgenutzt werden könnten.

Startschwierigkeiten

Zu Beginn ihres vom Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung (FWF) geförderten Projektes, entschieden sich die Wissenschaftler 20 alpine Algenarten näher zu untersuchen. Sie wählten hochalpine Blaualgen (Cyanobakterien), Grün- und Gelbgrüne Algen aus, die zwar taxonomisch identifiziert wurden, über die aber Informationen zu ihren Inhaltsstoffen, ihrer Bioaktivität oder ihren Schutzmechanismen gegen äußere Umwelteinflüsse fehlten. Um mit reinen – sowohl in Hinblick auf die Art als auch Verunreinigung durch andere Algen oder Bakterien – Proben zu arbeiten, griffen die Wissenschaftler auf das Angebot von speziellen Kultursammlungen zurück. „Dieser erste Schritt ist sehr wichtig, denn ohne artenreines und botanisch genau charakterisiertes Ausgangsmaterial sind keine Rückschlüsse auf die Inhaltsstoffe einzelner Arten bzw. deren Schutzmechanismen möglich“, erläutert der Pharmazeut. Ursprünglich wollten die Wissenschaftler die Algen für ihre weiteren Tests im Labor kultivieren. Dies stellte sie aber vor ungewohnte Probleme, die sie von ihrer bisherigen Arbeit, der Analyse von Heilpflanzen, nicht kannten. „Die Mengen, die wir als Reinkulturen erhielten, waren klein und die Eigenkultivierung erwies sich für uns als sehr schwierig und zeitaufwendig. Eine Kooperation mit Univ.-Prof. Dr. Ulf Karsten, einem Algenexperten der Universität Rostock, sowie assoz. Prof. Dr. Andreas Holzinger von Institut für Botanik an der Universität Innsbruck, die uns entsprechende Probenmengen zur Verfügung gestellt haben, hat uns geholfen, diese Startschwierigkeiten zu überwinden.“ Aufgrund dieser Kooperation weiteten Ganzera und Hartmann ihr Untersuchungsspektrum auch auf marine Algenarten aus.

Sonnensimulation

Um herauszufinden, welche Schutzmechanismen den Algen ermöglichen, an Standorten mit extrem hoher UV-Belastung zu überleben, führten die Pharmazeuten kontrollierte Bestrahlungsversuche durch. „ In der Abteilung Experimentelle Umweltsimulation (EUS) am Helmholtz-Zentrum München konnten wir in Klimakammern alle Bedingungen wie Temperatur und künstliche Sonneneinstrahlung genau definieren und simulieren“, beschreibt die Nachwuchswissenschaftlerin Anja Hartmann. In diesen Testreihen zeigte sich, dass Algen bei erhöhter UV-Strahlung teilweise vermehrt MAAs bilden. Daneben konnten die Wissenschaftler bei den Bestrahlungsversuchen auch eine gesteigerte Produktion von primären Metaboliten beobachten. „Die Algen produzieren bei erhöhtem UV-Stress neben MAAs auch aromatische Aminosäuren, Nukleotide und Nukleoside, was bisher nicht bekannt war. Für die weitere Untersuchung erschienen uns MAAs aber am interessantesten“, erklärt Ganzera, weist aber darauf hin, dass die Isolierung dieser Verbindung alles andere als leicht war: „Man könnte sagen, MAAs gaukeln in den üblichen Analyseverfahren einen höheren Gehalt vor, als tatsächlich vorhanden ist. Da wir bei unseren Untersuchungen den Fokus auf UV-Absorption legen und MAAs in der Lage sind, UV-Strahlung extrem stark zu absorbieren, vermitteln UV-basierte Messmethoden den Eindruck, der MAA-Gehalt sei um ein vielfaches höher. Schlussendlich ist es uns aber gelungen, MAAs in ausreichender Menge zu isolieren, um die Verbindung umfassend zu beschreiben“.

Wirkstoffpotenzial

Neben ihrer UV-Schutzwirkung konnten die Pharmazeuten auch zeigen, dass MAAs eine biologische Aktivität in Bezug auf Hautalterung zeigen. MAAs wirken auf ein Enzym, das für die Hautalterung zuständig ist, die Kollagenase. Dieses ist in der Lage, Kollagen – ein für Hautstraffheit zuständiges Strukturprotein im menschlichen Bindegewebe – abzubauen. „Unsere Studien haben bestätigt, dass die Kollagenase durch MAAs signifikant gehemmt wird“, berichtet Anja Hartmann, die im Rahmen des Forschungsprojekts ihre Doktorarbeit abgeschlossen hat. Nachdem die Wissenschaftler die MAAs isoliert hatten, haben sie verschiedene Analyseverfahren eingesetzt, um diese auch in den unterschiedlichen Algen zu quantifizieren. In einem bereits beantragten Folgeprojekt wollen die Pharmazeuten Ganzera und Hartmann nun weiter an MAAs als potenzielle Wirkstoffkandidaten forschen. „In den vergangenen vier Jahren konnten wir uns sehr viel Know-How in diesem Forschungsbereich aneignen und auch wichtige Kooperationspartner finden. Weitere Tests könnten zeigen, dass die UV-Schutzmechanismen der Algen auch für Hautschutzprodukte vorteilhaft sein könnten“, sind Anja Hartmann und Markus Ganzera überzeugt.

Dieser Artikel ist in der Juni-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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