Der Architekt Franz Baumann (1892-1974)
Fokus auf Werk und Wirkung in der Zeit des Nationalsozialismus in Tirol
Masterarbeit von Meike Hermann
Betreuerin: Dr. phil. Hilde Strobl
Der Architekt Franz Baumann zählt zu den bedeutendsten Vertretern des modernen Bauens der Zwischenkriegszeit in Tirol. Wie kein anderer seiner Zeit prägte er durch die drei ikonischen Stationsbauten der Nordkettenbahn das Bild eines modernen und fortschritts- und technikorientierten Tirols am Puls der Zeit – ohne auf Regionalismen im Material- und Formenrepertoire zu verzichten. Mehrfach konkurrierte Baumann bei Wettbewerben mit Innsbrucker Architektenkollegen wie z.B. Wilhelm Stigler oder Sigfried Mazagg sowie mit international erfolgreichen Kollegen wie Lois Welzenbacher und Clemens Holzmeister – und nicht selten entschied er den ersten Preis für sich. Verschiedene Forschungen zeigen den erfolgreichen und stilsicheren Architekt Baumann. Gerne wird sein Frühwerk mit dem Begriff der autochthonen Architektur in Verbindung gebracht.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Baumanns Bautätigkeit während der Jahre des Nationalsozialismus bislang kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung geworden ist. Bettina Schlorhaufer, Horst Hambrusch und Joachim Moroder legten mit der Publikation „Franz Baumann. Architekt der Tiroler Moderne“ (Innsbruck 1998) ein kommentiertes Werkverzeichnis vor, das sich umfassend mit Baumanns architektonischem Schaffen und seinem Zugang zum modernen Bauen auseinandersetzt. Die Zeitspanne von 1938 bis 1945 wird hierbei jedoch weitgehend ausgeklammert. Fragen nach Baumanns Tätigkeit während der Zeit des Nationalsozialismus und seinen möglichen Verflechtungen innerhalb des NS-Apparats in Tirol bleiben weitgehend unbeantwortet.
Im Jahr der Machtübernahme in Tirol 1938 waren in Innsbruck lediglich 17 freiberufliche Architekten registriert, unter ihnen bekannte Namen wie Wilhelm Stigler, Hans Feßler, Viktor Stanger, Richard Dagostin, Karl Alfred Matuella und Franz Baumann. Bisher liegt zu keinem dieser Architekten eine vollständige und transparente Forschung zu ihrer Bautätigkeit während des Nationalsozialismus vor. Lediglich zum größten NS-Bau in Innsbruck liegt eine Publikation von Hilde Strobl und Christian Mathies „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“ (Innsbruck 2021) vor. Obwohl sich die Publikation auf die Geschichte des Landhauses konzentriert, bietet diese auch einen kurzen Überblick über die Architekturszene in Innsbruck nach 1938. Dabei werden die weiteren Teilnehmer des Architekturwettbewerbs für den Erweiterungsbau, unter anderem auch Franz Baumann, vorgestellt und die Architekturszene im Kontext öffentlicher Aufträge und ausgeschriebener Wettbewerbe eingeordnet.1
Gründe für das Fehlen einer wissenschaftlichen Aufarbeitung im Falle Baumanns mögen an einer lange Zeit vorherrschenden Distanz gegenüber NS-Themen liegen – die Tiroler Helden der Architekturgeschichte sollten zunächst grundlegend bearbeitet und nicht sofort vom Sockel gestoßen werden. Der Nachlass Franz Baumanns liegt für Wissenschaft zugänglich im Archiv für Bau.Kunst.Geschichte – mangelnde Dokumentenlage behinderten ausreichende Forschung demnach nicht.
Die sich in Arbeit befindende Masterarbeit versteht sich vor diesem Hintergrund als ein Beitrag zur historischen Rekonstruktion und kritischen Kontextualisierung der architektonischen Praxis im nationalsozialistischen Tirol – und damit auch zur Auseinandersetzung mit dem Werk Franz Baumanns in dieser Zeit.
