Ein deutsch-österreichisches Team unter der Leitung der Universität Jena und des Leibniz-HKI mit Beteiligung der Universität Innsbruck zeigte erstmal biochemisch, dass verschiedene Pilzarten auf unterschiedlichen Wegen denselben bewusstseinsverändernden Wirkstoff Psilocybin herstellen.
Bernhard Rupp vom Institut für Theoretische Chemie (Forschungsgruppe Klaus Liedl) an der Universität Innsbruck beschäftigt sich in seiner vom FWF unterstützten kollaborativen Forschung schon seit Längerem mit der Aufklärung der strukturellen Basis der Biosynthese von Psilocybin in Kahlköpfen der Pilzgattung Psilocybe, bekannt unter der Bezeichnung ‚Magic Mushrooms‘. Nun entdeckte das Forschungsteam, dass Risspilze der Gattung Inocybe, die ebenfalls Psilocybin herstellen, für diesen Vorgang ganz andere Enzyme und Reaktionsfolgen nutzen. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht.
„Das ist für uns ein vollkommen überraschendes Ergebnis“, schildert Bernhard Rupp. Die Entdeckung trägt möglicherweise dazu bei, Psilocybin und analoge Substanzen für die Pharmazie künftig auf neuartige Weise in Bioreaktoren zu produzieren, um die klassische chemische Synthese zu umgehen.
Bei Psilocybin handelt es sich um eine Substanz aus den Magic Mushrooms, die der menschliche Körper in Psilocin umwandelt – diese psychoaktive Verbindung kann das Bewusstsein tiefgreifend verändern. „Psilocybin löst aber nicht nur psychedelische Erfahrungen aus, sondern gilt auch als vielversprechender Wirkstoff bei therapieresistenten Depressionen“, erklärt Hoffmeister, Leiter der Forschungsgruppe Pharmazeutische Mikrobiologie an der Universität Jena und dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI).
Zwei Wege, ein Molekül
Die Studie, die im Kontext des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ entstanden ist, zeigt erstmals, dass Pilze die Fähigkeit zur Herstellung von Psilocybin mindestens zweimal unabhängig voneinander entwickelt haben. Während Psilocybe-Arten dafür einen bekannten Enzym-Werkzeugkasten nutzen, bedienen sich Risspilze eines völlig anderen biochemischen Arsenals – und gelangen doch zum gleichen Molekül. Dieser Befund gilt als Beispiel für konvergente Evolution: Unterschiedliche Arten haben ein ähnliches Merkmal unabhängig voneinander hervorgebracht, allerdings sind die ‚Zauberpilze‘ dabei ihre ganz eigenen Wege gegangen. Die molekularen Strukturen dieser neuen Enzyme der Psilocybin-Synthese werden von dem Innsbrucker Team mittels Röntgenkristallographie bestimmt und die detaillierte Funktionsweise auf atomarer Skala aufgeklärt.
Spurensuche im Pilz-Erbgut
Tim Schäfer, Erstautor der Studie und Doktorand in Hoffmeisters Team, erklärt: „Es war, als ob man in zwei unterschiedliche Werkstätten schaut, die aber beide am Ende das gleiche Produkt ausliefern. In den Risspilzen fanden wir ein eigenes Set an Enzymen, die nichts mit denen aus Psilocybe-Kahlköpfen zu tun haben. Trotzdem katalysieren sie die Schritte, die nötig sind, um Psilocybin zu bilden.“
Die Forschenden analysierten die Enzyme im Labor. Proteinmodelle des Innsbrucker Teams bestätigten, dass sich die Reihenfolge der Reaktionen und ihre molekulare Struktur von der in Psilocybe bekannten deutlich unterscheidet. „Hier hat die Natur denselben Wirkstoff tatsächlich zweimal erfunden“, sagt Schäfer.
Warum allerdings zwei so unterschiedliche Pilzgruppen denselben Wirkstoff herstellen, ist nach wie vor offen. „Die wahre Antwort ist: Wir wissen es nicht“, betont Hoffmeister. „Die Natur macht nichts ohne Grund. Es muss also einen Vorteil geben, dass sowohl Risspilze im Wald als auch Psilocybe-Arten auf Dung oder Holzmulch dieses Molekül produzieren – wir kennen ihn nur noch nicht.“
„Ein möglicher Grund könnte darin liegen, dass Psilocybin Fressfeinde abschrecken soll. Schon kleinste Verletzungen lassen Psilocybe-Pilze durch eine chemische Kettenreaktion blau anlaufen, wobei Abbauprodukte des Psilocybins sichtbar werden. Vielleicht ist das Molekül eine Art chemischer Verteidigungsmechanismus“, so Hoffmeister.
Mehr Werkzeuge für die Biotechnologie
Obwohl noch unklar ist, warum verschiedene Pilze am Ende ein und dasselbe Molekül produzieren, ist die Entdeckung dennoch praktisch: „Dadurch, dass wir nun weitere Enzyme kennen, haben wir mehr Werkzeuge in der Kiste für die biotechnologische Herstellung von Psilocybin“, erklärt Hoffmeister.
„Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, Psilocybin für die Pharmazie künftig in Bioreaktoren zu produzieren, ohne dabei auf komplexe chemische Synthesen angewiesen zu sein”, ergänz Schäfer.
Publikation: Schäfer T, Haun F, Rupp B, Hoffmeister D (2025) Dissimilar Reactions and Enzymes for Psilocybin Biosynthesis in Inocybe and Psilocybe Mushrooms. Angewandte Chemie International Edition. https://doi.org/10.1002/anie.202512017
