Wie viele von uns aus dem Chemieunterricht noch wissen, können Moleküle nur in chemischen Reaktionen entstehen, die immer zu unvorhersehbaren, zufälligen Zeitpunkten stattfinden. Wir erinnern uns vielleicht auch daran, dass höhere Temperaturen Reaktionen beschleunigen und ausreichend niedrige Temperaturen Reaktionen vollständig verhindern können. Diese Aussagen gelten nicht, wenn die Chemie von Physiker:innen betrieben wird. In den letzten 20 Jahren wurden verschiedene Arten von Molekülen in Gasgemischen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt hergestellt, wobei Methoden zum Einsatz kamen, die den genauen Zeitpunkt der Molekülbildung auf wenige Mikrosekunden eingrenzen. Bis vor kurzem bildeten Kalium-Cäsium-Moleküle eine Lücke in der Liste der möglichen Elementkombinationen, die auf diese Weise bereits in Moleküle verwandelt wurden.
Mischen ist schwierig
Um Moleküle auf kontrollierte Art und Weise zusammenzusetzen, muss man mit einer Mischung aus ultrakalten atomaren Gasen beginnen. Auch wenn die Herstellung solcher Gase aus einem einzigen Element heute eine Standard-Technik geworden ist, ist die gleichzeitige Kühlung zweier Elemente eine ganz andere Sache. „Kalium und Cäsium waren die letzten Alkalimetalle, die bis zur Bose-Einstein-Kondensation abgekühlt wurden“, sagt Charly Beulenkamp, einer der Erstautoren dieser Studie, „was zeigt, wie schwierig es ist, sie zu kontrollieren. Sie gleichzeitig abzukühlen, ist eine Herausforderung auf einer ganz anderen Ebene.“ Dank der Beharrlichkeit des Innsbrucker Teams konnte diese Herausforderung nun endlich gemeistert werden.
Herstellung ultrakalter Moleküle
Der erste Schritt beim Zusammenbau ultrakalter Moleküle ist die sogenannte „Magneto-Association“, bei der benachbarte Atome verschiedener Elemente durch Verschieben des externen Magnetfelds über einen Resonanzpunkt zu gebundenen Paaren werden. Solche Paare sind nur sehr schwach gebunden und können leicht auseinanderbrechen – man könnte sagen, dass die Atome nun verlobt, aber noch nicht verheiratet sind. Um diese Moleküle chemisch stabil zu machen, müssen sie in ihren sogenannten „absoluten Grundzustand“ überführt werden: den Zustand mit der niedrigsten Energie unter allen möglichen Zuständen eines bestimmten Moleküls. Übergänge zwischen verschiedenen inneren Zuständen von Atomen oder Molekülen können in der Regel mit Laserlicht, das auf eine geeignete Frequenz abgestimmt ist, überwunden werden. In diesem Fall ist jedoch ein direkter Übergang nicht möglich, sodass in einem Zwischenschritt ein dritter Zustand dazu verwendet werden muss. „Magnetisch assoziierte Paare und Moleküle im Grundzustand sind sehr unterschiedliche Gebilde”, erklärt Krzysztof Zamarski, der andere Erstautor dieser Arbeit, „und das eine in das andere zu verwandeln, ist wie Stabhochsprung über eine Schlucht. Um dies zu schaffen, muss man den Abstoßpunkt für den Stab finden, ein sehr kleiner Felsenvorsprung, der im Dunkeln kaum zu sehen ist. Die Suche nach einem solchen Punkt ist das Hauptproblem, das auf dem Weg zur Herstellung ultrakalter Moleküle gelöst werden muss.“
Baukasten für Materialstudien
Die Quantenmolekülsynthese kann nur wenige tausend Moleküle auf einmal produzieren, sodass es unwahrscheinlich ist, dass sie die konventionelle Chemie in naher Zukunft ersetzen wird. Sie hat jedoch viele andere spannende Anwendungsmöglichkeiten. Eine der größten Fragen der modernen Physik ist, warum manche Materialien bestimmte exotische Eigenschaften wie Supraleitfähigkeit aufweisen. Diese Phänomene sind aufgrund der großen Anzahl der beteiligten Teilchen theoretisch schwer zu beschreiben, aber auch experimentell schwierig zu untersuchen, da sie auf sehr kleinen Längenskalen auftreten und reale Materialien nie perfekt sind. Hier kommen ultrakalte Gase, insbesondere Molekülgase, ins Spiel. Dank ihres großen elektrischen Dipolmoments interagieren Moleküle, die aus zwei verschiedenen Elementen bestehen, über große Entfernungen miteinander und ahmen so Elektronen in Festkörpersystemen nach. Gleichzeitig ermöglicht ihre niedrige Temperatur, sie mit Laserlicht einzufangen und mit verschiedenen Techniken weiter zu manipulieren. „Das Einfangen von Molekülen in einer Geometrie, die echten Kristallen ähnelt, gibt uns die Möglichkeit, die Quantendynamik, die exotische Materialien auszeichnet, direkt zu beobachten“, sagt Hanns-Christoph Nägerl vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innbruck, „das ist die Idee hinter experimentellen Quantensimulationen.“
Die Forschungsergebnisse wurden in Physical Review Letters veröffentlicht und unter anderem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG und der Europäischen Union finanziell unterstützt.
Publikation: Spectroscopy and ground-state transfer of ultracold bosonic 39K 133Cs molecules. Krzysztof P. Zamarski, Charly Beulenkamp, Yi Zeng, Manuele Landini, and Hanns-Christoph Nägerl. Phys. Rev. Lett. 2025 DOI: 10.1103/gjzh-8dsb