Vor diesem Hintergrund verfolgt die Masterarbeit das Ziel, einen vollständigen Werkbericht von Franz Baumann für die Zeit des Nationalsozialismus zu erstellen. Durch die bisher durchgeführten Recherchen konnten bereits 40 Projekte erfasst werden, die Baumanns Bautätigkeit während des Nationalsozialismus belegen.
Im Fokus der Arbeit liegen zwei große Wettbewerbe an denen Baumann 1938 teilnahm: der Wettbewerb zum „Erweiterungsbau Landhaus“, sowie der Wettbewerb zum Bau eins „KdF-Hotels am Natterer See“. Darüber hinaus werden im Werkbericht unter anderem ein Schulbau in Imst aus dem Jahr 1940, Wohnbauten für die Neue Heimat Tirol sowie zahlreiche kleinere Umbauten für die NSV Innsbruck erwähnt. Aber auch öffentliche Aufträge finden Berücksichtigung, wie etwa die Dekorationsarbeiten der Stadt Innsbruck anlässlich des Hitlerbesuchs am 5. und 6. April 1938 oder auch eine Ausstellung zu „Hitlers Straßen“ im Herbst 1937, die Baumann durch Eigeninitiative in Innsbruck organisierte, kommen zur Sprache.
Es wird untersucht, inwieweit sich Baumann in seinen Entwürfen an die NS-Bautypologie anpasste und das gängige NS-Vokabular übernahm oder ob stattdessen seine eigene architektonische Handschrift überwog.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf Baumanns Vernetzung innerhalb der NSDAP, sowie auf seinen Verbindungen nach Berlin. Bereits 1933 war Baumann – noch vor dem Verbot der Partei – kurzzeitig Mitglied der NSDAP und trat ihr 1938 erneut bei.2 Durch den 1. Preis beim Wettbewerb für das KdF-Hotel am Natterer See, das von der Deutschen Arbeitsfront in Berlin betreut wurde, pflegte Baumann enge Kontakte zur Bauabteilung der Deutschen Arbeitsfront. Im Zuge dieses Projekts unternahm er außerdem zwei Reisen nach Berlin, was besonders bemerkenswert ist, da enge Kontakte nach Berlin für einen Architekten aus der Ostmark außergewöhnlich waren.3
Im Nachlass Baumanns wurde zudem ein Schriftverkehr mit Albert Speer gefunden. Speer war nicht nur mit dem neugeschaffenen Amt eines „Generalbauinspektors für die Neugestaltung der Reichshauptstadt“ in Berlin dem „Führer“ direkt unterstellt, sondern hatte auch politische Ämter inne. In Speers Funktion als Rüstungsminister war er mitverantwortlich für die Ausbeutung von KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen und den Ausbau deutscher Kriegswirtschaft.4 Besonders relevant dabei ist, dass Baumann 1967 erneut Kontakt zu Speer aufnahm, nachdem dieser seine 20-jährige Haftstrafe als Hauptkriegsverbrecher in Berlin-Spandau verbüßt hatte.
In der wissenschaftlichen Analyse sollen geschichtliche Zusammenhänge, die gesamte Korrespondenz Baumanns und dessen Bautätigkeit im Nationalsozialismus untersucht werden. Die Forschung soll damit einen wissenschaftlichen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Bauten und zur Rolle der Architekten im NS-Regime leisten. Die bislang vorliegenden Ergebnisse sind weit davon entfernt, das Bild eines passiven Mitläufers zu zeichnen. Franz Baumann nahm eine aktive Position ein, um sich in den NS-Hierarchien entsprechend zu positionieren und sich Vorteile zu verschaffen.
1 Vgl. Strobl/ Mathies 2021, S. 53 ff.
2 Meldeblatt Franz Baumann, 26.3.1946. StAI, Registrierungsakten Franz Baumann, Ordner 12/Zl.158.
3 Spesenrechnung vom 10.7.1939 bezüglich Baumanns Reise von Innsbruck nach Berlin am 3.3 bis 7.3.1939. AfBKG, NL Franz Baumann, B101.
4 Vgl. Tesch 2015, S.5.


