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Dr. Florian Widner (li.) und Prof. Bernhard Kräutler vom Institut für Organische Chemie

Der Kobold im Vitamin B12

Im Zentrum des Vitamins B12 sitzt ein Kobaltatom. Dieses konnten britische Biologen und österreichische Chemiker nun durch ein anderes Metallion ersetzen - mit einem weiteren spektakulären Ergebnis: Das verwendete Rhodium passte besser in die B12-Struktur als das für die biologische Funktion des Vitamins essentielle Kobalt.

Das Vitamin B12 ist an lebenswichtigen Prozessen im menschlichen Organismus beteiligt und insbesondere für die Zellteilung und Blutbildung sowie die Funktion des Nervensystems von Bedeutung. Interessanterweise sind nur Mikroorganismen in der Lage, diese biologisch wichtige Verbindung herzustellen, der Mensch muss das Vitamin über die Nahrung aufnehmen. Scherzhalber sprechen die Wissenschaftler vom „Kobold-Vitamin“, weil im Zentrum der Verbindung ein einzelnes Kobalt-Ion sitzt, wie ein kleiner Kobold, nach dem das Metall benannt ist. Weil dieses Übergangsmetall nur in B12 biologisch zum Einsatz kommt und das Vitamin ohne Kobalt seine Funktion in den natürlichen Prozessen des Lebens verlöre, versucht man schon lange den Geheimnissen dieses „koboldischen“ Komplexes auf die Spur zu kommen. Seit der Entdeckung von B12 in der Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es viele aufwändige Versuche, B12-Analoge zu synthetisieren, in welchen ein anderes Atom im Zentrum sitzt – bisher weitgehend ohne Erfolg. Nun haben die beiden Gruppen an den Universitäten von Kent und Innsbruck durch die fein abgestimmte Kombination von biologischen und chemischen Syntheseschritten das unmöglich Scheinende geleistet und das Kobalt-Zentrum in B12 erfolgreich durch Rhodium ersetzt. Das britische Team hatte dazu Mikroorganismen genetisch soweit modifiziert, dass sie die kobaltfreie Vitamin-Grundstruktur (das Corrin) erzeugen, Florian Widner aus dem Team um Bernhard Kräutler setzte das Rhodium-Ion in das Corrin ein und stellte dann das fertige künstliche Homolog des Coenzyms B12 her. Durch den Austausch der Metallionen verliert das lebenswichtige Coenzym B12 seine biologische Funktion und wird zu einem Antivitamin B12.

Weitreichende Konsequenzen

Wie die Analyse der Kristallstruktur zeigte, passt das Rhodium-Ion überraschenderweise besser in die B12-Struktur als das kleinere Kobalt-Ion und „die homologe Struktur mit Rhodium war spannungsärmer als die von Coenzym B12 selbst“, erzählt Florian Widner. Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen: Bisher war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass die B12-Struktur optimal auf die im Coenzym B12 vorkommende Form des Kobalt-Ions angepasst ist. „Unsere Resultate widersprechen dieser weitläufigen Meinung“, sagt Bernhard Kräutler. „Der B12-Ligand wurde in der Natur offenbar für eine in der biologischen Katalyse wichtige und schwer zugängliche Zwischenstufe selektioniert, deren Reaktivität auf einem effektiv größeren, elektronenreichen Kobalt-Ion beruht“, erklärt Prof. Kräutler, der auch auf die evolutionsgeschichtlichen Implikationen von B12 hinweist: Es gibt nämlich die Vorstellung, dass dieses bereits in präbiotischen Zeiten auf der Erde eine wichtige Rolle als Katalysator gespielt haben könnte.

Forschungsfeld eröffnet

Mit dieser Arbeit haben die Forscher einen ersten effizienten Syntheseweg für B12-Analoge mittels moderner biologisch-chemischer Methoden etabliert. Diesen wollen sie nun für die Untersuchungen weiterer Metallanaloge nutzen. Dies ist insbesondere auch deshalb interessant, weil diese Derivate nicht nur als Antivitamine B12, sondern auch als Sonden eingesetzt werden können, um überall dort wo B12 in Zellen aktiv ist, bestimmte Aufgaben aufzuspüren.

Finanziell unterstützt wurden die Innsbrucker Forscher vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und von einem Marietta-Blau-Stipendium des Österreichischer Austauschdiensts (OeAD).

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