Bei der „Hohen Birga“ handelt es sich um einen kleinen bewaldeten Hügel nördlich von Birgitz im westlichen Mittelgebirge bei Innsbruck. Bereits 1938 konnte der Archäologe Oswald Menghin auf der Kuppe des Hügels ein erstes langgezogenes Gebäude mit mehreren Räumen, das sog. Haus I freilegen, das von ihm aufgrund seiner Größe von 23 m Länge und 8 m Breite und seiner prominenten Lage auch dem Geist der Zeit entsprechend umgehend als „Haus des Häuptlings“ gedeutet wurde. Eine Weiterführung der ursprünglich für mehrere Jahre geplanten Ausgrabungen verhinderte der ausbrechende Zweite Weltkrieg.
Seit einige Jahren finden neue archäologische Ausgrabungen durch das Institut für Archäologien der Universität Innsbruck statt. Dabei wurde bereits eine Reihe von Gebäuden freigelegt, die in den künstlich terrassierten Hang eingetieft waren. „Kennzeichnend für diese Gebäude sind aus großen Steinen in Trockenbauweise errichteten und mit monumentalen Steinplatten abgedeckten gewinkelten Korridore, durch die die Häuser betreten werden konnten“ berichtet Florian Müller, der Leiter der Ausgrabungen. Über den Gang gelangte man in die eigentlichen Innenräume, in welchen auf niedrigen flachen Steinmauern die Wände ursprünglich aus Holz errichtet worden waren.
„Häuptlingshaus“ von 1938 untersucht
Im Sommer 2025 wurde im Rahmen einer archäologischen Lehrgrabung unter tatkräftiger Unterstützung zahlreicher Studierender das Hauptaugenmerk auf den Bereich der historischen Ausgrabungen von 1938 gelegt und der Ostteil des Hauses I erneut untersucht um die Arbeiten anhand der z.T. noch erhalten Grabungsdokumentation, also den alten Grabungstagebüchern, handgezeichneten Plänen sowie Fotos zu überprüfen. „Ziel ist es durch gezielte Nachschau einen größtmöglichen Nutzen und Erkenntnisgewinn aus den alten Unterlagen zu ziehen und diese in Kombination mit den Ergebnissen der neueren Grabungen somit auch für moderne Forschungen wieder nutzbar zu machen“ berichtet Müller. Da die Größe und der eigenartige Grundriss des Hauses Fragen aufwarfen, sollten aber auch bislang noch nicht freigelegte Gebäudeteile aufgespürt werden. Im nördlichsten Raum fand sich dabei auf dem Lehmfußboden eine runde, aus flachen Steinen errichtete Herdstelle. Zudem konnten an der neu entdeckten Nord- und Ostmauer zahlreiche verkohlte Balken der ursprünglichen Wände zum Teil noch in Originallage gefunden, dokumentiert und geborgen werden. Alles spricht daher dafür, dass das Gebäude im Zuge eines Brandes, möglicherweise im Zuge der römischen Eroberung des Alpenraumes zerstört worden war.
Zudem stellte sich heraus, dass es sich gar nicht wie von Oswald Menghin angenommen um ein sehr großes langgezogenes Gebäude, sondern um mehrere kleinere Häuser jeweils mit den bereits bekannten Zugangskorridoren handelt. Somit zeigt sich auf der obersten Terrasse der „Hohen Birga“ eine sehr dichte Bebauung mit von Ost nach West bislang vier bis fünf eng nebeneinanderliegenden Gebäuden. „Mit einheitlicher Frontausrichtung und Eingängen zur Sonnenseite nach Süden kann man sich auch aufgrund der ursprünglichen aufgehenden Wände und Dächer aus Holz ein fast chaletdorfartiges Aussehen vorstellen.“
Kultur der Räter
Die „Hohe Birga“ wurde in der Eisenzeit von den Rätern bewohnt. Ihr Siedlungsgebiet war seit dem Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr. der Alpenraum vom Unterengadin im Westen über Nordtirol und Teile Oberbayerns bis nach Osttirol im Osten und umfasste im Süden die Regionen Südtirol und Trentino bis zum Gardasee. Ihre Siedlungen – zumeist kleine weilerartige Dörfer, aber auch Einzelhöfe – lagen im Talbodenbereich oder auf natürlich geschützten Kuppen. Die Siedlung auf der „Hohen Birga“, die zu den bislang größten der damaligen Zeit in Nordtirol gezählt werden kann, dürfte nach fast 300 Jahren Bestehens wohl mit der Eroberung und militärischen Besatzung Nordtirols durch die Römer 15 v.Chr. ihr rasches Ende gefunden haben.
Rekonstruktionen im Archäologischen Freigelände
Neben den archäologischen Ausgrabungen wurde auch in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde Birgitz und dem lokalen Verein Archäotop Hohe Birga an der weiteren Ausgestaltung des archäologischen Freigeländes auf der „Hohen Birga“ gearbeitet. Von dem halben Dutzend freigelegter Gebäude wurden mittlerweile zwei konserviert. Die beeindruckenden gewinkelten Korridore, die aus massiven, in Trockenbauweise errichteten Mauern bestanden, können im Original bestaunt werden. Die ursprünglich aus Holz errichteten Inneinbauten wurden rekonstruiert und alles mit Schutzbauten überdacht. Dadurch soll Besucherinnen und Besuchern ein grundlegender Eindruck von Architektur; Bautechnik und schlussendlich Lebensweise der Menschen in der Eisenzeit ermöglicht werden. Im kleinen Rätermuseum in Birgitz werden zudem die zahlreichen Funde präsentiert.
(Florian M. Müller)





