Fluss in Indien, im Hintergrund schneebedeckte Gebirgskette

Gebirgszug in Himalchal Pradesh, Indien: Das asiatische Hochgebirge ist eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen.

Kli­ma­wan­del: Ber­g­re­gi­o­nen erwär­men sich schnel­ler als Tal­la­gen

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Innsbruck analysierte die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels im Gebirge. Höhengradient, Topografie und Exposition beeinflussen die Entwicklung stark. Im Vergleich zum Flachland zeigen sich eine deutlich stärkere Erwärmung und geringere Niederschlagsmengen.

Im Rahmen der International Mountain Conference in Innsbruck im September 2022 schloss sich ein Team aus internationalen Gebirgsforscher:innen zusammen, um das Phänomen des „höhenabhängigen Klimawandels“ (elevation-dependent climate change, kurz EDCC) zu untersuchen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Reviews Earth & Environment veröffentlicht und beleuchten die klimatischen Veränderungen in Gebirgsregionen zwischen 1980 und 2020.

Im Vergleich zu Tallagen erwärmen sich Gebirgsregionen pro Jahrzehnt um 0,21 °C schneller , wobei die Wissenschaftler:innen mit steigendem Höhengradient eine stärkere Temperaturzunahme verzeichnen. Durch die Erwärmung schmelzen Gletscher rasch ab und Schnee fällt vermehrt als Regen. Aufgrund der geringeren Schneebedeckung wird weniger Sonnenstrahlung zurück in die Atmosphäre reflektiert (Albedo-Effekt). Dies führt zu einer weiteren Erwärmung der Erdoberfläche. Die Gesamtniederschlagsmenge pro Jahr nimmt ab, wodurch es häufiger zu Dürreereignissen kommt. Gleichzeitig lassen sich zunehmend unvorhersehbare Starkniederschläge feststellen, die das Risiko von Naturgefahren erhöhen.

Auswirkungen auf Lebensräume

Die Erwärmung in Gebirgsregionen führt zu deutlichen Veränderungen in Gebirgsökosystemen: „Tiere und Pflanzen ‚wandern‘ in höhere Lagen in den Bergen, um kühlere Bedingungen vorzufinden. Irgendwann erreichen sie jedoch die Gipfelregionen und verlieren damit endgültig ihren Lebensraum“, betont Hauptautor Nick Pepin, Klimawissenschaftler an der Universität Portsmouth.

Die deutlich schneller voranschreitende Erwärmung von Gebirgsregionen hat auch gravierende Folgen für die Menschen: Allein das Himalayagebirge versorgt derzeit mehr als eine Milliarde Menschen mit Wasser. Das rasante Abschmelzen des Eises sorgt für ein häufigeres Auftreten von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Murenabgängen und führt in weiterer Folge zu Wasserknappheit. Neben den Rocky Mountains ist das asiatische Hochgebirge am stärksten vom Wandel betroffen.

Kleinräumige Untersuchungen

Die Arbeit verdeutlicht, dass Klimavariablen und ihre Rückkoppelungen je nach Gebirge stark variieren. „Selbst innerhalb einzelner Regionen zeigen sich deutliche Unterschiede, etwa in Abhängigkeit von Exposition oder Topografie“, erläutert Lorenz Hänchen, Co-Autor und Postdoc am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck. „Wir sehen auch, dass Bergregionen im Netzwerk globaler Wetterstationen oft noch unterrepräsentiert sind und dass Modelle die physikalischen Besonderheiten häufig nur unzureichend abbilden.“

Die Wissenschaftler:innen betonen, dass ein erheblicher Forschungsbedarf besteht. Um regionale und lokale Risiken besser bewerten und zukünftige Entwicklungen fundierter modellieren zu können. „Beispielsweise bieten hier Satelliten-Fernerkundungen zusätzliche Möglichkeiten, die bisher jedoch kaum für die Analyse dieser Thematik ausgeschöpft wurden“, schildert Hänchen. „Die Optimierung von Computermodellen ist insbesondere im Hinblick auf ein verbessertes Frühwarnsystem für Naturgefahren in betroffenen Bergregionen eine positive Entwicklung“, sagt Emily Potter, Atmosphärenwissenschaftlerin an der Universität Sheffield und ehemalige Projektmitarbeiterin der Uni Innsbruck.

Risikominimierung: Politik gefragt

Die Arbeit verdeutlicht die Dringlichkeit wirksamer Maßnahmen im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung, insbesondere in Regionen, die stark vom Schmelzen von Schnee und Eis sowie von zunehmenden Starkniederschlägen betroffen sind. „Eine unzureichende politische Reaktion verschärft bestehende Risiken, gefährdet die Wasserversorgung großer Bevölkerungsgruppen und setzt wertvolle Ökosysteme stark unter Druck. Unsere Arbeit zeigt, dass der Klimawandel in Bergregionen bereits heute gravierender ist und entschlossenes Handeln daher notwendiger denn je ist”, betont Lorenz Hänchen.

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