Kernfach: Wirtschafts- & Sozialgeschichte

Wozu Wirtschafts- und Sozialgeschichte? · Empfehlenswerte Literatur · MitarbeiterInnen


Die Ständepyramide des "Ancien Régime"Das wissenschaftliche Teilgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird derzeit neben dem Lehrstuhlinhaber für Wirtschafts- und Sozialgeschichte von einer Universitätsprofessorin, einem Universitätsprofessor, einem Universitätsassistenten und einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin gelehrt. Sie verstehen das Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte als eine historisch-gesellschaftswissenschaftliche Disziplin, in der die langfristigen Herausbildungen sozialer Beziehungsgeflechte sowie die strukturellen Bedingungen wirtschaftlicher Handlungsebenen und ihrer wechselseitigen Durchdringung in grundsätzlich offener raum-zeitlicher Dimension untersucht werden. Daher werden Wirtschaft und Gesellschaft des Mittelalters ebenso behandelt wie die der Neuzeit und die Gebiete des heutigen Österreichs wie des restlichen Europas und der außereuropäischen Welt gleichermaßen berücksichtigt.

Besonderer Wert wird hierbei auf eine methodische Vielfalt gelegt, die das weite Spektrum der Forschungsinteressen der Abteilungsmitglieder wie auch die breite Palette der verschiedenen Teilbereiche der Wirtschafts- und Sozialgeschichte widerspiegeln. Dazu gehören beispielsweise die Geschichte sozialer Gruppen, etwa die der Handwerker, Unternehmer oder des katholischen Klerus, die Technik-, Tourismus-, Geschlechter-, Umwelt-, Medizin- und Psychiatriegeschichte wie auch die „Business history“ und die geschichtlichen Ursachen von Armut, Ungleichheit und Unterentwicklung.


Wozu Wirtschafts- und Sozialgeschichte?

Briefkopf, Anfang 20. JahrhundertBesser als so manche andere wissenschaftliche Disziplin ist sie in der Lage, gegenwärtige Strukturen und Zusammenhänge aus historischer Sicht aufzuzeigen und Erklärungen dafür zu liefern, während solche, die auf die historische Dimension verzichten, sich nur allzu oft als kurzsichtig und vordergründig erweisen.
Wie etwa will man die Existenz einer fortgeschritteneren und einer weniger entwickelten Welt erklären, ihre wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisse aufzeigen und verstehen, ohne deren unterschiedlichen historischen Bedingungen zu kennen? Dabei genügt es nicht, etwa auf das traurige Kapitel des europäischen, amerikanischen oder asiatischen Wirtschaftsimperialismus zu verweisen, sondern vielmehr auch und in erster Linie die jeweiligen inneren Entwicklungsprozesse der einzelnen Länder oder Staatengruppen zu berücksichtigen. Um zu wissen, warum Einkommen oder Lebensstandards in so vielen Regionen sich deutlich voneinander unterscheiden, ist es unerlässlich, sich zunächst über die mindestens bis ins Mittelalter zurückreichenden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen Klarheit zu verschaffen, die in den sogenannten entwickelten Volkswirtschaften auf breiter Ebene zu Modernisierungsprozessen geführt haben.
Erst adäquate Antworten auf die zentrale Frage nach „natürlichen“ (?) oder menschengemachten – „man-made“ – Ursachen von Armut und Reichtum, erlauben es uns, sinnvolle Entwicklungsstrategien zu entwerfen und zu verwirklichen.

Wenn somit die analytische Hilfestellung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte für die Erkenntnis und das Verständnis der Gegenwart erkannt ist, ist es notwendig, dieses so wichtige Wissen auf möglichst breiter Basis zu erarbeiten sowie unter verschiedensten Fragestellungen zu erweitern und weiterzugeben. Nur so ist es möglich, gegenüber den leider allzu oft nur Gemeinplätze verbreitenden Massenmedien einen kritischen Standpunkt einzunehmen. Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte trägt also dazu bei, kritisches Denken zu fördern, aus einer wachsenden Informationsflut und Meinungsvielfalt manipulative Aussagen zu erkennen wie überprüfbares Wissen herauszufiltern, um solcherart argumentativ gestützte Erkenntnisse zu gewinnen und letztlich eigene Positionen beziehen zu können.

Moderne Evolution bzw. Evolution im 21. JahrhundertUm diesem Bildungsauftrag der Wirtschafts- und Sozialgeschichte – besseres Verständnis der Gegenwart und kritisches Urteilsvermögen – nachzukommen, ist es unerlässlich, sie als eigenes Fach zu betreiben. Sie unterscheidet sich von der allgemein-politischen Geschichte so grundlegend, dass eine „Mit“-Behandlung des einen wie des anderen Teilgebietes in den jeweils anderen Fächern nur unzureichend möglich und deshalb eine eigene Ausbildung für jede der beiden Sparten unerlässlich ist. Nicht einzelne Personen oder singuläre Ereignisse, sondern die Masse der Bevölkerung, die Gesellschaft in ihrer gesamten Breite, ihre Wirtschaftsweisen und Lebensverhältnisse stehen im Mittelpunkt der Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Sie zeichnet sich daher mehr durch einen strukturgeschichtlichen und weniger durch einen individualhistorischen Zugang zur Geschichte aus. Die Folge sind unterschiedliche Fragestellungen, Methoden und Ergebnisse, die das Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte unbedingt notwendig machen.


Empfehlenswerte Literatur

  • Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, Wien/München 22001.

  • Michael Mitterauer, Warum, Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs, München 42004.

  • Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart [Österreichische Geschichte], Wien 1995.

  • Rolf Walter, Einführung in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Paderborn/München/Wien/Zürich 2008.


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