Forschungsflug SEAC4RS
In Kombination mit Verkehrs- und Industrieabgasen entstehen beim Abbau von Isopren sekundäre Luftschadstoffe. Das Bild entstand im Zuge der Messflüge im Bundesstaat Tennessee und zeigt ein mittlerweile still gelegtes Kohlekraftwerk am Tennessee River.

Chemie der Erd­atmo­sphäre aus dem Welt­raum beo­bacht­bar

Isopren treibt viele chemische Prozesse in der Atmosphäre an, die global kaum erforscht sind. Nun präsentieren US-Wissenschaftler in „Nature“ erstmals Erkenntnisse, die mittels globaler Isopren-Messungen aus dem Weltraum gewonnen wurden. Sie beweisen damit die Praxistauglichkeit neuer, satellitengestützter Messungen, an deren Validierung Innsbrucker Forscher maßgeblich beteiligt waren.

Isopren ist neben Methan das am meisten in die Erdatmosphäre emittierte, organische Molekül. Der ungesättigte Kohlenwasserstoff wird u.a. von einer Vielzahl von Baumarten wie beispielsweise Eichen und Pappeln an die Luft abgegeben und typischerweise innerhalb einer Stunde wieder abgebaut. Allerdings entstehen beim Abbau des hochreaktiven Spurenstoffes in Kombination mit Verkehrs- und Industrieabgasen sekundäre Luftschadstoffe wie etwa Ozon und Feinstaubpartikel. Aus diesem Grund stand Isopren neben anderen flüchtigen organischen Verbindungen bereits 2013 im Mittelpunkt von aufwändigen Satelliten- und Flugzeugmesskampagnen der US-amerikanischen Behörden im Südosten der USA, wo Emissionen von Eichenwäldern, kalorischen Kraftwerken und Verkehr zusammen für schlechte Luft sorgen.  An den Datenerhebungen waren mit Ass.-Prof. Martin Graus und Prof. Armin Wisthaler auch zwei Wissenschaftler der Universität Innsbruck an Bord von über 40 Forschungsflügen wesentlich beteiligt: Im Auftrag der Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA sowie der Luft- und Raumfahrtbehörde NASA führten sie mit dem am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik entwickelten Protonentauschreaktions-Massenspektrometer (PTR-MS) Isopren-Messungen in der Atmosphäre durch. „Bei Satellitenmessungen von Spurengasen in der Erdatmosphäre sind viele Unsicherheitsfaktoren im Spiel. Deshalb braucht es – gerade, wenn neuartige Messungen durchgeführt und Datenprodukte vorgestellt werden– immer auch In-situ-Messungen, um deren Richtigkeit zu überprüfen“, verdeutlicht Prof. Armin Wisthaler von der Uni Innsbruck. Er erhebt mit Unterstützung des österreichischen Weltraumprogramms (ASAP) der FFG seit über 10 Jahren Daten für die NASA. Ebenso wie Ass.-Prof. Martin Graus, Mitglied der Arbeitsgruppe Atmosphärenphysik und -chemie an der Universität Innsbruck, nahm er 2013 an den großen Messkampagnen von NASA und NOAA teil. Beide Forscher brachten ihre jahrelange Expertise auf dem Gebiet der PTR-MS-Messung ein. „PTR-MS-Messungen im Flugzeug sind viel komplexer als im Labor. Die Vorbereitung auf eine solche Kampagne beginnt bereits ein Jahr zuvor mit der Adaption der Geräte und technischen Tests für die Messungen im Flugzeug“, schildert Martin Graus die umfangreichen Planungsarbeiten auf die bis zu 8-stündigen Messflüge.

In-situ-Daten bestätigen Satellitenmessungen

Die dabei gewonnen Daten dienten der Validierung einer von Prof. Dylan Millet und seinem Team von der University of Minnesota entwickelten Methode zur Auswertung der Messdaten des satellitengestützten Cross-Tracked Infrared Sounders (CrIS). Mit einem neuen, auf einem künstlichen neuronalen Netzwerk basierenden Algorithmus gelingt es, aus den CrIS-Messdaten die Isoprenkonzentration in der Erdatmosphäre global zu bestimmen. „Unsere In-situ-Daten, die exakt zeigen wo, welche Isopren-Konzentrationen in der Erdatmosphäre vorhanden sind, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass unsere Kollegen aus Minnesota ihre neuartige Methode und die damit gewonnen globalen Isoprendaten publizieren konnten“, meint Martin Graus. So konnte eine anfängliche Diskrepanz zwischen Satellitendaten und existierenden Luftqualitätsmodellen aufgelöst werden. „Unsere In-Situ-Messungen haben die Erkenntnisse aus den Satellitenmessungen bestätigt“, sagt Wisthaler und verdeutlicht die Möglichkeiten der neuartigen Beobachtungen aus dem Weltraum: „Man kann damit gewissermaßen die gesamte Erdatmosphäre als einen chemischen Reaktor aus dem Weltraum beobachten und atmosphärenchemische Prozesse auf globaler Ebene studieren.“


Links

Nach oben scrollen