Blick in die Milchstraße
Geladene Teilchen werden mit ungeheurer Wucht aus dem Zentrum der Milchstraße geschleudert. (Grafik: Mark A. Garlick/HESS Collaboration)

Blick ins Zentrum der Milchstraße

Die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia überraschen auch nach mehr als einer Dekade mit spektakulären Ergebnissen: Erstmals hat ein internationales Team unter Beteiligung von Innsbrucker Astroteilchenphysikern eine Quelle galaktischer kosmischer Strahlung mit Petaelektronvolt-Energie identifiziert. Ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße gilt als mögliche Quelle.

Unsere Erde ist ständig dem Einfall hochenergetischer Teilchen aus dem Weltall ausgesetzt. Diese Kosmische Strahlung – entdeckt durch den österreichischen Physiker Victor Franz Hess – besteht aus geladenen Teilchen wie Protonen, Elektronen und Atomkernen. Auf ihrem Weg durch die kosmischen Weiten werden diese Teilchen von intergalaktischen Magnetfeldern in ihrer Richtung mehr oder weniger willkürlich abgelenkt und so ihre tatsächliche astronomische Herkunft verschleiert. „Glücklicherweise treten diese Teilchen in der Nähe ihrer Quellen mit interstellarem Gas oder Photonen in Wechselwirkung. Dabei wird Gammastrahlung produziert, die auf ihrem kosmischen Weg nicht abgelenkt wird und damit einen direkten Blick in die ‚Küchen’ der Hochenergiephysik im Weltall gestattet“, erklärt Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck.

Bläuliche Lichtblitze verraten Teilchenstrahlung

Wie aber weist man nun die Gammastrahlung nach? Hier hilft eine weitere Wechselwirkung, diesmal mit den Molekülen in der oberen Erdatmosphäre, in deren Folge eine Kaskade von Teilchen entsteht. Diese wird von einem leicht bläulichen Lichtblitz begleitet, dem sogenannten Cherenkov-Licht. Große Spiegelteleskope mit empfindlichen Lichtsensoren können dieses Licht erfassen. Für deren Nachweis ist H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia das derzeit empfindlichste Instrument, betrieben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 42 Instituten und Universitäten aus 12 Ländern.
„Wir wissen heute, dass in unserer Galaxie kosmische Strahlung bis etwa 100 Teraelektronvolt in Supernova-Überresten und Pulsarwind-Nebeln erzeugt wird“, sagt Olaf Reimer. „Theoretische Argumente und Messungen der geladenen Komponente der Kosmischen Strahlung lassen erwarten, dass es aber in unserer Milchstraße wenigstens eine Quelle geben muss, die energetisch alle bisher identifizierten kosmischen Teilchenbeschleuniger noch übersteigt.“

Quelle beispielloser Energie entdeckt

Erstmals konnte durch langjährige Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße mit H.E.S.S. nun ein solcher Teilchenbeschleuniger nachgewiesen werden „Wieder einmal bestätigt sich die Entscheidung, unsere Teleskope in der südlichen Hemisphäre anzusiedeln“ sagt Astroteilchenphysiker Reimer, der seit 15 Jahren Mitglied der H.E.S.S.-Kollaboration ist. „Damit hatten und haben wir ideale Bedingungen, die Zentralregion unserer Galaxis über ein breites Energiespektrum zu studieren.“ Schon während der ersten Beobachtungsjahre konnte mit Hilfe der H.E.S.S.-Teleskope eine starke, kompakte Quelle sowie ein ausgedehntes Band diffuser höchstenergetischer Gammastrahlung im Galaktischen Zentrum kartographiert werden. „Dabei fiel die örtliche Übereinstimmung zwischen Gammastrahlung und Materiedichte in der Region auf, welche durch Wechselwirkungen höchstenergetischer Teilchen mit dem Material der Molekülwolken erklärbar ist“, erzählt Reimer. „Die Quelle die höchstenergetischen Strahlen blieb jedoch bis jetzt verborgen.“
Beobachtungen über den Zeitraum vom zehn Jahren halfen nun, der Existenz dieser mysteriösen Quelle entscheidend näherzukommen und den Ursprung der Teilchen auf eine Region mit nur etwa 30 Lichtjahren Ausdehnung einschränken. „Darin muss ein kosmischer Beschleuniger wirken, der über einen Zeitraum von etwa 1.000 Jahren Protonen kontinuierlich bis in den Petaelektronvolt-Bereich energetisiert. Mit den H.E.S.S.-Beobachtungen können wir die Ausbreitung dieser PeV-Protonen im innersten Bereich der Milchstraße studieren“ sagt Reimer.

Supermassives Schwarzes Loch der Ursprung?

Dieser innerste Bereich der Milchstraße beherbergt aber eine Vielzahl astronomischer Objekte, die als Extremteilchenbeschleuniger in Frage kämen. Darunter ist das zentrale supermassive Schwarze Loch Sagittarius A* sicherlich das Spektakulärste. „Dies ist wahrscheinlich die Quelle der PeV-Protonen“ sagt Reimer, „offeriert es doch plausible Szenarien, wo und wie die Teilchen dort beschleunigt werden können. Insbesondere das Spektrum der beobachteten Photonen trägt noch die Signaturen der PeV-Protonen und unterstützt eine mögliche Verbindung mit dem Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxis.“
Die Messungen zeigen aber auch, dass diese Quelle allein den auf der Erde gemessenen Fluss der kosmischen Strahlung nicht aufrechterhalten kann. „Wenn Sagittarius A* aber in der Vergangenheit aktiver war”, so das Argument der Forscher, “dann könnte es tatsächlich für die gesamte galaktische kosmische Strahlung verantwortlich sein”. Ist diese Vermutung korrekt, so hätte das dramatische Konsequenzen für die über 100 Jahre währende Diskussion über den Ursprung der kosmischen Strahlung.

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