Quantenteilchen in einem eindimensionalen Gas
Innsbrucker Physiker beobachteten die überraschende Oszillationsbewegung eines Quantenteilchens durch ein eindimensionales Gas.

Newton auf den Kopf gestellt

In der Quantenwelt bewegen sich Objekte nicht immer so, wie wir es im Alltag gewohnt sind. Innsbrucker Experimentalphysiker um Hanns-Christoph Nägerl haben gemeinsam mit Theoretikern in Paris, Cambridge und an der TU München ein Quantenteilchen beobachtet, das sich in einer Oszillationsbewegung durch ein eindimensionales Gas bewegt. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift Science.

Ein vom Baum fallender Apfel soll Isaac Newton zu jener Theorie inspiriert haben, die die Bewegung eines Objekts beschreibt. Die Newtonschen Gesetze besagen, dass ein sich bewegendes Objekt sich gerade weiterbewegt, bis eine äußere Kraft die Bahn verändert. Die Bedeutung dieser Bewegungsgesetze ist allgegenwärtig und reicht vom Fallschirmspringer im Schwerefeld der Erde über das Gefühl der Trägheit in einem beschleunigenden Flugzeug bis zu den Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne.
In der Quantenwelt hingegen stößt dieses Alltagsverständnis von Bewegung an Grenzen und scheitert manchmal überhaupt. „Oder können Sie sich eine Glasmurmel vorstellen, die sich durch eine Flüssigkeit auf und ab bewegt anstatt einfach runter zu fallen“, fragt Hanns-Christoph Nägerl vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Sein Team hat gemeinsam mit Theoretikern in München, Paris und Cambridge ein Quantenteilchen entdeckt, das genau dieses Verhalten zeigt. Grundlage der überraschenden Beobachtung ist die sogenannte Quanteninterferenz, jene Gesetzmäßigkeit der Quantenmechanik, wonach Teilchen sich wie Wellen verhalten, die sich aufsummieren oder auslöschen können.

Nahe am absoluten Nullpunkt

Um das Teilchen oszillieren zu sehen, haben die Forscher ein Gas aus Cäsiumatomen fast bis auf den absoluten Nullpunkt gekühlt und in sehr dünne Röhrchen gesperrt, die mit Laserstrahlen erzeugt wurden. Durch einen speziellen Trick wurden die Atome dazu gebracht, stark miteinander zu wechselwirken. Unter diesen extremen Bedingungen bilden die Teilchen eine Art Quantenflüssigkeit, deren Bewegung nur entlang der Röhrchen möglich ist. Die Physiker beschleunigten dann ein weiteres Atom in einem anderen Spinzustand durch das Gas. Dabei beobachteten sie, wie die Quantenwelle dieses Atoms von den anderen Atomen gestreut und wieder zurückreflektiert wurde. Dies erzeugte die verblüffende Oszillationsbewegung, die im Gegensatz zu dem steht, was eine Murmel macht, wenn sie ins Wasser fällt. Das Experiment zeigt, dass Newtons Gesetze in der Quantenwelt nicht uneingeschränkt gelten.

Kristallines Verhalten von Quantenflüssigkeiten

Die Tatsache, dass Quantenwellen in bestimmte Richtungen reflektiert werden können, ist nicht neu. So ist zum Beispiel bekannt, dass Elektronen im Kristallgitter eines Festkörpers reflektiert werden, was als Bragg-Streuung bezeichnet wird. Im Innsbrucker Experiment war allerdings kein Kristall vorhanden. Es war vielmehr das atomare Gas selbst, das eine Art versteckte Ordnung darstellte, was Physiker als Korrelationen bezeichnen. Die nun in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Arbeit zeigt, wie diese Korrelationen in Verbindung mit der Wellen-Natur von Materie die Bewegung von Teilchen in der Quantenwelt bestimmen und zu neuen Phänomenen führen, die auf den ersten Blick unserer Intuition widersprechen.

Die Eigentümlichkeit der Quantenmechanik zu verstehen, kann auch für breitere Anwendungen interessant sein und zum Beispiel dabei helfen, grundlegende Mechanismen in elektronischen Bauteilen oder sogar Transportprozesse in komplexen biologischen Systemen besser zu verstehen. 

Diese Forschungen wurden unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und dem europäischen Wissenschaftsrat ERC und dem TUM Institute for Advanced Study finanziell unterstützt.

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