Heilige Gräber


Die Einrichtung des Heiligen Grabes hat ihr Vorbild in der Schilderung im Neuen Testament, wo es heißt: "Josef von Arimathäa kaufte ein Leinentuch, nahm Jesus vom Kreuz, wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab, das in einen Felsen gehauen war. Dann wälzte er einen Stein vor den Eingang des Grabes" (Mk 15,46). An anderer Stelle heißt es, daß "an dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, (...) ein Garten (war), und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war. Wegen des Rüsttages der Juden und weil das Grab in der Nähe lag, setzten sie Jesus dort bei" (Joh 19, 41 f.). Normalerweise wurden Gekreuzigte irgendwo verscharrt, doch bei Jesus war es anders, denn er bekam ein ehrenvolles Grab, wie alle Evangelisten betonen. Bis heute ist nicht sicher, ob die von Kaiser Konstantin über dem freigelegten Christusgrab im Jahre 335 n.Chr. fertiggestellte Grabeskirche auch tatsächlich der Ort der Grabesruhe und Auferstehung Jesu ist, dennoch wird seither das mit einem Rollstein verschlossene Einzel-Felsgrab von der Christenheit als Heiliges Grab verehrt.

Mindestens seit dem 9. Jhdt. wurden im ganzen christlichen Abendland bedeutende Stätten des Heiligen Landes in Kopien errichtet oder bildlich vorgestellt, so vor allem auch die Grabeskirche und das Grab Christi. Das älteste Heilig-Grab-Monument dürfte jedoch eine Ädikula des 5. Jhdts. in Narbonne sein, die älteste architektonische Nachahmung ist S. Stefano zu Bologna (431-450). In Fulda befindet sich die 822 errichtete Michaelskapelle als älteste erhaltene Heiliggrabkirche. Der älteste Heilig-Grab-Bau im Tiroler Raum ist der aus dem Jahr 1189 in der Michaelskapelle oder Hospitalkirche, der sog. Engelsburg der Augustiner-Chorherrenpropstei in Neustift bei Brixen. Wichtig für das Verständnis des Heiligen Grabes ist, welche Bedeutung die Örtlichkeiten und die gebildehaften Spuren des Lebens von Jesus im Heiligen Land und ihren Kopien in der Heimat der Gläubigen für die Andacht wie für die materielle Vergegenwärtigung des Heiligen hatten. Die Nachbildungen hatten den Charakter von Reliquien, sodaß jeder dieselben Gnadenerweise erhofffen konnte.

Die Verehrung des Heiligen Grabes in Jerusalem erreichte zur Zeit der Kreuzzüge ihren Höhepunkt, denn Papst Urban II. nannte ausdrücklich als Ziel des Kreuzzugsunternehmens, das Hl. Grab als das zentrale Heiligtum der Christenheit und als Mittelpunkt der Welt schlechthin aus den Händen der ‘Ungläubigen’ zu befreien. Dennoch wurde Jerusalem nie wieder eine christliche Stadt, da 1187 das Unternehmen nach annähernd 92 Jahren Kampf um das Hl. Grab endgültig aufgegeben werden mußte.

Heiliges Grab in Nesselwängle, Außerfern; frühes 20. Jhd.

Heiliges Grab in Nesselwängle, Außerfern; frühes 20. Jhd.

Mitte des 17. Jhdts. waren die Hl. Gräber in Tirol eine weit verbreitete Einrichtung geworden, denn der Phantasiereichtum des Barock ließ den hervorragendsten Künstlern breiten Spielraum in ihren Gestaltungsmöglichkeiten. Die prachtvollen Heiligen Gräber wie beispielsweise jenes von Christoph Anton Mayr von 1764 in der Schwazer Franziskanerkirche oder jenes von Johann Joachim Pfaundler, welches er während seines Wirkens als Kurat von 1763-1811 in Schönberg schuf, schienen mit dem Verbot Kaiser Josephs II. von 1782 vom Verschwinden bedroht, jedoch schon sechs Wochen nach dessen Tod wurde das Verbot wieder aufgehoben. In der Folge wurden alte Gräber wieder aufgestellt und neue geschaffen, jedoch kam es durch die bayerische Besetzung von 1804-1814 erneut zu einem Verbot. Im 19. Jhdt. entstanden Hl. Gräber, die den barocken Formenschatz nachahmten oder im neugotischen oder neuromanischen Stil gehalten waren.

Die Liturgiereform von 1956 in Verbindung und Kostenüberlegungen seitens der Ortskirchen führten nahezu zum Verschwinden der Hl. Gräber, jedoch ist seit den 80er Jahren in ganz Tirol eine Entwicklung zur Wiederbelebung zu beobachten.

 


Literatur:

Franz CARAMELLE et.al., Heilige Gräber in Tirol. Ein Osterbrauch in Kulturgeschichte und Liturgie, Innsbruck 1987; Herlinde MENARDI, Heilige Gräber in Tirol, in: Tiroler Bauernzeitung Nr. 13 vom 27. März 1986, S. 5.

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