Die Weltbevölkerung wächst ständig, und mit ihr die Städte und Ortschaften. Dabei werden Grünflächen und echte Natur zunehmend knapp und die Beton-Wüste nimmt überhand. Das bringt viele Herausforderungen für die Vögel in unseren Städten mit sich: Durch die Lichtverschmutzung verändert sich ihr Tagesrhythmus und manche Arten wie die Amsel beginnen bereits viel früher am Tag zu singen. Zudem behindert der ständige Lärm von Baustellen, Verkehr und Freizeitaktivitäten die Kommunikation der Tiere untereinander. Doch Menschen sind nicht die einzigen Bewohner der Städte: Ihre vierbeinigen Gefährten, vor allem die Hauskatzen, haben es oftmals auf die Singvögel in den Stadtparks abgesehen.
Trotzdem birgt das Leben in der (Groß-)Stadt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Der größte Vorteil ist das zu jeder Jahreszeit hohe Futterangebot durch menschliche Abfälle und Gartenpflanzen aus aller Welt. Außerdem ist es durch den sogenannte Wärmeinsel-Effekt in Siedlungen meist ein paar Grad wärmer als im Umland. Das hat zur Folge, dass manche Zugvögel mittlerweile die nächstgelegene Großstadt ihrem üblichen Winterhabitat im Süden vorziehen.
Wie man in der Stadt überlebt
Die meisten Vögel, die in Städten zu finden sind, sind omnivor, sie nutzen also verschiedene Nahrungsressourcen, anstatt sich auf eine zu spezialisieren. Dadurch können sie sich gut an das verfügbare Nahrungsangebot anpassen. Weil es viele zusätzliche Prädatoren in Form von Hauskatzen, und zudem wenig schützende Vegetation gibt, beschränken sich die verfügbaren Brutplätze auf hohe Sträucher, Bäume und Hausfassaden. Zusätzlich werden die verfügbaren Grünflächen häufig gemäht und von Menschen und ihren Haustieren betreten. Typische Bodenbrüter wie Rebhuhn, Feldlerche oder Braunkehlchen sind daher in urbanen Gebieten kaum anzutreffen. Dieses „Aussortieren“ bestimmter Arten wird auch als Filtereffekt bezeichnet.
Das Team von urbanbird um Lyanne Brouwner beobachtete, dass Haussperlinge an Futterstellen in der Stadt weniger effizient Nahrung aufnehmen, als an solchen auf dem Land. Daraus schlossen sie, dass Stadtvögel stärker auf Gefahren in ihrer Umgebung achten müssen und sich dadurch weniger auf die Nahrungsaufnahme konzentrieren können. Zudem sind Stadtvögel häufig etwas leichter, denn sie müssen weniger Reserven für schlechte Zeiten anlegen.
Des Weiteren müssen manche Vögel in Städten ihren Gesang anpassen, Nachtigallen singen etwa lauter, um gegen den Lärm anzukommen. Amseln dagegen singen höher, womöglich um sich besser gegen die tieffrequenten Straßengeräusche abzuheben.
Warum Ökolog:innen Stadtvögel untersuchen
Die Urbanisierung schreitet auf allen Kontinenten stetig voran, daher ist es wichtig zu erfahren, wie Wildtiere darauf reagieren und wie sich der Verlust der Artenvielfalt minimieren lässt. Die Vielfalt an Vögeln in einem Habitat ist zudem oft ein gutes Maß für die gesamte Diversität der Tier- und Pflanzenwelt. Denn Vögel sind häufig weit oben in der Nahrungskette angesiedelt und von einer Reihe anderer Organismen abhängig. Durch das Beobachten von Städten bewohnenden Vögeln können wir einiges über die Flexibilität ihres Verhaltens lernen, etwa wenn sie ihren Gesang oder ihr Fress- und Zugverhalten anpassen. In manchen Fällen können wir möglicherweise sogar schon Anpassungen auf evolutionärer Ebene beobachten. Dafür sind jedoch weitere Studien nötig.
Zuletzt ist das Wissen über die Bedürfnisse und das Verhalten der Tiere, mit denen wir uns die Städte teilen, unerlässlich um diese bei der Städteplanung zu berücksichtigen. Denn: wenn die unberührte Natur immer weniger wird, muss Naturschutz direkt im Siedlungsraum ansetzen. Nur wenn wir Rücksicht auf andere Organismen nehmen, ist auf lange Sicht ein positives Miteinander mit all den Arten möglich, von denen wir Menschen direkt oder indirekt abhängen.
Was tun, um die gefiederten Städter zu unterstützen
Wer Vögel bei sich im Garten oder auf dem Balkon unterstützen möchte, denkt vermutlich direkt an Nistkästen und Futterstellen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Am besten setzt man bereits bei der Bepflanzung der Gartenfläche an: Möglichst viele verschiedene heimische Arten bieten Insekten ein Zuhause, welche wiederum als Nahrungsquelle für Vögel dienen. Wer genügend Platz hat, kann mit einer Hecke aus heimischen Wildsträuchern nicht nur eine schöne Grundstücksbegrenzung schaffen, sondern auch zahlreiche Nistplätze für Vögel. Vor allem Arten wie die Mönchsgrasmücke, die sich von Früchten ernähren, profitieren von Holunder, Vogelkirsche oder Weißdorn. Will man Nistkästen aufhängen, so empfiehlt es sich, darauf zu achten, welche Arten diese ansprechen. Von den meisten Kästen profitieren nur wenige Arten wie Blaumeise und Kohlmeise, die ohnehin zahlreich in den Städten vertreten sind. Tipps zur Auswahl und Anbringung der Nistkästen findet man beispielsweise auf vivara.de oder bei der deutschen Wildtierstiftung. Ebenso sollte beim Füttern auf die Qualität des Futters geachtet werden. Keinesfalls sollten Brot oder Speisereste verfüttert werden, da diese die Gesundheit der Tiere gefährden können.
(Linnea Betz/Red.)

