Symbolbild Studie Freundschaft
Beste Freunde können uns sehr gut unterstützen, auch wenn sie nicht persönlich anwesend sind.

Freund­schaft­liche Nähe hat starke Wir­kung auf Emo­tio­nen

Beste Freunde sind in stressigen Situationen von besonders großem Wert, auch wenn diese nicht persönlich anwesend sind. Das konnte Carmen Morawetz vom Institut für Psychologie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in einer bildgebenden Studie belegen. Die in NeuroImage publizierten Ergebnisse zeigen, wie unser Gehirn negative Emotionen durch soziale Unterstützung abschwächen kann.

Gerade in Zeiten der Pandemie, in denen soziale Isolation und Quarantäne an der Tagesordnung stehen, ist es vielen Menschen nicht möglich, ihre besten Freundinnen und Freunde persönlich zu treffen und sich über ihre Ängste, Gefühle und Sorgen des Alltags auszutauschen. Im Angesicht von weltweiten Lockdowns gewinnt die von Universitätsprofessorin Carmen Morawetz in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen der Freien Universität Berlin und der Universität Melbourne im Journal NeuroImage veröffentlichte Studie an besonderer Aktualität und kommt zu folgender Schlussfolgerung: Aufbauende Botschaften, die zusammen mit einem Foto eines besten Freundes oder einer besten Freundin präsentiert werden, wirken sich sehr positiv auf die Fähigkeit aus, mit negativen Gefühlen umzugehen. Dies steht in Zusammenhang mit einer differenzierten Aktivierung in einem Netzwerk von Hirnregionen, das für die Kontrolle von Emotionen zuständig ist. Mithilfe von funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) konnte gezeigt werden, dass bestimmte Hirnregionen bei sozialer Unterstützung durch eine andere Person – egal ob Freund oder Fremder – mehr rekrutiert werden als bei dem Versuch, negative Gefühle alleine in den Griff zu bekommen. 

Große Kraft sozialer Verbundenheit

Emotionen werden im Gehirn durch ein Zusammenspiel mehrerer interagierender Netzwerke kontrolliert und bei Bedarf abgeschwächt. Befinden wir uns in einer stressigen Situation, die uns vielleicht Angst macht, dann versuchen wir, durch verschiedene Strategien, das Gefühl der Angst abzuschwächen. Zum Beispiel, in dem wir probieren, die Situation als weniger negativ zu interpretieren, uns innerlich Mut zusprechen oder gedanklich ablenken. „Hierbei übernimmt der laterale präfrontale Kortex eine zentrale Rolle und unterdrückt Antworten in Regionen, die mit der Emotionsentstehung zu tun haben, wie der Amygdala, auch Mandelkern genannt. Diese emotionale Kontrolle kann durch soziale Unterstützung verbessert werden“, verdeutlicht Carmen Morawetz, die an der Universität Innsbruck das Affective Neuroscience Lab eingerichtet hat und dort erforscht, wie sich Emotionen in neuronalen Prozessen abbilden. „Wir wissen aus zahlreichen anderen Studien, dass Menschen Gefühle durch soziale Nähe besser bewältigen können“, ergänzt sie. Das Spannende an der aktuellen Studie war aber laut Morawetz, dass sich diese soziale Unterstützung auf das Zusammenspiel verschiedener Gehirnregionen selbst dann auswirkt, wenn diese nur „virtuell“ erfolgte, die unterstützend wirkende Person also nicht selbst im Raum anwesend war. Dabei wird die Hirnaktivierung durch die soziale Nähe zum Unterstützer beeinflusst. „Das heißt, es macht für unser Gehirn einen Unterschied, ob wir Hilfe von uns nahestehenden Menschen, wie in diesem Fall unserem/unserer besten Freund*in bekommen, oder ob es sich um eine für uns unbekannte Person handelt“, betont Carmen Morawetz.

Erkenntnisse in Pandemie besonders bedeutend

„Auch wenn die Daten zur Studie vor Corona entstanden sind, sind die Erkenntnisse jetzt umso bedeutsamer“, meint die Wissenschaftlerin. Gerade junge Leute kommunizieren – noch mehr in Zeiten von Social Distancing – schriftlich, tauschen sich über Messenger-Apps über Gefühle aus und suchen so auch Hilfe. Nicht ganz unähnlich sind die Bedingungen, die Carmen Morawetz für ihren Versuch geschaffen hat: Während des fMRT Experiments wurde den Probandinnen und Probanden negative Bilder präsentiert und sie wurden angewiesen, ihre dadurch entstandenen Gefühle abzuschwächen. Dies geschah unter drei Bedingungen: Die Versuchteilnehmerinnen und -teilnehmer sollten versuchen, ihre negativen Emotionen (1) alleine ohne Hilfe abzuschwächen, (2) mit Hilfe ihres besten/er Freundes/in oder (3) mit Hilfe einer fremden Person. Die soziale Unterstützung erfolgte durch einen aufbauenden Satz zusammen mit einem Foto des besten Freundes oder eines Fremden. In der Kontrollbedingung sollten die Probanden ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Aufwändig waren aber nicht nur die bildgende Versuche, sondern auch die Vorbereitungen, in denen die tatsächliche soziale Nähe der Probanden und ihrer Freunde ermittelt wurde. „Auch wenn unsere Stichprobe mit 37 Teilnehmern vergleichsweise klein erscheint, sind unsere Ergebnisse auf die Allgemeinheit übertragbar, weil wir sehr harte statistische Kriterien und Analysen einsetzen“, so die Wissenschaftlerin.

Amygdala unterscheidet

Neben der Kraft sozialer Verbundenheit, die in der Studie gezeigt werden konnte, gibt es ein weiteres spannendes Detail. Von den ganzen aktivierten Hirnregionen, die an der Abschwächung der Emotionen beteiligt sind, differenziert einzig die Amygdala zwischen Freunden und Fremden. „Obwohl wir das gesamte neuronale Netzwerk der Emotionsregulation untersucht haben, zeigte nur die Amygdala unterschiedliche Aktivierung für Fremde im Vergleich zu Freunden. Sie ist bei der Hilfe durch Unbekannte stärker aktiviert“, erklärt Morawetz.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass soziale Nähe einen wichtigen Faktor für die effektive Integration von sozialer Unterstützung in herausfordernden Situationen darstellt und eine positive Wirkung auf unsere Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren, hat. „In diesem Sinne, unterstützen die Ergebnisse der Studie das alte Lied: ‚Ein Freund, ein guter Freund, ist das Beste, was es gibt auf der Welt!‘“, so die Wissenschaftlerin abschließend.

Originalpublikation: Carmen Morawetz, Stella Berboth, Stefan Bode: With a little help from my friends: the effect of social proximity on emotion regulation-related brain activity. In: NeuroImage, 30. Januar 2021 DOI: https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2021.117817

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