Am 11. März 2011 verursachte ein Erdbeben der Stärke 9,1 auf der Momenten-Magnituden-Skala einen gewaltigen Tsunami an der Pazifikküste Japans. Japan hatte sich zwar auf die Möglichkeit eines Tsunamis vorbereitet und entlang der Küste Schutzmauern errichtet, doch das Ausmaß der Welle überstieg alle Erwartungen bei weitem. Daher sind bis heute viele Fragen rund um das Tohoku-oki-Erdbeben nicht beantwortet und Gegenstand zahlreicher internationaler Forschungsprojekte.
Japan ist erdbebengefährdet, weil es an einer sogenannten Subduktionszone liegt, wo sich – vereinfacht gesprochen – die Pazifische Platte unter Japan schiebt. An der Grenze zwischen der Pazifischen Platte und Japan baut sich Reibung auf, die die Bewegung der Pazifischen Platte hemmt. Erdbeben entstehen, wenn diese Reibung überwunden wird und die Gesteinsmassen auf beiden Seiten der Verwerfung plötzlich aneinander vorbeigleiten. „Wir wissen zwar, dass in Subduktionszonen die größten Erdbeben der Welt entstehen können, das heißt aber noch nicht automatisch, dass sie auch Tsunamis dieser Dimension verursachen“, sagt Jamie Kirkpatrick, Leitautor der Studie von der University of Nevada, Reno.
Bohrungen im Japangraben
Um das geologische Gesamtbild besser zu verstehen und die Ursache des Tsunamis zu untersuchen, nahm ein internationales Forscher:innen-Team Ende 2024 an der Expedition 405 „Tracking Tsunamigenic Slip Across the Japan Trench“ (JTRACK) teil: Das International Ocean Discovery Program (IODP) ist das weltweit bedeutendste Großforschungsprogramm für wissenschaftliche Tiefseebohrungen. Die Expedition wurde von JAMSTEC, der japanischen Organisation für Meeres- und Erdsystemforschung, mit dem hochmodernen Forschungsschiff Chikyu durchgeführt. „Die Bohrkerne haben uns gezeigt, wie außergewöhnlich komplex die Struktur der Plattengrenze ist. Schon kleine Unterschiede in der Zusammensetzung können darüber entscheiden, wie leicht oder wie ruckartig sich die Gesteine während eines Erdbebens aneinander vorbeibewegen.“, sagt Charlotte Pizer. Die Geologin ist Teil der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie unter der Leitung von Prof. Michael Strasser. Ungewöhnlich für ein Erdbeben in einer Subduktionszone war, dass das Beben von 2011 den Meeresboden durchbrach und den Meeresboden um rund 50 Meter nach Osten verschob: Das bedeutet mehr als doppelt so viel wie jene Verschiebung in tieferen Bereichen, in denen das Erdbeben seinen Ursprung hatte. „Es war die größte bisher bei einem Erdbeben beobachtete Verschiebung und trug aufgrund ihrer Lokalisation maßgeblich zur enormen Größe des Tsunamis bei“, sagt Kirkpatrick.
Die gewonnenen Bohrkerne zeigten, dass die tektonischen Platten an der Plattengrenze durch eine dünne Schicht aus sehr schwachem, gleitfähigem Ton getrennt sind. Als das Erdbeben die Reibung zwischen den Platten löste, bot diese Schicht nur wenig Widerstand, sodass die Platten leicht aneinander vorbeiglitten. „Diese schwache Tonschicht könnte entscheidend dafür sein, dass an dieser Stelle so große Verschiebungen möglich sind. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, warum der Japan-Graben für besonders mächtige Tsunamis anfällig sein könnte“, ergänzt die Geologin Pizer. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass zukünftige große Erdbeben in dieser Region potenziell ebenfalls gewaltige Tsunamis erzeugen könnten. Die Erkenntnisse liefern wichtige geologische Grundlagen, um das potenzielle Ausmaß von Tsunamis entlang der japanischen Küste künftig präziser einschätzen zu können.
Publikation:
J. D. Kirkpatrick et al.: Extreme plate boundary localization promotes shallow earthquake slip at the Japan Trench. Science (2025) DOI:10.1126/science.ady0234


